Dass es zwischen Studierendenparlament (StuPa) und Allgemeinem Studierendenauschuss (AStA) gelegentlich Meinungsverschiedenheiten geben kann, ist kein Geheimnis und durchaus gewollt. Die gestrige AStA-Sitzung aber lieferte nun gehörigen Zündstoff für die heutige Parlamentssitzung, die vermutlich letzte in diesem Semester.

Was war geschehen?

Am 8. Juni 2009 fasste der AStA in seiner regulären Sitzung folgenden Beschluss:

Der Allgemeine Studierendenausschuss bekennt sich zu den studentischen Vereinen GrIStuF e.V. und StuThe e.V., die zur kulturellen Vielfalt und Pflege der überregionalen und internationalen Studierendenbeziehungen beitragen. Einer Weiterentwicklung und einem Ausbau des Angebots der beiden Vereine steht der Allgemeine Studierendenausschuss wohlwollend gegenüber, insbesondere was das Engagement für den Ausbau der Stralsunder Straße 10 als gemeinsames Domizil angeht. Der AStA unterstützt die Entwicklung des Hauses als kulturelle Alternative in Greifswald im Rahmen seiner satzungsgemäßen Möglichkeiten.

Was auf den externen Betrachter zunächst wie eine selbstverständliche Plattitüde wirken könnte, entwickelte in den vergangenen Wochen jedoch eine ungeahnte diplomatische Sprengkraft. Der konkrete Inhalt des Beschlusses spielte dabei kaum eine Rolle. Vielmehr stellte sich erneut die Frage, inwieweit der AStA sich gesellschaftlich und politisch positionieren darf. Laut Satzung ist das Studierendenparlament für jedwede grundsätzliche Positionierung der Studierendenschaft zuständig. Zwar vertritt der AStA die Studierendenschaft nach außen, grundsätzliche Ausrichtungen der Studierendenschaft darf er jedoch nicht einmal in Vertretung des Parlaments beschließen.

“Der AStA hat den Willen des Parlaments umzusetzen

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StuPa-Präsident Korbinian Geiger

Allein diese Tatsache bot nun erste Möglichkeiten anzuecken. StuPa-Präsident Korbinian Geiger sah in dem „Bekenntnis” des AStA, gekoppelt mit dessen Außenvertretung der Studierendenschaft, eine solche grundsätzliche Ausrichtung und damit einen Widerspruch zur Satzung. Er forderte die Referenten auf, den Beschluss rückgängig zu machen. Als der AStA das allerdings ablehnte und erklärte, man habe diesen Beschluss lediglich als AStA gefasst – nicht in Vertretung der Studierendenschaft sondern als eigenständiges Gremium – trug Korbinian das Thema ins Parlament. Das wiederum teilte mehrheitlich die Ansicht des Präsidenten und wies die Referenten an, ihren Beschluss zurückzunehmen.

Korbinian Geiger erklärte uns: „Das StuPa könnte theoretisch auch beschließen, dass der AStA satzungskonforme Beschlüsse aufzuheben hat, wenn das StuPa anderer Meinung ist. Nach §9 der Satzung hat der AStA die Beschlüsse auszuführen. Der Streit, ob der AStA seine Kompetenzen gewahrt hat, ist daher mittlerweile irrelevant. Der AStA ist das Exekutivorgan, dass den Willen des StuPas umzusetzen hat.”

Doch noch immer war man im Allgemeinen Studierendenauschuss nicht Willens, sich dem Druck des Parlaments zu beugen. Um zu verhindern, dass man sich auf der öffentlichen AStA-Sitzung mit dem Thema beschäftigen muss, wurde es zunächst gar nicht auf die gestrige Agenda gesetzt. Als der StuPa-Präsident intervenierte und einen neuen TOP einbrachte, wurde die Tagesordnung von der Mehrheit der Referenten abgelehnt und damit die Sitzung beendet.

Der Vernunft folgend aber beschloss man nach einer längeren Beratungspause die Möglichkeiten der Geschäftsordnung zu nutzen und eine „Spontansitzung” einzuberufen. Nun wurde der TOP tatsächlich angenommen. Allerdings versuchte die Vorsitzende Scarlett Faisst vehement eine Abstimmung über das Thema zu verhindern. Als es schließlich doch dazu kam, wurde geheim abgestimmt. Ergebnis: Die klare Mehrheit der Referenten sprach sich dagegen aus, den Beschluss zurückzunehmen.

Auch wenn die anwesenden Parlamentarier (die als Gäste kein Stimmrecht hatten) ruhig blieben, so war doch spürbar wie verärgert man war. Der StuPa-Präsident erklärte er werde darüber nachdenken, die „Verweigerung des AStA” mit einer Personaldebatte um die Vorsitzende zu beantworten. Diese steht mittlerweile auf der heutigen Tagesordnung.

AStA-Vorsitzende: “Wir haben eine andere Auffassung”

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AStA-Vorsitzende Scarlett Faisst

Naturgemäß sieht die AStA-Vorsitzende die Sachlage etwas anders und erklärte gegenüber dem webMoritz: „Direkt als Korbinian verlangte, dass wir den Beschluss aufheben, haben wir uns zusammengesetzt und sind zu einer anderen Auffassung gekommen. (…) Wir haben den Beschluss als AStA gefasst, nicht in Vertretung des Studierendenparlaments. Das ist keine grundsätzliche Ausrichtung der Studierendenschaft. (…)Wir wollten die Sachlage zunächst von einer juristischen Fachkraft prüfen lassen.”

Über die Umsetzungspflicht der StuPa-Beschlüsse sagte sie: „Ich denke, der AStA ist ein eigenständiges Gremium und wir sind nicht dazu da, stumpf das auszuführen, was uns angetragen wird. Wir sind auch dazu da, das StuPa zu hinterfragen. Die Satzung ist an dieser Stelle nicht so genau. Unsere heutige Ablehnung  ist jedoch vom Landeshochschulgesetz gedeckt und das steht über der Satzung.”

Eins steht fest: Am heutigen Abend wird es eine spannende Parlamentssitzung geben. So kurz vor der vorlesungsfreien Zeit birgt eine Personaldebatte und damit eine eventuelle Abwahl der AStA-Vorsitzenden hohe Risiken. Ganz besonders, wenn – wie hier – offenbar die Mehrheit der Referenten hinter ihr steht.

Die Beteiligten betonen derweil, dass es keine persönlichen Verstimmungen gäbe, schieben sich jedoch gegenseitig die Schuld am Konflikt zu. Scarlett Faisst erklärte uns: „Wir wollten mehr Zeit haben, um die Sachlage prüfen zu lassen. Heute sind wir gezwungen worden, uns zu positionieren. Ich weiß nicht, ob es jetzt noch Möglichkeiten gibt, diesen Streit friedlich beizulegen.” Korbinian Geiger hingegen erklärte: „Mein Eindruck ist, dass der AStA seine Grenzen austesten will und dabei nicht reflektiert, was er hier tut. Den Streit haben wir (Anm. d. Red.: die StuPisten) nicht angezettelt.”

Fotos:

Scarlett Faisst, Korbinian Geiger: Christine Fratzke

Tauziehen (Startseite): toffehoff via flickr