advents.kalender 2019: 3. Türchen – A Christmas Cola, Kapitel 1

advents.kalender 2019: 3. Türchen – A Christmas Cola, Kapitel 1

Es weihnachtet sehr, auch in Greifswald – und besonders bei den moritz.medien. Mit dem advents.kalender geben wir Euch weihnachtliche Tipps, Tricks, Erfahrungsberichte, Rezepte uvm. für die Adventszeit. Öffnet jeden Tag ein Beitrags-“Türchen”! Im heutigen Türchen: Eine Weihnachtsgeschichte.

nach einer Idee von Franziska Schlichtkrull

Die gegenwärtige Weihnacht

Der Gestank von Schweiß und Zigarren, scharfem Alkohol, tiefster Enttäuschung und geplatzten Träumen erfüllte die sticki­ge Luft des kleinen Raums. Er schien sich schon längst in jede Ritze in dem brüchigen Holz verkrochen zu haben, haftete an den verdreckten Scheiben und an dem klebrigen Tresen, tropfte von den Öllampen, und fraß sich durch die Kleidung der Leute im Pub, sodass er aus jeder Pore ihrer Körper triefte. Sie nah­men ihre Erbärmlichkeit mit dem Ale auf, das sie tranken, und gaben noch mehr davon zurück, als sie die leeren Gläser wie­der über den Tresen schoben.

Die angenehmere Gesellschaft war schon vor einer ganzen Weile gegangen, diejenigen, die nur kamen, um einen anstren­genden Arbeitstag bei einem gemütlichen Bier ausklingen zu lassen, die sich in trauter Runde miteinander unterhielten und lachten, bevor sie sich ihre Mäntel wieder über die Schultern warfen und nach Hause zu ihren Familien gingen.

Er vermisste ihre Gespräche nicht. Glückliches Gerede über die eigenen Kinder oder die neueste Wochenzeitung konnte er nicht gebrauchen. Es passte nicht zu der Stimmung, die sich in seinem benebelten Kopf ausgebreitet hatte. Bei dem lallenden Gesang des alten Shapney über seine miserable Zeit bei der Ar­mee fühlte er sich willkommener. Shapney sang nicht wirklich, er erzählte nur, aber der Alkohol auf seiner Zunge zerrte die Worte so sehr in die Länge, trat den Ton mal nach oben und mal nach unten, dass er einen melodiösen Klang annahm. Wie eine geisterhafte Melodie direkt aus der Totenwelt. »Haben die Kanonenkugeln genommen und eingeschmolzen, sag ich euch. Und dann den guten Arthur draus gemacht, Wellesley, den Duke, ihr wisst schon.«

»Erzähl nicht!« MacPinny schlug lautstark sein Glas auf den Tisch und das Bier spritzte hoch bis auf seinen roten Bart. »Der auf dem Square? Der ist doch nicht aus Kugeln gegossen, der ist aus Stein, ist der!«

Die Männer gerieten in Streit. Ihre beiden Stimmen und die ihrer ebenso betrunkenen Freunde mischten sich allesamt mit­einander zu einem Teppich aus kreischenden Tönen, der sich über ihn legte und ihn langsam in den Schlaf wog. Fort von all­dem. Fort von ihrem miserablen Geschrei, fort von dem dröh­nenden Schmerz in seinem Kopf, fort von den Sorgen.

»Das war’s, Charles. Das war die letzte Chance, die ich dir geben kann. Deine letzten Manuskripte waren alle, und es fällt mir so schwer, dir das sagen zu müssen, aber sie waren alle der größte Mist, den ich je gelesen hab. Und du weißt, ich mag dich, du weißt, wie wichtig du mir bist, aber ich muss auch an mich denken, Charles. An meine Familie. Mary ist gerade wie­der schwanger, fünf Kinder, das sind viele Mägen, viele Klei­der, du kennst das ja, du hast ja auch schon das Vierte mittler­weile. Gott weiß, ich bin der größte Philanthrop der Welt, aber irgendwann … Irgendwann muss ich auch mal an mich den­ken.«

»Ich hab’s doch selbst gesehen!« Shapneys Stimme war so laut geworden, dass die gläserne Umfassung der Lampen vi­brierte. Draußen wütete schon den ganzen Tag ein heftiger Sturm, der ununterbrochen Regentropfen an die Scheiben schlug, sodass Charles glaubte, das Glas hätte schon vor Ewigkeiten darunter zerbrechen müssen. Eccleston, der zu seiner Linken saß, hob müde die Hand, um noch einen Pint zu bestellen. Seinen Kopf konnte er schon längst nicht mehr heben.

»Wir bekommen kein Geld mehr.«

Der Gesichtsausdruck, mit dem Catherine ihn daraufhin strafte, hätte ihn gut auf der Stelle in Fetzen reißen können. »Hat William dir das gesagt?«

»Nein, Edward. Aber er war wirklich sehr entschlossen.«

»Du solltest noch mal mit William darüber sprechen.«

Er spürte die Wut heiß in seinen Wangen glühen. »Damit ich dem auch noch in den Arsch kriechen darf?«

Catherines Augen wurden finster. »Charles, solche Worte! Denk an die Kinder!«

»Die Kinder! Alle denken nur an die Kinder! Ich hab jetzt das fünfte, Charles, wie soll ich dich da auch noch durchfüt­tern? Ich bin halt nicht Christus, der hat sich am Weihnachts­tag der Welt geschenkt, aber ich, bin ich denn Gott, Charles? Soll ich mich denn auch für andere aufopfern? Verrecken soll Edward an seinem Weihnachtstag!«

Shapney hatte eine Münze aus seiner Tasche geholt und hielt sie dem aufgebrachten MacPinny dicht vors Gesicht. »Die Königin! Die Königin selbst hat gesagt …«

MacPinny streckte die Hand so hastig aus, dass er sein Glas dabei umstieß. Er riss Shapney die Münze aus der Hand. »Die Königin! Ich piss auf die Königin!« Seine Hände machten sich an seinem Hosenbund zu schaffen.

Charles Dickens beschloss, dass der perfekte Moment ge­kommen war, um den Pub und dieses Trauerspiel hinter sich zu lassen. Er legte ein paar Münzen auf den Tresen, wahrschein­lich zu viel für die drei, vier Gläser, die er getrunken hatte, aber das kümmerte ihn im Moment wenig. Er wollte nur so schnell wie möglich gehen, bevor MacPinny ihm noch einen Anblick lieferte, den er so schnell nicht mehr vergessen konnte.

Er rutschte schwerfällig von seinem Stuhl, zog mühevoll ein Bein nach vorne, dann wieder das andere, so schnell er nur konnte. Zu seiner Rechten gaffte der alte Shapney MacPinny auf der anderen Seite des Tisches an, als stünde da nicht der schottische Fabrikarbeiter sondern Bonaparte selbst vor ihm. Drei Männer waren aufgesprungen und versuchten verzweifelt, MacPinnys Arme zu fassen zu bekommen, während sie laut­stark auf ihn einschrien.

Charles wusste, dass es schon zu spät war. Eine andere bei­ßende Note hatte sich unter den Gestank in der Luft gemischt.

Er stieß die Tür des Pubs auf und genoss für einen Moment die klare, kalte Luft und den harten Regen auf seinem Gesicht. Hier draußen in den Gassen Londons war es überraschend still. Die Nacht war bereits so weit vorangeschritten, dass nur ent­fernt, in hinter Häuserreihen verborgenen Straßen das Klappern vereinzelter Droschken zu hören war. Nur durch die Tür und die Fenster des Pubs drangen noch immer die Schreie der Män­ner zu ihm nach draußen, und irgendwo hinter der nächsten Häuserecke übergab sich jemand. Die Würgelaute waren so elegant in derbe Flüche eingebunden, dass es Charles wie ein gut komponiertes Lied vorkam. Das Lied hatte eine seltsam ansteckende Wirkung auf ihn. Beinahe fühlte er sich, als müss­te er jeden Moment mit einstimmen, aber er zwang sich, seinen Mageninhalt von vier Pints in sich zu lassen.

Er torkelte nach vorn, dann zur Seite, fing sich an der Wand des Pubs ab, wagte noch einen Schritt. Über ihm mischte sich unter das laute Klappern des Regens auf die Dachziegel auch ein schnelles Kratzen, vielleicht von Katzen oder Marderhun­den. Er tat noch einen Schritt, schob sich langsam an der Wand voran, um nicht zu stürzen. Wenn William oder Edward ihn so finden würden! Er wollte ihnen nicht die Genugtuung geben und zu dem Taugenichts werden, den sie in ihm sahen. Vielleicht war er das bereits, aber das brauchten sie nicht zu wissen.

Noch ein weiterer Schritt. Die Pelztiere über ihm kreischten laut auf, als würden sie sich zu streiten beginnen. Etwas kratzte über die Ziegel, kein Tier, kein Regen. Es klang metallen oder gläsern vielleicht.

Charles Dickens hob den Blick. Das letzte, was er sehen konnte, war ein etwa zwölf Zoll großer Gegenstand, der sich in rasender Geschwindigkeit auf seinen Kopf zubewegte. Für einen winzigen Moment blitzte das Ding im Licht der Straßen­laterne silberweiß auf. Der Schriftzug COKE brannte sich in sein Gedächtnis ein.

Dann spürte er einen dumpfen Schmerz auf der Stirn und das Bild verschwamm vor seinen Augen. Er fiel. Den Aufprall spürte er nicht mehr.

Regentropfen auf seiner Haut, aber schwächer als zuvor. Es war kälter geworden, oder so schien es zumindest. Nur lang­sam kehrten seine Sinne zurück. Ein Geruch lag in der Luft, so süßlich als hätte man ihn in eine Zuckerfabrik entführt. Stim­men. Unzählige, aber dumpf, weit entfernt von ihm. Männer und Frauen unterhielten sich angeregt, Kinder lachten vor Freude. Trotz der Benommenheit schnaufte er verächtlich in den kalten Stein unter seiner Wange. Er konnte unmöglich noch immer in London sein.

»Sir? Geht es Ihnen nicht gut? Soll ich …« Eine Hand legte sich auf seine Stirn, schwebte dann so nah über seinem Mund, dass er die kalten Finger auf seinen Lippen spüren konnte. »Soll ich einen Krankenwagen rufen?«

»Können Sie aufstehen?« Zwei weitere Hände griffen ihn vorsichtig an den Oberarmen und zogen an ihm. Der kalte Stein unter seinem Gesicht verschwand. Er fühlte, wie sich die Welt um ihn herum drehte, auch wenn er es nicht sehen konnte. »Ja, kaum machen die Weihnachtsmärkte auf, muss man sich schon vollaufen lassen, hm?«

Er runzelte die Stirn. Sein Schädel brummte, als hätte je­mand eine Druckerpresse darin angeworfen. »Weihnachts­markt?«

»Wissen Sie nicht mehr, wo Sie sind? Vielleicht sollten wir doch einen Krankenwagen rufen.«

Charles öffnete die Augen. Zuerst konnte er nichts als Dun­kelheit ausmachen, doch nach und nach kehrten die Lichter zu­rück. Straßenlaternen nicht weit von ihm, aber sie waren hell, so viel heller als sonst. Dahinter eine Londoner Häuserfassade, aber dort, wo der braune und rote blanke Stein hätte sein müs­sen, waren Girlanden aus Tannenzweigen und bunten Lichtern gezogen worden. Sein Blick folgte ihnen die Straße hinunter, zum Leicester Square, das wusste er. Aber dort, wo sonst die Häuser den Blick auf den kleinen Park freigegeben hätten, konnte er jetzt nur eine gewaltige Ansammlung von Menschen entdecken, die sich allesamt auf ein umzäuntes Gebiet in der Mitte des Parks zuzuschieben schienen. Noch mehr grelle Lichter schienen ihm aus den Fenstern der Häuser entgegen und von den Kronen der Bäume. »Wer hat denn diesen Schwachsinn da in die Bäume gehängt?«

Von dem umzäunten Bereich drang ein Chor zu ihm hinü­ber, auch wenn der Klang seltsam war, von Instrumenten ge­spielt, die er nicht einordnen konnte.

There must have been some magic in

That old silk hat they found

»Kommen Sie, Sir, hoch mit Ihnen. Sie können hier nicht so rumliegen bleiben.« Der Mann hinter ihm, der noch immer seine Oberarme umklammert hielt, zerrte behutsam an ihm, um ihn auf die Beine zu ziehen. Widerwillig ließ er sich aufrichten. Der Mann vor ihm, aus der indischen Kolonie wie es schien, zog etwas aus seiner Tasche hervor. Charles legte den Kopf schief. Der Mann war seltsam gekleidet. Sein Mantel, aus einem glänzenden Material, leuchtete in sattem Rot als würde er das Kleid einer Frau tragen. Seine Hose war blau, mit weißen Streifen, als hätte ein Vogel sich darauf erleichtert, und der Mann besaß sogar die Frechheit, keinen Hut zu tragen!

»Ich ruf jetzt einen Krankenwagen, in Ordnung, Sir?« Das Ding in seiner Hand blinkte gleißend hell auf, stach in seine Augen.

Charles‘ Kehle entrann ein spitzer Aufschrei. Er riss sich aus den Händen des Mannes hinter ihm los, rappelte sich auf, stol­perte nach vorn, aber fing sich, bevor er erneut fallen konnte. Er rannte los, auf den Leicester Square zu. So viele Leute um ihn herum, so viele Stimmen und andere, fremde Geräusche, eine Kakophonie des Lärms. Aber vielleicht, vielleicht konnte er ja jemanden finden, nur eine einzige Person, die ihm helfen konnte, die ihm erklärte, was geschehen war.

Nur noch vier Schritte, drei, dann hatte er den Platz erreicht. Er taumelte aus der Irving Street heraus. Und schrak zusam­men. Blendendes blaues Licht zu seiner Rechten, das ihn auf­schreien ließ. Er trat ein paar Schritte zurück, lief in jemanden hinein, der hohe Schrei einer Frau. Er wirbelte herum, blickte der jungen Lady in die Augen, dann an ihr hinauf und hinab, schüttelte den Kopf, fassungslos, über alles. »Eine Hose«, mur­melte er nur.

Ihr Blick wurde finster. Sie erinnerte Charles an Catherine. »Wie hast du mich genannt?«

Bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, erklangen wie­der die Stimmen der beiden Männer hinter ihm. »Sir, warten Sie mal!«

Er wollte davon laufen, aber wusste nicht, wohin. Überall leuchtete es aus den Fenstern heraus, von den Wänden, von den Bäumen, Menschen in der seltsamsten bunten Kleidung, als wären sie Papageien, die aus einem Zoo geflohen waren, und sie unterhielten sich auf den verschiedensten Sprachen, kamen aus den verschiedensten Ländern. Und wo waren ihre Hüte?

»Sir!« Der Mann, der noch immer den leuchtenden Gegen­stand mit sich herum trug, hatte ihn mittlerweile eingeholt. Er legte ihm seine freie Hand auf den Unterarm, nicht fest, aber bestimmt. »Sie sind etwas verwirrt. Wir gehen da hinten hin, zum Weihnachtsmarkt, ja? Da sind ein paar Leute, die Ihnen bestimmt helfen können. Kommen Sie.«

Er ließ sich von dem Mann mitziehen. Seine Gedanken wa­ren mittlerweile so verworren, dass es schien, als hätte er über­haupt keine Gedanken mehr. Sie gingen ein paar Schritte, während die Musik, die vom Leicester Square auszugehen schien, weiter anschwoll. Er konnte jetzt die kleinen Hütten ausmachen, die in dem Park kreisförmig errichtet worden wa­ren, wie Stände bei einem Wochenmarkt. Aus einigen von ih­nen stieg Dampf auf, als wäre eine ganze Küche in ihnen er­richtet worden, andere waren bis zur Decke gefüllt mit winzi­gen bunt verzierten Kisten, doch er konnte nicht erkennen, was in ihnen angeboten wurde. Er streckte sich, wollte über den Zaun spähen, mehr erkennen.

»Entschuldigung.« Der Mann mit dem Leuchtkästchen, aber er sprach nicht zu ihm, sondern zu einer Frau, die am Eingang des Parks zu warten schien.

»Kann ich Ihnen helfen?«

»Der Typ hier … Wir haben ihn da hinten gefunden, er lag am Boden, stinkt ziemlich nach Alkohol. Er ist ganz schön durcheinander, er …«

Charles wirbelte herum. Auf seinem Gesicht lag eine bei­nahe kindliche Freude. »Diesen Markt hier …«

Der Leuchtkastenmann runzelte die Stirn. »Der Weihnachts­markt?«

Charles nickte. Das hier konnte nur ein Traum sein, ein sehr seltsamer Traum zwar, aber sicherlich nur ein Gespenst seiner wirren schriftstellerischen Fantasie, nichts Ungewöhnliches eigentlich. Er wollte noch nicht erwachen. Er verstand nicht, was um ihn herum geschah, aber genau das erregte ihn am meisten. Er wollte diese merkwürdige Welt bis ins kleinste Detail erkunden, er wollte sich inspirieren lassen.

»Du schreibst nichts Originelles mehr«, hatte Edward gesagt. »Was ist nur mit dir los, Charles? Du warst doch früher so inspiriert, und jetzt das hier?«

Edward hatte eine Geschichte gewollt. Das hier war eine.

Charles Dickens trat einen Schritt nach vorn und packte den Leuchtenkastenmann beim glänzenden, knisternden Mantel. »Ich möchte ihn sehen, diesen Weihnachtsmarkt. Ich möchte alles sehen!«

TO BE CONTINUED

Beitragsbild: Till Junker
bearbeitet von: Anne Frieda Müller

advents.kalender 2019: 2. Türchen – Advent als Abenteuerspielplatz

advents.kalender 2019: 2. Türchen – Advent als Abenteuerspielplatz

Es weihnachtet sehr, auch in Greifswald – und besonders bei den moritz.medien. Mit dem advents.kalender geben wir Euch weihnachtliche Tipps, Tricks, Erfahrungsberichte, Rezepte uvm. für die Adventszeit. Öffnet jeden Tag ein Beitrags-“Türchen”! Im heutigen Türchen: How to not get Wham!’ed.

Last Christmas, I gave you my heart …

Und jetzt alle!

Nur normalerweise halt nicht, wenn ich in der Nähe bin. Denn ich spiele jedes Jahr aufs Neue mit meiner Familie ein klassisches Weihnachtsspiel: Don’t get WHAMed. Ein Spiel, dass jede Innenstadt und Weihnachtsfeier zu gefährlichen Abenteuerparcours werden lässt. Und die lieben Freund*innen und Kolleg*innen zu fiesen Grinches mutieren lässt (liebe Grüße gehen hier raus an ein ganz besonderes ehemaliges Mitglied aus der Chefredaktion vom webmoritz. *zwinkizwonki). Die Regeln sind wirklich einfach: Die Person, die als letzte bis Weihnachten das Lied „Last Christmas“ von WHAM! nicht gehört hat, hat gewonnen. Läuft man über einen Weihnachtsmarkt und es ertönt, muss das eigene Ausscheiden unverzüglich den Mitspielenden gemeldet werden.

Damit ihr die besten Chancen habt, kommen hier ein paar Tipps:

– Meidet große Menschenansammlungen in eurer Freizeit.

– Meidet es, an Einkaufszentren vorbeizugehen – Geschenke braucht kein Mensch.

Je eremitischer ihr euer Leben gestaltet, desto sicherer könnt ihr euch fühlen. Wenn ihr doch noch rausmüsst:

– Haltet euch beim Weihnachtsmarkt an die Stände mit der Schlagermusik. Die spielen das Lied aus irgendeinem Grund viel seltener. Dafür wird man dort gelegentlich von angetrunkenen Schlagerfans eingehakt (ja wirklich, wer verbreitet dieses Vorurteil von den verschollenen Pommeranään?).

– Einkäufe nur mit Kopfhörern und lautem Metal drauf erledigen.

– die Challenge geheim halten. Ihr werdet überrascht sein, wie viele eurer Freund*innen euch reinreiten wollen.

Normalerweise ist das Kino sicher, vor allem, wenn man ein bisschen verspätet reinhechtet. Dann ist nämlich die Werbung oft schon vorbei. Aaaber dank Greg Wise ist das Kino in diesem Jahr kein sicherer Ort mehr. Der hat mich schon geWHAMed. Einmal Kinotrailer auf YouTube gucken und schon säuselte George Michael im Oktober Weihnachtsmusik zu Daenerys im Elfenkostüm. Gegen die Enttäuschung hilft nicht einmal die großartige Emma Thompson und den Film werde ich aus Rache nicht gucken.

Aber euch wünsche ich eine abenteuerliche Adventszeit. Mögen die Spiele beginnen!

Beitragsbild: Till Junker
bearbeitet von: Anne Frieda Müller

advents.kalender 2019: 1. Türchen – Weihnachten im Flüchtlingsheim

advents.kalender 2019: 1. Türchen – Weihnachten im Flüchtlingsheim

Es weihnachtet sehr, auch in Greifswald – und besonders bei den moritz.medien. Mit dem advents.kalender geben wir Euch weihnachtliche Tipps, Tricks, Erfahrungsberichte, Rezepte uvm. für die Adventszeit. Öffnet jeden Tag ein Beitrags-“Türchen”! Im heutigen Türchen: Weihnachten im Flüchtlingsheim

Weihnachten und Geschenke liebt doch jedes Kind. Deshalb findet in Greifswald auch in diesem Jahr wieder das von der ZORA Kinder- und Jugendhilfe organisierte und vom AStA unterstütze Event „Weihnachten im Flüchtlingsheim“ statt. Diese Veranstaltung soll Kindern und Jugendlichen in Gemeinschaftsunterkünften in Mecklenburg-Vorpommern am 14. und 15. Dezember und im Rahmen von weiteren Weihnachtsfeiern ein schönes Fest bescheren.

Damit der Weihnachtsmann nicht mit leeren Händen dasteht, wird Eure Unterstützung gebraucht! Im ZORA Büro werden Sachspenden für Kinder und Jugendliche im Alter von 0-18 Jahren gesammelt.

Welche Geschenke? Die Kinder würden sich zum Beispiel über Schulmaterialien, Mal- und Kinderbücher, Gesellschaftsspiele, Spielzeug und Outdoorspielzeug oder kleine Sportgeräte freuen. Auch abgepackte Kosmetik- und Hygieneartikel für Mädchen und Jungen, Babyzubehör und Babybekleidung sind ein gern gesehenes Geschenk. Geldspenden werden ebenfalls angenommen.

Wann? Bis zum 13.12., von Montag bis Freitag, 8.30 Uhr bis 15.30 Uhr

Wo? Im ZORA Büro (Markt 20/ 21, 17489 HGW)

Hilfe für das Sortieren und Einpacken von Geschenken, zum Schuhkartons besorgen und zum Flyer verteilen ist ebenfalls willkommen. Falls übrigens der ein oder andere Weihnachtsmann noch Zeit hätte, kann er oder sie sich gerne bei den Organisator*innen melden.

Also: Geschenke bekommen macht Spaß, aber schenken noch viel mehr!

Beitragsbild: Till Junker
bearbeitet von: Anne Frieda Müller

Zu wenige Bewerbungen für die Gremienwahlen – der aktuelle Stand vom 29.11.19

Zu wenige Bewerbungen für die Gremienwahlen – der aktuelle Stand vom 29.11.19

Für die Gremienwahl gibt es weniger Bewerbungen, als Plätze vorhanden sind. Bis Dienstag, 23.59 Uhr können sich Interessierte noch bewerben.

Die Vorbereitungen für die Gremienwahlen laufen in die letzte Phase ein. Wer sich gerne selber einbringen will und endlich was verändern möchte, hat jetzt noch eine Chance: Eure Bewerbungen könnt ihr am Montag und Dienstag von 9-12 Uhr, sowie Montag 15 bis 18 Uhr und Dienstag 16 bis 23.59 Uhr einreichen.

Gerade bei den FSR habt ihr die Chance euch selbst in Eurer Fachschaft einzusetzen. Bei den meisten FSR haben sich noch nicht genug Menschen beworben um die vorhandenen Plätze zu füllen. Hier könnt ihr die aktuellen Bewerbungsanzahlen sehen:

Gremium Bestätigte/Plätze
Anglistik / Amerikanistik 4/6
Bildungswissenschaft 5/3
Biochemie/Umweltwissenschaften 5/7
Biowissenschaften 5/9
Deutsche Philologie 3/8
Geographie 0/5
Geologie 5/3
Geschichte 6/7
Kunstwissenschaften 1/6
Mathematik/Biomathematik 0/5
Medizin 3/7
Musikwissenschaften 2/3
Nordistik 1/5
Philosophie 2/5
Politik- und Kommunikationswissenschaften 4/7
Psychologie 3/5
Rechtswissenschaften 3/9
Slawistik Baltistik 0/3
Theologie 5/5
Wirtschaftswissenschaften 3/9

Besonders dramatisch sieht es auch beim Studierendenparlament aus. Hier gibt es bisher nur zwölf Bewerbungen auf 27 Sitze.

Beitragsbild: Lukas Thiel

Fehlt Mut zu unpopulären Entscheidungen?

Fehlt Mut zu unpopulären Entscheidungen?

Überall in Deutschland ist Klimawoche. Auch an der Universität Greifswald hat die AG Ökologie zusammen mit dem BUND Greifswald eine Vortragswoche unter dem Motto „Neue Welt – Neue Stadt“ organisiert. Neben täglichen Vorträgen wurde am 27.11.19 auch eine Podiumsdiskussion unter dem Motto „Klimanotstand – was nun?“ veranstaltet.

Die Stadt Greifswald hat im Sommer 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Ob dieser Ausruf reine Symbolkraft hatte, war der Einstieg in eine wenig umstrittene Podiumsdiskussion. Die Menschen, die in dem Thema eine Kontroverse hätten sehen können, schienen in dem halb gefüllten Hörsaal im Audimax ohnehin nicht vorhanden zu sein. Die Symbolkraft des Klimanotstands wurde von den meisten Diskussionsteilnehmenden bestätigt, insbesondere in der Richtungsweisung für die laufende Legislatur der Bürgerschaft. Da der Beschluss direkt am Anfang der Legislatur getroffen wurde, erklärte die SPD-Politikerin Wölk, kann er großen Einfluss auf den, noch zu verhandelnden, Haushalt der Stadt haben. Einzig Umnus von den Stadtwerken Greifswald fand die Assoziationen mit dem Begriff „Notstand“ zu dramatisch und der Situation Greifswalds nicht angemessen.

In fast zwei Stunden tauschten sich Jörg König von den Grünen, Tiemo Timmermann (Nachhaltigkeitsbeauftragter der Universität Greifswald), Monique Wölk (SPD), Prof. Dr. Volker Beckmann (Landschaftsökonom) und Henrik Umnus (Geschäftsführer der Verkehrsbetrieb Greifswald GmbH) über ihre nachhaltigen Zukunftsvisionen für Greifswald aus und darüber, welche Wege beschritten werden sollten. Das zentrale Thema war der Verkehr in Greifswald. Alle Diskussionsteilnehmenden waren sich darüber einig, dass die Stadt den Fahrradverkehr und den öffentlichen Nahverkehr (ÖPVN) ausbauen und speziell letzteren attraktiver machen sollte. Wölk wiederholte mehrmals ihre Forderung nach einem kostenlosen oder wenigstens sehr günstigen Busverkehr, denn auch in Wintermonaten und speziell als älterer oder mobil eingeschränkter Mensch sollte man nicht in seinen Fortbewegungsmöglichkeiten limitiert werden.

Waren sich eigentlich alle einig: Jörg König, Tiemo Timmermann, Monique Wölk, Prof. Dr. Volker Beckmann und Henrik Umnus

Auch über das zweite große Thema, die Energieversorgung, gab es kaum Differenzen. Umnus berichtete über das geplante solarthermische Feld der Stadtwerke für eine zukünftige regionale Energieversorgung. Nur das Tempo und die Prioritäten der Maßnahmen wurden unterschiedlich bewertet. Beckmann mahnte wiederholt an, dass es vor allem auch von der Akzeptanz der Bevölkerung abhängig ist, während Unmus Probleme durch die EU-Vorschriften für den Wettbewerb bei Ausschreibungen sah. Im Großen und Ganzen waren sich die Podiumsteilnehmenden und das Publikum darüber einig, dass dringend gute Maßnahmen für Greifswald und die Region gebraucht werden, um die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen und darüber, dass diese eigentlich viel schneller kommen sollten.

Ausgerechnet Walther Noack, der für die CDU in der Greifswalder Bürgerschaft sitzt, forderte die anwesenden Politiker*innen auf, Mut zu beweisen, auch unpopuläre Entscheidungen durchzusetzen. Ein Wunsch, der nicht nur von verschiedenen Stimmen aus dem Publikum unterstützt wurde, die sowohl radikale Maßnahmen als auch auch die Erkenntnis unterstützten, die Beckmann häufiger ansprach: die Durchsetzung von Projekten ist eng mit dem politischen Willen verbunden.

Beitragsbilder: Veronika Wehner

retro.kolumne: Fußball in den 90ern

retro.kolumne: Fußball in den 90ern

Retro, retro, retro yeah! Die neue Kolumne über alte Dinge. Kennt Ihr diese Spiele, Filme, Accessoires noch? Aus der Kindheit, meist noch aus den 90ern stammen sie und sind vielleicht ja doch noch ein Guilty Pleasure des einen oder anderen.

Oben genanntes Thema ist ein Musterbeispiel für eine kontroverse Diskussion. Fußball in den 90ern – das ist der Sieg der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft im Jahr 1996, Kaiserslautern wird als Aufsteiger Meister, Borussia Dortmund gewinnt die Champions League. Wir hatten noch ganz andere Spielertypen, ganz andere Atmosphäre in den Stadien. Irgendwo bin ich froh, dass ich noch etwas davon mitbekommen habe. Und das kam so…

Zwei Faktoren waren dafür verantwortlich, dass ich in den 90ern schon zum Fußball fahren konnte. Zum einen gehörte ich zu denen, die noch von ihrem Vater mit ins Stadion genommen wurden. Bei den vielen zerrütteten Elternhäusern und veränderten Interessen ist das heute sicherlich nicht mehr die Norm. Zum anderen hatte der Wiederaufstieg von Hansa Rostock im Jahr 1995 in die erste Bundesliga einen wesentlichen Anteil daran. Der einzige Profiverein im Osten kam aus Rostock. Nicht einmal die Hertha aus Berlin spielte im Oberhaus. Das waren Zeiten! Freitag nach der Schule wurde fix ein kleines Versorgungspaket geschnürt und schon war man auf der Landstraße nach Rostock, denn die A20 gab es damals noch nicht. An die Stimmung im Stadion kann ich mich kaum mehr erinnern. Einer stimmte was an, der Rest machte mit. An die Ultras war damals noch nicht zu denken. Die Wolgastä-Fahne und „Märtyrer“ hingen schon damals wie ein Fels in der Brandung. Auf dem Platz war es fast immer interessanter. Oft konnte ich von den Leuten neben mir hören, dass auf dem Platz der Kalte Krieg, Ost gegen West, weiter geht. Jedes nicht geahndete Foul war ein Schlag des Westens gegen den armen Osten, was ja auch im Prinzip bis heute anhält. Die Konzerne sitzen alle im Westen, und der Osten hat kaum Struktur. Der Sport leidet aktuell ziemlich heftig darunter. Jedenfalls waren wir zur Wiederholung der Freitagssendung von „ran“ auf „Sat 1“ dann wieder in den heimischen vier Wänden. Das hieß damals noch Platte! Diese hatten in dieser Zeit noch nicht so einen negativen Touch wie heute. Da wohnten die Chefärzt*innen neben den Hausmeister*innen. Über den Bildschirm flimmerten die Spielszenen von Charakteren wie Mario Basler, Lothar Matthäus, Oliver Kahn und vielen anderen Spielern, die sich irgendwie von den heutigen Schwiegersohntypen in der Bundesliga unterscheiden. Nicht glatt, sondern eckig, schroff und nicht einfach nur Nummern.

Hertha stieg 1997 auf, Hansa kassierte eine 2:5-Klatsche in der Hauptstadt. Fünfmal dudelte die Toreinspielung „Hertha, wieder Hertha, erste Liga, jetzt sind wir da!“. Das war auch mein einziges Spiel im Olympiastadion in dieser Saison.

Dann kam die Saison, die mit „Bochum“ zusammengefasst werden kann. Die letzte Sekunde der Saison 98/99 brachte die Entscheidung darüber, ob Hansa in der ersten Liga bleiben darf. Slawomir Majak erzielte das entscheidende Tor, während sein Kopf wegen einer Wunde verbunden war! Und wo war ich? Vom Schachverein aus spielten wir in Szczecin. Über das Ergebnis bekam ich nur durch das Autoradio mit. Ein Jubel im Auto! Handys waren noch Luxus.

Rostock reichte mir damals nicht. Ich stieß im Kicker-Sonderheft auf den FC Berlin, der als BFC Dynamo zehnmal Meister wurde. Außerdem war da ein 1. FC Union. Zuerst schnupperte ich mit Vater beim 1. FC Union vorbei. Sie spielten in Köpenick gegen den SV Babelsberg 03. Google Maps gab es damals noch nicht und somit keinen Stadtplan auf die Schnelle. Also fragten wir am S-Bahnhof nach dem Weg. Sogleich wurden wir angeraunzt: „Seit ihr etwa aus Babelsberg?“ Das Klima war rau, obwohl der Ketchup auf der Stadionwurst für 3,50 DM süß und klebrig zwar. So richtig bekam ich die wilde Zeit dann beim ersten Derby zwischen dem 1. FC Union und dem BFC Dynamo nach dem Fall der Mauer mit. Es war im Mai 1999. Die S-Bahn rollt in Köpenick ein. Man hört Dynamo-Gesänge. Plötzlich packt ein Glatzkopf einen anderen, die Polizei kommt, eine Glatze wird zu Boden gerissen und von der anderen Glatze verhaftet, ein Polizist in ziviler Kluft. Während des Spiels regnete es, die heute „legendäre“ Waldseite im Stadion an der alten Försterei war spärlich gefüllt. Ein paar Lappen hingen am Zaun. Die Fahne, die im Gedächtnis blieb, war die mit dem Spruch „Von der Wiege bis zur Bahre, wir bleiben treu“. Ich ärgere mich bis heute, dass ich fast nie etwas zum Knipsen mitnahm, denn auf der anderen Seite war es viel spannender. Dynamo führte mittlerweile mit 0:2. Ein dumpfes und extrem lautes „Dynamo, Dynamo“ fegte durch das marode Stadion. Dann begann der Gäste-Mob den Gästeblock auseinander zu nehmen. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt. Das war das wirre Klima nach der Wende. Da gab es Gelegenheiten, noch offene Rechnungen mit den Staatsdiener*innen von einst begleichen zu können, da Bautzen noch frisch im Gedächtnis war.

So war das damals.

Beitragsbilder: Michael Fritsche
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