Wer möchte in der aktuellen Lage nicht gerne dem Alltag entfliehen und ein bisschen träumen? Dazu lädt die Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts von Joseph von Eichendorff ein. Sie entführt einen in eine wundervolle Welt, man macht beim Lesen quasi Urlaub und tut der Seele etwas Gutes.
Die NovelleAus dem Leben eines Taugenichts von Joseph von Eichendorff wurde 1826 erstmals in der Vereinsbuchhandlung in Berlin, samt einer anderen Novelle von ihm und unter dem Namen Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Zwei Novellen nebst einem Anhang von Liedern und Romanzen, veröffentlicht. Die Novelle stellt einen Klassiker der Spätromantik dar und hat in meiner Ausgabe, inklusive Anmerkungen und Nachwort, 126 Seiten. Während die Geschichte selbst 101 Seiten umfasst, besteht der reine Fließtext nur aus 96 Seiten. In der Novelle wird der Sohn eines Müllers von diesem fortgeschickt, da er ihn als Taugenichts ansieht. Die Erzählung begleitet die Hauptfigur auf seiner Reise durch Europa, wobei auch immer wieder Gedichte und Lieder im Text auftauchen.
Wohin ich geh und schaue,
In Feld und Wald und Tal
Vom Berg ins Himmelsblaue,
Viel schöne gnäd’ge Fraue,
Grüß ich Dich tausendmal.
Aus dem Leben eines Taugenichts, S. 9
Die Hauptfigur startet nach seinem Rauswurf von Zuhause seine Reise vergnügt mit seiner Geige im Schlepptau, ohne jedoch ein genaues Ziel zu haben. Bald kommt eine Kutsche mit zwei Damen an ihm vorbei, denen die Musik des jungen Mannes gefällt. Anschließend nehmen sie ihn mit zu ihrem Schloss in der Nähe von Wien, wo er zunächst als Gärtnerbursche arbeitet, dann zum Zolleinnehmer aufsteigt und sich in die jüngere der Damen verliebt. Im Garten des Zollhauses pflanzt er sodann Blumen an, die er seiner Angebeteten immer wieder heimlich bringt. Er beschließt auch, nicht mehr zu reisen, sondern sein Geld zu sparen und noch etwas Großes zu erreichen. Eines Tages erblickt er jedoch seine Angebetete zusammen mit einem Offizier und sieht sie als unerreichbar an, woraufhin er seine Sachen packt und das Schloss verlässt. Auf seiner anschließenden Reise geht er nach Italien und kehrt letztendlich auf das Schloss zurück. Seine Wanderung hat noch einige Irrungen und Wirrungen zu bieten.
Als ich eine Strecke so fortgewandert war, sah ich rechts von der Straße einen sehr schönen Baumgarten, wo die Morgensonne lustig zwischen den Stämmen und Wipfeln hindurchschimmerte, dass es aussah, als wäre der Rasen mit goldenen Teppichen belegt. Da ich keinen Menschen erblickte, stieg ich über den niedrigen Gartenzaun und legte mich recht behaglich unter einem Apfelbaum ins Gras […]
Aus dem Leben eines Taugenichts, S. 28
Das Lesen des Buches war für mich wie Urlaub. Es entführt einen in eine herrliche Welt, in der alles blüht und die Natur einfach wunderschön ist. Man möchte am liebsten auch fortgehen und eine wundersame Reise erleben. Solche Landschaftsbeschreibungen sind typisch für die Romantik. Obwohl die Novelle weltfremd ist, gerade am Ende, mindert dies jedoch nicht ihre Wertigkeit. Ein fiktiver Text muss nicht realitätsnah sein, damit er gut ist.
So irrte ich den ganzen Tag herum, und die Sonne schien schon schief zwischen den Baumstämmen hindurch, als ich endlich in ein kleines Wiesental hinauskam, das rings von Bergen eingeschlossen war und voller roter und gelber Blumen war, über denen unzählige Schmetterlinge im Abendgolde herumflatterten.
Aus dem Leben eines Taugenichts S. 30
Die Novelle ist absolut empfehlenswert, da man in eine wundervolle Welt eintaucht, dem Alltag entflieht und auf eine schöne Reise geschickt wird. Zudem ist der Text nicht allzu lang, sodass man ihn schnell gelesen hat. Was jedoch für manche abschreckend sein könnte: es ist ein gelbes Reclam-Buch. Auch wenn einige Deutschlehrer*innen in der Schulzeit bei manchen damit vielleicht ein Trauma hinterlassen haben: bekämpft dieses Trauma, indem ihr euch an diese Novelle wagt. Es lohnt sich wirklich! Vielleicht lernen einige von euch damit auch wieder das Lesen lieben, denn es gibt doch nichts Besseres, als alles um einen herum zu vergessen und in eine andere Welt einzutauchen.
Greifswald bietet uns allzeit eine steife Brise, Strände, Möwen und viel(es) Meer. Der webmoritz. zeigt euch die Stadt und ihre Region Vorpommern, und manchmal wagen wir uns sogar darüber hinaus. Ihr erfahrt, was wir hier lieben, welche besonderen Orte es zu entdecken gibt, was man so isst, trinkt oder worüber man spricht. Und es gibt einiges zu entdecken: egal ob Schlösser oder Erlebnisdörfer. Heute nehmen wir euch mit zu den mystischen Seiten Greifswalds.
In Greifswald gibt es einige Mythen und Sagen. So sollen vor geraumer Zeit Erdgeister („Zwerge“) in Greifswald ihr Unwesen getrieben haben, um welche sich einige Geschichten ranken. Sie sollen sehr lange in Greifswald gelebt haben, bis sie eines Tages verschwunden waren. Wann und warum sie Greifswald verließen ist nicht bekannt, jedoch sollen sie Pommern bei Jarmen den Rücken gekehrt haben und dann weiter in die Berge gezogen sein. Festgehalten wurden diese und andere Erzählungen 1840 unter dem TitelDie Volkssagen von Pommern und Rügen von Jodocus Temme, einem Juristen, Politiker und Schriftsteller.
Sämtliche Edelsteine, die in den Bergen zu finden waren und alles Gold und Silber wurden von den Erdgeistern beherrscht. Um zu ihren unterirdischen Wohnungen zu gelangen, mussten Neugierige durch einen dreckigen Ort, wie beispielsweise Abflüsse, hindurchgehen. Tagsüber sollen die Erdgeister als Frösche oder anderes Ungeziefer ihr Unwesen getrieben haben, nachts hätten sie sich dann in ihrer wirklichen Gestalt gezeigt und bei klarem Sternenhimmel überaus vergnügt im Mondschein getanzt. Temme charakterisiert sie in seinen Beschreibungen zwar auch als positive Wesen, die den Menschen geholfen hätten, die Geschichten selbst bieten aber ein anderes Bild.
Eine von ihnen besagt, dass sich einmal ein edler Zwerg in ein hübsches Mädchen verliebte, welches er mit Gewalt zur Frau haben wollte. Das Mädchen wollte ihn aber nicht heiraten, da er klein und hässlich war. Der Zwerg versprach ihrem Vater jedoch viel Geld, weshalb sie der Verlobung doch zustimmen musste. Ganz wollte sie ihre Hoffnung allerdings nicht aufgeben, also vereinbarte sie mit dem Zwerg, dass sie ihn nicht heiraten müsste, wenn sie seinen richtigen Namen erfahren würde. Der Zwerg willigte ein, da ihr sein Name nicht bekannt war und er fest davon überzeugt war, dass sie ihn auch nie herausfinden könnte. Die Suche nach dem Namen gestaltete sich wie erwartet als eine sehr schwierige Aufgabe, das Mädchen suchte lange vergebens. Ein glücklicher Zufall sollte ihr letztlich helfen. Eines Nachts fuhr ein Fischhändler nach Greifswald, als er auf einmal viele Zwerge im Mondschein tanzen sah und bei diesem Anblick verwundert anhielt. Einer der Zwerge rief lauthals: „Wenn meine Braut wüsste, dass ich Doppeltürk heiße, sie nähme mich nicht!“ Der Fischhändler erzählte in einem Wirtshaus von seiner Beobachtung. Die Wirtstochter hörte die Geschichte und berichtete der unfreiwilligen Braut davon. Dieser war sofort klar, dass es sich dabei nur um ihren Verlobten handeln konnte, also nannte sie ihn beim nächsten Aufeinandertreffen beim Namen. Der Zwerg musste sie nun lossagen und verschwand, sehr verärgert darüber.
Eine andere Geschichte erzählt davon, dass eine Mutter eines Abends ihr Kind verwünschte, da es einfach nicht aufhören wollte zu schreien, obwohl die Mutter schon sehr müde war und schlafen wollte. Augenblicklich ging die Tür auf, ein Erdgeist schlich herein und entriss der Frau ihr Kind – sie sollte es nie wieder sehen. Eine andere Mutter hatte mehr Glück: sie war gerade mit ihrem Kind auf dem Schoß eingeschlafen, als ein Erdgeist hereinkam und es entführen wollte. Sie bekam das Kind jedoch glücklicherweise noch an der Ferse zu fassen und konnte es dem Erdgeist in letzter Sekunde entreißen. In anderen Erzählungen berichtet Jodocus Temme, dass die Erdgeister den Menschen nach dem Diebstahl der Kinder ihre eigenen, hässlichen, „Wechselbälger“ in die Bettchen legten. Falls ihr euch beim nächsten Heimatbesuch über eure Geschwister ärgern solltet, könntet ihr also mal vorsichtig bei euren Eltern nachfragen, ob nicht vielleicht Erdgeister an der Familienplanung beteiligt waren.
Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.
Eine Woche lang versuchte ich, nur Sachen von Frauen zu konsumieren. Dieses Vorhaben brauchte viel Vorbereitung. Das lässt erahnen, wie schwierig das Umkrempeln meiner Gewohnheiten wurde. Ich wollte bei Büchern, Filmen/Serien, Musik, Podcasts und wissenschaftlichen Texten darauf achten, dass es sich um Autorinnen, Interpretinnen und Moderatorinnen handelte.
Hinweis: Zum Zeitpunkt des Experiments befand ich mich in häuslicher Isolierung. Wenn ich schreibe, dass ich mich an dem Tag auf eine Sache konzentriert habe, stimmt das auch tatsächlich. Ich hatte einfach nichts anderes zu tun.
Erster Tag: Fokussierung auf Serien/Filme
Als ich eine Serie gucken wollte, musste ich erst einmal nachschauen, von wem diese ist. Ich konzentrierte mich auf die Autorinnen oder Regisseurinnen. Falls das bei dem Streaming-Dienst nicht angegeben wurde, musste ich recherchieren, wer die Idee zu der Serie hatte. Meine ursprüngliche Serie, die ich vor dem Experiment geschaut habe, war damit erst einmal vergessen. Auch viele andere Serien, die auf meiner Watchlist standen, fielen weg. Schade. Also schaute ich eine Serie, auf die ich nicht die größte Lust hatte: „Gossip Girl“. Als ich meine Watchlist durchforstete, fiel mir auf, dass Frauen noch nicht einmal an den „typischen“ Frauenserien teilnahmen. Es war so verdammt schwierig, Filme und Serien zu finden, an denen zumindest eine Frau als Autorin oder Regisseurin beteiligt war. Das hat mich so aufgeregt.
Frauen sind stark unterrepräsentiert, was die Film-Branche angeht. Das sollte jetzt den meisten klar sein. Hier einige Beispiele: Regisseurinnen gibt es nur bei 16 % der Filme, Produzentinnen schneiden mit 28 % am besten ab, während der Anteil der Autorinnen 12 % beträgt. In Deutschland sind es um die 20 % Regisseurinnen, obwohl an deutschen Filmhochschulen das Verhältnis zwischen männlich und weiblich ausgeglichen ist. Der spätere Berufseinstieg für Frauen sei jedoch schwerer.
Zweiter Tag: Fokussierung auf Bücher
Da ich fast ausschließlich feministische Lektüre lese und in diesem Feld die meisten Bücher von Frauen sind, stellte es für mich kein Problem dar, nur von Autorinnen zu lesen. Ich führe ein Bücher-Tagebuch, wo ich festhalte, wann ich welches Buch gelesen oder gehört habe. In den letzten vier Monaten las oder hörte ich zwölf (Hör-) Bücher. Genau eines dieser Bücher war von einem Autoren. Ich lebe also in einer großen feministischen Blase. Dass Autorinnen im deutschen Verlagswesen stark unterrepräsentiert sind, war mir aufgrund meines Konsumverhaltens nicht wirklich bewusst. Ich wurde eines Besseren belehrt.
Die Studie #frauenzählen der Universität Rostock (2018) bestätigt ein klares Ungleichgewicht in der medialen Repräsentation von Autorinnen und Autoren. In Print standen 65 % besprochene Autoren 35 % Autorinnen gegenüber. Auffällig war, dass Kritiker mit 74 % überproportional oft Autoren besprachen, während Kritikerinnen sich beinahe gleichwertig Autorinnen und Autoren widmeten. Die Studie kommt zu dem folgenden Fazit:
Autoren und Kritiker dominieren den literarischen Rezensionsbetrieb: Zwei Drittel aller Rezensionen würdigen die Werke von Autoren, Männer schreiben weit überwiegend über Männer und ihnen steht ein deutlich größerer Raum für Kritiken zur Verfügung. Einzig das Kinder- und Jugendbuchgenre erscheint als ausgeglichenes Genre; die als intellektuell oder „maskulin“ empfundenden Genres wie Sachbuch und Kriminalliteratur werden von Autoren wie Kritikern vereinnahmt.
Dritter Tag: Wissenschaftliche Lektüre für die Universität lesen
Wie sich die meisten vorstellen können, war das die größte Herausforderung. Und ich konnte daran nur scheitern, obwohl ich positiv überrascht war. Ich hatte nur zwei (sehr lange) Texte zur nächsten Woche vorzubereiten. Einer war von einer Frau. Eine Seltenheit, wenn man nicht gerade ein Seminar zu Gender Studies oder Feminismus belegt. Für meine Studienfächer lese ich oft Texte von „sehr alten weißen Männern“. Das fiel mir nicht erst zu Beginn des Versuches auf. Den Anteil von Autoren in meiner Lektüre würde ich auf ca. 90 % schätzen. Abgesehen von meiner Lektüre sehe ich das auch bei meinen Dozierenden. Zu 70 % scheinen es Männer zu sein. Nur weil es (oft alte) Männer sind, heißt es nicht, dass ihr Unterricht schlecht ist. Ganz im Gegenteil. Ich hatte oft mit Dozenten zu tun, deren Seminare perfekt vorbereitet waren und die außerdem genderten. Ich habe aber auch andere Erfahrungen gemacht. Manche blieben im Mittelalter hängen, dementsprechend gestalteten sie auch ihr Seminar. Immerhin werde ich dieses Semester von drei Männern und zwei Frauen unterrichtet, es ist also fast ausgeglichen.
Vierter Tag: Fokussierung auf Musik
Ich wollte Musik hören, und zwar von Interpretinnen. Ich dachte, das wäre einfach. Schließlich höre ich nach Gefühl viele Interpretinnen. Ich täuschte mich und musste ganz schön viel scrollen, um Interpretinnen meiner Wiedergabeliste hinzuzufügen. Das war etwas enttäuschend. Diese Lieder wären in Bezug auf meine Lust an Musik nicht meine erste Wahl gewesen, dementsprechend hörte ich an diesem Tag eigentlich gar keine Musik.
Auch in der Musikbranche bleiben Frauen stark unterrepräsentiert.Das fand die University of Southern California Annenberg (USC) in ihrem jährlichen Report zu Frauen in der Musikindustrie heraus. Hier ein paar Facts aus dem Report des Jahres 2020:
21,6 Prozent der Top-Songs sind von ausführenden Künstlerinnen,
Songwriterinnen: 12,6 %,
2,6 % Produzentinnen #wtf.
Fünfter Tag: Fokussierung auf Podcasts
Die ganze Woche hörte ich Podcasts zum Einschlafen. Als Regel stellte ich mir für die Podcasts auf, dass ich nur welche hören würde, wo ausschließlich Frauen die Moderatorinnen sind.
Wer macht heutzutage keinen Podcast? Sei das Oliver Pocher, Axel Bosse, Rezo oder die Geissens. Sogar Freunde von mir haben einen Podcast gestartet. Als ich mich informieren wollte, wie viele Podcast-Moderator*innen weiblich sind, wurde ich nicht fündig. Was mir aber während meiner Recherche auffiel, war, dass bei den Spotify Top-Podcasts in Deutschland bei den ersten zehn Plätzen kein rein weibliches Moderationspaar dabei ist. Die ersten vier waren reine Männerpaare: Kaulitz Brüder, Gemischtes Hack und Co. Erst Platz 14 mit ‚Mordlust‘ war rein weiblich. Erschreckend.
Sechster und siebter Tag: Halte ich durch?
Am sechsten Tag scheiterte ich an dem Experiment. Das dauerhafte Verzichten, vor allem auf Filme und Serien, bereitete mir sehr, sehr schlechte Laune. Ich stellte mir das Experiment einfacher vor. Da hat mir das patriarchale System allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht. Meine Recherche zu den jeweiligen Themen hob meine Laune nicht gerade. Die Ergebnisse hätte ich nicht erwartet. Ich war und bin sauer, traurig und wahnsinnig enttäuscht. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Menschen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen, es noch viel schwerer in all den Branchen haben. In meiner feministischen Blase sehe ich, dass sich unsere Gesellschaft verbessert hat. Die Ergebnisse meines Experiments haben mich dann allerdings auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Daher fällt mir zum Schluss für alle Frauen und diversen Personen nur ein: Kämpft dafür, die Bücherregale, Universitäten und Podcastcharts zu erobern. Damit man für dieses Experiment eine größere Auswahl an Filmen, Serien, Büchern und Podcasts hat.
Zwei Jahre Pandemie und jeden Tag stellt man sich die Frage, ob Menschen – und vor allem Entscheidungsträger*innen – eigentlich irgendetwas aus diesen zwei Jahren gelernt haben und diese neuen Erfahrungen vielleicht auch endlich einmal anwenden können. Dario Schramm erlebte die letzten zwei Jahre als Schüler einer gymnasialen Oberstufe mit all den Problemen, die nicht nur seit 50 Jahren ignoriert, sondern seit zwei Jahren immer akuter werden. In seinem Buch DieVernachlässigten rechnet er mit dem deutschen Bildungssystem ab, bringt aber auch Vorschläge zur Verbesserung.
Die Vernachlässigten erschien am 31. Januar 2022 und umfasst 137 Seiten. 118 Seiten reiner Fließtext teilen sich somit auf Vorwort, Einleitung, neun Kapitel und Epilog auf. Die Kapitel widmen sich einzelnen Schwerpunkten innerhalb des Bildungssystems, wie beispielsweise der Digitalisierung, Schulsozialarbeit oder der Inklusion.
Dario Schramm ist Jahrgang 2000 und machte 2021 sein Abitur in Nordrhein-Westfalen. In seinem letzten Schuljahr begleitete er das Amt des Generalsekretärs der Bundesschüler*innenkonferenz – sozusagen war er Schülersprecher aller Schülersprecher*innen. Seit Herbst 2021, also seit dem letzten Wintersemester, studiert er an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder Recht und Politik. Im Einleitungstext gibt Dario Schramm erst einmal einen kleinen Überblick über die Situation, wie er sie in den letzten zwei Jahren erlebt hat. Er schreibt von Parkplatztreffen mit seinen Mitschüler*innen, wie die Frustration über die Situation immer weiter anstieg, dass er nichts von Lehrerbashing hält und wie er seinen Weg in die Schulpolitik fand.
Wir kennen es alle!
Jede Person hat eine Schule von innen gesehen. Die Mehrheit kennt demnach den maroden Zustand staatlicher Schulen: bröckelnder Putz, verstopfte Toiletten, undichte Dächer. Auch Dario Schramm kann ein Lied von der schlechten baulichen Substanz singen, was er in seinem ersten Kapitel auch gleich tut. Beim Lesen musste ich feststellen, dass meine Gefühle zwischen Lachen und Weinen wanderten, denn so lustig die Geschichte mit der Kaffeemaschine im Lehrer*innenzimmer, die den Stromkreis überlastete, weswegen im Raum darunter die Lichter flackerten, auch ist: Sie zeigt, wie bescheiden es um deutsche Schulen steht. Würde man Schüler*innen fragen, welche Probleme sie so kennen – jede*r von ihnen hätte etwas zu erzählen.
Für eine Wirtschaftsnation wie die deutsche ist es schlichtweg verwerflich, in welchem maroden Zustand unsere Schulen und damit unsere Nachwuchsstätten sind. Ursache des Problems ist, dass die Gebäude in kommunaler Hand sind. Denn ausgerechnet die Kommunen sind finanziell schwach aufgestellt.
Dario Schramm, S. 25
Dieses erste Kapitel zeigt bereits, wie genau sich Schramm mit dem deutschen Schulsystem und der Verwaltung von Schulen und dem Personal auseinandergesetzt hat. Er weiß, wie Bauaufträge ausgeschrieben werden müssen. Er hat sich mit dem Fachkräftemangel auseinandergesetzt, der über das Gesundheitswesen hinausgeht. Schramm erklärt ausführlich, wie Lehrer*innenstellen vergeben werden und wo die Probleme von „normalen“ Lehrer*innen auf Stellen für die Sonderpädagogik liegen. Außerdem gibt er einen Einblick zu der Vergabe von Schulsozialarbeiter*innen.
Die Corona-Pandemie hat nicht nur beim Thema Digitalisierung große Unterschiede deutlich gemacht. Mittellose Bildungssystem-Teilnehmende haben in der Pandemie keine Chance gehabt, vernünftig an der Bildung zu partizipieren. Doch auch davor war es für genau diese Akteure bereits schwierig. Bildung ist eben nicht für jede Person kostenlos. Egal, ob Digitalpakt Schule, die Kultusminister*innenkonferenz, Förderprogramme für einkommensschwache Familien: die Hürde Bürokratie zieht sich durch unser Bildungssystem.
Doch auch von Seiten des Lehrapparats gibt es große Defizite: Schramm selbst weist jedoch eindeutig daraufhin, dass dies selten an den Lehrer*innen selbst liegt, sondern viel mehr ein Problem innerhalb der Ausbildung des Lehrkörpers ist. Dass Schüler*innen mit Talenten und Begabungen oft einen Nachteil dadurch erfahren, dass das Lehrpersonal schlichtweg damit nicht umzugehen weiß, sieht er ebenfalls als Barriere. Er zeigt auf, wieso Schulen oft als feindliches Biotop betrachtet und weniger als motivierender Lernort gesehen werden.
Ich verbinde Schule (aus eigener leidvoller Erfahrung) mit harten Stühlen, kantigen Tischen und einem verkrusteten System alter, eingestaubter Denkweisen.
Dario Schramm, Seite 28
Lesenswerter Mehrwert
Für mich persönlich haben die ersten Kapitel zu Modernisierung, Digitalisierung und zur Kommunikation vor allem neue Einblicke in ein System gebracht, welches ich bis dahin lediglich als Schülerin kennenlernte und weniger als Akteurin, die in diesem für Veränderungen sorgen möchte. Die drei Kapitel haben dazu beigetragen, dass ich öfter mit dem Kopf geschüttelt habe, als ich eigentlich wollte. Außerdem helfen die Kapitel dabei, ein unfassbar bürokratisches System zu sehen, in dem es niemanden mehr wundern sollte, dass alles so bescheiden läuft.
Ebenfalls etwas Neues stellt für mich das Kapitel zur Schulsozialarbeit dar. Ja, mir ist klar, dass es so etwas gibt. Ich selbst bin jedoch nie damit in Berührung gekommen und zu meiner Schulzeit – das klingt jetzt so als wäre ich super alt, aber mein Abitur liegt eigentlich erst sechs Jahre zurück – gab es schlichtweg in meiner Region keine Schulsozialarbeiter*innen. Ähnlich die Situation um die Inklusion: Meine Schulen waren alle DDR-Bauten. Da war nicht viel mit Fahrstühlen oder Klassenräumen, die für jeden Menschen zugänglich sind. Schramms Buch gibt also auch mir, die doch eigenltich noch jung und frisch aus dem System „Schule“ heraus ist, einen neuen Blick und vor allem neue Informationen.
Ein bisschen Kritik
Schramms Buch soll zum Nachdenken, zur Reflexion und vor allem zum Hinterfragen der derzeitigen Situation an unseren Schulen und in unserem Bildungssystem anregen. Das schafft es definitiv! Dass es dabei auch noch leicht verständlich und gut erklärt wird, ist ein großer Bonuspunkt. Doch an der ein oder anderen Stelle habe ich mich auch widersprechen gehört (oder gedacht). Natürlich sind Schramms Ideen eben nur als genau das gedacht: Ideen, Vorschläge, Handlungsmöglichkeiten. Doch man darf ja trotzdem widersprechen. Zum Beispiel bei dem „einfachen“ Gedanken, den Numerus Clausus an Universitäten für Berufe mit Mangel herunterzusetzen. Das Problem ist komplexer und wird nicht durch das Aussetzen des NCs verbessert – was drei Jahre Hochschulpolitik doch mit einem machen.
Auch der Punkt der Lizenzen in der Online-Lehre hat mich etwas aufhorchen lassen. Ja, man kann durchaus Geld für bereits vorhandene – datenschutzrechtlich fragwürdige – digitale Infrastruktur ausgeben. Der richtige Weg ist länger, aber effektiver, weil er unsere eigene Infrastruktur, unsere Rechenzentren, unsere Server stärkt.
Wenn ihr, nachdem ihr dieses Kapitel gelesen habt, einfach die Seite umblättert, ohne euch Gedanken über das zu machen, was ich gerade geschrieben habe, empfehle ich euch: Legt das Buch lieber gleich weg!
Dario Schramm, Seite 71
Fazit
Es gibt innerhalb des Buches durchaus noch weitere Punkte, die ich anders denken würde. Doch dafür ist diese Rezension nicht gedacht. Worauf ich eigentlich hinaus möchte: Das Buch ist sehr gut und verständlich geschrieben. Man merkt, dass Dario Schramm sich in das System eingearbeitet hat und er auch komplexe Vorgänge mit einfachen Worten erklären und darlegen kann. Man kann seine Gedanken verstehen, seine Wut nachempfinden und reflektiert auch die eigene Position beim Lesen – sofern man kritisch mit seinen eigenen Privilegien umgehen kann. Eine meiner Notizen an einem Absatz ist wortwörtlich: „diggi, bin ich priviligiert“ – was vollkommen ernst gemeint ist.
Dieses Buch hat mir mehrfach Gänsehaut bereitet. Bei jedem Fachkräftemangel – seriously, ich hatte ja keine Ahnung, wie schlimm es wirklich ist! – stellte sich mir die Frage, ob man in solch ein kaputtes System wirklich ein Kind setzen möchte. Wenn es um die Kultusminister*innenkonferenz oder das Bildungsministerium ging, kam mir mehrmals die Frage, ob die damalige Bildungsministerin überhaupt ihre Kompetenzen kannte – es wirkt jedenfalls nicht so.
Die Probleme unseres Bildungssystems sind unfassbar vielfältig und vielschichtig, doch Dario Schramm schafft es, diese Probleme in neun Kapiteln und 137 Seiten darzulegen, Möglichkeiten der Verbesserung aufzuzeigen und vor allem zum Nachdenken anzuregen. Ich hoffe, dass es nicht nur mir so erging. Denn eine Reform hat unser Bildungssystem dringend nötig und dieses Buch gibt einen guten Überblick über die Großbaustellen.
Vielleicht zum ersten Mal in unserem Leben begreifen wir, was Schule neben der Vermittlung von Lerninhalten ist: soziales Netz, Ort des Austauschs, Zentrum der Kommunikation.
Netflix, Amazon Prime, Disney Plus, Hulu, HBO Max, RTL+, Youtube premium, Joyn Plus, Sky, Apple TV+… . Streaming regiert die Abendunterhaltung wie Oasis den Wunsch nach Vereinigung, Take That den Wunsch nach Trennung, „We don’t talk about“ Bruno das Herz von Kindern und das Lineal die Kurvendiskussion (wegen ruler…). So stellt sich doch die Frage, worin sich die einzelnen Anbieter noch unterscheiden? Exklusivtitel und Eigenproduktionen locken, jedoch erscheint der berühmte Markt übersättigt durch das Vollgestopfte, mit animierten Sitcoms von super spritzig verrückten Familien, Reality TV über die wirklich wahre Liebe und Filme von und mit Timothée Chalamet und Ryan Reynolds. Bibliotheken des Landes haben dagegen einen Anbieter vorzuweisen, bei dem nun auch die Stadtbibliothek Greifswald Mitglied ist, welcher die Frage mit einem einzigartigen Angebot in ein ganz neues Licht rückt.
Was ist es?
Die Stadtbibliothek Greifswald hat seit dem 15. Dezember das Streamingportal filmfriend in ihr Angebot aufgenommen. Dabei handelt es sich um eine Plattform für Bibliotheken in ganz Deutschland, die Filme zeigt, die sonst selten bei klassischen Streaminganbietern gefunden werden können. Die Stadtbibliothek schreibt selbst: Angemeldete Nutzer*innen der Stadtbibliothek können das Filmstreamingportal filmfriend kostenfrei nutzen und damit über 3.000 Filme online schauen. Die Anmeldung erfolgt mit Benutzernummer (auf dem Leserausweis) und Passwort der Stadtbibliothek. Das filmfriend-Angebot umfasst vor allem deutsche und europäische Titel, Arthouse-Fime, Filmklassiker, Kurzfilme, Serien und Dokumentarfilme sowie eine große Filmauswahl für Kinder und Jugendliche.
Was kann es?
Was der Plattform von vornherein zu Gute kommt, ohne das weitere Angebot zu betrachten, ist der unschlagbare Preis. Kostenfrei ohne versteckte Nebenkosten für Bibliotheksmitglieder kann sich wirklich sehen lassen. Interessierte ohne Mitgliedschaft können diese für einen jährlichen Tarif von 15€ (10€ für Studierende) abschließen und dabei auch noch von den physischen Qualitäten der Stadtbibliothek profitieren. Diese stehen im Verhältnis zu monatlichen Beiträgen von meist 8-15€ der klassischen Anbieter, die aufgrund der Andersartigkeit des Angebots aber auch schwer zu vergleichen sind.
Das wichtigeste Herausstellungsmerkmal von Filmfriend lässt sich im Filmangebot ausmachen. Nur um es mal so zu sagen: es gibt vermutlich eine ganze Sammlung von Filmen aus jedem Land Europas, wenn nicht der ganzen Erde, die in irgendeiner Art prämiert wurden. Die Spanne läuft vom dänischen Königshaus zu einem rumänischen Mädchen, das seine Familie nicht mag hin zu einem Pferd aus Finnland. Dazu kommen eine raue Anzahl an Buchverfilmungen, was bei einem Dienst der Bibliothek vermutlich nicht besonders überraschend, aber auch dementsprechend umfangreich ist. Dokumentationen, die in dieser Anzahl und Qualität wohl nur in der zu guten Arte Mediathek gefunden werden können. Trotzdem sind aber auch viele Fernseh- und Kinofilme verfügbar. So gibt es wohl jeden Film mit Daniel Brühl, dem deutschen Bradley Cooper, Lars Eidinger, dem deutschen Neil Patrick Harris und Mads Mikkelsen, dem dänischen Daniel Brühl. „The King’s Speech“ hat nicht umsonst vier Oscars gewonnen, „Die Königin und der Leibarzt“ fesselt emotional und „Submarine“ muss nicht nur aufgrund der Vertonung von Alex Turner zu den besten Coming of Age Dramen gehören. Zu alldem kommt das angesprochene Unterscheidungsmerkmal: Filmfriend weist Filme auf, die in dieser Anzahl wohl nirgends zu finden sind. Als Beispiel dafür gibt es eine ganze Sammlung von in der DDR verbotenen Filmen, die zum Teil erst nach der Wiedervereinigung aus übriggebliebenen Resten zusammengesetzt und hier digital verfügbar gemacht wurden. „Die Russen kommen“ von 1968 zeigt, wie Jugendliche des Nationalsozialismus in der Endzeit des 2. Weltkriegs zwischen Glaube an den Endsieg und völliger Verzweiflung als letzte Verteidigung in den Krieg ziehen mussten. Wenn wir schon bei so aktuell anklingenden Themen sind, muss auch für das Drama „Donbass“, welches den seit 2014 anhaltenden Konflikt in der Ukraine dokumentiert, eine Empfehlung ausgesprochen werden.
Filmfriend hat nicht diese Eigenproduktion, die zur teuersten Serie aller Zeiten werden kann. Aber vermutlich macht das die ganze Plattform zu etwas besonderem, dass sie ein kleines Stück weg vom Kommerz kommt und die Welt so zeigt, wie sie eben ist. Wenig Hollywood Bling Bling dafür mehr echte Emotionen, echte Menschen, echtes Leben. Das Fazit kann daher nur eine absolute Empfehlung an alle Mitglieder der Bibliothek sein, einfach mal reinzuschauen, sowie der Überzeugungspunkt für alle, die an einer Mitgliedschaft noch zweifeln.
Beitragsbild von Glenn Carsten-Peters auf unsplash.com
Im Oktober 2018 begann nicht nur meine Studienzeit an der Universität Greifswald, sondern auch meine Zeit bei den moritz.medien. Nach knapp drei Jahren beim moritz.magazin – als Redakteurin und auch Ressortleiterin – wurde ich während der Corona-Zeit mehr oder weniger von der web.redaktion adoptiert. Nach einer stabilen Rate von einem Artikel pro Jahr auf dem webmoritz., habe ich mich im November 2021 dazu entschieden, mich für die nächste Chefredaktion aufstellen zu lassen, da Lilli und Julian aufhören möchten. Damit startete dann auch schon die Einarbeitungsphase – doch jetzt ist’s ernst.
Woche 1 – Handyvibrationen, Dauergrinsen und E-Mail-Tags
1. März 2022 – es ist soweit: Lilli verlässt die Chefredaktion und ich rücke für sie nach. Sie hat das Amt zwei Jahre lang innegehabt und, wie ich finde, nicht nur einen guten, sondern einen großartigen Job gemacht. Es sind große Fußstapfen, in die ich trete, und vielleicht macht mich der Gedanke etwas verrückt. Was gerade schon passiert? Mein iPhone hört nicht auf zu vibrieren. Lilli fügt mich sämtlichen Gruppen hinzu und tritt zeitgleich aus diesen Gruppen aus – natürlich nicht, ohne sich von allen zu verabschieden und sich für die Zeit zu bedanken. An meinem ersten Tag schaue ich ein Mal in WordPress. Ich sehe plötzlich drei neue Artikel, die in Arbeit sind und außerdem bereits ein (fertig) im Titel haben, von deren Existenz ich bisher jedoch noch gar nichts wusste. Etwas panisch schreibe ich Julian, um zu fragen, was es damit auf sich hat. Er sagt, dass die Artikel noch eine Sperrfrist hätten und an ihnen auch noch gearbeitet werde. Ich könne mir die Artikel gern einmal ansehen und meine Meinung dazu schreiben.
Die Übergabe gestaltet sich kurz: Weder Adrian noch ich haben aktuell Fragen. Wir besprechen unsere neuen Groupware-Tags. Julian leitet die Wünsche an Lukas weiter, der kurze Zeit später Vollzug meldet. Ich frage Julian, wie man die Seiten einzeln bearbeiten kann. Er zeigt es mir, nur irgendwie ist bei mir der Divi-Button nicht vorhanden. Ich gehe also manuell über fünf Seiten auf die Seite, um mit Hilfe von Divi unsere Team-Seite zu bearbeiten. Ein bisschen Module und Bilder und Namen verschieben (und kurz etwas Schreien) später, ist die Team–Seite aktualisiert.
Ich hatte mir vorgenommen, morgens direkt in WordPress und Groupware zu schauen und Aufgaben abzuarbeiten. Der Wecker klingelt um 8 Uhr. Ich stehe auf, jedoch erst um 10 Uhr. Beim Blick ins Backend sehe ich, dass Julian bereits das Interview mit dem Oberbürgermeister ein letztes Mal gegenliest und veröffentlicht. Ich setze mich auch noch mal kurz nach Veröffentlichung dran und ändere noch zwei kleine Dinge. Die Redaktionssitzung leitet Julian – auch weil ich Angst habe, etwas zu vergessen.
Am Vortag hatten wir uns kurzfristig darauf geeinigt, dass noch ein Artikel zur Ukraine erscheinen soll. Annica hat diesen dankenswerterweise übernommen. Ich bin gespannt, will ihn vor Veröffentlichung lesen – wie sich das als Chefi nun einmal gehört – muss dabei jedoch feststellen, dass erst Annica, dann Lilli, dann wieder Annica und zum Schluss Julian den Artikel bearbeiten. 12 Uhr geht er dann online und ich habe es nicht noch einmal geschafft, ihn zu lesen.
Am nächsten Morgen prüfe ich Punkt 10 Uhr erst einmal, ob der neue Artikel online ist. Ist er – damit hat er mehr geschafft als ich. Ich liege nämlich im Bett und schaue mir auf der Seite liegend den Artikel an. Ich schreibe mir noch auf, Julian zu fragen, wer nach dem Lektorat die Veröffentlichung des Artikels plant. Anschließend setze ich mich mit meinem Kaffee hin und bearbeite eine Löschanfrage. Ich lösche das erste Mal einen Artikel aus unserem Backend. Wow. Aufregend. Außerdem tagge ich direkt noch die E-Mail mit dem grünen „ERLEDIGT!“-Tag. Der erste Tag wurde gesetzt. Noch aufregender.
Die drei Artikel vom Wochenbeginn sind mittlerweile zu fünf Artikeln herangewachsen. Ich habe den Überblick verloren. Ich nehme mir vor, irgendwann in den nächsten Tagen endlich einmal in die Artikel hineinzuschauen, damit ich eine Woche später auch weiß, worum es geht – also außer das, was aus dem Titel der Artikel bereits klar wird.
Woche 2 – Artikel, Artikel, Artikel und ein bisschen Überforderung
Ich realisiere, dass die erste Woche doch tatsächlich geschafft ist. Die Redaktion steht noch, mein PC hat noch kein Feuer gefangen, ich habe Divi erst ein Mal angebrüllt. Das ist gut. Heute steht traditionell der StuPa-Ticker an. Julian hat noch gar nicht gefragt, wer heute Abend alles am Start ist – ich mach das dann einfach mal. Es melden sich Julian und Annica zurück. Ich stelle mich auf eine gemütliche Ticker-Runde ein. Eine halbe Stunde vor Beginn melden Annica und Julian jedoch Verspätung an. Nervosität setzt ein. Um 20 Uhr logge ich mich ein und fange an, die Fenster in einer sinnvollen Reihenfolge anzuordnen, damit ich im Pad auf Moodle schreiben und im Anschluss ohne Probleme in WordPress kopieren kann. Kurz vor Sitzungsbeginn kommen Annica und Julian und sogar noch Juli hinzu und wir tickern die sehr kurze StuPa-Sitzung zu viert.
Der Rest der Woche verläuft ruhig. Ich übernehme die Redaktionssitzung am Donnerstag, da Julian verhindert ist. Glücklicherweise ist die Sitzung nicht so groß. Wer gerade keine Prüfungen hat, macht Urlaub und genießt eine moritz.freie Zeit. Die Sitzung ist – meiner Meinung nach – etwas holprig. Das Protokoll will nicht so ganz wie ich. Immerhin macht das WLAN aber mit und fällt nicht aus – wie sonst übrigens immer. Nach der Redaktionssitzung leite ich eine Anfrage weiter, schicke einer Redakteurin noch einen Artikel und gebe Julian ein kleines Update. Ich werfe noch einen Blick auf WordPress: Freitags kommt die neue Podcast-Folge. Ich schaue kurz in die Podcast-Folge hinein, stelle fest, dass ich keine Ahnung habe, wie das funktioniert und logge mich aus.
Als ich auf dem webmoritz. nachschaue, sehe ich, dass Julian den Podcast bereits freigegeben hat. Die Folge hat plötzlich einen Text. Okay, den gab es gestern irgendwie noch nicht. Ich habe jetzt wirklich viele Fragen. Dafür ist Marets Ankündiger lektoriert und benötigt nur noch die letzte Abnahme durch die Chefis. Geilo! Ich lese also den Text, schaue mir nochmal das Layout an, gebe Schlagwörter ein UND PLANE DAS ERSTE MAL EINEN ARTIKEL! Ich schreibe fix Julian, dass das erledigt ist und bin dabei ein bisschen stolz auf mich.
Am nächsten Tag schreibt mir Julian, dass ich noch ein paar Dinge vergessen habe. Hahahahaha. Es fehlten wohl noch der Textausschnitt für den Teaser und einige kleine Einstellungen. Man kann nur dazulernen. Meine Hausarbeit, die zu Beginn von Woche 3 eingereicht werden muss, bringt mich noch zum Verzweifeln, aber dafür ist es diese Woche trotz der aufgekommenen Fragen doch etwas ruhiger gewesen.
Woche 3 – Prüfungsphase, Lesezeit und ruhige Sonntage
Die Redaktion ist diese Woche … nicht schläfrig, aber eher zurückhaltend. Bei einigen Redakteur*innen läuft nach wie vor die Prüfungsphase. Ich bin sehr dankbar, genau in dieser Zeit den Wechsel zu haben, da das bedeutet, dass ich in aller Ruhe alles erkunden kann und sich die Ereignisse nicht überschlagen.
Wir starten mit der Chefsitzung in die Woche. Dabei treffen sich alle Chefredaktionen und die Geschäftsführung, um Organisatorisches zu besprechen und einen Überblick zu geben, was die einzelnen Redaktionen eigentlich machen.
Donnerstag steht wieder einmal die Redaktionssitzung an. Trotz Prüfungsphase kamen jede Woche knapp zehn Personen, was eine richtig gute Zahl ist. Der Redaktionsplan füllt sich weiter. Svenja arbeitet noch an ihrem Artikel – bisher hatte sie sich aber auch noch nicht wegen Unklarheiten gemeldet. Ich setze mich auf meinen Balkon – Südseite, es ist schön warm und sonnig. Ich habe von Nina ein Rezensionsexemplar eines Buches bekommen, das ich jetzt erst einmal lesen werde.
Am Abend schaue ich nochmal in WordPress und sehe vier neue Artikel, von denen zwei gerade von den Redakteurinnen bearbeitet werden. Ich freue mich über die eifrige Arbeit der Redaktion. Im Verlauf des Abends werde ich noch die restlichen Redakteur*innen an ihren Artikeln arbeiten sehen. Annica schreibt noch eine Nachricht, ob Julian und ich vielleicht ihren Artikel lesen könnten, da sie bisher sehr unzufrieden damit sei. Ich schreibe es auf meine Liste für den nächsten Morgen.
Mein Biorhythmus hat sich mittlerweile verschoben: ich werde am Sonntag um 8:30 Uhr wach. Wtf. Mit meinem Kaffee und zwei Brötchen setze ich mich auf den Balkon – es ist immer noch schön sonnig – und schaue ins Backend. Ich lese Annicas Artikel, gebe mein Feedback dazu, schaue kurz in die anderen Artikel und genieße den „ruhigen Sonntag auf der Terrasse“, der mit Arbeit begleitet wird. Ich lache kurz, freue mich aber auch, die Aufgaben in dieser Atmosphäre bearbeiten zu können. Zu viel zu tun zu haben, während Teile der Redaktion immer noch in Prüfungen stecken, ist schließlich meckern auf ganz hohem Niveau. Aus den vier neuen Artikeln, die noch in Arbeit sind, sind mittlerweile sieben Artikel geworden – okay, zwei Artikel kommen von mir, von denen einer dieser hier ist. Ein Artikel wird noch im Laufe des Tages fertig. Ich lektoriere nochmal, trinke währenddessen zwei Tassen Tee und esse Flammkuchen.
Am Ende des Abends wird mein Freund mich ansehen und sagen, dass er sieht, dass ich den ganzen Sonntag an verschiedenen Sachen für die Medien gearbeitet habe, dabei aber sehr glücklich wirke. Ich freue mich, denn er hat recht. Ist das dann überhaupt Arbeit nach deutscher Definition, wenn man dabei Spaß hat?
Woche 4 – Mobbing in der Chefredaktion, Hausaufgaben und Fehler
Es steht wieder einmal eine StuPa-Sitzung an – Julians letzte Sitzung als Chef und zeitgleich die letzte Sitzung der Legislatur. Ich starte wieder vorerst allein in die Sitzung und dichte Polarkreis 18s Song „Allein“ um. Julian reagiert darauf mit einem Gollum-GIF. Danke dafür!
Am nächsten Tag schickt mir Julian einen Screenshot. Er hatte versucht dieses umgekrempelt zu lesen, ich hatte jedoch vorgesorgt und lediglich „tjahahahaha, ihr hattet gehofft, jetzt etwas lesen zu können!“ geschrieben, um der neugierigen Meute aus Lektorat und Chefredaktion vorzubeugen.
Donnerstag fällt die Redaktionssitzung einmal aus, da keine der Ressortleiterinnen anwesend sein kann. Die Redaktion bekommt dafür die Aufgabe drei verschiedene Vögel zu fotografieren. Außerdem sieht unsere Seite plötzlich komisch aus. Julian und ich sind uns einig, dass das ganz schön hässlich ist. Lukas wird informiert und schickt uns Bilder von Back- und Frontend. Er findet den „technischen Unterschied“ leider auch nicht, der optische jedoch sei sehr sichtbar. Lukas zaubert und ändert erst einmal etwas am Layout, damit es nicht ganz so „super hässlich“ aussieht. Eventuell fallen die Worte „ich hasse Divi“. Wir einigen uns darauf, dass es besser als vorher ist, aber immer noch … weniger schön.
Freitags erscheint wieder der Podcast. Julian teilt mir mit, dass er die Folge nicht abnehmen kann und ich das bitte machen soll. Ich schaue in den Beitrag: Es steht nichts drin. Irgendwann schreibt mir Svenja, ob ich bitte den Beitrag verlassen könnte, damit sie ihn bearbeiten kann. Ich muss mir dringend angewöhnen, Beiträge nicht nur zu öffnen, sondern nach der Bearbeitung diese auch wieder zu verlassen. Danach nehme ich noch Annicas Beitrag zum studentischen Prorektorat ab. Es hat alles irgendwie geklappt. Am nächsten Morgen schreibt mir Julian noch eine Liste mit Fehlern. Ich lache kurz, weil es teilweise richtig dumme Dinge sind, die ich übersehen habe. Wow. Es läuft. Ab und an zwar eher bergab, aber es läuft.
Außerdem steht die Greifswald räumt auf Aktion an, bei der wir mitwirken. Mein Wecker klingelt um 6 Uhr morgens. An einem Samstag. Das passierte zuletzt, als ich aktiv Schach gespielt habe. Ich vermisse die Aufstehzeiten definitiv nicht. Dass es viel zu früh ist, merke ich daran, dass ich ohne mein Handy losfahre und nochmal zurück muss. Ich genieße die Zeit mit einigen Redakteur*innen, die ich bereits seit sehr langer Zeit nicht mehr außerhalb von BigBlueButton gesehen habe.
Sonntag schreibe ich Julian einen kurzen Überblick über die Artikel, die wir für die Woche einplanen können. Es werden mehr. Vor allem dieser hier wird endlich fertig – einen Tag vor Julians letzter Redaktionssitzung. Den Montag verbringe ich kurzerhand auf Usedom. Auf dem Weg stelle ich fest, dass ich kein Ladekabel für meinen Laptop mitgenommen habe. Damit kann ich nur solang arbeiten, bis der Akku leer ist. Dienstagmorgen reicht der Akku gerade noch aus, um Lillys Artikel ein letztes Mal zu lesen und zu planen.
Fazit und ein wenig Danksagung
Es ist Mittwoch, der 30. März. Ein Monat ist um. Ein Monat Chefredaktion. Ein Monat laufen lernen (oder fliegen?). Es fühlt sich ein wenig irre an, vor dem Laptop zu sitzen und diesen Umstand zu realisieren. Nach vier Wochen hat sich mein Schlafrhythmus angepasst. Ich komme morgens aus dem Bett, arbeite mit Kaffee in der Hand und Taylor Swift auf den Ohren die ersten Aufgaben für die Redaktion ab. Es macht viel Spaß und vermutlich ist genau das einer der entscheidenden Gründe, wieso ich aus dem Bett komme. Die Arbeit ist abwechslungsreich und das Team trotz Prüfungen sehr motiviert. Artikel tauchen teilweise einfach auf, Redakteur*innen kommen mit Ideen und nehmen Projekte selbst in die Hand. Die Aufgaben, die ich selbst übernommen habe, wurden von Woche zu Woche umfangreicher, aber sie sind alle machbar. Für den Fall, dass man nicht weiß, wie etwas funktioniert, gibt es einfach immer eine*n Ansprechpartner*in in einer der 20 Signal-Gruppen.
Ich habe übrigens immer noch nicht die Artikel mit der Sperrfrist aus Woche 1 gelesen. Dafür hat Lukas mein Divi-Problem gelöst und ich kann endlich mittels Button in den Divi Builder wecheln. Ein etwas größeres Problem, das ich feststellen durfte, betrifft meine Terminplanung: Ich brauche mehr Platz, um auch die Artikelplanung und weitere To-Dos aufnehmen zu können. Daran arbeite ich defintiv noch.
Vielen Dank an dieser Stelle besonders an Julian und Lilli, die uns – Adrian und mich – bereits seit November an die Aufgaben der Chefredaktion heranführen und auch noch immer für uns und unsere Fragen erreichbar sind, einen Leitfaden bauen und uns den Karren nicht vor die Wand fahren lassen. Außerdem auch ein Dankeschön an Lukas, der in den letzten vier Wochen ein wenig mehr von uns genervt wurde, weil Dinge nicht funktionieren wollten (oder die Anwender*innen zu blöd waren).
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