mm107_universum_16-Grafik3Das Studentenleben besteht nicht nur aus Vorlesungen, Seminaren oder Prüfungen. Dort knüpft man zwar neue Kontakte, allerdings erhöht das Engagement bei einem Verein die Chancen auf noch mehr  Bekanntschaften. In Greifswald gibt es einige Möglichkeiten, die das erleichtern: Die Mitarbeit in Vereinen wie GrIStuF, LEI oder Capufaktur.

Schummrig ist es, wenn man den Keller der Alten Frauenklinik in der Wollweberstraße betritt. Ein paar klapprige Schränke stehen im Flur und alte Tische in den Ecken. An den Türen prangen Schilder aus der Zeit, als die Frauenklinik noch genutzt wurde; sie weisen den Weg zur „Wäscherei“ und dem „Krankenblattarchiv“. Doch jetzt befinden sich hier keine Krankenblätter mehr, jetzt ist der Keller das Reich vom Greifswald International Students Festival (GrIStuF e.V.).

Der Verein organisiert seit 2002 regelmäßig drei große Veranstaltungen: das Running Dinner, die Fête de la musique und das alle zwei Jahre stattfindende Festival. Wöchentlich finden dazu die Sitzungen statt, zu denen sich seit ein paar Monaten auch Magdalene Majeed gesellt. Neben GrIStuF arbeitet die Masterstudentin für Organisationskommunikation noch im Allgemeinen Studierendenausschuss und in ihrem Fachschaftsrat mit. „Das ist natürlich extrem zeitintensiv“, gibt sie zu, „aber man kriegt das alles schon unter einen Hut. Man muss sich nur die Zeit gut einteilen.“ Sie begeisterte sich für den Verein in ihrer ersten Woche in Greifswald, als sie dessen Schnuppersitzung besuchte. „In Bamberg, wo ich meinen Bachelor gemacht habe, war das Angebot an studentischer Kultur nicht so groß. Und dann kam ich hierher und hab den Verein für mich entdeckt. Da dachte ich mir: Geh ich doch einfach mal vorbei!“, erzählt sie lächelnd. Magdalene freut sich schon sehr auf das anstehende Festival: „Es wird stressig, keine Frage, aber ich mag das. Ich brauche diesen Stress.“ Natürlich habe das Studium ein bisschen gelitten durch die ehrenamtlichen Aufgaben, aber Magdalene hat kein Problem damit, ein Semester länger zu studieren: „Ich mache das eben sehr gerne. Dafür nehme ich mir gerne die Zeit und verlängere um ein Semester.“

Durch das Sitzungszimmer spannt sich eine Leine mit Briefumschlägen, die mit den Namen der Mitglieder beschriftet sind. Aus einigen schauen Zettel hervor. An der Wand pinnt ein erster Entwurf vom Ablaufplan des Festivals, mit dem die Mitglieder allerdings noch nicht hundertprozentig zufrieden sind. Ungefähr ein Jahr, bevor das Festival stattfindet, beginnt das Team mit den Planungen. Magdalene sowie Anne Tober sind Teil der PR-Gruppe, in der unter anderem das Design des Festivals entwickelt wird: Das Logo, die Gestaltung der T-Shirts und der Homepage fallen darunter. „Man lernt auf jeden Fall etwas, das man im normalen Studium nicht lernt. Hier steigt man in solche großen Projekte ein und eignet sich alles learning by doing an“, schwärmt Magdalene. Anne ergänzt: „Ich freue mich darauf, kreativ sein zu können bei der Gestaltung des Logos. Da kann man sich schon recht gut ausleben.“ Sie schreibt gerade an ihrer Diplomarbeit in Biologie und ist erst vor kurzem zu GrIStuF gestoßen: „Zwei meiner Mitbewohner waren vorher schon dabei. Ich allerdings habe mich recht spät entschlossen mitzumachen.“ Durch den Aufruf „Die Fête fällt aus!“, der vom Verein gestartet wurde, weil es zu wenig Engagierte gab, hat sie sich endgültig zu einer Mitarbeit entschieden. Beide sind sehr gespannt auf die Teilnehmer, die aus vielen verschiedenen Ländern kommen. „Jeder bringt seine eigene Geschichte mit, weshalb er hier ist. Ich freue mich auch darauf, ihnen Greifswald zu zeigen, weil Greifswald eine tolle Stadt ist“, erklärt Magdalene.

Während die Sitzungen bei GrIStuF auch in den Semesterferien weitergehen, hat Sabryna Junker diesbezüglich wenig zu tun. Sie ist stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Lokalen Erasmus Initiative (LEI n.V.). „Während der Semesterferien bin ich dabei, die alten Unterlagen zu sortieren, um zu schauen, was aktualisiert werden muss. Weil mir die alten Sitzungsprotokolle in die Hände gefallen sind, weiß ich auch wieder ganz genau, wann ich zu LEI gestoßen bin: am 16. Oktober 2007“, erzählt sie lachend. In den Semesterferien sei eigentlich nur der Vorstand aktiv, alle anderen Mitglieder stoßen kurz vor Beginn des Semesters wieder dazu. Für die ausländischen Studierenden gibt es schon eine Woche vor der Erstsemesterwoche Veranstaltungen, bei denen sie die Stadt kennen lernen oder letzte organisatorische Dinge klären können.

Nach der Arbeit zu der Sitzungmm107_Universum_17_Grafik2

Sabryna macht gerade Feierabend von ihrer Doktorarbeit am Institut für Mikrobiologie. Durch den Job ist sie zeitlich nicht mehr so flexibel wie früher während des Studiums. „Ich hatte tagsüber mehr Zeit, ich war nie von 8 bis 18 Uhr in der Universität. Dadurch war es natürlich einfacher Termine, wie Behördengänge, zu erledigen“, erklärt Sabryna. Sie rief die Stadtführung für die Erasmusstudenten ins Leben. Diese zählt inzwischen zu dem Repertoire, dass LEI jedes Semester anbietet. „Wir wollen den Studenten das Einleben in die Stadt und eine Integration in die Studierendenschaft erleichtern. Sie sollen deutsche Studenten, Greifswald und die Region kennen lernen“, zählt sie auf. Deswegen organisieren die LEI-Mitglieder neben Partys auch Fahrten in Großstädte wie Berlin oder Hamburg, aber auch nach Rügen oder Usedom. „Jeder kann hier die Aufgabe übernehmen oder die Veranstaltung organisieren, auf die er Lust hat“, meint Sabryna. Ihr selbst liegen eher die organisatorischen Dinge: Mit der Verwaltung sprechen, die Finanzierung planen oder eben alte Unterlagen sortieren. Sie erklärt lachend: „Ich arbeite lieber im Hintergrund. Mir macht die Arbeit Spaß, die normalerweise keiner machen will.“ Schon zu Schulzeiten war das Interesse, sich für ausländische Schüler zu engagieren, bei ihr sehr ausgeprägt. „LEI war eine willkommene Gelegenheit, das umzusetzen“, erläutert Sabryna.

Mittlerweile gibt es 15 bis 20 Mitglieder, die um die 20 bis 30 Veranstaltungen pro Jahr planen und durchführen. „Die Initiative ist viel größer geworden. Im Oktober 2006, beim ersten Treffen, kamen sechs oder sieben Leute zusammen, um zwei bis drei Veranstaltungen zu organisieren“, erzählt Sabryna, „Jetzt haben wir natürlich viel mehr Möglichkeiten, etwas auf die Beine zu stellen.“ Durch LEI lerne man neue Kulturen und Bräuche kennen. Die Nachtschicht, die jedes Semester stattfindende Schnitzeljagd durch Greifswald, brachte beispielsweise ein tschechischer Student aus seiner Heimat mit. Für Sabryna steht fest: „Es ist eine recht unkomplizierte Möglichkeit viele Leute und auch das kennen zu lernen, was neben dem Studium abläuft.“ Durch LEI hat sie viele Kontakte geknüpft zu Leuten innerhalb ihres Studiengangs, zu ausländischen Studenten, wobei der Kontakt auch erhalten blieb, nachdem die Studenten wieder in ihre Heimat zurückgegangen sind. „Ich habe auch sehr viel mehr über meine Region und die Universität kennen gelernt, als ich als Student kennen gelernt hätte, wenn ich nur geradeaus geschaut hätte“, hält sie fest.

Aufnahmeverfahren schreckt nicht ab

Anders als bei GrIStuF und LEI, bei denen man einfach bei den Sitzungen vorbeischauen kann, hat die studentische Unternehmensberatung Capufaktur e.V. ein Aufnahmeverfahren. Der Vereinsmitglieder arbeiten in verschiedenen Projekten mit meist regionalen Firmen zusammen. So haben sie zum Beispiel das Konzept für das Karriereportal „UNIchance“ der Universität Greifswald mitentwickelt (moritz berichtete im Heft 103). „Wir haben ein Assessment Center, bei dem wir unter anderem die Teamfähigkeit testen“, erklärt Jette Dowe, die seit ihrem fünften Semester bei dem Verein dabei ist. Danach muss jeder Anwärter auch ein Anwärterprojekt als eine Art Probedurchlauf mitmachen, bevor man offiziell Berater wird. „Man kann natürlich jederzeit als Interessent auch so zu den Vereinsrunden kommen, allerdings ist es dann abhängig vom jeweiligen Ressortleiter, ob man aktiv mitarbeiten kann“, erklärt Ersin Ceylaner, einer der Vorstandsvorsitzenden. Dieses Aufnahmeverfahren wird nur zu Beginn des Semesters angeboten. „Wir haben dieses Verfahren eingeführt, als ich im Vorstand war“, erklärt Jette, „denn damals sind sehr viele Anwärter von ihren Projekten abgesprungen, was die verbliebenen Mitglieder demotivierte.“ Abschreckend wirkt das Aufnnahmeverfahren anscheinend aber nicht: Zum letzten Termin waren über 60 Studenten da, weswegen drei Assessment Center organisiert wurden.

Ersin und Jette sitzen gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Vereins in der Cafeteria in der Mensa am Berthold-Beitz-Platz, um zu frühstücken, und sich danach auf ihre Prüfungsvorbereitungen zu stürzen. Die meisten Mitglieder sind BWL-Studenten, so auch Ersin und Jette. Beide lernten Capufaktur zu Beginn ihres Studiums kennen, entschieden sich aber später zum Beitritt. „Man sagt sich immer, man will das später machen, aber je eher man beginnt, desto besser kann man seine Zeit managen“, findet Ersin. Bei der Capufaktur gibt es zwei Karrieren, die man gehen kann. Es gibt auf der einen Seite eine Art „Vereinskarriere“: Man startet Anwärter, wird dann Ressortleiter und kann später Vorstandsmitglied werden. Dann gibt es aber noch die „Projektkarriere“ mit den Stufen Projektteammitglied, Projektleiter, Projektmanager. Jette hält fest: „Ich konnte eigentlich überall mal ein bisschen reinschnuppern. Mir gefällt die Stelle als Projektleiterin sehr.“ Ihrer Ansicht nach hält die Capufaktur viel für die Mitglieder bereit. Man lernt, sich vor anderen Leuten zu präsentieren, wie man effizienter verhandelt, aber auch wie man in einem Team zusammenarbeitet. Man durchläuft bei den Projekten mehrere Phasen und lernt dabei auch, mit dem Druck durch den Kunden umzugehen. Ersin fügt hinzu: „Man lernt Studenten kennen, die dasselbe machen wie wir auch. Es gibt zweimal im Jahr einen Kongress unseres Dachverbands, bei denen man ziemlich gut Kontakte knüpfen kann, zum Beispiel mit Unternehmen. Dabei springt ab und an auch mal ein Praktikumsplatz raus.“

Der Zeitmangel scheint bei allen drei Initiativen das größte Hindernis zu sein, weswegen sich Studenten gegen ein über das Studium hinausgehende Engagement entscheiden. „Ich finde, außerhalb der Klausurenphase habe ich keine Probleme, Studium und Capufaktur unter einen Hut zu bekommen. Während der Klausuren allerdings muss das eine oder andere Treffen doch schon mal verschoben werden“, erklärt Ersin. Bei allen Initiativen kann man selbst entscheiden, wie viel Zeit man in das Engagement stecken will. „Wenn man allerdings alles mitnehmen will, dann muss einem schon bewusst sein, dass ein Vorstandsposten sehr viel Energie kosten kann“, verdeutlicht Jette, „aber wenn man sich dessen bewusst ist, dann schafft man das auch.“ Und für Magdalene ist klar: „Ich verstehe das, wenn man Angst hat, dass es zu zeitintensiv wird oder dass man das Studium vernachlässigen könnte. Aber man bekommt einfach so viel zurück.“

Ein Feature von Katrin Haubold