Atomkraft? Nein Danke! – Demo gegen Castor

Die Anfahrt nach Lubmin zur Demonstration am 25. Juli gegen den geplanten Castor-Transport wurde deutlich länger als geplant. Nicht etwa, weil die Polizei die Anfahrt erschwerte. Etwa 50 Radfahrer setzten mit ihrer Fahrraddemo ein Zeichen für die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien und gegen den vorgesehenen Castor-Transport. Der Verkehr staute sich allerdings erst ab Kemnitz, da hier die Radfahrerinnen und Radfahrer die Straße mit benutzen müssen. Bereits gestern machten die Aktivisten mit einem Infostand auf dem Fischmarkt auf sich aufmerksam.

In Lubmin angekommen, kündigten die Organisatoren auf einer Kundgebung am alten Bahnhof Widerstand gegen die Transporte an. Besonders problematisch sei vor allem die Tatsache, dass der in Lubmin eingelagerte Atommüll im Falle eines Lecks der Castoren nicht repariert werden könne, da keine Reparaturwerkstatt hierfür existiere. Aufgrund der Tatsache, dass vermutlich auch in den nächsten vier Jahrzehnten keine Endlagerstätte existieren wird, würde der nukleare Abfall immer wieder von Lager zu Lager umsortiert, so die Rednerinnen und Redner. Dies diene dazu, damit die Kernkraftwerke ihren gesetzlich vorgeschriebenen Endlagernachweis vorweisen können.

„Unverantwortlich, aus Profitgründen an Atomenergie festzuhalten“

Gesetzt, es würde immer wieder zur Umlagerung kommen, würde der Endlagernachweis ad absurdum geführt, so die Rednerinnen und Redner während der Kundgebung. Des weiteren wiesen sie darauf hin, dass es zu einer Überfüllung der Zwischenlager kommen wird, sofern keine geeignete Endlagerstätte gefunden würde. Es sei „unverantwortlich, nur aus Profitgründen an der Atomenergie festzuhalten“ meinten sie gegenüber den 80 anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltung. Es wurde betont, dass die Zukunft in den erneuerbaren Energien liege.

Unter den Rednerinnen und Rednern meldeten sich auch Vertreter der Atomkraftgegner aus Russland und Frankreich zu Wort. So beispielsweise Vitali, der als Vertreter einer ökologischen Jugendbewegung in Murmansk nach Lubmin zur Demo angereist war. Die dortige Gruppe von Atomkraftgegnern möchte sich vor Ort für eine Abschaltung des Atomkraftwerkes einsetzen und gegen die dort stationierte Flotte der Atom-U- Boote des russischen Militärs protestieren. Zudem existieren in der Gegend um Murmansk mehrere Endlager für Nuklearmüll. Als Vorbild für die russische Atomkraftgegner sollen die Aktionen der westeuropäischen Aktivistinnen und Aktivisten dienen. Der Redner ist Mitglied der Baltic-Sea-Tour, welche durch die Staaten, die an der Ostsee liegen, fährt, um über die nukleare Verseuchung der Ostsee aufzuklären. Des weiteren bekundete eine französische Delegation ihre Solidarität mit den deutschen Protestgruppen gegen den Castor-Transport nach Lubmin.

Angenehmes Sitzen auf Lubminer Schienen

Der anschließende Protestmarsch nach Lubmin verlief friedlich und reibungslos. Unabhängig davon ließ es sich die Zivilpolizei nicht nehmen – fleißig wie die Bienen – Fotos von möglichst vielen Demonstranten und anwesenden Redakteuren des webMoritz zu machen. Dem Marsch zum Zwischenlager Nord „Rubenow“ (ZLN „Rubenow“) folgten insgesamt 60 Personen. Insassen vorbeifahrender Autos zeigten sich erbost über die Demonstration. „Erst demonstrieren und dann in den Wald pissen“, schimpfte die Beifahrerin eines Autos, als sie am Zug vorbei fuhren.

Zwischendurch verließen etwa 40 Demonstrantinnen und Demonstranten tatsächlich den vorgeschriebenen Weg und machten sich auf die Gleise. Probesitzen war angesagt. Ein Demonstrant bemerkte ironisch, dass es sich auf den Schienen zum Bahnhof Lubmin ausgesprochen weich sitzen ließe.

Nach etwa einer Stunde wurde Fußmarsch das Ziel, das ZLN „Rubenow“ erreicht. Es folgte eine weitere kurze Kundgebung. Anschließend wurde die Protestaktion für beendet erklärt und aufgelöst. Die Organisatoren zeigten sich insgesamt zufrieden mit der Auftaktaktion für weitere Proteste, wenngleich sie sich mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhofft hatten.

Galerie vom Infostand:

Fotos: Christine Fratzke, Kilian Dorner (Galerie Demo in Lubmin), Marco Wagner (Galerie Infostand)

Umfrage: Was macht ihr im Sommer?

Ein Beitrag von Martin Hackbarth

Beginn der vorlesungsfreien Zeit: Die Tage sind lang, die Temperaturen steigen, viele sonnen sich am Hafen, fahren ans Meer, genießen das ein oder andere Getränk im Biergarten oder fahren in den Urlaub. So schön und idyllisch  kann der Sommer sein. Doch  irgendetwas fehlt. Ach ja, das Studium. Die vorlesungsfreie Zeit bedeutet für viele Studentinnen und Studenten wieder das Schreiben von unzähligen Hausarbeiten und/oder Klausuren. Das abgammeln in den stickigen Räumen der Bibliotheken, oder das absolvieren von Praktika. Einige nutzen auch die zweieinhalb  Monate, um sich etwas Geld zu verdienen. So schön scheint der Sommer wohl doch nicht mehr zu sein. Wie idyllisch die vorlesungsfreie Zeit wirklich ist, sollte eine kleine Umfrage, an der etwa 100 Studentinnen und Studenten teilnahmen, ergeben.

Wo lernt es sich besser für 2,75 Klausuren, als im Liegestuhl?

1,5 Hausarbeiten und 2,75 Klausuren

Rund die Hälfte der Befragten gab an, dass sie sich zumindest einen Teil  des Sommers mit Zettel und Stift zufrieden geben müssen. Nicht selten kam bei der Befragung eine Lernbelastung von mehr als drei Klausuren und/oder Hausarbeiten heraus. Der negative Rekord liegt dabei bei vier Hausarbeiten, einem Praktikum und einer Klausur. Diesem Glücklichen kann man nur viel Erfolg wünschen. Ebenso viel Erfolg sei allen gewünscht, die an ihrer Abschlussarbeit sitzen werden. Ein kleiner Teil gab nämlich an, dass sie mit der Bachelor- oder Masterarbeit zu tun haben werden. Die Befragung ergab, dass die durchschnittliche Belastung bei 1,5 Hausarbeiten und 2,75 Klausuren liegt.

Lernst du noch oder lebst du schon?

Studieren, wo andere Urlaub machen

Trotz dieser Belastung lassen sich viele den Sommer nicht vermiesen. Die Meisten antworteten zeitgleich mit der Alternative „Greifswalder Museumshafen, Strand und Umgebung sind Urlaub genug“.  Die, die also in Greifswald verbleiben, brauchen demnach keine Angst haben, dass sie in einer Geisterstadt leben werden. Außerdem werden hier auch einige Festivals, Konzerte und sicherlich viele Partys stattfinden. Wem das nicht reichen sollte, der kann sich auch in den nächsten Bus oder Zug setzen und an den Strand nach Lubmin oder Usedom fahren. Eine Fahrt nach Rostock oder Berlin ist ebenso schnell absolviert. Bei diesen Temperaturen reisen hier jedenfalls viele Menschen aus der ganzen Welt an. Na,  wenn das keine gute Möglichkeit ist, andere Menschen und Kulturen kennenzulernen!?

Nordische Länder an der Spitze

Wer dies doch lieber in den jeweiligen Ländern erleben will, sollte seinen Urlaub dorthin verlagern. Dieser Ansicht sind jedenfalls

Wohin soll es gehen?

mehrere Studentinnen und Studenten, denn die Hälfte der Befragten gab an, einen Teil der vorlesungsfreien Zeit im Ausland zu verbringen. Ganz oben im Kurs liegen dabei die skandinavischen Länder. Rund ein Viertel der Urlauber gab an, nach Schweden, Dänemark oder Norwegen zu fahren. Schweden steht auch im gesamten Ergebnis an erster Stelle. Der Angel-, Wander- oder einfach nur Erholungsurlaub wurde in den letzten Jahren immer beliebter. Geschätzt werden dort die Ruhe, die Natur und die freundliche Mentalität der Menschen. Allgemein scheint der Norden eine gewisse Anziehungskraft zu besitzen, denn viele fahren beziehungsweise fliegen auch nach England, Irland,  Schottland, Island oder Finnland. Rundreisen durch Europa scheinen auch nicht mehr selten zu sein, da ein kleiner Teil der Befragten quer durch Europa reisen wird. Ebenso beliebter scheint Osteuropa zu werden. Ein nicht unerheblicher Teil, etwa zehn Prozent, gab an, nach Kroatien, Bulgarien, Tschechien, Slowenien, Ukraine oder Polen zu fahren. Wenig besucht werden hingegen Spanien, Frankreich, Türkei, Italien und Portugal, obwohl diese Länder die gefragtesten Urlaubsziele der Deutschen sind, fahren gerade mal nur zehn Prozent der ins Ausland fahrende Studentinnen und Studenten in diese Gebiete. Den europäischen Kontinent hingegen verlassen eher die Wenigsten. Keine zehn Prozent gaben an, nach Nordamerika, Nordafrika, Asien oder in die Karibik zu fliegen. Die exotischsten Reiseziele waren Kuba und Japan.

Urlaub in Deutschland

Schuhe aus und ab ins Wasser.

Denen, den Greifswald nicht genügt und nicht ins Ausland wollen beziehungsweise können, machen auch gerne mal Urlaub in Deutschland. Ein nicht unerheblicher Teil, der an der Umfrage teilnehmenden Personen, gab an Urlaub in Bayern, Berlin, Niedersachsen oder im Schwarzwald zu machen. Außerdem nutzen auch einige die Zeit, um Freunde in der gesamten Republik zu besuchen. Lediglich ein Viertel der Teilnehmenden gab an, über die vorlesungsfreie Zeit nach Hause zu fahren. Insgesamt ist zu betrachten, dass die Studenten zwar einen gewissen Lernstress haben, sich aber die Zeit nicht nehmen lassen, um sich mal so richtig zu erholen. Ob dies nun im Greifswalder Museumshafen oder bei der Besichtigung des berühmten Vulkans Eyjafjallajökull geschehen soll, ist dabei irrelevant.

Allen Leserinnen und Lesern sei ein  schöner Sommer gewünscht!

Fotos: gretaa (Liegestuhl, via jugendfotos), Kilian Dorner (Skater), elle79 (Wohin, via jugendfotos), tino (Schuhe aus, via jugendfotos), petiteMarie (Pinguin, via jugendfotos)

Neue Castoren für Lubmin: Protest formiert sich

Zur Zeit ist vorgesehen, dass bis spätestens zum Jahresende zwei Castortransporte, einer mit vier Behältern aus dem französischen Caderache und einer mit fünf Behältern aus Karlsruhe im Lubminer Bahnhof ankommen, um im dortigen Zwischenlager Nord (ZLN) eingelagert zu werden. Die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erteilte Genehmigung für diesen Transport läuft am 31.12. diesen Jahres aus. Konkrete Transporttermine müssen nach Auflagen des BfS mit den Innenministerien der vom Transport berührten Länder abgestimmt werden. Daher ist auch noch nicht bekannt, wann die Castoren ankommen und eingelagert werden.

Anschließend sollen sie nach Angaben der Pressestelle der Energiewerke Nord (EWN) in ein geplantes Bundesendlager transportiert werden. Als Endlager ist seit einiger Zeit das Bergwerk in Gorleben im Gespräch.

Protesttage gegen Atomenergie

Gegen den Castor-Transport formiert sich ein breites Protestbündnis

Derweil formiert sich nach Angaben einer Pressemitteilung des Rostocker Anti-Atom Netzwerkes Protest gegen die Transporte. So wollen lokale Gruppen „vielfältigen Protest“ gegen die Zwischenlagerung in Lubmin organisieren. Im Rahmen dieser Aktionen macht die „Baltic Sea Tour“ in Greifswald halt, um sich mit anderen Atomkraftgegnern aus Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland und anderen Staaten des Ostseeraumes zu vernetzen. Das Vernetzungstreffen findet am Samstag dem 24. Juli um 19 Uhr im Klex statt. Die „Baltic Sea Tour“ ist ein Projekt von Atomkraftgegnern, die in verschiedene Orte und Staaten entlang der Ostsee fahren und durch Informationsveranstaltungen auf die radioaktive Verseuchung der Ostsee aufmerksam machen. Die Ostsee ist nach Angaben der Veranstalter eines der am meisten verseuchten Gewässer.

Des weiteren wolle man gegen weitere Atommülltransporte sowie für einen sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie demonstrieren. Herzstück der Protesttage wird eine Demo gegen die Castor-Transporte am Sonntag dem 25. Juli in Lubmin sein. Vom alten Bahnhof aus wird sich um 12 Uhr ein Demonstrationszug zum Zentrallager Nord bewegen. Anschließend findet eine Abschlusskundgebung statt. Die Anreise nach Lubmin erfolgt entweder ab 11 Uhr mit dem Bus vom Busbahnhof in Greifswald aus, oder aber mit dem Fahrrad. Hierfür wird eine Fahrraddemo organisiert, die um 10 Uhr von der Europakreuzung nach Lubmin aufbricht.

Das Programm wird am Montag mit einem um 19 Uhr im Klex stattfindenden Vortrag zur Endlagerproblematik fortgesetzt. Mit einer am Mittwoch stattfindenden Demonstration durch die Greifswalder Innenstadt werden die Aktionstage ihren Abschluss finden. Der Demonstrationszug beginnt um 10 Uhr am Karl-Marx-Platz.

Brennstäbe von Forschungsreaktoren und Atomschiff „Otto Hahn“

Der nuklearbetriebene Frachter Otto Hahn in Hamburg. Die Brennstäbe werden nun in Lubmin zwischen gelagert.

Am 11. Juni 2010 wurde nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz der ein Jahr zuvor eingereichte Antrag zum Transport von fünf Behältern vom Typ CASTOR HAW 20/28 mit hochaktiven Glaskokillen von der Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe nach Lubmin genehmigt.

Das ZLN „Rubenow“ wurde ab 1992 als Zwischenlager für abgebrannte radioaktive Brennstoffe, Zwischen- und Abklinglagerung für Radioaktives Material und zur Behandlung von nuklearem Material eingerichtet. Die DDR errichtete allerdings bereits ab 1985 ein Lager für die Brennstäbe aus den Kraftwerken in Rheinsberg und Lubmin, nachdem die Sowjetunion nicht mehr bereit war, die Zwischen- beziehungsweise Endlagerung zu übernehmen. Das ZLN ist im Gegensatz zu den Standorten Gorleben und Ahaus in Bundesbesitz und ausschließlich dazu befugt, bundeseigene Brennstoffe einzulagern. So stammen die Brennstäbe, welche in den Castor-Behältern verwahrt sind, nach Angaben der Pressestelle der EWN aus deutschen Forschungsreaktoren in Karlsruhe und Geestacht sowie dem kernkraftbetriebenen Forschungsschiff „Otto Hahn“.

Nach der Ankunft in Lubmin werden die Behälter nach Angaben der EWN in der Halle acht eingelagert. In dieser dürfen maximal 80 Castor-Behälter für einen Zeitraum von maximal 40 Jahren gelagert werden.

Fotos: Wikimedia Commons (Gelbe Tonne), Wikipedia (Frachter „Otto Hahn“), Anti-Atom Initiative Greifswald (Atomkraft? Nein Danke!)

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund von Hinweisen der Pressesprecherin der EWN (siehe unten) wurden aufgetretene Fehler im Text nachträglich korrigiert.

Mit dem Computer nach Afrika – Ein Lehramtsstudent berichtet

Ein Gastbeitrag von Michael Seifert

„Nach Kenia!?“ – Dr. Thomas, der Leiter des Lehrerprüfungsamtes, fiel fast vom Stuhl als ich ihm meinen Wunsch mitteilte, meinen dreimonatigen, „ausbildungsrelevanten“ Auslandsaufenthalt in einem englischsprachigem Land ausgerechnet in Kenia machen zu wollen. Noch skeptischer wurde sein Blick als ich ihm schilderte, dass die Reise nach Lodwar, mitten in die Wüste der Turkana im äußersten Nordwesten des Landes, einen Katzensprung entfernt zur Grenze zum Südsuden, gehen sollte. Dennoch wurde mir die Anerkennung durch das Lehrerprüfungsamt gegeben und die Reise konnte ganz offiziell genehmigt losgehen.

Lehramtsstudent Michael Seifert in der afrikanischen Wildnis. Auch im Bild: Dromedare.

Doch der Reihe nach: Wie kommt man dazu anstatt in England oder den USA ein Semester zu studieren, wie es die Schöpfer der Prüfungsordnung für das Lehramt Gymnasium im Fach Englisch sich sicherlich eigentlich gedacht hätten, einfach nach Kenia zu fahren? Die gewisse Abenteuerlust drei Monate meines Studiums in Afrika zu verbringen hatte ich, fehlte also nur noch die Zeit und der Grund. Nach der anstrengenden Wahlorganisation für StuPa-Wahl und Urabstimmung war ich urlaubs(-semester-)reif und die Eltern des ehemaligen Juso-Kreisvorsitzendens Eric Hartmann hatten den idealen Grund:

Nach ihrem Aufenthalt als Lehrer an der deutschen Schule Nairobi hatten Brit und Jan Hartmann immer noch starke Verbindungen nach Kenia. Nach ihrem Abschied konnten sie mit Cisco und der Diözese Lodwar ein Computerprojekt verwirklichen, dass sich in den vier Jahren gut entwickelt hat. Nun sollte die nächste Stufe gezündet werden, indem die Kurse didaktisch verbessert und Lehrer einer nahegelegenen Schule zu Computerlehrern ausgebildet werden sollten. Dazu passte ich als Englisch-Lehramtsstudent mit ordentlichen Computerkenntnissen natürlich sehr gut. Vier Monate, nachdem Eric mir den Floh in den Kopf gesetzt hatte, stieg ich Anfang Mai in das Flugzeug nach Nairobi. Von dort ging es eine Woche später weiter nach Lodwar.

Strohhütte im Nirgendwo

Angekommen an meinem Praktikumsort war ich erstmal baff: Der Flugplatz – eine unbefestigte Piste mitten im Nirgendwo; der Tower – eine Strohhütte, die Straßen – Sandpisten und durch den Ort laufen Herden von Ziegen, verfolgt von Hirten in traditionellen Gewändern. Ganz so krass hätte ich mir das doch nicht vorgestellt. Auch die Info, dass sich die Trucks in Richtung Südsudan im Ort stauen, weil sie nicht über den Fluss können, da letzte Nacht die Brücke weggeschwemmt wurde, steigerte meine Laune bei Ankunft nicht unbedingt. Aber kneifen galt nicht und so musste ich mich mit der Situation abfinden.

Der Flughafen in Lodwar, "eine unbefestigte Pisten im Nirgendwo"

Der Flughafen in Lodwar, "eine unbefestigte Piste im Nirgendwo".

Doch schon am nächsten Tag begann sich meine Laune zu heben: Spontan übernahm ich zusätzlich eine Science-Schulklasse für Schüler, die ihren Schulabschluss nachholen wollen – unbezahlbare Erfahrung in der, im Studium sehr knapp bemessenen, Praxis. Für einen angehenden Lehrer ein optimales Umfeld, da man keine Hilfsmittel, aber viel Freiraum hat. Die vielbeschworene Theorie der Didaktik und Methodik fühlte sich in dem Moment so weit weg an, wie meine Uni – auf einem anderen Kontinent. Man muss sich so genauer überlegen, wie man es den Schülern am Besten beibringt. So erklärte ich den Aufbau eines Fisches am (nicht mehr lebenden) Exemplar oder mittels eines Pappstreifens und Sand das Prinzip von Aerodynamik. Dabei bin ich mit meinen 30 Schülern in einer absolut privilegierten Situation. Bei einem Besuch in einer Schule staunte ich Bauklötze, als eine Klasse besser besucht war als so manche Vorlesung im Audimax der Rubenowstraße. Im öffentlichen Schulsystem Kenias dürfen sich die Lehrer nämlich mit 120 Schülern in einer Klasse rumschlagen! Die Motivation und Disziplin ist unglaublich hoch. Während bei uns wohl die wenigsten gerne ihre Zeit in überfüllten Schulräumen verbracht hätten, laufen kenianische Schüler mehrere Kilometer, um in die Schule zu kommen und verbringen manchmal den Nachmittag freiwillig in der Bibliothek. Auch bin ich in Deutschland selten auf der Straße angebettelt worden, doch das Schulgeld für jemanden zu übernehmen, damit er weiter lernen und sich fortbilden kann…

„Zeig mir, wie der Fisch gefangen wird!“

Das bringt mich auch direkt zu den Problemen Afrikas: Die Armut ist allgegenwärtig und als „Mzungu“ (Suaheli für „Weißer Mann“) wird man sehr häufig um Geld angebettelt. Für Afrikaner sind Europäer grundsätzlich reich und man soll ihnen doch bitte direkt helfen. Wenn man bedenkt, dass man für 20 Cent eine vollwertige Mahlzeit erhält, die für die meisten meiner Schüler den ganzen Tag reichen muss, wird einem dann doch anders. Ein Turkana hat aber meine Meinung genau auf den Kopf getroffen: „Gib mir keinen Fisch, sondern zeig mir, wie der Fisch gefangen wird!“ – anders ausgedrückt: Zeig mir wie ich’s richtig machen kann, damit ich mir in Zukunft selbst helfen kann. Deshalb engagiere ich mich gerne für Brit und Jan Hartmanns Projekt, um meinen Beitrag zu leisten, den Rückstand Afrikas in der IT-Bildung zu verkleinern. Nach dem Abschied der beiden ausgebildeten Lehrer schlief das Projekt mit der Computerbildung in der Primary School (diese geht bis zur achten Klasse) nämlich vorübergehend ein. Also wählte ich direkt die große Lösung und gab gleich zwölf Lehrerinnen und Lehrern einen Computerkurs, damit diese ihr frisch erworbenes Wissen so schnell wie möglich an die Schülerinnen der St.Monica-Girl’s-School weitergeben können um so den Rückstand Lodwars so schnell wie möglich zu verringern.

Bei einer Fahrt mit dem Weihbischof der Diözese ergab sich für mich auch die Möglichkeit, einen Einblick in das Flüchtlingsproblem Afrikas zu bekommen. Bei einer Fahrt durch das UN-Flüchtlingscamp in Kakuma wurde mir ein weiteres Mal klar, wie gut wir es in Deutschland haben. Das Camp trennte die einzelnen Flüchtlinge nach ihren Herkunftsländern auf. So wie die Häuser gebaut wurden, stelle ich mir Slums vor – die Baumaterialien Pappe, Blech und Holz überwiegen im Camp. Die Infrastruktur war nicht oder kaum vorhanden: Die Straßen waren Rüttelpisten, die Elektrizität kaum vorhanden und auf 70.000 Einwohner kamen fünf Bohrlöcher, die dann in verschiedene Brunnen verteilt wurden.

Wie viele passen in ein Auto? – Einer geht noch

Wieviele passen in ein Auto? Die Antwort: Mindestens zwei, da haben aber noch 13 weitere Platz.

Doch die Bewohner des Camps und in Lodwar allgemein sind nicht, wie man sich das gedacht hätte, verzweifelt, sondern strahlen absolute Lebensfreude aus. Wenn man auf Kinder trifft, wird man mit stürmischen „Mzungu, Mzungu“-Rufen begrüßt und ständig wird mir von den Kleinen „How are you?“ entgegengerufen. Diese Begrüßung ist die wortwörtliche Übersetzung von „Habari“ und ist der erste englische Satz, den die Kinder sprechen können. Auch die etwas älteren Bewohner sind total nett und im Vergleich zu uns Europäern unkompliziert. Während man in Deutschland peinlich genau darauf achtet, wie viele Leute in ein Auto passen, gilt in Kenia die Kapazitätsgrenze „einer geht noch“. Auf der Rückfahrt von Kakuma pressten wir uns mit 15 Personen auf die Ladefläche einer Pritsche. Als Deutscher wird man zudem während der WM ständig auf das Thema Fußball angesprochen. So ergeben sich viele nette Plaudereien über die schönste Nebensache der Welt. Absolut positiv ist auch die Gastfreundschaft der Afrikaner zu erwähnen. In einem Camp für IDPs wurde ich vom quasi Bürgermeister mit den Worten „es ist uns eine Ehre“ zum Mittagessen eingeladen. Das traditionelle Ziegenfleisch mit Ugali mit ihm und seinen Kindern in der einfachen Lehmhütte zu teilen, war ein tolles Erlebnis.

Gerade die Leute machen den Aufenthalt zu einem unvergesslichen und vor allem absolut positiven Erlebnis. In den zwei Monaten in Lodwar habe ich schon viele Freundschaften knüpfen und wunderbare Erfahrungen sammeln können. Auch Dr. Thomas’ Bedenken, ob man denn für das Englischstudium so viel lernen kann, kann ich absolut positiv entgegentreten. Durch die vielen Gäste der Diözese aus aller Welt kommt man zudem mit vielen klugen Menschen aus allen Kontinenten ins Gespräch. Und dabei ist die Sprache fast immer Englisch. Die Praxiserfahrung ist also sowohl beim Sprechen da, als auch beim Unterrichten. Für das weitere Studium war das Abenteuer in Lodwar also die perfekte Wahl. Wer sich genauer über das Projekt informieren will und meinen Reiseblog lesen will, der kann unter www.computerschule-kenia.de und www.abacus-ev.de alles noch mal genauer durchlesen. Über Kommentare auf dem Blog und Mails freue ich mich immer.

Viele Grüße aus der Wüste der Turkana an die Ostseeküste Greifswald,

euer Michael.

Fotos: Michael Seifert

Sellering: Ende der Greifswalder Lehrerausbildung unwahrscheinlich

Zwei Parteifreunde: Erwin Sellering (links) und Erik von Malottki (rechts)

Ziemlich überraschend kam es am Freitag, dem 16. Juli, am Rande des Fischerfestes zu einem Treffen zwischen dem neuen Stupa-Präsidenten Erik von Malottki und dem Ministerpräsidenten Erwin Sellering (beide SPD). Thema des Gespräches war die Zukunft der Lehramtsstudiengänge an der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald.

Während des Gespräches stellte sich heraus, dass der Ministerpräsident einer vollständigen Konzentration der Lehrerausbildung in Rostock ablehnend gegenüber steht. „Es gab einmal die Verabredung, dass wir in Rostock die Lehrerausbildung und in Greifswald Jura konzentrieren wollen. Die Verabredung lautete aber nicht, dass Greifswald überhaupt nichts mehr mit der Lehrerausbildung zu tun haben soll“, erklärte Sellering. „Es war geplant, dass die Lehrerausbildung in Greifswald bis zum Bachelor mitlaufen soll. Wir haben nun aber eine neue Lage, da es bei der grundständigen Lehramtsausbildung bleibt. Daher müssen wir sehen, dass wir eine vernünftige Lösung finden – auch für Greifswald.“ Die derzeitige Datenlage für eine endgültige Entscheidung sieht Sellering jedoch nicht als ausreichend an. „Ich habe daher die Ausweitung der Lehrerbedarfsplanung bis 2030 veranlasst. Definitive Entscheidungen sind nur auf dieser Grundlage möglich“, erläutert der Ministerpräsident weiter.

Der Entwurf des Konsenspapiers der Rostocker und Greifswalder Studierenden, das in den letzten Wochen erarbeitet wurde, bewertete Sellering als Diskussionsbeitrag positiv, da er „es nicht richtig“ finde, „wenn die Universitäten auf einander los gehen “, erklärte Sellering gegenüber dem StuPa-Präsidenten und dem webMoritz. Er wünsche sich das Zustandekommen einer Runde, in welcher man sich auf einen Konsens zwischen allen streitenden Parteien einigen könnte. „Ich finde gut, wie konstruktiv und beharrlich zugleich sich die Studierenden einbringen. Und eines kann ich heute schon sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Land seinen Lehrerbedarf langfristig mit einem einzigen Standort decken kann.“ Mit diesen Worten nahm das Treffen zwischen Erik von Malottki und Erwin Sellering sein Ende.

Der Ministerpräsident bewertet den Entwurf des Konsenspapiers als wichtigen Diskussionsbeitrag

Infobox Entwurf des Konsenspapiers

Am Dienstag dem 6. Juli kam es zu einem Treffen zwischen Vertretern der Studierendenschaften in Rostock und Greifswald, nachdem zwischen beiden ein Streit bezüglich der Lehrerausbildung entbrannte. Während dieses Treffens einigten sie sich auf einen Kompromiss, welcher noch vom Studierendenparlament der Universität Greifswald und dem Studierendenrat der Universität Rostock bestätigt werden muss, um gültig zu werden.

Sollte dieser Konsens zwischen beiden Studierendenschaften zustande kommen, würden beide künftig gemeinsam im Streit um die Lehrerausbildung der Landesregierung gegenüber treten.

Der Konsensentwurf sieht für Greifswald vor, dass „…in Greifswald das Staatsexamen für Lehramt an Gymnasien und Lehramt an Haupt- und Realschulen angeboten“ wird. In Rostock werde an den bestehenden Schularten festgehalten und in den bereits vorgehaltenen Fächern ausgebildet. Neue Fächer sollen in Rostock nicht mehr eröffnet werden. Es sieht zudem weiterhin eine Beschränkung des Fächerangebotes an der Universität Greifswald vor.  So sollen an diesem Standort neben den Unikatfächern (skandinavische Sprachen, Geografie, Kunst und Gestaltung, Russisch und Polnisch) noch Deutsch, Englisch, Evangelische Religion vorgehalten werden. Latein soll dem Konsensentwurf zufolge bis mindestens 2020 gelehrt werden. Wieder eröffnet werden sollen die Fächer Physik und Mathematik und neu eröffnet werden soll das Fach Sozialkunde.

Vollversammlung des FSR Physik begrüßt Wiedereröffnung des Lehramtes

In einer ebenfalls am vergangenen Freitag dem 16. Juli stattfindenden beschlussfähigen Vollversammlung des FSR Physik positionierte sich die Mehrheit der Anwesenden für eine Wiedereröffnung des Lehramtsstudienganges Physik. In dem entsprechenden Beschluss heißt es, dass die Vollversammlung der Fachschaft Physik es „begrüßt“, dass „in Zukunft Lehramt Physik  am Institut für Physik“ ausgebildet werden soll. Dies stehe unter der Bedingung, dass keine bestehende Stelle am Institut für Physik zu diesem Zweck umgewidmet werde.Des weiteren sprechen sich beide Vertreterinnen der Studierendenschaften neben der Forderung nach der Eröffnung von drei neuen Studiengängen dafür aus, dass bestimmte Fächerkombinationen in Zukunft ausgeschlossen werden sollen.

Fächerkombinationen sollen eingeschränkt werden

Speziell betrifft das die Kombination Mathematik/ Deutsch und Deutsch/ evangelische Religion. Zudem soll es neben einer Absenkung der Studierendenzahlen an beiden Standorten zu einem Aufbau von Fachdidaktik-Kapazitäten an den neu eröffneten Fächern in Greifswald kommen. Beide Studierendenschaften einigten sich darauf, gemeinsam „intensiv im Zentrum für Lehrerbildung und Bildungswissenschaften in Rostock zusammenarbeiten zu wollen.“

Ein Ausbau der Erziehungswissenschaften würde demnach in Greifswald nicht erfolgen. Der bisherige status quo der Erziehungswissenschaft solle vielmehr mit ihren bisherigen Stellen aufrecht erhalten werden. Somit würde es nach dem entworfenem Konsenspapier zu einer Konzentration der Lehrerausbildung an der Universität Rostock kommen, ohne dass Greifswald auf die Ausbildung verzichten, oder diese auf einen minimalen Rumpf zurück fahren müsste.

Der webMoritz war mit dabei: Rechts im Bild der Autor Marco Wagner.

Kommentar von Marco Wagner

Eine komplette Verlagerung der Lehramtsstudiengänge kann sich der Ministerpräsident nicht vorstellen. Das ist zumindest ein klares Bekenntnis für den Erhalt von Lehramtsstudiengängen in Greifswald. In welchem Umfang diese jedoch schlussendlich erhalten werden, dazu wollte er sich nicht äußern.

Wenngleich sich andeutet, dass die Landesregierung damit auf die Universität Greifswald zugeht, heißt das noch lange nicht, dass der Druck auf Schwerin nachlassen sollte. Im Entwurf des Konsenspapiers wurden der Regierung bereits viele Zugeständnisse gemacht. Weitere Kompromisse dürfen die Vertreter der Greifswalder Studierendenschaft nicht mehr eingehen. Würden sie das machen, so bedeutete es nichts weiter, als dass man den Prozess der Abschaffung der Lehramtsstudiengänge in Greifswald verlangsame. Ein wirklicher Erhalt könnte dann nicht mehr gewährleistet werden.

Problematisch für die Greifswalder Studierendenschaft ist aber noch ein anderer Punkt: Die Untätigkeit des Rektorats in diesem Streit. Der Einzige, der sich regelmäßig zum Erhalt der Lehramtsstudiengänge bekannt hat, ist Prorektor Michael Herbst. Rektor Rainer Westermann äußert sich öffentlich – wenn überhaupt –  ausgesprochen selten zu diesem Thema. Ein konsequenteres, eindeutigeres Bekenntnis für den Erhalt der Lehramtsstudiengänge, das nicht nur von einem der Prorektoren kommt, wäre daher mehr als wünschenswert.

Eines darf jedoch auch nicht vergessen werden: So positiv es sich auch anhört, was Sellering gesagt hat, so muss man diesem nach wie vor mit einem gesunden Maß Vorsicht begegnen. Sellering sitzt an einem anderen Hebel. Er ist nach wie vor unser Kontrahent. Mit diesem darf und soll man verhandeln – aber man muss aufpassen, dass man sich am Ende nicht durch zu viele salbungsvolle Worte über den Tisch ziehen lässt.

Fotos: Christine Fratzke

StuPa-Präsident Erik von Malottki im Interview: „In gewisser Weise ein schweres Erbe“

Am vergangenen Mittwoch wurde Erik von Malottki zum neuen StuPa-Präsidenten gewählt. Das Juso-Mitglied konnte sich knapp gegen zwei andere Kandidaten, dem ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des AStA Pedro Sidhoe und dem damaligen Chefredakteur des webMoritz Carsten Schönebeck durchsetzen. Von Malottki ist nun zum dritten Mal Mitglied des Studierendenparlaments und war dort in der vergangenen Legislatur stellvertretender Präsident. Im Interview verrät er seine Ziele und sagt, ob Pedro oder Carsten der bessere Gauck ist.

Neuer StuPa-Präsident Erik von Malottki im Interview

webMoritz: Du wurdest mit einem knappen Ergebnis auf der StuPa-Sitzung am Mittwoch gewählt. Aber dennoch, du wurdest gewählt. Warst du überrascht?

Erik von Malottki: Dadurch, dass es drei Kandidaten gab, war ich überrascht, dass ich schon im ersten Wahlgang die Mehrheit hatte. Insofern sehe ich zwar das Problem, dass es ein knappes Ergebnis war, aber ich bin trotzdem zufrieden.

webMoritz: Du wurdest in der Pause während der Sitzung zusammen mit Frederic Beeskow und Pedro Sidhoe gesehen. Was habt ihr denn da besprochen? Habt ihr euch da auf Pedro als Kandidaten geeinigt?

Erik: Es war so dass, dass wir ausloten wollten, inwiefern einer von uns beiden, also Pedro oder ich, zurückziehen würde, wenn wir als Kandidaten vorgeschlagen werden sollten.

webMoritz: Es hat aber keiner von euch beiden die Kandidatur zurückgezogen.

Erik: Genau.

webMoritz: Warum nicht Frederic? Sein Name tauchte in dem Zusammenhang mit der Frage nach einem Kandidaten für das Präsidentenamt öfter auf.

Erik: Frederic hat schon zwei Jahre das Präsidium bekleidet, hat Frau und Kind und ich denke mal, dass er selbst davon überrascht war, dass es drei Kandidaten gab. Deswegen hat er, denke ich, wahrscheinlich nicht die Notwendigkeit gesehen, selbst noch mal anzutreten.

webMoritz: Du wurdest ja dann gewählt. Du bist ja quasi der neue Wulff im StuPa. In der Pause stritten sich Pedro und Carsten darum, wer der bessere Gauck sei. Was denkst du?

Erik: Ich gehe davon aus, dass auf Grund der Reaktion des Publikums und der Sympathie der Medien Carsten der bessere Gauck gewesen ist.

webMoritz: Wäre Carsten ein geeigneter StuPa-Präsident gewesen?

Erik: Auf jeden Fall. Alle Parlamentarier haben sich Gedanken gemacht: Wer könnte Korbinians Amt übernehmen und die Studierendenschaft wieder in ruhigere Fahrwasser bringen. Da war auch Carstens Name im Gespräch. Carsten hat aber den Eindruck gemacht, als ob er das Amt nicht wirklich wollte. Ich denke aber, dass Carsten sehr geeignet wäre.

webMoritz: Ist es denn nun ein schwieriges Erbe, was du antrittst?

Erik: In gewisser Weise schon. Die Außendarstellung der gesamten Studierendenschaft war nicht ganz positiv. Aber ich sehe durch das Positionspapier, die Demo, die Rücktrittsrede von Korbinian, wo er einige aufgerüttelt hat, dass sich die StuPisten in Zukunft konstruktiver verhalten werden. Dazu will ich meinen Part beitragen.

webMoritz: Was waren denn die bisherigen Probleme im Präsidium und im Parlament?

Erik: Es hat eine gewisse Vision gefehlt. Das StuPa wurde oft angegriffen, es war relativ fragmentiert: alte StuPisten, neue StuPisten, Hochschulgruppen. Die Sitzungen haben sich in letzter Zeit hingezogen. Wir haben zu viel Zeit mit den Rechenschaftsberichten und der Tagesordnungsstreits verschwendet. Ich denke, einige neue StuPisten haben sich da verloren gefühlt.

webMoritz: Was möchtest du denn besser machen? Was ist deine Vision?

Erik: Meine Vision ist eine Studierendenschaft, die zusammenhält, die die Gremien nicht als abgeschlossen betrachtet, sondern mit den Studentenclubs, mit dem Studententheater, mit der Vielzahl von studentischen Initiativen kooperiert.

„Ich sehe mich als Ansprechpartner aller Studierenden“

webMoritz: Und welche konkreten Ziele verfolgst du dabei?

Erik: Die wichtigsten Ziele sind zunächst mich einzuarbeiten und die Sitzung zu straffen. Aber ich will in Zukunft auch mithelfen, dass

sich die Organe der Studierendenschaft wieder näher kommen und dass es eine bessere Kommunikation gibt. Zum Beispiel möchte ich einen regelmäßigen runden Tisch zwischen den Vertretern des AStA, des StuPa, der FSK (Anmerk. der Red. Fachschaftsratskonferenz) und der moritz Medien einberufen, um so Informationen auszutauschen und ein besseres gegenseitiges Verständnis zu ermöglichen.

webMoritz: Stichpunkte AStA und moritz Medien – wie soll da die Zusammenarbeit von deiner Seite aus laufen?

Erik: Als Parlamentarier war es mein Ziel, die moritz Medien zu unterstützen. Mein Ziel ist es, dass AStA, StuPa und die moritz Medien nicht so sehr gegeneinander agieren und sich als Teil einer Gemeinschaft betrachten.

webMoritz: Welche Probleme gibt es denn da zur Zeit?

Erik: Der AStA fühlt sich teilweise im Stich gelassen vom StuPa, war durch den Diebstahl und anderer Sachen der Kritik der moritz Medien ausgesetzt. Die Kritik war berechtigt und dass ist auch die Funktion der moritz Medien. Wir müssen die Kritik annehmen, ich glaube aber, dass es teilweise auch auf mangelnder Kommunikation beruht. Die Kommunikation zu verbessern, ist eins meiner Ziele.

webMoritz: Auf der StuPa-Sitzung meintest du, du möchtest ein Präsident für alle sein. Wie ist das genau gemeint?

Erik: Ich bin als Parlamentarier und Mitglied einer Hochschulgruppe immer politisch positioniert gewesen und habe mir dadurch nicht nur Freunde gemacht, möchte aber versuchen, auf die Leute zuzugehen, an denen ich selbst als StuPist viel Kritik geübt habe und möchte, dass das StuPa zu einer Gemeinschaft zusammenwächst.

webMoritz: Wie sieht dann also dein Selbstverständnis als Präsident auf den Punkt gebracht aus?

Erik: Ich sehe mich als Ansprechpartner aller Studierenden.

webMoritz: Es gab auch Kritik an deiner Person. So wurde am Dienstag hinterfragt, ob es sinnvoll wäre, wenn im Präsidium zwei Mitglieder der Jusos wären. Ist die Kritik berechtigt?

Erik: Natürlich sind die Befürchtungen dahinter berechtigt. Mir war von vorne herein klar, dass es ein gewisses Problem darstellt. Ich schließe aus dem Problem, dass ich überparteilich agieren will, mich aus den Grabenkämpfen der einzelnen StuPisten raushalten und versuchen will, diese Gräben zu schließen.

webMoritz: Du hast am Dienstag gesagt, dass du auch die jungen und freien StuPisten unterstützen möchtest. Warum ist das notwendig und wie möchtest du das erreichen?

Erik: Ich kenne das selbst aus meiner eigenen StuPa-Erfahrung, als junger StuPist habe ich mich auch verloren gefühlt. Ich habe mich

aber entschlossen, dran zu bleiben. Ich glaube, dass die jungen StuPisten Hilfe brauchen, sei es Informationen oder Unterstützung bei Anträgen brauchen. Mein persönliches Ziel wäre es, wenn nicht nur drei, vier Leute sprechen im StuPa, sondern wenn wir eine breite Beteiligung erreichen. Denn ich finde, dass die jungen freien StuPisten wertvoll sind, auf Grund ihrer Meinung, die sie aus der Studierendenschaft ins StuPa tragen können.

webMoritz: Welche Rolle spielen Hochschulgruppen?

Erik: Hochschulgruppen sind wichtig und werden in Zukunft wahrscheinlich noch wichtiger werden. Auf Grund ihrer Möglichkeiten, Erfahrungen zwischen länger gedienten und neuen StuPisten weiter zu geben.

webMoritz: Du bist gewähltes Mitglied des Parlaments und hast dich in den bisherigen Legislaturperioden durch Anträge und in den Diskussionen eingebracht. Wirst du weiterhin politisch agieren können?

Erik: Es ist sehr schwer, dadurch, dass ich überparteilich sein will, sich politisch in eine bestimmte Richtung zu orientieren. Daraus schließe ich, dass ich meine politische Arbeit zurücknehmen werde. Aber bei Themen, die mir wichtig sind, werde ich mich einbringen. Beispielsweise bin ich selbst Bachelor-Student und werde die Bologna-Reform weiter verfolgen.

webMoritz: Wie stellst du dir die Arbeit mit dem stellvertretenden Präsidium vor?

Erik: Ich habe meine Stellvertreter als sehr aktiv wahrgenommen, als engagiert. Und ich glaube, dass mich die beiden gerade in der Anfangszeit unterstützen können. Ich möchte die Stellvertreter auch mal eine Sitzung leiten lassen und sie mehr in die politische Arbeit einbeziehen.

webMoritz: Du wurdest ja auch von Sarah Jung, der stellvertretenden Präsidentin, vorgeschlagen, du erfährst also bereits auch selbst Unterstützung von dieser Seite. Warum hast du die Nominierung dann auch angenommen?

Erik: Mir war natürlich klar, dass es nicht viele Leute gibt, die geeignet sind, den Posten zu übernehmen. Ich war LKS-Sprecher und habe da eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Präsidium erfahren. Das StuPa ist mir in meiner gesamten Zeit ans Herz gewachsen.

webMoritz: Was sind denn die wichtigen Themen in der Greifswalder Studierendenschaft?

Erik: Ein großer Brennpunkt ist die Zielvereinbarung. Zum größten Teil die Lehramtsausbildung. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Lehramtsausbildung in Greifswald erhalten bleibt. Ich sehe das Risiko, falls die Lehramtsausbildung komplett geht, dass die Philosophische Fakultät auf dem Spiel steht. Mir ist es wichtig, dass wir eine Uni haben, die sowohl über naturwissenschaftliche, als auch geisteswissenschaftliche Bereiche verfügt.

webMoritz: Nach deiner Wahl hast du gleich die Sitzungsleitung übernommen. Wie war das für dich?

„Es war aufregend und schwierig“

Erik: Ehrlich gesagt war es aufregend und schwierig. Ich habe gleich die Probleme gesehen, die bei der Sitzungsleitung auftreten.

webMoritz: Welche Probleme gibt es denn da?

Der StuPa-Präsident vor dem Sitzungssaal im Unihauptgebäude

Erik: Die richtigen Mittel zu finden, die Sitzung zu leiten und in richtige Bahnen zu bringen. Das ist mir nicht so gut gelungen, wie ich es in Zukunft handhaben will. Ich denke aber, dass sich das in Zukunft einlenken wird. Außerdem haben mir die Alt-Präsidenten Frederic Beeskow und Korbinian Geiger garantiert, mir beratend zur Seite zu stehen.

webMoritz: Nun steht ja die vorlesungsfreie Zeit an. Was macht in der Zeit das Präsidium und was hast du privat in der Zeit vor?

Erik: Für mich kommen als Bachelorstudent Hausarbeiten und Prüfungen zu. Als StuPa-Präsident steht die Lehramtsausbildung. Ich will mich auch einarbeiten, Kontakte aufbauen und werde versuchen, mir durch kontinuierliche Arbeit Respekt zu erarbeiten.

webMoritz: Der AStA hat am Dienstag einen Antrag angebracht, der beinhaltete, dass das StuPa auch innerhalb der vorlesungsfreien Zeit tagen soll. Was hältst du von diesem Antrag?

Erik: Ich kann die Haltung des AStAs gut verstehen. Entscheidend ist für mich, ob der AStA das StuPa wirklich benötigt. Falls dies der Fall ist, werde ich auch eine außerordentliche Sitzung einberufen.

webMoritz: Danke für das Gespräch.

Fotos: Christine Fratzke