Nachgeforscht: Venture Cup für Stephan Block

Ein Beitrag von Simon Voigt.

Nachgeforscht

Der Diplom-Physiker Stephan Block wurde am 4. Juni im Pommerschen Landesmuseum für seine Forschung an der Universität Greifswald mit dem ersten Preis des Venture Cup-MV 2010 in der Kategorie Nachwuchsforscher ausgezeichnet. Dieser Preis wird seit 2002 vom Schweriner Bildungsministerium in mehreren Kategorien verliehen und soll vielversprechende Forschungsprojekte in Mecklenburg-Vorpommern fördern. Ziel ist es, Geschäftsideen für neue Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen in MV zu entwickeln und umzusetzen.

webMoritz-Redakteur Simon Voigt traf sich mit Stephan Block, um mehr über sein Projekt zu erfahren.

Stephan Block erhielt für seine Forschung den Venture Cup

webMoritz: War der erste Preis in ihrer Kategorie eine Überraschung für Sie?

Stephan Block: Das war schon eine Überraschung. Mir wurde gesagt, die Preisverleihung verläuft wie beim Oscar und das war dann auch so.

Die Skizzen für unser Projekt haben wir Ende letzten Jahres eingereicht und im Februar haben wir unsere Ideen präsentiert. Ab diesem Zeitpunkt war dann Funkstille. Bei der Verleihung im Juni gab es dann ein schönes Rahmenprogramm – Wir haben Musik gehört und es gab ein hervorragendes Buffet – und schließlich wurden die Platzierungen bekanntgegeben. Das war sehr aufregend.

webMoritz: Mit dem Preis haben Sie auch 130.000 Euro gewonnen. Was passiert mit dem Geld? Bleibt es im Institut?

Block: Ja, das bleibt im Institut. Mit dem Geld bin ich in der Lage, Personal einzustellen und Material einzukaufen, um unser hochauflösendes Mikroskop weiterentwickeln zu können. Das ist auch die Idee des Venture Cups, Ideen zu unterstützen, die einen hohen Bedarf an „Manpower“ und Sachmitteln aufweisen.

webMoritz: Sie haben, wie Sie es gerade angesprochen haben, ein hochauflösendes Mikroskop entwickelt. Was ist das genau, wofür braucht man das?

Block: Das ist natürlich schwierig in ein paar Sätzen zu erklären, weil es ein komplexes Messsystem ist. Was wir eigentlich entwickelt haben, ist ein Messverfahren, mit dem wir Magnetismus von Objekten messen können, die lediglich einen Nanometer groß sind. Das ist einmalig und gibt es weltweit noch nicht in dieser Form. Dieses Verfahren soll es uns nun ermöglichen, Untersuchungen an Zellen durchzuführen, wie es vorher noch nicht möglich gewesen ist. Das ist die Grundidee.

Eine Zelle ist ein wahnsinnig komplexes System, in dem sehr viele Komponenten zusammenspielen. Wenn diese Zelle nun gestört wird – wenn sie z.B. unter Stress gesetzt oder stark erhitzt wird – dann setzen bestimmte Mechanismen ein – die häufig spezielle Eiweißmoleküle, so genannte Proteine, produzieren. Bei einigen Proteinen weiß man mittlerweile, dass etwas mit der Zelle nicht stimmt, wenn sie auftreten. Die Zelle ist also „krank“, entwickelt einen Krebs oder ähnliches. Diese Eiweißmoleküle sind jedoch so klein, dass man sie mit normalen optischen Messinstrumenten/Mikroskopen nicht erkennen kann. Man will also nach etwas suchen, dass man nicht direkt sieht.

Rasterkraftmikroskop soll einzelne Proteine finden und eindeutig identifizieren

Logo des Venture Cups

Bei unserer Idee verwenden wir kein normales optisches Mikroskop, sondern ein sogenanntes Rasterkraftmikroskop, bei dem die Zelloberfläche mit einer sehr feinen Spitze abgetastet wird. Das Verfahren ist derart empfindlich, dass auch einzelne Proteine zu sehen sind. Das ist schon seit mindestens zehn Jahren möglich.

Das Problem ist jedoch, dass man zwar die Proteine „sieht“, aber sie nicht eindeutig identifizieren kann. Man braucht also noch eine zusätzliche Information. Da sind wir auf die Idee gekommen, unser magnetisches Messverfahren einzusetzen, indem wir die Proteine mit nanometergroßen Partikeln markieren, die einen ganz speziellen Magnetismus erzeugen. Man kann daher Proteine indirekt über die „daran angeklebten“ magnetischen Partikel identifizieren. Das hat den Vorteil, dass man Proteine viel genauer als mit üblichen optischen Mikroskopen lokalisieren kann. Außerdem sind die Zellen gegen Magnetismus eher unempfindlich. Es ist also ein schonendes Verfahren.

Ein weiterer großer Vorteil der Rasterkraftmikroskopie besteht darin, dass sie unter physiologischen Bedingungen arbeiten kann. Ein normales Elektronenmikroskop kann man z.B. nicht in einer wässrigen Lösung einsetzen, was aber für die Untersuchung von Zellen essentiell ist. Für das Rasterkraftmikroskop ist das kein Problem. Man kann daher z.B. versuchen, lebende Zellen mit dem Rasterkraftmikroskop in hoher Auflösung zu untersuchen – d.h. Zellprozesse gezielt zu stören, um dann interessante Proteine mittels unseres Verfahrens in Nanometer-Auflösung zu lokalisieren und zu identifizieren. Das wäre quasi eine Diagnostik auf der Zellebene.

webMoritz: Es können also sehr unterschiedliche Krankheitssymptome nachgewiesen werden?

Block: Ja, das ist die Idee. Bei einigen Krankheiten weiß man mittlerweile, dass ganz bestimmte Proteine produziert werden. Somit besteht die Hoffnung, dass man bereits anhand der gebildeten Proteine erkennen kann, welche Krankheit konkret vorliegt. Hier muss man aber vorsichtig vorgehen. So genügt es z.B. im Allgemeinen nicht, wenn man weiß, dass ein bestimmtes Protein gebildet wurde; vielmehr muss man auch wissen, wo es sich genau befindet. Vielleicht spielen auch „Nachbarschaftsbeziehungen“ zwischen verschiedenen Proteinen eine wichtige Rolle. Wir hoffen, mit unserem Ansatz eine vergleichsweise einfache Lösung für diese Fragestellung anbieten zu können und diesen Bereich der Forschung vorantreiben zu können. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

webMoritz: Also wird es noch dauern, bis das Mikroskop im Routineeinsatz ist?

Block: Ja, klar. Wir haben jetzt ein Laborexemplar, mit dem wir die ersten Messungen an Zellen durchführen. Ferner messen wir unter Laborbedingungen, also schön kontrolliert. Bis das alles wirklich marktreif ist, wird noch einiges an Zeit vergehen. Da muss man sich keine Illusionen machen. Das ist ganz normal.

Derzeit arbeiten wir daran, die Komponente des Systems, mit der wir den Magnetismus messen, in ein eigenes marktreifes Produkt weiter zu entwickeln.

Der Schwerpunkt der Forschergruppe um Stephan Block liegt in der Physik. Dennoch ist das Team interdisziplinär aufgestellt.

webMoritz: Wie lange forschen Sie denn schon in Greifswald?

Block: Mit dem Studium habe ich 1999 angefangen. Seit 2005 promoviere ich, in der Arbeitsgruppe von Prof. Helm, in der wir uns mit „Weicher Materie“ beschäftigen. Dort bin ich zum ersten Mal in Kontakt mit dieser Technologie gekommen und war erstaunt, dass man mit einem Rasterkraftmikroskop auf der Nanometer-Skala messen kann. Zusammen sind wir auf die Idee gekommen, nach einem Verfahren zu suchen, mit dem man ebenfalls Magnetismus in solchen Größenordnungen messen kann. So gesehen forsche ich aktiv seit 2005. Ich hoffe die Promotion im Sommer diesen Jahres abzuschließen.

webMoritz: Sie wollen danach aber weiter hier in Greifswald bleiben?

Block: Ja. Den Venture-Cup-Antrag haben wir so gestellt, dass wir weiter am Institut für Physik forschen. Wir haben schon seit Jahren Kontakt zu anderen Forschungsgruppen hier in Greifswald, die ich eigentlich gar nicht alle aufzählen kann. Wir sind sehr interdisziplinär aufgestellt. Das ist ein großer Vorteil, weil mein Projekt viele Schnittstellen zu anderen Bereichen hat. Somit gibt es keinen Grund, das Projekt aus Greifswald auszulagern.

Fotos:

Stephan Block (Stephan Block, Privatfoto, ohne CC-Lizenz), Venture Cup (Venture Cup, ohne CC-Lizenz), Institut für Physik (Simon Voigt)

IPP-Wissenschaftler räumen Preise ab

Das Greifswalder Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) konnte sich vor kurzem bei zwei wichtigen Preisverleihungen ganz vorn positionieren.

Der jährlich vergebene renommierte Hannes Alfvén-Preis wurde dem am IPP arbeitendem Wissenschaftler Professor Jürgen Nührenberg gemeinsam mit seinem Kollegen Professor Alan Boozer von der Columbia Universität verliehen.

Bereits bei der vor kurzem erfolgten Preisübergabe des VentureCups wurden Wissenschaftler des IPP für die Entwicklung eines hochempfindlichen Lecksuchverfahrens mit dem 1. Preis in der Kategorie „Gründerteam“ ausgezeichnet.

Der nach einem schwedischen Physiker Hannes-Alfvén-Preis ist die höchste Auszeichnung der Europäischen Physikalischen Gesellschaft für Plasmaphysiker und mit 8000€ dotiert.

Auszeichnung für Verbesserung des Stellerator-Prinzips des Kernfusionsreaktors

Eine der Magnetspulen des Wendelstein 7-X

Professor Nührenberg und Professor Boozer erhielten die Auzeichnung für die Verbesserung des Stellarator-Prinzips des Kernfusionsreaktors. Ein solcher Reaktor, der Wendelstein 7-X, wird derzeit im Greifswalder Max-Planck-Institut experimentell erbaut.

Bei der Kernfusion geht es darum, nach dem Vorbild der Sonne aus der Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium Energie zu gewinnen. Dabei wird das ionisierte Wasserstoffgas (ein sogenanntes Plasma) auf etwa 100 Millionen Grad Celsius erhitzt und innerhalb eines durch supraleitende Spulen erzeugten Magnetfelds eingeschlossen.

Der Stellarator ist einer von zwei für zukünftige Kernfusionskraftwerke erforschten Bautypen. Mit ihm soll ein dreißigminütiger Dauerbetrieb möglich sein. Reaktoren des zweiten, sogenannten Tokamak-Typs können hingegen nur pulsweise gefahren werden. Während die Magnetspulen des Tokamak kreisförmig sind, besitzen die der Stellaratoren einen wesentlich komplexeren Aufbau.

Dabei wird das Plasma bei Tokamak-Reaktoren besser eingeschlossen als bei den „klassischen“, bis etwa 1980 erforschten Stellaratoren. Insbesondere sich sehr schnell bewegende Teilchen bereiten hier Probleme. Sie entweichen aus dem Magnetfeld und stehen somit mitsamt ihrer Energie nicht mehr für die Fusion zur Verfügung. Erst mit den Großrechnern der 1980er Jahre war es möglich, Lösungen für dieses Problem zu erarbeiten.

Professor Nührenberg und Professor Boozer ist es gelungen, Bauweisen zu finden, bei denen auch Stellaratoren gute Einschlusseigenschaften besitzen. Dabei leistete Professor Boozer die Formulierung der zugrundeliegenden Bedingungen, die einen guten Einschluss gewähren. Professor Nührenberg wies nach, wie diese realisiert werden können.

„Ultra-Schnüffler-Testgas-Verfahren“ findet minimale Lecks

Die Preisverleihung fand am 23. Juni in Dublin statt.

Das Gründerteam (von links): Robert Brockmann, Johannes Peter Kallmeyer, Mirko Marquardt und Mentor Dr. Hans-Stephan Bosch (Foto: Dr. Wolfgang Schielke)

Auch das Projekt des Gründerteams um Robert-Josef Brockmann stellt sich in den Dienst des Wendelstein 7-X. Mit dem„Ultra-Schnüffler-Testgas-Verfahren“ lassen sich selbst minimale Lecks finden. Das Verfahren ermöglicht eine deutliche Zeit- und Kostenersparnis gegenüber früheren Prozeduren und ist zudem genauer. Mit ihm kann nicht nur die Dichthaltung der Wendelstein-Bauteile überprüft werden, auch ein größeres industrielles Einsatzgebiet ist denkbar. „Das Preisgeld und auch der Gewinn aus der Erfindung werden zunächst einmal in das Patentverfahren fließen“, so Robert Brockmann. „Anschließend möchte ich den Weg in die Selbstständigkeit gehen. So bin ich doch wesentlich freier insbesondere in ökonomischen Entscheidungen als in einem Forschungsinstitut“. Derzeit sei die Gründung seiner Firma „Lambda Leak Testing“ in Vorbereitung.

Der VentureCup-Preis ist mit 20.000 Euro dotiert. Er wird seit 2002 jährlich vom Land Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Das Team aus Greifswald wurde zusammen mit den anderen Wissenschaftlern, darunter der Diplom-Physiker Stephan Block aus Greifswald, am 7. Mai ausgezeichnet.

Bilder:

Magnetspule – zur Verfügung gestellt vom IPP (keine CC-Lizenz)

Gründerteam – zur Verfügung gestellt von Robert Brockmann (keine CC-Lizenz)

Geht es uns zu gut? – Kommentar zur VV im Sommer 2010

Ein Gastkommentar von Robert Straßburg

Mittwoch, 23.Juni 2010 – Hallen am Bahnhof in Greifswald

17:00

Gerade einmal rund ein Prozent der Studierenden hat an der Vollversammlung teilgenommen.

An diesem schönen sonnigen Mittwochnachmittag wurde die Studierendenschaft der EMAU Greifswald eingeladen, an ihrer Vollversammlung teilzunehmen und mitzubestimmen. Geladen waren also knapp 12.000 Studenten. Insgesamt 160 Studenteninnen und Studenten saßen um 17:00 Uhr auf den bereitstehenden Bierbänken. Die Leute wirkten in der nun zu überdimensionierten Halle regelrecht verloren. Eingefunden hatten sich also 1,3 Prozent der Studenten! 1,3 Prozent! Wo war der Rest? Man findet keine vernünftigen oder rationellen Gründe. Wohnraumsituation, Lehre, Essen in der Mensa, Fahrradwege, Erhalt von letzten Diplomstudiengängen, Novellierung des Landeshochschulgesetzes, studentische Medien und nicht zu vergessen der Erhalt der Lehramtsausbildung betreffen viele Studierende oder noch Kommende.

Letztes Jahr saßen über 1000 Studenteninnen und Studenten auf dem Innenhof des Alten Campus. War Arndt interessanter, die Werbung besser, der sonnige Innenhof gemütlicher oder lockte das Geld?

Der erste Teil der Vollversammlung verlief noch ernsthaft und stellte zum Glück die zentralen aktuellen Themen in den Raum und zur Diskussion.

19:00

Die Pause war ein Schnitt. Nicht einmal die Hälfte der anfangs Anwesenden kehrte zurück und entzog endgültig dieser Vollversammlung jegliche Bedeutung. Inzwischen saßen nach der Pause nur noch an die 60 Studenten in der Halle. Also 0,5 Prozent! Gefühlte ein Drittel davon waren Mitglieder des Studierendenparlaments oder des Allgemeinen Studierendenausschusses.

Verstreut auf den Bänken der Halle saßen die Restlichen – allein oder in Gruppen. Eine ernsthafte Vollversammlung, das war allen bewusst, konnte dies nicht mehr sein und veranlasste einige ältere Semester, ihre Karten zu zücken und das Skatblatt zu reizen. Anträge wurden dennoch weiterhin vorgetragen, teilweise jedoch aus dem Auditorium sehr emotional und unsachlich kommentiert. Intoleranz und Vorurteile von angehenden Akademikern, die teilweise studentische Führungspositionen innehalten, entkräfteten populistisch ernsthafte Wünsche und Interessen von Studierenden.

Um 20.15 endete die Vollversammlung und sollte ursprünglich in das „Public Viewing“ übergehen…

Gründe?!

Vieles spielt mit hinein: Die Festivalsaison, die aktuelle Fussball-WM, Prüfungen oder Vorbereitungen, der endlich eingekehrte Sommer mit Sonne. Darüber hinaus eine Auswahl an Stimmungsbildern zu der Frage nach der Teilnahme an der Vollversammlung: „Die eigene Meinung wird sowieso nicht wahrgenommen.“, „Die bewegen ja eh nichts.“, „Vier Stunden in der Halle?“, „Ich habe keine Aushänge gelesen.“, „Es war zu spät ausgeschrieben.“, „Keine Zeit.“, „Da werden schon genügend andere hingehen.“

Jedoch gab es Mails mit der Einladung, in den meisten Instituten hingen Plakate, es wurde geflyert und der AStA informierte via Newsletter darüber.

Es lassen sich zig Gründe und Ausreden finden. Aber fragt sich bitte jeder ehrlich: Sind diese Gründe wirklich so wichtig? Wie viel bin ich bereit, auf Kosten meines „Ichs“ für die Gemeinschaft herzugeben? Kann man sich einen Nachmittag überwinden oder selber zwingen? Es muss nicht mehr mit Repressionen, Gewalt, Verhaftung oder Verfolgung gerechnet werden. Die Chance, seine Meinung und Wünsche frei zu äußern besteht und einzig an diesem Tag ergibt sich die Gelegenheit basisdemokratisch teilzuhaben. Wir haben alles, wofür die Generation vor uns noch auf die Straße gehen musste. Es mag sein, dass es „nur“ die Uni und nicht die „Welt“ oder ein „historischer Moment“ ist, aber diese hart erkämpfte Möglichkeit der Partizipation und direkten Gestaltung muss als wesentlicher Bestandteil unseres Lebens verstanden werden. Eine Vollversammlung darf nicht länger als lästiger Punkt im Jahresablauf, wo sowieso nur die Gleichen reden, gesehen werden.

Wo warst du? Es ging um dich.

Danke an die, die dort waren und vorbeigeschaut haben.

Fotos: webMoritz-Archiv (Vollversammlung im Hörsaal), Gabriel Kords (Vollversammlung 2010, Hallen am Bahnhof), StuPa-AG Wahlen (Fotomontage VV 2009)

Kommentar: Vollversammlung glich Grillfest studentischer Gremien

Die Vollversammlung glich einer Grillparty studentischer Gremien.

Wie hatte man geschwärmt im vergangenen Jahr: Mehr als 1000 Studenten bei der Vollversammlung, doppelt soviele, die im Januar zur StuPa-Wahl gingen, eine Debatte unter den Studenten, die es in die bundesweiten Medien schaffte, erstmals eine Urabstimmung in der (wenn auch kurzen) Geschichte der verfassten Studierendenschaft…

Ein Jahr später ist davon nichts geblieben. Nicht mal zwei Prozent der Greifswalder Studenten diskutierten auf der gestrigen Vollversammlung über die Anträge der Hochschulpolitiker. Nur in lichten Momenten wurde es kontrovers, wenn es zum Beispiel um die Menge an Kräutern auf den Mensa-Kartoffeln ging.

Verfasste Studierendenschaft gleicht immer mehr einem Tollhaus

Viel diskutiert wurden auch die Anträge, die nicht aus den Reihen der selbsternannten „moralischen Instanzen“ in die Jahre gekommener Hochschulpolitiker kamen. Allerdings gegen Ende der Veranstaltung, als sich nur noch etwa 50 Personen in der Halle befanden. Beide wurden – wenig überraschend – abgelehnt. Nicht, weil man wirkliche Gegenargumente hatte, mehr weil sie „zu populistisch“ oder „Schwachsinn“ seien, so jedenfalls Mitglieder des Studierendenparlaments. Der Elitedünkel einiger Hochschulpolitiker wurde in einem Fall auch noch von einem nicht nachvollziehbaren Abstimmungsverfahren unterstützt.

Gut, dass man erst gegen 20:30 Uhr verkündete, dass aus dem geplanten Public Viewing zur Fussball-WM nichts wird, sonst hätten sich möglicherweise auch die letzten verzogen, die nicht selbst in einem Gremium der Studierendenschaft sitzen.

Die verfasste Studierendenschafft gleicht immer mehr einem Tollhaus: Ein Studierendenparlament, das nach zwei Monaten seinen ersten inhaltlichen Antrag behandelt. Wohlgemerkt unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der notgeführte AStA demonstriert regelmäßig Hilflosigkeit bei gleichzeitiger Selbstüberschätzung. Die Vollversammlung glich mehr einem Grillfest der studentischen Gremien als einer basisdemokratischen Veranstaltung.

Da hilft es wenig, über die Politikverdrossenheit der Greifswalder Studenten zu sprechen, wenn erst wenige Tage vor der Vollversammlung geworben wird, das Antragsbuch trotz großzügiger Fristen erst am Abstimmungstag erscheint. Die Vollversammlung war nie der Ort, um sich zu informieren, sondern vielmehr der Ort, an dem alle, die sich für informiert halten, ihre Meinung kund tun. Das ist die bittere Lektion für diejenigen, die sich rund um die gestrige Veranstaltung engagiert haben.

Fotos: Carsten Schönebeck

Positionspapier mit mutigen Forderungen

Thomas Schattschneider stellte im Namen der Co-Autoren das Positionspapier zur Lehramtsausbildung vor

Am vergangenen Dienstag fand um 13 Uhr eine Pressekonferenz von Vertretern der Studierendenschaft statt. In dieser wurde das „Positionspapier der Greifswalder Studierendenschaft zur künftigen Lehramtsausbildung an der Universität Greifswald“ vorgestellt.

Erarbeitet wurde das Skript von Mitgliedern eines studentischen Arbeitskreises. „Ausgehend von der gegenwärtigen Situation der ersten Phase der Lehrerbildung werden in diesem Positionspapier die Perspektiven der Lehramtsausbildung analysiert, politisch-pragmatische Leitlinien entwickelt und Handlungsnotwendigkeiten abgeleitet“ heißt es im Geleitwort der Schrift.

Thomas Schattschneider, Vertreter der Landeskonferenz für Studierende, präsentierte im Namen der übrigen Autoren die Schrift. Sowohl innerhalb der Studierendenschaft, als auch unter den Wissenschaftlern stieß das Dokument auf positive Resonanz.

Studierende sollen auf politischer Ebene aktiv werden

„Das ist wirklich ein ausgezeichnetes, fundiertes Papier, welches die Studierendenschaft hier vorgelegt hat“, lobte Geologieprofessorin Maria-Theresia Schafmeister, Senatorin der Universität, die Publikation. Sie wolle sich dafür einsetzen, dass die Schrift innerhalb des Senats besprochen wird.

Studiendekan Professor Patrick Donges stärkte den Verfassern der Schrift ebenfalls den Rücken. Die Argumentation der Landesregierung sei nicht schlüssig. So kritisiere das Land beispielsweise immer wieder die angebliche Konzeptlosigkeit der Lehramtsausbildung in Greifswald. „Wir können uns aber keine Gedanken um Konzepte zur Lehrerausbildung machen, wenn das Damoklesschwert Schließung der Lehramtsausbildung über der Uni schwebt“ hält Donges dagegen.

Bürgerschaftspräsident und Landtagsabgeordneter Egbert Liskow (CDU) bot ebenfalls seine Hilfe im Ringen um den Erhalt der Lehramtsstudiengänge an. Er wolle sich, so weit es ihm möglich sei, in dieser Frage für die Universität einsetzen.

„Auf politischer Ebene wird wider besseren Wissens argumentiert. Werden Sie auf politischer Ebene aktiv!“  – so der Appell des Theologieprofessors Stefan Beyerle an die Studierenden. Man müsse zeigen, dass die Schließung der Lehramtsstudiengänge in Greifswald nicht nur für die Stadt, sondern für das ganze Bundesland von erheblichen Nachteil sei.

Positionspapier wurde Ministerpräsident Erwin Sellering übergeben

Paula Zill überreicht Erwin Sellering das Positionspapier

Am 23. Juni übergab Paula Zill, AStA-Referentin für Studium und Lehre, Ministerpräsident Erwin Sellering die Schrift. Dem webMoritz gegenüber sagte er, dass er sich um ein Treffen zwischen Greifswalder Studierenden und Vertretern des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur (MBWK) bemühen wolle.

Während seitens des Bildungsministeriums hervor gehoben wird, dass es die Interessen des Landes vertrete, sehen das die Studierenden der Universität Greifswald anders. Aus Sicht der Greifswalder Studierenden entsprechen die derzeitigen Pläne des Bildungsministerium weder den Interessen der Universität und Stadt, noch den Interessen des Landes und laufen zum Teil den Zielen der Landesregierung zuwider.

Es wird auf Grundlage einer Bestandsaufnahme der Lehramtsausbildung an den Universitäten Rostock und Greifswald herausgearbeitet, dass „die Darstellung des Ministeriums zu sehr von dem Interesse geleitet zu sein scheint, aus politischen Erwägungen den Standort Greifswald zugunsten von Rostock abzuwerten.“

Obwohl sich in diesem Jahr in Greifswald deutlich mehr Studierende für das Lehramt an Haupt- und Realschulen ausbilden lassen, heißt es in den Eckwerten der Hochschulentwicklung:

„Die o.g. Bedarfsplanung des Landes weist einen höheren noch wachsenden Bedarf im Bereich der regionalen Schulen aus, wofür Greifswald derzeit kaum ausbildet.“

Lehramtsausbildungen in Rostock und Greifswald verlaufen ähnlich

Vergleiche man jedoch, wie viele Studierende in Greifswald für das Lehramt an Haupt- und Realschulen ausgebildet werden und wie viele in Rostock, so kommen die Autoren der Schrift zu dem Ergebnis, dass die Ausbildung in den beiden Universitäten ähnlich ablaufe.

Zudem kritisieren die Verfasser, dass die Studien, auf denen das Ministerium ihre Argumentation für eine „vollständige Konzentration“ der Lehramtsausbildung in Rostock aufbaut, zu optimistisch seien.

So gehe man im Ministerium davon aus, dass alle Lehrerinnen und Lehrer, die in den nächsten Jahren das Pensionsalter erreichen, mit dem 67. Lebensjahr aus dem Dienst scheiden. Tatsächlich sei es in den vergangenen Jahren so gewesen, dass 90% der Lehrerinnen und Lehrer vorzeitig in den Ruhestand gingen.

Unter Berücksichtigung dieses Umstandes wird in dem Dokument heraus gearbeitet, dass der tatsächliche Bedarf an Pädagogen deutlich höher sei, als vom MBWK derzeit angenommen wird. Bereits jetzt bestünde ein fachspezifischer Lehrkräftebedarf in den Fächern Astronomie, Sozialkunde, Kunst, Englisch und Philosophie.

Studie des Ministeriums läuft pädagogischen Aspekten zuwider

Des weiteren berücksichtige die Studie der Landesregierung nicht Themen, wie den Ausbau der Ganztagsschulen, Verringerung der Unterrichtszeiten der Lehrer und die Verkleinerung der Klassenfrequenzen. Zudem rechne die Studie bei einigen Bedarfsszenarien mit einer sich verschlechternden Schüler-Lehrerrelation. „Das ist weder pädagogisch vertretbar, noch realistisch.“ Dies laufe „pädagogischen Aspekten“ zuwider so die Verfasser der Schrift.

Insgesamt fällt die Kritik an den Plänen der Landesregierung in Bezug auf die Zukunft der Lehramtsausbildung vernichtend aus:

Die Verfasser des Positionspapiers wollen leere Hörsäle in der Philosophischen Fakultät verhindern.

„Die Studie des Bildungsministeriums wird insofern nicht dem Anspruch Mecklenburg-Vorpommerns gerecht, das Bildungsland Nummer eins zu werden, sondern beschreibt auf Grundlage vager Parameter einen bildungspolitischen Status quo, dessen politische Zahlen vor allem Einsparungsvorgaben umsetzen sollen.“

Aufgrund der Tatsache, dass insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern in naher Zukunft besonders viele Lehrerinnen und Lehrer fehlen werden, schlagen die Autoren der Schrift eine Wiedereröffnung von Studiengängen an der Universität Greifswald vor. So sollen die Fächer Informatik, Physik und Mathematik wieder eröffnet werden.

Inwiefern die von Thomas Schattschneider (Vertreter der Landeskonferenz für Studierende) als „mutig“ bewertete Forderung tatsächlich umgesetzt wird, bleibt angesichts der derzeitigen Pläne des MBWK allerdings fraglich.

Fotos: Carsten Schönebeck (Aufmacher, Thomas Schattschneider, Hörsaal), Marco Wagner (Erwin Sellering/Paula Zill)

12000 Euro Preisgeld für innovative Ideen

Teilnehmer Lukasz Jablonowski

Noch ist die Konferenzraumtür am 15. Juni zu. Zuschauer und Wettbewerbsteilnehmer warten gespannt auf den Beginn. In den Reihen sitzt auch Lukasz Jablonowski. Er ist Mitarbeiter am Zentrum für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde. Seine eingereichtes Projekt heißt „PlasmaDent“. Um seine Idee zu schützen, verrät er nur soviel: „Es geht um Plasma im Zahn.“ Hauptsächlich geht es Jablonowski darum, die Idee mal aus einer anderen Sicht Begutachten zu lassen. „Das Preisgeld wäre eine gute Unterstützung für die weitere Forschung“, sagte der 26-jährige. Soviel sei aber schon mal verraten, am Ende belegte er keinen Platz unter den ersten Drei.

„Es raucht schon, aber es ist kein weißer Rauch“, schaut Wolfgang Schielke, Projektleiter des TechnoStartup MV, aus dem Konferenzraum hervor, in dem eine siebenköpfige Jury versucht, sich auf die diesjährigen Sieger des Ideenwettbewerbs zu einigen. Der Wettbewerb findet alljährlich im Auftrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern statt. Er wird von der Universität Greifswald und dem Technologiezentrum Vorpommern organisiert. Finanziert wird das Ganze aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds.

Gefragt sind innovative Geschäftsideen

Gesucht wurden innovative Geschäftsideen aus der Wissenschaft und Forschung für Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen. In einem zweistufigen Verfahren haben zunächst 22 Teilnehmer ihre Ideenskizzen eingereicht. Daraus wurden schließlich in einer Vorauswahl zwölf Beiträge ausgewählt, die dann entweder in einer Gruppe oder einzeln genauer vor der Jury vorgestellt werden sollten. Im Hinblick auf Innovation, Nutzen und Realisierungsansatz wurden die Sieger gekürt.

„Es gibt aber auch weitere kleine Kategorien, nach denen der Sieger bestimmt wird“, so Schielke, „durch Abwägen der Vor- und Nachteile der Geschäftsidee versucht die Jury, auf eine einheitliche Meinung zu kommen.“ In zwei Bereichen können sich die jeweils ersten drei Plätze über Prämien im Gesamtwert von 12.000 Euro freuen, die dann zugunsten der Geschäftsideen investiert werden dürfen. „Das können zum Beispiel der Besuch von Messen, Personalkosten oder aber auch Reisekosten sein“, erklärt Schielke weiter.

Gewinner des Ideenwettbewerbs Moritz von Grotthuss und Sebastian Fischer

Insgesamt gab es 12.000 Euro Preisgelder

In der Kategorie „Studenten“ gewann Sebastian Fischer. Der Student der Umweltwissenschaften stellte sein Konzept vor, mit dessen Hilfe sich leichter Gifte nachweisen lassen. „Aus patentrechtlichen Gründen kann ich leider noch nicht allzu viel über meine Idee erzählen“, sagte Fischer. Es gab hierfür ein Preisgeld in Höhe von 1500 Euro. Platz zwei belegte der Humanbiologie-Student Hicham Benkhai mit seiner Idee „AntiOxidatives Potential vs Stress“. Auf das Bronzetreppchen schaffte es Christian Klang, Student der Wirtschaftswissenschaften, mit seiner Internetplattform „Neu in Greifswald“.

Bei den Erstplatzierten in der Kategorie „Wissenschaftler“ ist das Patent hingegen bereits angemeldet. von der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie gewannen mit ihrem Konzept „Soundmapping“. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, das Knackgeräusche im Rücken aufzeichnen und orten kann. Es ermöglicht, diese Geräusche als gesundes oder ungesundes Knacken zu identifizieren. Da das Verfahren lediglich Geräusche aufnimmt, kann es zudem denkbare schädliche Strahlung ausschließen, was es bei der Röntgenstrahlung und dem Ultraschall nicht der Fall ist. „Mit dem Preisgeld in Höhe von 5000 Euro werden wir vermutlich eine Vorstudie für den Bau eines Prototypen finanzieren“, freute sich von Grotthuss. Für sein „Sepsis Tool“  bekam das Team um Matthias Gründling den zweiten Platz. Den ersten Preis erhielt Clemens Jürgens und sein Team aus Physikern, Maschinenbauern und Medizinern.

Das Publikum lauschte den Preisträgern.

Uni, Land und Wirtschaft bildet hochkarätige Jury

Die Jury bildeten Dr. Stefan Seiberling, Herr Lothar Schönebeck und Jan Meiering für die Universität Greifswald. Mario Kokowsky wurde für das Technologiezentrum Vorpommern ins rennen geschickt. Frank Büttner vom Forschungsverbund Mecklenburg-Vorpommern e.V. und Lothar Riedle vom Koordinator VentureMentor-MV kamen für das Land. Die Wirtschaft vertrat Werner Arndt, Geschäftsführer der Münchener Businessplan Wettbewerb GmbH.

Der alljährliche Landesideenwettbewerb VentureCup könnte das nächste Ziel sein, bei dem die Prämien noch ein Stück höher ausfallen werden. Auch die Vorjahressieger des Ideenwettbewerbs in Greifswald, etwa die Unternehmen Presseklang oder Rapid Rabbit, lassen langfristig darauf hoffen, dass die Geschäftsideen nicht bloß Ideen bleiben, sondern sich zu praxisnahen Geschäftskonzepten entwickeln. Aber auch die nicht prämierten Teilnehmer, gehen nicht leer aus. Sie bekommen weiterhin Hilfe bei der Optimierung und Umsetzung ihrer Ideen.

Fotos: Torsten Heil