Was war los bei den Gegenversammlungen?

Was war los bei den Gegenversammlungen?

Vielleicht hast du es schon durch diverse Social-Media-Kanäle mitbekommen oder du warst sogar selbst anwesend: Am Montag, den 06. Dezember 2021, kam es zwischen der Europakreuzung und dem Südbahnhof zu Gegenversammlungen gegen den Aufzug des AfD-Kreisverbandes Vorpommern-Greifswald unter deren Motto “Deutschland – aber normal! Impfzwang verhindern! Corona-Wahn stoppen!“. Dort soll auf Seiten der Polizei einiges schiefgelaufen sein. Hier erfährst du Genaueres.

Von 17 bis 21 Uhr waren am vergangenen Montag fünf Gegenversammlungen in Form von Mahnwachen entlang der Aufzugsstrecke der AfD in Greifswald angemeldet. 480 Einsatzkräfte waren dafür in Greifswald laut der Pressemitteilung der Polizeiinspektion Anklam im Polizeieinsatz. Die Pressemitteilung berichtet auch, dass es gegen 20 Uhr zu Widerstandshandlungen gegenüber den Einsatzkräften kam: Eine teilnehmende Person der Gegenversammlung missachtete hierbei die Anweisungen der Polizei. Es folgte ein Ermittlungsverfahren wegen Widerstandes gegen Vollstreckungskräfte. Ein*e andere*r Teilnehmer*in der Gegenversammlung warf eine Banane in Richtung des Aufzuges. Auch hier folgte ein Ermittlungsverfahren, dieses Mal wegen versuchter Körperverletzung. 

Soweit so gut. Aber was soll nun Diskutables an diesem Abend passiert sein? Darüber klärt die Pressemitteilung des Arbeitskreises Kritischer Jurist*innen (AKJ) Greifswald1 vom 07. Dezember auf. Das Wichtigste aus der achtseitigen Pressemitteilung:

Der Zugang zu einzelnen Mahnwachen wurde erschwert. So wurde “die direkte Zufahrt zu den angemeldeten Mahnwachen auf der Hans-Beimler-Straße komplett verhindert”. Außerdem kritisiert der AKJ Greifswald, dass die Kennzeichnungspflicht der Einsatzkräfte “mithilfe von Schlagstöcken, Helmen oder sonstigen Einsatzmitteln, die Nummern verdeckten” vernachlässigt wurde. Zudem wurden kältebedingt “Handschuhe und zur Einhaltung der Hygienevorschriften Masken mitgeführt. Mit beidem wurde in vielen Fällen erfolgreich die Dienstnummer versteckt.“ Es kam des Weiteren zum Einsatz der Videoüberwachung von Versammlungsteilnehmenden und auch Unbeteiligten. Es sind “eine Vielzahl von fragwürdigen Videoaufzeichnungen um das Versammlungsgeschehen aufgefallen”, erklärt der Arbeitskreis in seinem Schreiben.

Einen großen Kritikpunkt stellt der Polizeikessel in der Hans-Beimler-Straße dar. Dort kam es zu einer Sitzblockade, welche die Polizei auflösen wollte. Dabei liefen die Polizist*innen in Richtung Versammlung, entwendeten Fahrräder der Teilnehmenden und schubsten Personen oder drängten diese beiseite. Der AKJ bewertet dieses Vorgehen wie folgt: “[D]er Umgang der Hamburger Polizeibeamt:innen mit der Sitzblockade und ihren Teilnehmer:innen kann nur als gewaltorientiert und versammlungsfeindlich bewertet werden.” Später wurde die Personenmenge von Polizeibeamt*innen eingekesselt, als sie auf die Gehwege der Hans-Beimler-Straße traten, um zur nächsten Mahnwache zu gelangen. Der Grund für dieses Vorgehen der Polizeibeamt*innen? “[D]ie Begründung für diese Maßnahme sei die Gefahrenprognose, es handle sich bei dieser Versammlung um eine Verhinderungsblockade”, macht der AKJ deutlich.

Daneben kam es außerdem zu einer Eskalation auf der Kreuzung Anklamer Str./Brinkstr., nachdem sich etwa zehn Personen zu einer Sitzblockade gebildet hatten. Der AKJ beobachtete: “[Es] wurden einzelne Versammlungsteilnehmer:innen an den Armen gepackt, angeschrien und rabiat weggeschubst. […] Andere Personen wurden hochgehoben und auf den Gehweg geworfen. Dieses Vorgehen der Polizei ist als unverhältnismäßig einzustufen.”

Es gab weitere “Vergehen” der Polizei. Diese könnt ihr hier, vom AKJ zusammengefasst, im Detail durchlesen.

Auch die Grüne Jugend Greifswald, die Jusos Vorpommern-Greifswald und die Linksjugend Greifswald kritisierten den Polizeieinsatz am 06. Dezember und äußerten den Vorwurf, dass die Einsatzkräfte für keine Deeskalation gesorgt hätten. Sie seien Gegendemonstrant*innen aggressiv angegangen, hätten diese angeschrien und/oder weggeschoben. Außerdem hätten die Polizeibeamt*innen nicht auf die missachtete Maskenpflicht bei der AfD-Kundgebung reagiert. Bemängelt wurde auch, dass die Polizei VG in ihrer Pressemitteilung nicht selbstkritisch war.

1Der AKJ Greifswald beschreibt sich auf seiner Homepage wie folgt: “Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen ist eine Vereinigung von Jurastudierenden, welche die sozialen Bezüge des Rechts reflektiert und einen kritischen Umgang mit Recht fördert.” Sie erklären auf ihrer Hompage auch: “Der Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen (AKJ) Greifswald beobachtet seit 2010 öffentliche Versammlungen und dokumentiert, ob die Rechte [der] Demonstrierenden eingehalten werden. Problematisch ist dies etwa bei Protesten gegen Naziaufmärsche oder Castortransporte – was folglich auch das Hauptbetätigungsfeld der AKJ-Demobeobachtung ist.”

Beitragsbilder: Philipp Schulz

Polizeigesetz, Verfassungsklage – und wieder die SPD

Polizeigesetz, Verfassungsklage – und wieder die SPD

Die Landesregierung in M-V zieht mit dem neuen „Sicherheits- und Ordnungsgesetz M-V“ (SOG) weiteren Unmut auf sich. Der Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen informiert am heutigen Abend zusammen mit dem Bündnis „SOGenannte Sicherheit“ über den geplanten Gesetzesentwurf.

Die rot-schwarze Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern um Ministerpräsidentin Manuela Schwesig kommt nicht zur Ruhe. Der Rücktritt von Mathias Brodkorb, Querelen um die Nachfolge der verstorbenen Landtagspräsidentin Bretschneider, mangelnde Führungskompetenz beim sich abzeichnenden Fusion-Debakel und nun auch das drohende SOG M-V.
In der Personalie Bordkorb gab es insbesondere von der Opposition heftige Kritik. So sprach David Wulff (FDP) von einem tiefen Misstrauen innerhalb des roten Teils des Kabinetts. Simone Oldenburg (Die Linke) bemängelt, dass ein „politisches Schwergewicht [und] hochintelligenter Politiker von Bord geht“.

„Es wäre bedauerlich, wenn das Ansehen der ganzen Region wegen mutmaßlicher Profilierungsversuche eines relativ unerfahrenen Polizeipräsidenten Schaden nähme.“

Henry Tesch, Bürgermeister von Mirow

Nebenbei breitet sich die Debatte um das Polizeikonzept zur diesjährigen Fusion über die gesamte Bundesrepublik aus. Sowohl die Anwohner*innen aus den umliegenden Ortschaften als auch aktive und ehemalige Verantwortliche vor Ort klagen an, dass die langjährige, friedliche Zusammenarbeit torpediert und eine Eskalation geradezu provoziert wird. Der ehemalige Leiter der Polizeiinspektion Neubrandenburg Siegfried Stang, welcher bis 2015 für die Fusion zuständig war, wandte sich in einem Brief im Nordkurier an die Öffentlichkeit. „In all den Jahren lief das Festival ruhig und ohne besondere Störungen ab. Die Klientel kann man als besonders friedfertig bezeichnen“, so Stang. „Einiges spricht dafür, dass Herr Hoffmann-Ritterbusch die Angelegenheit […] an sich gezogen hat […], um in der Öffentlichkeit Aufsehen zu erregen und sich zu profilieren.”
In einem geleakten Planungspapier der Polizei war von Bundeswehr, Wasserwerfern und mindestens 1.000 Polizist*nnen, uniformiert und zivil auf dem Platz, die Rede. Diese Pläne scheinen nach aktuellem Stand wieder vom Tisch zu sein, da man dies in Neubrandenburg hastig dementierte. Nebenbei regte das Polizeipräsidium rund um Hoffmann-Ritterbusch eine Bachelorarbeit zu diesem Thema an. So landete das Konzept, mit unzensierten Kontaktdaten und Informationen der Fusion-Verantwortlichen, dann beim ehemaligen AfD-Politiker und jetzt Polizeidozenten Ulf-Theodor Claassen an der FH Güstrow. Dieser setzte 2014 außerhalb seiner Dienstzeit Pfefferspray gegen AfD-Gegner*innen ein, welche mit Konfetti schmissen. Es folgte eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung.
Bundesweit wird tagesaktuell berichtet und immer neue Skandale zu Tage gefördert. Der Kulturkosmos Müritz e.V., verantwortlich für die Fusion, spricht von einem Vertrauensbruch. Sowohl Innenminister Lorenz Caffier (CDU) als auch Ministerpräsidentin Schwesig schweigen, obwohl sie ein Machtwort sprechen könnten. Es zeichnet sich ein Debakel ab, welches die SPD deutlich härter treffen wird als ihren kleinen Partner CDU.

„Das ist so, als ob ein Polizist an Ihrem Haus den vorhandenen Einbruchschutz prüft, Ihnen aber nicht mitteilt, dass die Kellertür defekt ist. Nur für den Fall, dass die Polizei dort selbst einmal rein muss.”

David Wulff über das Nutzen von Sicherheitslücken für staatliche Zugriffe

Dazu kommt nun noch, dass Innenminister Caffier sein neues „Sicherheits- und Ordnungsgesetz“ vorgelegt hat. Die Verschärfung von Polizeigesetzen ist aktuell ein bundesweiter Trend. Peter Ritter (Die Linke) ist noch vorsichtig in seiner Kritik, sieht aber keine Grundlage, warum die aktuellen Befugnisse der Polizei erweitert werden sollten. Die FDP geht mit dem Gesetzesentwurf deutlich härter ins Gericht. Sie sieht einen drastischen Eingriff in die Privatsphäre der Bürger*innen, wenn Polizist*innen Online-Durchsuchungen auf Festplatten und anderen Speichermedien vornehmen können, sowie sich Zugriff auf Smartphones und ähnliche Geräte verschaffen können. David Wulff hat bereits eine Verfassungsbeschwerde angekündigt. Auch die Landesdatenschutzbehörde fällt ein eindeutiges Urteil und stuft den Entwurf als in Teilen verfassungswidrig ein. Die Punkte ließen sich unzählig fortführen.

Aus diesem Grund hat sich das Bündnis „SOGenannte Sicherheit“ gegründet, welches am heutigen Abend um 19 Uhr im Hörsaal 1, Audimax (Rubenowstraße 1) über den kommenden Gesetzesentwurf näher informieren möchte. Veranstaltet wird der Abend vom Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen, stellvertretend für das Bündnis.

Titelbild: Ole Kracht

Jetzt wird´s politisch!

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Noch vor dem Start des “Festivals Contre le racisme” erwarten uns so einige Veranstaltungen zu politisch hochbrisanten Themen. Getreu dem Motto “der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch”, soll bewusst gemacht werden, dass im Herzen Europas Faschismus und Neonazis nicht nur Teil der Vergangenheit sind, sondern bittere Gegenwart.

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