von moritz.magazin | 04.10.2013
Heutzutage gibt es die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Vereine. Nicht nur in der Kultur kann man sich engagieren. Auch in der Politik, genauer in der Hochschulpolitik, kann man sich ehrenamtlich betätigen. moritz macht sich auf den Weg die Studenten zu finden, die sich für ihre Universität einsetzen.
Immer wieder kreuzen große Slogans mit noch größeren Plakaten meine Wege. Slogans, die von mir verlangen ein Teil des Ganzen zu werden, sich zu engagieren oder einfach nur fragen: „Und Du?“. Aber kann man sich heute noch im modularisierten Studiengang engagieren? Und dann auch noch politisch? Kann ich mich irgendwie einsetzen für meine Universität, mein Institut? Ich mache mich auf den Weg um das heraus zu finden.
Als ich Jan Mävers kennen lerne, sitzt er fünf Meter vor mir. Wir befinden uns in einem alten Hörsaal in der Botanik. Die Tische und Stühle sehen so aus als hätten sie schon ihre Blütezeit lange hinter sich – aber in vielen Gebäuden der Universität ist das ja der Fall. Wir sind aber nicht hierhergekommen, um über altes Inventar der Uni zu diskutieren. Wir besprechen unsere Ziele und Wünsche. Nicht etwa die eigenen persönlichen Angelegenheiten, sondern unsere Wünsche und Ziele an die Arbeitsgemeinschaft (AG) Ökologie. Am 16. April 2013 berufte das Studierendenparlament (StuPa) die AG Ökologie ein. In dieser AG soll das ökologische Bewusstsein der Studierendenschaft geschult werden, indem Veranstaltungen organisiert und geplant werden.
Gemeinschaft der StudierendenZusammen geht alles leichter
Jan wirkt an diesem Abend selbstsicher, was wohl an seinen vielen unterschiedlichen Tätigkeiten liegt, wie seine Mitgliedschaft des Wahlausschuss für die StuPa-Wahl. Seit 2011 ist er ehrenamtlich in der Greifswalder Hochschulpolitik tätig. Neben seinem Engagement in der AG sitzt er auch noch im Fachschaftsrat der Wirtschaftswissenschaften. „Im Fachschafstrat (FSR) bin ich Referent für Hochschulpolitik und Vernetzung, das passt ganz gut, weil ich durch die Arbeit in der AG Ökologie viel Kontakt zum StuPa und zum Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) habe“, erklärt mir Jan. Seine Arbeit in den Gremien macht ihm Spaß, gerade das Zusammenarbeiten mit den verschiedensten Menschen, sei es Studenten, Dozenten oder Außenstehende. Es sei ein tolles Gefühl, wenn die Arbeit plötzlich leichter von der Hand geht, weswegen Jan sich auch gerne engagiert. „Ich glaube aber auch, dass wir als Gemeinschaft der Studierenden eine wichtige Stimme haben, aber diese Stimme nicht automatisch da ist, sondern erst gefunden werden muss. Dafür braucht es viele Studierende, die sich einbringen.“ Nach zwei Stunden ist die konstituierende Sitzung der AG Ökologie vorbei mit der Entscheidung, dass wir eine Nachhaltigkeitswoche organisieren. Jeder der 15 anwesenden Studenten kommt aus den unterschiedlichsten Fachbereichen. Ich sitze hier neben Politikstudenten auf der einen Seite und Juristen auf der anderen. Vor allem Umweltwissenschaftler interessiert das Thema, sie füllen die Lücken des Raumes auf. Jeder der Anwesenden übernimmt eine Aufgabe, zum Beispiel andere Initaitven anschreiben oder Veranstaltungsorte suchen. Allen Beiteiligten ist klar, dass sie in den nächsten Wochen viel Zeit für die Nachhaltigkeitswoche aufbringen müssen. Für den 24-jährigen Betriebswissenschaft-Student Jan ist das aber kein Problem. In wenigen Monaten wird er sein Studium der Betriebwirtschaftslehre beenden. „Ich hatte also keinen Druck, irgendwelche Leistungen im Studium zu bringen.“
Ehrenamt auf dem Neuen Campus
Immer wieder höre ich die Klischees der anderen Studenten. Nur die Studenten an der Philosophischen Fakultät und der Rechts-und Staatswissenschaftlichen Fakultät würden sich engagieren., Gerade die Studiengänge der Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät hätten alles was sie wollen. Sie bräuchten sich nicht zu engagieren. Ich bin gegenüber dieser Aussage skeptisch. Auf dem neuen Campus sehen zwar die Gebäude moderner aus und sie erinnern mich gar nicht an die Botanik. Aber auch hier sind Studenten dabei, sich für ihre Kommilitonen einzusetzen. Annekatrin Sill ist eine von ihnen. Sie wurde Anfang Januar von den Studenten der Biochemie und der Umweltwissenschaften in den FSR gewählt. „Es macht mir Spaß mich für Studenten einzusetzen und wenn ich dann damit noch etwas bewegen kann, ist das umso besser“, erzählt Anne. Ihre Aufgaben im FSR sind die Finanzen der Fachschaften zu verwalten. Sie erstellt den Haushaltsplan der Fachschaft und plant die internen Veranstaltungen. Neben den Finanzangelegenheiten hilft sie dabei, Laborkittel zu verkaufen. In erster Linie ist sie aber Ansprechpartner für die Studenten, die Probleme während des Studiums haben. Bei all der vielen Arbeit ist sie häufiger in der Stadt und im Institut unterwegs, um sich für die Belange der Studenten einzusetzen.
Neben dem Studium und ihrer Arbeit im FSR engagiert sich Anne auch noch bei der Freiwilligen Feuerwehr in ihrem Heimatort und ist Mitglied der Junior GBM. Die Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie organisiert Tagungen und Vorträge. Bei so viel Ehrenamt ist es manchmal schwer das Studium noch mit unter den Hut zu bekommen. Gerade in der Prüfungszeit sei es schwer Klausuren zu schreiben und nebenbei noch die Arbeit zu absolvieren. „Ein guter Zeitplan ist alles!“, verrät mir die 26-jährige Biochemikerin im sechsten Semester.
Engagement ist etwas Selbstverständliches
Als ich die Alte Augenklinik betrete um meine Hausarbeit abzugeben, fällt mir ein Flyer auf, der auf den Treppenstufen liegt. Der AStA sucht nach Referenten und Praktikanten, die sich für die Studierendenschaft einsetzen sollen. Da wird es mir klar. Das erste hochschulpolitische Engagement, welches ich in Greifswald gesehen habe, war dass des AStA: nämlich die Erstsemesterwoche.
Im AStA-Büro ist in der vorlesungsfreien Zeit wieder einiges zu tun. Vor allem die neue Erstsemesterwoche nimmt viel Arbeit und Hilfe Hände von vielen fleißigen Studenten in Anspruch. Aber auch andere Themen müssen behandelt werden, wie die Petition „Bildung braucht…“. Hierfür ist neben dem AStA-Referenten für Hochschulpolitik auch seine Co-Referentin für Hochschulpolitik, politische Bildung und Antirassismus verantwortlich. Marie Bonkowski hatte sich Anfang März dafür entschieden, ein Praktikum beim AStA zu machen. Die Chance mit einem engagierten Team zu arbeiten und dabei die unterschiedlichsten Leute kennen zu lernen, waren die Argumente, die sie veranlasst haben, das Co-Referat für Hochschulpolitik Anfang Juli zu übernehmen. „Die Aufgaben, die ich momentan habe, mache ich unglaublich gerne“, erklärt Marie. Sie ist neben der Unterstützung des Hauptreferenten auch für die Organisation der Gremienwahlen und der Vollversammlung zuständig. Ebenfalls plant sie eigene Veranstaltungen zum Thema Antirassismus und politische Bildung. Viel Zeit für die Universität hat die Studentin des Öffentlichen Rechts neben ihrem Ehrenamt nicht. „Meistens lässt es sich aber ganz gut kombinieren, dafür verringert sich dann aber die Freizeit teilweise recht stark.“ Trotz des Stresses und der wenigen Freizeit würde Marie das Ehrenamt nicht aufgeben. „Politisches und soziales Engagement sind für mich etwas völlig Sselbstverständliches, da man wirklich etwas bewirken kann“, schwärmt sie. Weitere Initiativen zu besuchen, ist neben ihrer Arbeit nicht möglich. „Durch mein Referat habe ich allerdings die Möglichkeit, projektbezogen, mit verschiedenen Initiativen zusammenzuarbeiten.“
Neben ihrer Arbeit beim AStA ist die 23-Jjährige seit September auch noch Tutor für die Erstsemester des Studienkollegs. Hierbei hilft sie den Studienkollegiaten bei Problemen mit Behörden und ist Ansprechpartner für die neuen Studierenden. Sie zeigt ihnen zum Beispiel die Stadt und die universitären Einrichtungen. Marie ist begeistert, dass sie bei der Arbeit viele Menschen in den unterschiedlichsten Kulturen kennenlernen kann, was sonst kaum gehe
„Es gibt so viele tolle Möglichkeiten sich in Greifswald zu engagieren, dass ich es schade finde, dass Studenten nicht die Zeit für weitere Aktivitäten haben.“
Nachdem ich die halbe Stadt durchquert habe, stehe ich am Ende wieder vor den Plakaten mit dem Aufruf zum Engagement. Dieses Mal weiß ich aber, „ja ich kann mich neben meinem Studium politisch engagieren“. Und neben bei weiß ich, dass nicht nur Politikstudenten diejenigen sind, die sich für die Belange ihrer Studiengänge oder der Studierendenschaft einsetzen.
Ein Feature von Corinna Schlun.
von moritz.magazin | 04.10.2013
Im letzten Wintersemester hat die Universität Greifswald 44 000 Euro durch die Wohnsitzprämie erhalten. Wo kommt das Geld her, was wird damit gemacht und was ist die Wohnsitzprämie überhaupt? moritz hat für euch nachgeforscht.
Im Sommer 2011 startete das Pilotprojekt „Wohnsitzprämie“ an der Universität Greifswald. Es wurde auf einen Erlass des Bildungsministeriums Mecklenburg-Vorpommern (MV) durchgesetzt. Dieser besagt, dass ab einer Grenze von 50 Prozent aller Neuimmatrikulierten in einem Fach, die ihr Abitur außerhalb von MV gemacht und ihren Erstwohnsitz nach Greifswald verlegt haben, die Universität für jeden weiteren Umgemeldeten 1 000 Euro vom Land erhält.
Die Medizin zum Beispiel hatte im letzten Wintersemester 150 neuimmatrikulierte Studenten, die aus einem anderen Bundesland kamen. Um die 50 Prozent-Grenze zu schaffen, hätten sich mindestens 75 Studenten ummelden müssen. Tatsächlich wurden 85 Personen Greifswalder. Das bedeutet, dass die Universität für jeden weiteren Studenten über den 75 Umgemeldeten 1 000 Euro bekam. Insgesamt waren das 10 000 Euro allein für die Mediziner. Dadurch wurden sie die Gewinner im internen Ranking der Wohnsitzprämie. Von den 36 gelisteten Studiengängen schafften aber nur zehn den Sprung über die 50 Prozent-Hürde.
Der Grundstein der Wohnsitzprämie wurde im Winter 2010/2011 gelegt, als man sich im Ministerium die Frage stellte, wie man eine gute und wettbewerbsfähige Hochschulbildung finanzieren kann ohne Studiengebühren zu erheben, wie es in anderen Ländern üblich war. Die Lösung bestand natürlich aus mehr Geld. Dieses komme aus dem Länderfinanzausgleich, aus dem MV für jeden umgemeldeten Einwohner 2 400 Euro erhalte, so in einer Rektoratsvorlage aus dem Dezernat für Planung und Technik. Das Land gibt nun 1 000 Euro davon für die Verbesserung von Studium und Lehre an die Universität ab.
Konkurrenzfähige Uni ohne Studiengebühren
Warum gerade unsere Universität für dieses Projekt ausgewählt wurde, erklärt Erik von Malottki, Mitglied des Studierendenparlaments, studentischer Senator und Vorsitzender der Arbeitsguppe (AG) Wohnsitzprämie, damit, dass „in Greifswald 2/3 der Studenten aus anderen Bundesländern kommen“, während Rostock mehr eine Landeskinderuniversität sei. Diesen Fakt musste man sich zunutzen machen und sowohl die Universität als auch die Stadt anreizen, die Studenten zu motivieren, Greifswalder zu werden. Denn nicht nur die Universität profitiert vom Geldfluss aus Schwerin. Die Stadt erhält pro umgemeldeten Bürger circa 320 Euro, von denen sie dieses Jahr wieder 100 Euro als Willkommensprämie an jeden neuen Einwohner abgibt. Dazu erhält jeder ein Bonusheft, das aus der Kooperation zwischen der Studierendenschaft, der Stadt und der Universität entstanden ist. Das restliche Geld „soll wiederverwendet werden, um die Greifswalder Kulturlandschaft aufrecht zu erhalten“, so Anja Mirasch, Mitarbeiterin in der Abteilung Wirtschaft und Tourismus der Stadt.
Da die Universitätsleitung es versäumte, die Wohnsitzprämie hinreichend publik zu machen und diese zu bewerben, haben nun die Studenten das Zepter an sich gerissen und setzen sich dafür ein. „Erst durch unsere Bemühung haben wir angestoßen, dass die Universitätsleitung langsam erkennt, wie wichtig dieses Thema betreffend der Unterfinanzierung der Universität sein kann“, so Erik, „im Moment ist die Zusammenarbeit mit der Universitätsleitung sehr gut, aber ohne unser Engagement wäre da wenig passiert.“ Gerade der Allgemeine Studierendenaussschuss (AStA) und einzelne hochschulpolitisch Aktive haben sich in der letzten Zeit besonders für das Projekt engagiert. Zum Semesterbeginn erwartet die Erstsemester eine Fülle an Werbematerialien wie Flyer, Plakate, Lesezeichen und Beutel. Diese Anregungen für diese Produkte wurden in einer neueingerichteten AG Wohnsitzprämie gesammelt, zu der alle Fachschaften eingeladen wurden. Bei der Umsetzung halfen die Stadt und die Universität sowohl finanziell als auch mit Ideen mit. „Das Projekt ist deutlich größer geworden als wir es geplant haben“, erzählt der Pressesprecher der Universität Jan Meßerschmidt. In der AG wurden aber nicht nur Werbemaßnahmen geplant, sondern auch Vorschläge gesammelt, wie man die Studierendenschaft an der Verteilung der Gelder beteiligen kann und was mit den Geldern gemacht werden soll.
Studenten fordern Vorschlagsrecht
So fordert die AG ein Vorschlagsrecht für die Fachschaftsräte und die Vollversammlung der Studierendenschaft, an das sich die Institute und die Universitätsleitung halten müssen. In der Philosophischen Fakultät wurde dies schon vom Dekan abgesegnet und auch die Rektorin empfiehlt den Dekanen, dies so zu handhaben.
Die 44 000 Euro vom letzten Jahr gilt es nun aufzuteilen und auszugeben, denn diese müssen bis Ende des Jahres aufgebraucht sein. An die Verwaltung gehen zehn Prozent der Einnahmen, also im letzten Jahr 4 400 Euro. Die einzelnen Institute bekommen 67,5 Prozent ihrer facheigenen Einnahmen. Rückgreifend auf das Beispiel der Medizin sind das 6 750 Euro. Diese werden für die fachspezifischen Bedürfnisse eingesetzt. Das Vorschlagsrecht liegt jetzt schon in vielen Instituten bei den Fachschaftsräten. So plant die Anglistik zum Beispiel, ihre Literaturbestände aufzubessern. Die restlichen 22,5 Prozent sollen für die Verbesserung der allgemeinen Studienbedingungen ausgegeben werden, das sind aus dem letzten Jahr rund 9 900 Euro. Auf der Vollversammlung im Sommer 2013 wurde über die Verwendung des Geldes abgestimmt. Ein Teil soll für neue Bücher in den Bibliotheken und der andere für Exkursionen verbraucht werden. Laut dem Vorsitzenden der AG Wohnsitzprämie ist „der Dekan der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät mit diesem Verfahren nicht einverstanden.“ Denn Professor Klaus Fesser meint, dass das Geld anteilmäßig auf die einzelnen Fakultäten verteilt werden soll und „für die Fakultätsanteile sollten nur die Fachschaften der Fakultät sich äußern.“ Da in Greifswald der Modellversuch läuft, wird das Projekt vielleicht anhand der Greifswalder Verbesserungen und Umsetzungen in ganz MV eingeführt. Verbesserungsvorschläge gibt es schon. Der Erlass vom Ministerium an die Universität soll angeglichen und flexibilisiert werden. Zum ersten „spricht der Erlass überhaupt nicht von den Studenten“ und zum zweiten „ist es extrem problematisch das Geld in einem Jahr auszugeben“, kritisiert Erik, denn zur Zeit ist es festgeschrieben, dass das eingenommene Geld innerhalb eines Jahres verbraucht werden muss. Des Weiteren muss der Erlass bezüglich der förderungswürdigen Projekte angepasst werden. Viele Fachschaften wünschen sich, ihre Exkursionen mit dem Geld zu finanzieren. Doch es gibt eine Exkursionsrichtlinie an der Universität, nach der keine Übernachtungen übernommen werden dürfen. Als Letztes bemängelt Erik, dass „wir im Moment kein demokratisches Verfahren haben, in dem die Fachschaften beteiligt werden.“ Der komplette Prozess wie er in letzter Zeit abgelaufen ist, war so nicht vom Ministerium geplant und deshalb auch vom Gutwillen der Universitäts- und der einzelnen Institutsleitungen abhängig. Meßerschmidt kontert, dass „in den Gesprächen über die Wohnsitzprämie nie daran gezweifelt wurde, dass die Studenten bei der Verteilung der Mittel einbezogen werden.“ Man müsse sich aber an bestimmte Regeln halten.
Wichtiges Mittel gegen Unterfinanzierung
Im letzten Jahr war die Wohnsitzprämie zum ersten Mal erfolgreich. Doch die 44 000 Euro sind den Engagierten nicht genug. Ihr Ziel für dieses Jahr sind 100 000 Euro. Hinsichtlich der Unterfinanzierung der Universität ist jede neue Einnahmequelle eine Hilfe, deshalb verwundert es umso mehr, dass das Projekt nur mangelhaft mit fünf iPads von der Universitätsleitung im letzten Jahr beworben wurde. Falls der Kampagne dieses Jahr mehr Studenten folgen, ist es wichtig, dass die Studierendenschaft, die Universität und das Land vorher die rechtlichen Angelegenheiten klären und den Erlass anpassen. Sonst haben die Studenten keinen Anspruch auf das Geld oder was damit gemacht wird, obwohl es ihrem Engagement geschuldet ist.
Ein Bericht von Anne Sammler.
von moritz.magazin | 18.06.2013
100 Tage ist es her, dass die Toni-Kroos-Universität einen neuen Rektor bekommen hat: Professor Milos Rodatos. Dieser ist nicht nur ein ehemaliger Student der Universität, sondern auch der jüngste Rektor Norddeutschlands. Anlass genug, sich mit ihm persönlich zu treffen.
Vom Präsidenten des Studierendenparlamentes (StuPa) zum Rektor: Wie haben sich die vergangenen 20 Jahre angefühlt?
(schmunzelt und zeigt mit dem linken Daumen nach oben) Es waren einige sehr emotionale Momente dabei. Sei es der Bachelor- und Masterabschluss oder auch das Erreichen des Doktortitels und schlussendlich die Berufung nach Rostock. Der Rektorensessel der Toni-Kroos-Universität Greifswald (TKU) war jedoch immer das Ziel, auf das ich hingearbeitet habe.
Wir feiern dieses Jahr den 575. Geburtstag der Universität. Inwieweit sehen Sie den Fortschritt in den letzten 20 Jahren, die Sie sicherlich mitverfolgt haben?
Die Universität hat vor allem in einem Punkt dazu gelernt: Studierende und Unileitung ziehen inzwischen zusammen an einem Strang. So hat die verfasste Studierendenschaft endlich ein größeres Mitspracherecht bekommen. Als ich zu meinen Masterzeiten das Amt des AStA-Vorsitzenden (Allgemeiner Studierendenausschuss, Anm.d.Red.) inne hatte, durfte ich bereits den Grundstein dafür mit legen: Die Vollversammlungen der Studierendenschaft wurde verbindlich! Und das dies, gut 15 Jahre später immer noch so ist, zeigt, dass es ein Schritt in die richtige Richtung war.
Sie sind der jüngste Rektor in der Geschichte Norddeutschlands. Sie wurden heute vor 100 Tagen zum Rektor gewählt. Wie hat es sich angefühlt der neue Rektor der TKU zu werden?
Ich war sehr nervös, aber zugleich äußerst glücklich darüber. Es sind natürlich große Schuhe, die ich füllen muss. Auch wenn meine Vorgänger meist Psychologen waren, sehe ich als Politologe viele Möglichkeiten die Uni zu verbessern. Der entscheidende Punkt ist doch, dass wir die Uni gemeinsam voranbringen wollen.
„Bildung und Wissenschaft sollten ein freies Gut sein.“
Bei Ihrer Investitur haben Sie eine Tradition gebrochen: Sie wollten diese unter freiem Himmel veranstalten, damit mehr Studenten dabei sein können. Zeigt das Ihre basisnahe Politik?
Dort haben die Universitätsverwaltung und ich gut zusammengearbeitet. Es war lange geplant, dass wir die Investitur auf dem Marktplatz haben. Dort konnten mindestens 200 Uniangehörige und Studenten Sitzplätze auffinden. Die beiden Leinwände waren besonders für die an den Seiten Stehenden gut. An dieser Stelle noch einmal ein großes Danke an „Die krossenMedien“ für die Liveübetragung und die Berichterstattung. Mir war es sehr wichtig so die erste Grundlage für ein gutes Verhältnis zu der Studierendenschaft zu legen. Und die fünf großen Freibierfässer haben bestimmt ein restliches gemacht (grinst zufrieden).
Ihr Präsidenten-Daumen ist durch den Verkauf von verschiedenen Produkten mittlerweile sehr beliebt. In unseren Archiven findet man Artikel, in denen Sie am Anfang gar nicht so begeistert von der Idee waren. Hat sich das geändert?
Anfangs habe ich mich natürlich sehr gewundert und war dem Projekt sehr skeptisch gegenüber. Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass die Kampagne „StuPa greifbarer machen“ große Veränderungen mit sich brachte: Nicht nur, dass die Besucherbänke des StuPa stets gefüllt waren, auch die Wahlbeteiligung ist radikal angestiegen. So konnte bei der letzten StuPa-Wahl (2032) die 60 Prozent-Hürde zum ersten Mal in der Universitätsgeschichte geknackt werden. Darauf bin ich auch als Rektor stolz und nehme es gerne in Kauf, mein Gesicht auf T-Shirts, Basecaps, Postern und anderen Merchandiseprodukten zu sehen. Die damaligen Köpfe hinter der Kampagne haben inzwischen die Rechte daran an die Universität verkauft und somit ein zusätzliches finanzielles Standbein für die Universität geschaffen.
Wie sehen die Ziele für Ihre Amtszeit aus?
Bereits zu meinen StuPa-Zeiten lag mir das OpenAccess-Projekt am Herzen. Bildung und Wissenschaft sollten ein freies Gut an der TKU sein. Wir haben noch ein wenig im Senat zu kämpfen, aber ich sehe dem Ganzen sehr positiv entgegen und bin fest davon überzeugt, dass das in den nächsten zwei Monaten spätestens umgesetzt werden kann. Aber auch die Vernetzung im Ostseeraum liegt mir sehr am Herzen. Gerade mit unserer Partneruniversität in Riga möchte ich gerne mehr zusammenarbeiten. Wir könnten noch viel mehr Konferenzen auf die Beine stellen und uns gegenseitig öfter besuchen.
Dieses Interview entspringt der Fantasie der beiden Autorinnen. Milos Rodatos hat die Aussagen nie getätigt und falls er sich durch diese genötigt oder unter Druck gesetzt fühlt, zitieren wir ihn selbst:„YOLO“.
Ein Interview von Natalie Rath & Anne Sammler (die 2033 hoffentlich ihr Studium abgeschlossen haben)
von moritz.magazin | 18.06.2013
Zukunft! Jeder von uns erwartet etwas anderes. Heute etwas anderes als morgen. Greifswald ist genau die Stadt, die man sich ansehen muss, um die Zukunft abschätzen zu können. Hier studieren die Menschen der Zukunft. Wir sind die Zukunft. Aber was bedeutet das eigentlich? Sollten wir nicht große Angst haben vor dem Ungewissen? Nein, denn Angst lähmt uns und lässt uns an Bestehendem festhalten. Man kann nicht immer alles planen. Einige Dinge ergeben sich einfach. Ich finde, wir sollten leben, wie wir es für richtig halten. Wir sollten tun, was uns Spaß macht. Der Rest ergibt sich von selbst. Ich wurde einmal gefragt: „Wo siehst du dich in zehn Jahren?“ Ich konnte diese Frage nicht beantworten. Gerade jetzt in diesem Abschnitt unseres Lebens kann so viel passieren. Alles kann sich ändern. Wir können uns noch einmal verändern. Zehn Jahre wirkt eigentlich nicht viel aus der Sicht unserer Eltern oder Großeltern. Aber für uns. Was mache ich nun in zehn Jahren? Vielleicht studiere ich immer noch, was ich nicht hoffe. Vielleicht arbeite ich in meinem Traumjob, aber vielleicht bin ich auch Taxifahrer, was bei meinem Studium ganz normal scheint. Das Wichtigste ist doch, dass wir bei dem, was wir tun, glücklich sind und es gern machen.
Die Welt wird sich ohnehin drastisch verändern. Denkt doch mal zurück. Vor zehn Jahren hatten wir noch keine Smartphones oder Tablets, wir hatten zwar schon den Euro, aber der steckte damals noch nicht in der Krise. Wenn wir einmal ganz krass zurückgehen: Vor 30 Jahren war hier noch keine Demokratie. Warum sollte ich also wissen wollen, wie die Zukunft aussieht?
Willy Brandt sagte einmal: „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.“ Diese Meinung teile ich. Wir haben das nötige Werkzeug in unserer Hand oder besser gesagt in unseren Köpfen. Wir können aus dem Leben das Beste machen. Meinetwegen müssen wir nicht gleich die ganze Welt retten, aber wenn jeder so lebt, dass er ein kleines Stück der Welt verbessert, können wir zufrieden sein.
In diesem Heft seht ihr, wie sich Fachpersonal die Zukunft der Universität, der Wirtschaft und der Kultur vorstellt. Ihr seht aber auch, wie sich unsere Redaktion Gedanken über die Zukunft macht. Ob das alles ernst gemeint ist, sei dahingestellt. Also viel Spaß beim Lesen und schreibt uns doch einfach einmal eine Mail oder bei facebook, was ihr von der Zukunft erwartet!
Anne Sammler
Das neue Magazin findet ihr überall in der Uni oder hier zum Download.
von moritz.magazin | 18.06.2013
Ob „Tauschen statt Besitzen“, „Swappen statt shoppen“ oder „Teilen statt Konsumieren“ – seit mehreren Jahren scheinen die Deutschen dem Trend verfallen zu sein, weniger selbst zu besitzen und mehr gemeinsam zu nutzen. Handelt es sich dabei nur um einen Medienhype oder führt der Trend zu einem Wandel der Gesellschaft?
Bibliotheken, Videotheken, Autovermietungen, Flohmärkte – sie alle haben als Grundsatz, dass ein Gut verliehen oder zur Weiternutzung durch einen Anderen verkauft wird. Allerdings hat sich in den letzten Jahren, besonders nach der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise, der Trend verstärkt und unter neuen Namen bemerkbar gemacht: Man spricht nun von „collaborative consumption“ oder „sharing economy“.
Die letzten Jahre waren geprägt durch neue Möglichkeiten der sozialen Netzwerke und ein verstärkter Austausch auf diesen sowie ein erhöhtes Umweltbewusstsein. Wohl auch deswegen beginnt der kollaborative Konsum, auch KoKonsum abgekürzt, sich in Deutschland zu etablieren. Laut einer Studie der Leuphana Universität Lüneburg ist die Umweltverträglichkeit für die Menschen der drittwichtigste Faktor bei Gütern und Dienstleistungen – nach der Qualität und dem Preis. Und genau darin liegen die Stärken des KoKonsums. Durch ihn werden Rohstoffe besser genutzt und wenig verwendete Geräte besser ausgelastet. Das wiederum kann Unternehmen dazu animieren, Produkte langlebiger zu gestalten.
Zwölf Prozent aller Deutschen nutzen die Möglichkeiten des gemeinsamen Konsumierens – Tendenz steigend. Gerade unter jungen Menschen ist der KoKonsum weit verbreitet: Etwa ein Viertel aller 14 bis 29-Jährigen haben Erfahrungen mit ihm, so die Studie der Leuphana Universität. Allerdings stellt sie auch fest, dass es auffallend viele junge Menschen mit höherer Bildung und Einkommen sind. Sie konstatiert, dass dreiviertel aller Deutschen mit dieser Form des Konsums noch nicht in Berührung gekommen sind. Und genau da sind die Ansatzpunkte: Mit Imagekampagnen soll der alternative Lebensstil weiter verbreitet werden, rechtlichen Grundlagen müssen hierfür geschaffen werden – und vielleicht gibt es auch Steuervergünstigungen, beispielsweise bei der Mehrwertssteuer.
Kein neuer Trend
Ganz neu ist der Trend des gemeinsamen Nutzens jedoch nicht. Schon in den 1970er Jahren kamen die Second-Hand-Läden auf – allerdings waren deren Nutzer als ‚Ökos’ verschrien. In den letzten Jahren hat sich das Image hingegen gewandelt; das Tragen von gebrauchter Kleidung avancierte zum Modetrend und ebnete somit Plattformen wie kleiderkreisel.de den Weg. Seit 2009 kann man auf dem Internetportal Klamotten und Accessoires, die man selbst nicht mehr braucht, gegen Geld oder ein anderes Kleidungsstück tauschen – pro Tag werden laut eigenen Angaben 2 000 Transaktionen getätigt und 3 500 Artikel online gestellt.
In Greifswald finden sich auch Ansätze des kollaborativen Konsums. Seit ungefähr zehn Jahren gibt es den Umsonstladen, bei dem nicht mehr genutzte Gegenstände im Laden gegen andere eingetauscht werden können. „Es ist nur schade, dass es einer Wirtschafts- und Finanzkrise bedarf, um den Gebrauchswert von Gegenständen besser wert zu schätzen“, meinen die Mitglieder des Umsonstladen Greifswald e.V., „Das Funktionieren des Umsonstladens sollte aber nicht nur der Krise zugeordnet werden. Uns gab es ja schon vorher.“ Sie freuen sich über den Trend des Teilens. Auch der Möbelsprinter, der IKEA-Möbel von Rostock nach Greifswald bringt, ist eine Art der „collaborative consumption“ – mietet man doch hier für seine bestellten Möbel den Platz im Sprinter. Während der Umsonstladen sich über Spenden finanziert und damit beispielsweise die Hausmiete zahlt, nehmen die Jungs vom Möbelsprinter durch die Fahrten das Geld für das geliehene Auto ein. „Wir hoffen, dass wir irgendwann ein eigenes Elektroauto haben, mit dem wir die Fahrten erledigen können“, erzählt Philipp Hunsche, der die Idee zum Sprinter hatte. Sie wollen zwar ein gewinnbringendes Unternehmen aufbauen, dabei aber die Umwelt nicht belasten.
Tauschen bringt nicht immer Vorteile
Doch nicht immer ist es sinnvoll, Objekte miteinander zu tauschen. Eine Kurzstudie der Heinrich-Böll-Stiftung und des Naturschutzbundes zeigt, dass durch den Transport oder die Verpackung der Tauschgegenstände das eigentliche Potential der Ressourcenschonung gemindert wird. Auch können die Gegenstände übernutzt werden, wodurch sich der Verschleiß erhöht. Gibt man dann den Erlös für neue Güter aus, wird die Ressourcenschonung wieder zunichte gemacht.
Obwohl um ihn in den Medien gerade ein großer Rummel gemacht wird, hat der KoKonsum das Potential, zu einem Wandel in der Gesellschaft und des Konsumverhaltens beizutragen. Gelingt es, die Vorteile herauszustreichen, ohne die Nachteile unter den Teppich zu kehren, werden in 20 Jahren vielleicht schon über die Hälfte aller Deutschen mit ihm in Berührung.
Feature und Montage von Katrin Haubold; Grafiken: xooplathe (Menschen, Wekrzeug), Michael/FreeVector (Auto), Easyvectors (Banknoten)