Ameisen im Klinikum

Ameisen„Achtung, dies ist ein automatischer Transport, bitte gehen Sie aus dem Weg“, mehr war aus meinem Interviewpartner nicht heraus zu bekommen. Immer wieder wies er mich darauf hin, dass ich ein Hindernis sei und doch bitte zur Seite treten solle.

Doch so einfach gab ich mich nicht geschlagen. Stattdessen habe ich mich auf die Lauer gelegt und mir ein paar Informanten gesucht, um mehr über diese seltsamen Wesen, die seit 2002 nicht ganz lautlos über die Flure des Greifswalder Klinikums geistern, zu erfahren. Für alle, die es noch nicht erraten haben: Es handelt sich um das „Fahrerlose Transportsystem Transcar“. Klingt ganz schön unromantisch, oder? Finde ich auch, deswegen bleibt es für mich beim Roboter. Zugegebenermaßen ähneln die Helfer im Krankenhausalltag in keiner Weise der künstlichen Intelligenz aus so manchem Science-Fiction-Film, außerirdisch wirken sie trotzdem. Meine erste Begegnung mit dem fremden „Lebewesen“ habe ich in den Katakomben des Klinikums. In direkter Nähe der neuen Mensa-Küche rollt es auf mich zu und bittet den Weg frei zu machen – sprachgewandt kann man das aus vier Sätzen bestehende Repertoire des Roboters nun wirklich nicht nennen. Überall weisen Spuren der gummierten Räder auf das Revier der Roboter hin. Ich nehme die Fährte auf, natürlich gut getarnt, und begleite das aus 34 Mitgliedern bestehende Rudel während eines ganz normalen Tages im Klinik-Dschungel.

Fortbewegung ohne Schall und Rauch

Der Geruchssinn fehlt ihnen ganz offensichtlich, doch wie schaffen sie es dann sich so selbstverständlich durch die Tunnel, Gänge und Hallen zu bewegen? So genannte Transponder, die in den verschiedensten Farben in  den Seitentaschen der Roboter stecken, liefern erste Hinweise. Ich hake genauer nach und habe Glück. Heiko Rodde, Mitarbeiter des Fachbereichs Elektrotechnik und quasi das Leittier des Rudels, ist bereit Insiderinformationen preis zu geben. Die Verständigung und Orientierung der Roboter erfolgt über ein Funknetz und einen kleinen Bordcomputer, auf dem die Weltkarte des Reviers gespeichert ist. Monatelang wurden die befahrbaren Strecken im Klinikum ausgemessen und digitalisiert, bis ein komplexes System aus Knotenpunkten und Kanten zusammengestellt werden konnte. Gerade die Jung-Roboter verliefen sich in ihrer Eingewöhnungsphase gerne mal und fuhren geradewegs in die Patientenzimmer, wie Schwester Renate erzählt. Heute geschehen Pannen dieser Art nur noch selten. Sollte sich dennoch mal ein Roboter verirren, wird dies sofort von einem umfangreichen Überwachungssystem registriert und der Leitstelle Technik gemeldet. Zwölf Mitarbeiter sind rund um die Uhr damit beschäftigt die Roboter zu hüten und sich im Notfall um Schadensbegrenzung zu kümmern. Die Kindermädchen des Rudels können innerhalb weniger Minuten vor Ort sein, wenn wieder mal ein Stau vorm Fahrstuhl entsteht (Abenteuerfilmer haben bereits Videos in einem bekannten Netzwerk hochgeladen). Jetzt noch einmal zu den bunten Transpondern: Diese sind quasi die Zieleingabe in das Navigationssystem. Jede Station des Klinikums, die Mensa und andere Versorgungsstellen wie beispielweise die Apotheke, haben Ports. Moderne Häfen, in denen die Roboter auf ihre jeweils nächste Reise geschickt werden. Der beigelegte Transponder wiederum hat die Informationen über den Zielort des Transports gespeichert, den der jeweilige Roboter dann wie von Zauberhand ansteuert.

Weder über ihre Strecken noch über ihre Zeit können die Roboter also frei verfügen. Sobald der Transport von Essen, Wäsche, Medikamenten, Lagergütern oder einfach nur Abfall nötig wird, stehen die Heinzelmännchen bereit und verrichten ohne Murren ihre Arbeit. Das sei auch zugleich ihr größter Vorteil, erklärt mir der Leiter des Dezernats für Technik und Bau Josef Schedl, also der Ranger des Reviers: „Die Transportsysteme sind zuverlässig und ermöglichen eine effiziente Planung.“ Sie sind also ein kostensparender Ersatz für das menschliche Personal, das vor der Integration des Rudels für die Transporte im Dschungel verantwortlich war. Krank werden sie trotzdem manchmal. Hierfür gibt es eine eigens eingerichtete Reparaturstelle. In dieser speziellen Krankenstation werden die Batterien der Roboter gewartet, Verschleißteile ausgewechselt oder Störungen geheilt. Ein Personalabbau habe aber nicht stattgefunden, ganz im Gegenteil, denn die kleinen Klinikbewohner brauchen viel Unterstützung im Hintergrund.

Das Greifswalder Rudel ist schon lange kein Einzelfall mehr. In Hamburg, Leipzig und seit neustem auch im Rostocker Uni-Klinikum können Wesen dieser Spezies beobachtet werden. Die Leittiere stehen sogar in Kontakt miteinander um Führungserfahrungen auszutauschen. Aufgrund der Herausforderungen in logistischer Hinsicht steht es auch Jungforschern aus den Greifswalder Instituten frei, sich mit dem System auseinander zu setzen. Der Ranger plant schon seit längerem eine Kooperation mit der Uni. „Insbesondere Studierende der Betriebswirtschaftslehre sind herzlich willkommen. Wir sind für jede Unterstützung dankbar“, erklärt Schedl.

Ein Arbeitstag in Zahlen

Die schnellsten sind die Roboter mit ihrer Geschwindigkeitsspanne von 0,1 bis 1 Meter pro Sekunde wahrlich nicht. Dennoch legt das Rudel an einem durchschnittlichen Tag mit 800 bis 850 Fahrten 620 Kilometer zurück. Die längste zu überwindende Distanz in dem Netz aus Wegen ist 2,5 Kilometer lang. Transportiert wird bis auf organische Materialien alles, was im Klinikum von A nach B muss. Jeder einzelne Roboter kann bis zu 200 Kilogramm tragen. Hierfür sind täglich 600 Container im Einsatz, allein 125 für den Transport der Patientenmenüs aus der Mensa auf die einzelnen Stationen. Trotz der Arbeitserleichterung für die Logistik bedeuten die Roboter zugleich einen Mehraufwand für die menschlichen Mitarbeiter. Auf jeder Station gibt es jeweils einen Ver- und Entsorgungsraum. Hierhin bringen die Roboter entweder die bestellten Container oder holen diese ab. Dabei schaffen sie es zwar selbstständig die Türen zu öffnen, aber für die weiteren Vorgänge brauchen sie menschliche Hilfe. Sobald ein Transport eingetroffen ist, wird das Pflegepersonal optisch und per Telefon benachrichtigt. Dies ist das Signal, dass sofort ein Mitarbeiter den eingetroffenen Container aus der Bahn des Roboters entfernen muss, damit mögliche Folgelieferungen ausreichend Platz bei der Ankunft vorfinden. Trotz der zu Beginn der Systemeinführung durchgeführten Schulungen ist auch das Entsenden über die erwähnten Ports für so manche Schwester noch problematisch. Die Spontanität fehlt den „Ameisen“, wie die Roboter liebevoll vom Klinikpersonal genannt werden, also vollkommen. Jede kleine Unebenheit oder Verzögerungen im Ablauf irritieren die Transportsysteme und führen zu Komplikationen. „Disziplin – gerade beim Klinikpersonal – ist daher ganz besonders wichtig für ein reibungsloses Funktionieren des Systems“, betonen sowohl der Ranger als auch das Leittier des Rudels mehrmals. Die Akzeptanz für die neuen Klinikbewohner war beim übrigen Personal wohl von Anfang gegeben, doch gerade in der Anfangsphase gab es Unfälle. Da kam es schon mal vor, dass Essenscontainer nicht ordnungsgemäß verschlossen wurden und die Suppe über die Flure lief.

Instinktives Verhalten im Rudel

Besonders unglücklich war der erste Rollstuhlfahrer, der beim Verlassen des Fahrstuhls auf einen Roboter samt Container traf, ohne dass an ein Vorbeikommen zu denken war. Heute helfen Laserleisten in allen Fahrstühlen erneute Unfälle dieser Art zu verhindern. Und auch sonst haben die Roboter viel Respekt vor ihrem natürlichen Feind „Mensch“. Sobald Laser an der Vorderseite des Roboters ein Hindernis ausmachen, drosselt die Ameise ihre Geschwindigkeit und hält bei geringen Distanzen sofort an. Ein direkter Körperkontakt ist also nicht möglich. Gerade ältere Patienten aus den ländlichen Regionen rund um Greifswald freuen sich über die Abwechslung im Dschungel und bewundern die technologische Schöpfung. Auch innerhalb des Rudels herrscht Rücksicht. Was beim Menschen nicht immer gelingt, funktioniert in der Technologie einwandfrei. Kreuzen sich zwei Roboter, gilt rechts vor links. Unfälle gab es noch keine und auch vor den Fahrstühlen gibt es heute kein Gedrängel mehr.

Nach einem anstrengenden Arbeitstag gibt jeder Roboter seinen letzten Container am Wasserloch, einer Waschstraße auf der Sterilisationsstation des Klinikums, ab und macht sich auf zur nächsten von insgesamt 15 Ladestationen. Ja, auch ein Roboter wird mal müde. Die Erholungsphase dauert von 22 bis 4 Uhr an, vor allem damit die Patienten keinen Revierkampf anzetteln. Nur Notfahrten, zum Beispiel mit Operationsbesteck, sind während der Nachtruhe erlaubt. Doch spätestens um 4.45 Uhr ruft das Frühstück das Rudel wieder aus seinen Rückzugsorten.

Ein Text und Fotos von Lisa Klauke-Kerstan

moritz 105 – Mai 2013 – Kein einfacher Weg

moritz 105 – Mai 2013 – Kein einfacher Weg

2O3Q--P7ruUpqxzd9AjUl49u6K7tGyTX14OkbJ2hHUQ (425x640)Mir wird häufig gesagt, dass ich mich viel zu sehr ablenken lasse und mich auf das Wesentliche konzentrieren soll. Doch was ist das Wesentliche im Leben? Wer entscheidet, was wichtig ist und was nicht? Sicher ist die Schule wichtig, damit man nicht vollkommen ungebildet durchs Leben geht; Studium, Ausbildung, Job – alles hat einen hohen Stellenwert, verständlicherweise. Aber ist dies wirklich das Wesentliche?

In den Zeitungen, in den Nachrichten, im Internet, überall liest man von Unglück, Missstand, Ungerechtigkeit: Rund 750 Millionen Menschen haben kein sauberes Trinkwasser, mehr als eine Million Aidswaisen leben allein in Südafrika, weltweit gibt es etwa 250 000 Kinder, die zu Soldaten ausgebildet werden – ist die Vorlesung über Textsorten dagegen nicht eigentlich viel zu banal, um wesentlich zu sein?

Sollte man nicht lieber etwas tun, statt im Halbschlaf Dozenten zuzuhören, wie sie über längst verstorbene Schriftsteller philosophieren? Manchmal kam es mir wie eine Verschwendung von Ressourcen vor, die man sinnvoller einsetzen könnte. Um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, bin ich dann zu den Treffen von Amnesty International gegangen.

Aber auch nach zwei Semestern hatte ich nicht das Gefühl, dass ich durch das Schreiben von Briefen oder Unterschriftensammlungen irgendetwas bewegen würde. Man kann mir jetzt vorwerfen, dass es immerhin besser sei, als nichts zu tun. Und das mag wahrscheinlich auch zutreffen. Leider habe ich mich dennoch für letzteres entschieden. Statt wie sonst zu Amnesty zu gehen, habe ich mich mehr oder weniger breitschlagen lassen, zum ersten Mal in meinem Leben „Germany’s Next Topmodel“ zu gucken – ein Sendungsformat, das ich bis jetzt für überflüssig und in gewisser Hinsicht auch sexistisch gehalten habe – und paradoxerweise denke ich das auch immer noch. Aber mit Freundinnen vorm Fernseher zu sitzen, Sekt zu trinken und Schokolade zu naschen, während irgendwelche Sechzehnjährige, ausgestattet mit Push-up-BHs oder hoch rutschenden Kleidern, vor der Kamera Grimassen schneiden, war einfach nur unglaublich unterhaltsam! Es war weder vernünftig, noch moralisch wertvoll oder karriereförderlich, aber mittlerweile glaube ich, dass es manchmal wichtiger ist, einfach mal das zu tun, worauf man Lust hat, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was man in der Zeit Sinnvolleres hätte anstellen können – in dem Sinne: viel Spaß beim Lesen des Hefts!

Sabrina von Oehsen

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Lohmanns Lunch #6 – Tagliatelle mit Orangen-Chili-Soße

Es gibt einige Sorten von Gemüse, die immer stiefmütterlich behandelt werden. Niemand kann etwas mit ihnen anfangen, niemand kennt sie, und wenn es sie mal zu kaufen gibt, übersieht man sie oft. Mangold ist eine dieser Sorten. Mang… was? Genau, habe ich mir auch gedacht, als ich zum ersten Mal einen Bund in den Händen hielt. Mangold sieht aus wie eine Mischung aus Chicorée und Spinat, ist ein Verwandter der Zuckerrübe und schmeckt wie süßer Spitzkohl. Richtig zur Geltung kommt er kurz gegart mit einer frisch-fruchtigen Soße.

Als erstes schneidet ihr das Fleisch in schmale Streifen, so dass es schnell gar wird. Frühlingszwiebeln und Paprika in Rauten schneiden, den Mangold quer in Streifen zerteilen. Die Orangen abwaschen, die Schale abreiben und den Saft auspressen. Dann noch die halbe Chilischote zerkleinert, schon sind die Vorbereitungen erledigt.

Sobald das Wasser für die Nudeln kocht, lasst ihr sie baden gehen. Zwischendurch immer fleißig rühren, sonst klumpen sie zusammen und garen nicht gleichmäßig. Zeitgleich erhitzt ihr reichlich Öl in einer großen Pfanne und bratet das Fleisch ordentlich an. Etwas Salz und reichlich Pfeffer dazu, sowie die Orangenhaut und die Chili. Wenn das Fleisch fast durch ist, gebt ihr die Paprika, den Mangold und die Frühlingszwiebeln dazu. Rührt ordentlich um und gart alles auf mittlerer Stufe so lange, bis der Mangold etwas zusammenfällt. Dann noch den Orangensaft dazu und noch einmal auf höchster Stufe aufkochen. Nudeln abgießen, alles auf einem tiefen Teller anrichten und schmecken lassen. Passt auf, dass ihr wirklich nur eine halbe Chili nehmt, sonst überdeckt deren Schärfe den frischen Orangengeschmack!

Dazu passt ein fruchtiger Rotwein, ein warmer Sommer und ein strahlend blauer Himmel.

 

Um vier satt zu kriegen braucht ihr:

3 Bio-Orangen

2 rote Paprika

400g Mangold

1 Bund Frühlingszwiebeln

½ Chili

500g Tagliatelle

300g Geflügel

Öl, Pfeffer

Ein Rezept von Erik Lohmann mit Fotos von Milan Salje

Lohmanns Lunch #5 – Tomatensuppe mit Limette

Juhu, das Sommersemester steht vor der Tür: Frühstücken auf dem Balkon, Kaffee im Freien, Lernen am Hafen statt in der UB, im Anschluss lecker Grillen – wenn es nur nicht so warm wäre, dass man eigentlich gar keinen Hunger hat. Also bleibt nur der Griff zum Salat, wenn man schon nach einem Snack nicht gleich gefühlte drei Tonnen wiegen will.

Oder aber ihr macht euch eine leichte und erfrischende Tomatensuppe; Bringt Abwechslung und wird nicht so schnell matschig wie ein Salat. Das Rezept ist denkbar einfach: Knoblauch, Zwiebel und Chili/Jalapeno werden kleingehackt, die  Tomaten gewürfelt, wobei ihr die Stielansätze entfernt. In einen großen Topf, der 2,5 Liter oder mehr fasst, gebt ihr so viel Olivenöl, dass der Boden leicht bedeckt ist. Sobald das Öl heiß ist, kommen Knoblauch, Zwiebel und Chili/Jalapeno dazu. Dreht die Kochplatte etwas runter und dünstet so lange, bis die Zwiebel leicht glasig wird, würzt mit den Kräutern und Kummin.

Dann kommen die  gewürfelten Tomaten dazu und werden aufgekocht, bis sie ihren Saft freigeben. Gießt die Gemüsebrühe dazu, würzt mit etwas Pfeffer und Salz nach und dann lasst die Suppe etwas mehr als eine Viertelstunde köcheln. Kurz vor dem Servieren presst ihr noch den Limettensaft hinein, damit die Suppe ein bisschen sauer und damit wunderbar erfrischend wird. Jetzt könnt ihr euch sattessen, ohne gleich dieses Völlegefühl zu kriegen.

Falls ihr mal mehr Hunger habt oder es einfach noch nicht wirklich sommerlich ist, passt ein ofenwarmes Ciabatta zur Suppe sowie ein Tee aus frischen Minzblättern mit reichlich Zucker. Insgesamt seid ihr mit vier Euro dabei, im Winter etwas mehr.

Für 4 Personen braucht ihr:

1,5 kg Tomaten

500 ml Gemüsebrühe

1 Chili oder Jalapeno

1 große Zwiebel

1 Knoblauchzehe

2 TL gemahlenes Kummin (Kreuzkümmel)

Italienische Kräuter, am besten frisch

Saft von 4 Limetten

Olivenöl

Salz

Pfeffer

ein Rezept von Erik Lohmann; mit  Fotos von Milan Salje

TITEL: Einsam und allein

TITEL: Einsam und allein

mm104_14_Universum_SeminarVolle Seminarräume, unzählige Menschen in den Gängen und kein Platz mehr im Hörsaal – diese Situation kennen viele Studenten an unserer Universität. Es geht aber auch anders. Bei einzelnen Exoten unter den Studiengängen steht der Dozent vor fast leeren Vorlesungssälen.

Von den 11 736 derzeitigen Studenten an der Universität Greifswald studieren 755 in Masterprogrammen, das sind 6,6 Prozent aller Studierenden. Gerade die Philosophische Fakultät hat einige Studiengänge, die von weniger als zehn Studenten besucht werden. So zum Beispiel der Master of Arts (M.A.) Baltistik, den zurzeit nur eine Studentin anstrebt. Scheinen diese Zahlen doch eher negativ, sprechen sich die betroffenen Professoren positiv über ihre Studiengänge und deren Nachfrage aus. Professor Amei Koll-Stobbe, vom Lehrstuhl für Englische Sprachwissenschaft und Ansprechpartnerin des M.A. Intercultural Linguistics, meint, dass es ein Massenstudium in Greifswald noch nicht gäbe und sie dieses mit der deutschlandweiten Personalmindestausstattung auch nicht anbieten könnten. „Wir setzen auf eine gute, individualisierbare Studienförderung und eine persönliche Betreuung“, so Koll-Stobbe. Auch einige ihrer Kollegen sprechen von der besonderen Ausbildung, die den Masterstudenten zuteil wird.  Bei kleineren Gruppen können Lernende und Lehrende besser aufeinander eingehen. Professor Stephan Kessler, Lehrstuhl für Baltistik, sieht eine Stärke darin, dass „man in einem größeren Studiengang nur einzelne Studenten besser kennt, während wir in unserem Masterstudiengang eigentlich alle gut kennen.“

Seminare werden fachübergreifend besucht

Der Besuch einiger Seminare ist nicht nur für fachinterne Studenten offen, sondern auch für Studenten anderer Fächer, die diese Seminare als General Studies oder zum Beispiel für die „Kulturkompetenz Osteuropa“ nutzen, die von den Fächern Deutsch als Fremdsprache, Geografie und Betriebswirtschaftslehre angeboten werden. Deshalb betrifft einige Professoren das Problem der leeren Hörsäle nicht. Ihnen fällt es einfacher, den wenigen Studenten eine umfassende und interessante Ausbildung zu ermöglichen. „Wir besprechen mit ihnen mögliche komplementäre Studienaufenthalte im Ausland, binden sie ein in Forschungsprojekte, betreuen sie bei der Suche nach berufsrelevanten Praktika und Masterarbeiten. Es entstehen keine Probleme, sondern Vorteile der Intensivierung des Studiengangs. Unsere Absolventen erhalten attraktive Positionen in Kultur, Wirtschaft und im Bildungssektor“, fasst Koll-Stobbe zusammen. Für sie würden höhere Studierendenzahlen im Master eine Verschlechterung der Bildungsqualität bedeuten. Die Professoren beschweren sich auch dahingehend nicht über die Studierendenzahlen, da sie nicht nur den lehrenden Teil ihres Berufs ausüben können, sondern auch genügend Zeit für ihre Forschungsprojekte haben. Professor Geo Siegwart, Lehrstuhl für Philosophie, erkennt einen klaren Vorteil bei den wenigen Studierendenzahlen: „Die Korrekturarbeiten sind weniger.“

Dekan will Masterstudiengänge fördern

Doch die niedrigen Studentenzahlen in den Masterprogrammen Greifswalds sehen nicht alle Professoren positiv. Der Dekan der Philosophischen Fakultät Professor Alexander Wöll spricht sogar davon, dass alle fremdsprachlichen Philologien der Philosophischen Fakultät ein Problem haben würden. Dieses Problem beziehe sich auf das Angebot von Masterstudiengängen in Greifswald, das auf Studenten nicht attraktiv wirke. Deshalb wird zurzeit an „einigen integrierten literatur- wie auch sprachwissenschaftlichen M.A.-Studiengängen wie auch an einem M.A.-Ostsee-Studiengang gearbeitet“, berichtet Wöll. Der erste Vorläufer dieser Entwicklung ist der gerade entstehende M.A. Kultur-Interkulturalität-Literatur (moritz berichtete im Heft 103). Beispiele für die Beliebtheit solcher Programme gibt es in München im M.A. Elitestudiengang Osteuropa und Regensburg im M.A. Ost-West-Studien. Nicht nur die mangelnde Attraktivität des Angebots lässt die Studenten nach abgeschlossenem Bachelor in die Großstädte Deutschlands schwärmen. „Greifswald hat generell das Problem, dass Studierende nach sechs Semestern Bachelorstudium in einer familiären und gut betreuten Atmosphäre ihren M.A. in einer Großstadt mit breitem Kulturangebot und vielfältigen Studentenjobs weiterstudieren wollen“, erklärt Wöll. Wobei Greifswald durch die Nähe zu den baltischen und skandinavischen Staaten einen Vorteil gegenüber Berlin oder München hat. Diesen muss man noch besser ausbauen. Ansätze zeigen sich in der Kooperation mit dem Alfried-Krupp-Kolleg, mit dem die Universität eine ukrainistische und polonistische Sommerschule anbietet. Wöll betont, dass gerade die fremdsprachlichen Institute national sowie international einen guten Ruf genießen.

Die meisten Studenten verspüren den Drang, während ihres Studium für eine gewisse Zeit ins Ausland zu gehen. Doch da ein Master in der Regel zwei Jahre dauert, ist das Zeitfenster sehr klein und viele Studenten aus dem gleichen Semester gehen gleichzeitig weg. „Wenn man in einem Jahrgang sechs oder sieben Studierende hat und davon gehen dann womöglich drei oder vier zeitgleich ins Baltikum, dann wird es in den Lehrveranstaltungen schon knapp“, beschreibt Kessler dieses Problem in Bezug auf die Verteilung von Gruppenprojekten oder Referaten. Die Arbeit verteilt sich in so einem Falle immer „auf dieselben wenigen Schultern“.

Ein Problem stellen auch die hohen hochschulpolitischen Erwartungen dar. Statistisch gesehen studieren nur 0,3 Prozent aller Masterstudenten Deutschlands in Greifswald. Die Professoren müssen sich damit auseinandersetzen. „Dekanate kommen leicht in die Versuchung, aus wenig besuchten Studiengängen eine akademische Ratatouille zu mischen“, meint Siegwart. Kritisch äußert sich der Dekan über die generelle Unbeliebtheit der Philosophischen Fakultät. „Allen wird eingeredet, dass sie eine konkrete Ausbildung und keine umfassende Lebensbildung benötigen“, beklagt Wöll. Der Umgang mit anderen Kulturen ist in unserer heutigen Zeit besonders wichtig. Wöll sieht gerade in den baltischen Staaten großes Potenzial, dass die Masterstudiengänge in den nächsten Jahren immer weiter ausbauen werden. Als besonderes Beispiel nennt er dabei Polen. Mecklenburg-Vorpommern könne eine solche Entwicklung nicht vorweisen. Um die Verbesserung der Masterstudiengänge in Greifswald zu erreichen, hat Wöll dieses als Schwerpunkt seiner zweiten Amtszeit als Dekan der Philosophischen Fakultät gesetzt. Er sieht den Schlüssel dafür „in einer breiten interdisziplinären Vernetzung“.

Aber nicht nur philosophische Masterstudiengänge haben eine geringere Studierendenzahl, auch einige Bachelor-Studiengänge weisen wenig Studenten auf. Hierbei handelt es sich aber um besondere Ausnahmen. Im Bachelor Biomedical Science studieren dieses Semester rund 21 Studenten. „Ich finde, dass das völlig in Ordnung ist, handelt es sich doch um einen Studiengang, der zusätzlich zum zeitintensiven Medizinstudium belegt wird“, erzählt Professor Barbara Bröker von der Abteilung für Immunologie. Dabei soll der Studierende nach seinen Neigungen und den Erfordernissen seiner Arbeit sein Studium planen. Die Veranstaltungen finden dann übergreifend mit den Veranstaltungen der Biologie, Biochemie oder Biomathematik statt. „Das ist eine wunderbare Bereicherung, denn jeder Studiengang legt natürlich andere Schwerpunkte, sodass die Studierenden in meinen Veranstaltungen insgesamt aus einem sehr breiten Wissensgebiet schöpfen können“, so Bröker. Die Debatten sollen dadurch noch lebhafter und konstruktiver werden. „Zusätzlich zum Medizinstudium Biomedical Science zu studieren, bedeutet ein ganz ungewöhnliches Engagement.“

Die Hürde der Eignungsprüfung

Auch an der Philosophischen Fakultät gibt es Bachelorstudiengänge, die unterbesetzt sind. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um den Bachelor in Musik. Die Bewerber für diesen Studiengang müssen sich einer Eignungsprüfung unterziehen. „Die Eignungsprüfung muss feststellen, ob die Bewerber die Voraussetzungen haben, ein erfolgreiches Studium absolvieren zu können“, erklärt Professor Jochen Modeß, Direktor des Instituts für Kirchenmusik. Durch diese Prüfung soll einem Scheitern der Studierenden entgegengewirkt werden. Aber nicht nur das Scheitern wird zu verhindern versucht, auch die Seminargrößen werden klein gehalten. „Das fest angestellte Lehrpersonal ist bei uns ausgelastet, bei geringeren Studierendenzahlen brauchen wir weniger Lehrbeauftragungen“, meint Modeß. Aber ein Rückgang der Studierendenzahlen ist, genau wie im restlichen Deutschland auch, an diesem Institut zu merken. Gerade deshalb scheint die Eignungsprüfung eine Barriere zu sein, die aber durch Intensivkurse vor der Prüfung entschärft werden soll.

Wie es mit den genannten Studiengängen und ihren geringen Studierendenzahlen in den nächsten Semestern weitergeht, dass konnte niemand so recht vorhersagen. „Einen Propheten zu haben, wäre gut“, so Kessler.

Ein Bericht von Anne Sammler & Corinna Schlun