von moritz.magazin | 13.10.2009
Ein großer Mann mit roter Robe und schwarzem Zylinder steht hinter seinem Rednerpult und liest aus einem düsteren Werk vor. „Ich will den Hass gegen die Franzosen, nicht bloß für diesen Krieg, ich will ihn für immer“, schallt es um ein vielfaches verstärkt aus den schwarzen Boxen. „Dieser Hass glühe als die Religion des deutschen Volkes, als ein heiliger Wahn in allen Herzen und erhalte uns immer in unsrer Treue, Redlichkeit und Tapferkeit.“ Um den Redner sammelt sich ein Pulk von Menschen, der ungläubig zuhört. Es sind Zitate aus den Werken Ernst Moritz Arndts, die dort vorgetragen werden. Doch er ist es nicht selbst, der spricht, denn wir befinden uns in der Gegenwart. Wir schreiben den 15. Juni 2009 und die Szene spielt auf dem Vorplatz der Mensa in Greifswald. Es ist der Student Sebastian Jabbusch, der, als Arndt verkleidet, auf die problematischen Texte des Namenspatrons unserer Universität hinweisen möchte. Der Spuk nimmt erst ein Ende, als einige Bürger wegen Volksverhetzung die Polizei rufen. Sie konnten nicht glauben, dass jemand in unserer Demokratie noch solche Reden öffentlich ausruft. Und dennoch trägt die Universität Greifswald bis zum heutigen Tag den Namen des Autors dieser Texte. Doch die Diskussion um den Namenspatron ist bei weitem nicht neu, seit elf Jahren spaltet sie Greifswald in Arndtgegner und Befürworter. (mehr …)
von Carsten Schönebeck | 30.09.2009
Einige Wochen war es etwas ruhiger geworden rund um den Namenspatron der Greifswalder Universität. Bundestagswahlkampf und Semesterferien hatten die Aktivitäten ein Stück weit gebremst. Nun, püntlich zum Semesterstart kommt es zu neuen Entwicklungen.
Was als Gerücht schon länger im Umlauf war, nimmt nun konkrete Formen an: Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) lädt in einer Pressemitteilung zu einem überparteilichen Treffen der Umbenennungs-Gegner. Der erste Termin ist bereits am heutigen Mittwoch um 19 Uhr im Café Caspar (Fischstraße 11). Auf der Vollversammlung im Juni war Ivo Sieder, Vorsitzender des RCDS unter den wenigen die sich offen für den Namenspatron aussprachen.Laut Pressemitteilung sei das Ziel dieser Initiative „die Debatte um Arndt vielseitiger zu gestalten und eine Gegenposition zu „Uni-ohne-Arndt“ zu entwickeln, die umfassender ist, als das einige wenige Studenten schaffen könnten.“ Zudem schreibt man von einer Schweigenden Mehrheit der Studenten die gegen eine Umbenennung sei.
Thorben Vierkant
Thorben Vierkant, Jura-Student und Beisitzer im Greifswalder RCDS-Vorstand, erklärte:
Besonders freuen würde es uns, wenn auch Studenten, die sonst kein Interesse an der Hochschulpolitik an sich haben, erscheinen würden und sich dafür einsetzen, dass der berühmte Patron weiterhin unserer Universität erhalten bleibt. Personen aus dem rechtsextremen Spektrum sind unerwünscht. Wir wollen sachlich eine gute Gegenargumentation durch eine Vielzahl von Blickwinkeln erreichen. Das geht nur, wenn das Niveau sachlich bleibt.
Bei der bereits seit einigen Monaten aktiven Initiative Uni ohne Arndt begrüßt man den Impuls des RCDS. Sebastian Jabbusch, Sprecher der Gruppe, erklärte gegenüber dem webMoritz: „Wir freuen uns auf eine spannende Auseinandersetzung und auf weitere engagierte Studenten die sich mit dem Thema beschäftigen. Wenn dort die seriösen Argumente für Arndt gesammelt und präsentiert werden, wird das die Debatte sicherlich befruchten.“
Parallel dazu hat am Mittwochmittag die Initiative „Uni ohne Arndt“ einen wichtigen Schritt hin zu einer Urabstimmung über den Namenspatron unter den Greifswalder Studenten getan. Knapp 1400 Unterschriften von Greifswalder Studenten wurden heute dem StuPa-Präsidenten Korbinian Geiger (RCDS) übergeben. Notwendig für eine Urabstimmung sind die Unterschriften von zehn Prozent der Studierendenschaft, also etwa 1250.
Mitglieder der Initiative "Uni ohne Arndt" übergeben die Unterschriftenliste an StuPa Präsident Korbinian Geiger (r.)
Korbinian Geiger erklärte, er nehme die Aktion „genauso ernst wie jeder der Unterzeichner der Petition“. Weiterhin erläuterte er, dass nun anhand von Stichproben die Echtheit der Unterschriften überprüft werden müsse, anschließend würde im Studierendenparlament über einen Termin für die Abstimmung verhandelt werden. Wahrscheinlich sei eine Zusammenlegung mit den StuPa-Wahlen im Januar.
Die Initiative rechnet selbst allerdings nicht damit, dass die Urabstimmung bindende Kraft für die studentischen Gremien haben wird. Dazu wäre die Teilnahme der Hälfte aller Studenten notwendig. In ihrer Pressemitteilung heißt es, man hoffe, „dass sich mindestens 20 Prozent der Studenten an der Urabstimmung beteiligen und sich mindestens 60 Prozent für die Umbenennung aussprechen.“
Bilder:
Logo RCDS, Foto Thorben Vierkant – RCDS Greifswald
Foto Unterschriftenübergabe – Carsten Schönebeck