Wir brauchen uns gegenseitig – Von Studenten und nörgelnden Rentnern

Seien wir mal ehrlich: wer von uns hat sich nicht schon mindestens einmal aufgeregt über diese Stadt in der pommerschen Provinz, in der die Rentner beim bloßen Anblick von fünf Studenten auf Fahrrädern selber vom Rad kippen, die Kassiererinnen so unglaublich freundlich sind, in der Berlin so furchtbar weit weg ist und in der eigentlich immer ein kalter Wind von vorne bläst.

Doch wie ist das eigentlich andersherum? Was denkt sich ein Urgreifswalder bei dem Anblick der über 12 000 Studierenden, die in vielfältigster Weise die gesamte Stadt bevölkern.

Wir begeben uns auf die Suche und finden ein Urgestein: Karin Müller*, unsere Nachbarin, wohnt ihr Leben lang in Greifswald. In ihrem ordentlichen und sauberen Wohnzimmer mit sympathischem DDR-Charme erzählt sie uns bei selbst gebackenen Keksen, die „ von Weihnachten“ sind, aber noch hervorragend schmecken: „Erstmal ist Greifswald ja eine Universitätsstadt und das auch schon ewig. Es ist bekannt geworden durch die Universität und lebt auch davon. Für mich sind Studenten gar kein Problem. Es gibt natürlich auch Ärger. Das liegt aber nicht immer an den Studenten. Eigentlich vertragen sich die Bürger und die Studenten doch aber ganz gut.“ Karin Müller lächelt ein wenig. Ihre Kinder und jetzt auch einige ihrer Enkelkinder studieren ebenfalls. „Mein Sohn hat sogar hier in Greifswald studiert“, ergänzt sie und fordert uns auf, doch nochmal zuzulangen bei dem bunten Naschteller. (mehr …)

Exil für die Ewigkeit? – C9 lässt sich nieder

Der webMoritz veröffentlicht vorab diesen Artikel aus dem neuen moritz-Magazin (Nr. 82) – angereichert mit ein paar weiteren Fotos. Die neue Ausgabe des Magazins erscheint Anfang der kommenden Woche.

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von Christine Fratzke

Backsteinhäuser sind für Greifswald eigentlich nichts Besonderes. Eines dieser typischen Gebäude, ein altes Heizhaus, befindet sich in der Hunnenstraße, nicht weit von der Friedrich-Löffler-Straße entfernt. Es wirkt schon fast unscheinbar: Ein paar Autos stehen davor, daneben befindet sich noch ein Teil des Uni-Klinikums. Es ist die neue Adresse des Club 9.

club9bildÜber fünf Jahre ist der Club nun schon auf Exilpartys angewiesen. Die neuen Räume stehen ihm zwar schon länger zur Verfügung, doch es gab viel zu tun. Und so wird der Club nun voraussichtlich zum Beginn des Sommersemesters 2010 wiedereröffnen – wenn auch vorerst nur unter strengen Auflagen: Weil sich nebenan die Intensivstation des Uni-Klinikums befindet, muss um 22 Uhr Schluss mit Veranstaltungen sein. Vorerst ist daher nur “kultureller Kneipenbetrieb geplant” – der Clubbetrieb findet weiter im Exil statt. In den nächsten Jahren soll die Klinik komplett ins neue Uni-Klinikum verlegt werden, danach sollen die Gebäude für andere Uni-Institute genutzt werden. Inwieweit der Club 9 in diese Planungen mit einbezogen werden kann, steht noch nicht fest – bis 2012 darf er aber sicher bleiben.

Traditionsclub drohte zu verschwinden

Seit 1967 gibt es diesen Studentenclub. Dieser war seit jeher im Keller des Studentenwohnheims in der Hans-Beimler-Straße, dem Max-Kade-Haus, untergebracht. „Früher war der C9 wirklich legendär“, weiß Club-Mitglied Thomas Wehrle, „es war immer proppenvoll, jeder kannte jeden. Das waren echt gute Partys.“ Aus den Clubräumlichkeiten sollte aber bald ein Fahrradkeller werden, der C9 musste weichen. Und so begaben sich die „Clubbies“ intensiv auf Raumsuche. Die anfängliche Situation sei schwierig gewesen, so Wehrle. Die Dekoration wurde in eine Garage untergestellt und das Clubgefühl hätte anfangs gelitten.

In der Zwischenzeit hielt sich der C9 mit Exilpartys in anderen Clubs über Wasser und in Erinnerung der Studierenden. Das hätte ohne Hilfe der anderen nicht geklappt, weiß Thomas Wehrle: „Mein Dank gilt allen Studentenclubs für die gute Zusammenarbeit.“ Gut lief die Zusammenarbeit mit dem Geokeller, wo die meisten der insgesamt 26 Exilpartys stattfanden. „Es war auch oft ein Geben und Nehmen. Wir haben dann bei Geokeller-Partys beispielsweise die Garderobe übernommen“, erklärt Vorstandsmitglied Geertje Ahrns. Für die Exilpartys überlegten sich die „Clubbies“ jedes Mal ein anderes Motto.

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moritz 81 – Dezember 2009 – Die erste Urabstimmung

Liebe moritz-Leserinnen und Leser,

Christiane-editorialEs ist kein Geheimnis, dass Greifswald eine kleine Stadt ist, in der man schnell die meisten Menschen kennt und in der man sich ab und zu auch eingeengt fühlt. Dieser Kleinstadtkoller verursacht wohl bei jedem von uns mitunter Phänomene wie Fernweh und Reisesehnsucht. Während der eine diese schon mit einem kurzen Wochenendtrip in die Umgebung bekämpft, muss der andere ganz neue Länder und ferne Gegenden erkunden. Mich selbst hat das Fernweh so gepackt, dass ich gleich mit der Planung eines ganzen Auslandsjahres ab dem kommenden Sommer begonnen habe. Nach Schweden soll mein Abenteuer führen. Während der Vorbereitung auf eine Tour ergeht es jedem Reisenden ähnlich: Die Spannung auf einen neuen Ort mischt sich mit Nervosität und Angst vor dem Unbekannten.

Wen ebenfalls das Fernweh plagt, dürfte unsere neue Serie interessieren, in der wir die Partneruniversitäten Greifswalds in Osteuropa vorstellen. Zu Beginn soll der Blick nach Polen zur Adam-Mickiewicz-Universität in Poznan gehen. Nicht Fern-, sondern Heimweh haben wahrscheinlich viele ausländische Studierenden, welche die Weihnachtsfeiertage fern von ihren Familien in Greifswald verbringen. Wie es ihnen dabei ergeht und was ihre Sehnsucht nach dem zu Hause ein wenig lindert, berichten wir im Universum. Den Blick auf andere Länder zu richten, lohnt sich auch in der Hochschulpolitik: Die aktuellen weltweiten Proteste an Universitäten beispielsweise nahmen vor einigen Wochen in Österreich ihren Ausgang. Mit welchen Forderungen und mit welchen Folgen der Bildungsstreik in Greifswald verlief, verrät euch ebenfalls der aktuelle moritz.

Ob man fremde Kulturen nicht sogar direkt vor der Haustür entdecken und kennen lernen kann, haben zwei unserer Redakteurinnen während des vierzehnten PolenmARkTs in Greifswald ausgetestet. Bei dem umfangreichen Programm dürften sich nicht nur eingefleischte Polenfans mit Reisefieber infiziert haben.

Verlangen nach Veränderung und einer neuen Stadt hatte vielleicht auch Professor Patrick Donges, als er sich nach vielen Jahren an der Universität Zürich für einen Wechsel in Richtung Norden nach Greifswald entschied. Hier wartet ein seit langer Zeit unbesetzter Lehrstuhl im Fach Kommunikationswissenschaft darauf, von ihm wieder mit Leben und Ideen gefüllt zu werden. Wohin die Reise der Kommunikationswissenschaft in Greifswald mit ihm als Expeditionsleiter in den nächsten Jahren gehen soll, erfahrt ihr, wenn ihr umblättert.

Doch die weitesten Reisen unternimmt man immer noch mit dem Kopf. So ist auch Lesen in gewisser Weise eine Art des Reisens. Deshalb, moritz-Freunde, gönnt euch Zeit, wenn ihr durch das aktuelle Heft blättert und verweilt an den Stellen, die ihr spannend, bewegend oder unterhaltsam findet. Schließlich heißt es nicht umsonst: „Man reist nicht nur, um anzukommen, sondern vor allem, um unterwegs zu sein!“

Christiane Müller

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Das komplette Magazin könnt ihr hier komplett in Farbe herunterladen , einzelne Artikel wie immer auch direkt online lesen.

TITEL Mit 14 an die Uni – Hochbegabte Schüler beginnen ein Studium in Greifswald

Johannes ist Schüler der achten Klasse. Am Freitag geht er bis mittags in die Schule, dann hat er eine kurze Pause, und während andere Kinder bereits ihr Wochenende genießen, macht sich Johannes noch einmal für vier Stunden auf den Weg in die „Kiste“. Jeden Freitagnachmittag sitzt er dort von 15.00 bis 19.00 Uhr im Grundkurs Öffentliches Recht für Jurastudierende.

mm81-4-kinderstudenten-uni.versum-christiane_müllerJohannes hat einen IQ von 130 und besucht eine Hochbegabtenklasse des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums in Greifswald. Seit diesem Jahr genießen die Schüler dieser Klasse nicht nur eine spezielle Förderung ihrer Fähigkeiten durch die Schule, sondern haben auch die Möglichkeit, an der Universität ein so genanntes Juniorstudium aufzunehmen. Dazu schloss das Gymnasium eine Kooperationsvereinbarung mit der Universität Greifswald ab. Diese beinhaltet ein Angebot von Lehrveranstaltungen, an denen die Kinder ab der achten Klasse teilnehmen können. In diesem Jahr fand zunächst ein vierwöchiger Testlauf statt, für den die Juniorstudenten in der Zeit, die sie zur Universität gingen, noch freigestellt wurden. Entscheiden sie sich für eine Fortsetzung dieses Experimentes in den nächsten Jahren, so studieren sie ab der zehnten Klasse parallel zum Schulunterricht ein komplettes Fach und können ihre ersten Scheine erwerben oder Punkte sammeln. Auf diese Weise können sie zeitgleich mit dem Abitur ein komplettes Grundstudium abschließen, so das langfristige Ziel.

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Die Talfahrt der Kommunikationswissenschaft hat endlich ein Ende

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Nächster Halt: Juniorprofessor

Es ist Montagmorgen, erster Vorlesungstag im Wintersemester 2009/2010. Zehn Uhr, Hörsaal 4 im Audimax. Die Teilnehmer des Seminars „Gruppen- und Organisationskommunikation“ sind gespannt. Gespannt auf den neuen Dozenten. Zwei Jahre war der einzige Lehrstuhl der Kommunikationswissenschaft unbesetzt. moritz stellte in Ausgabe 74 fest: „Kommt ein Professor, sind Fortschritt und Besserung in Sicht.“ Jetzt ist er da. Doch wohin wird die Reise gehen? Professor Patrick Donges hat die Nachfolge von Professor Klaus Beck angetreten und muss sich jetzt den großen Erwartungen der Studierenden stellen.

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Prof. Patrick Donges

Erster Ansatzpunkt für den neuen Lehrstuhlinhaber ist die Überarbeitung der aktuellen Bachelor of Arts Ordnung mit dem Ziel, den Studierenden mehr Wahlmöglichkeiten einzuräumen und die problematische Reihenfolge der Sozialpsychologie-Vorlesungen zu beheben. Dazu berät sich Patrick Donges momentan sowohl mit seinen Mitarbeitern als auch mit dem Fachschaftsrat. Mit den Worten: „Ich bin ja erst seit gut zwei Monaten hier“, verdeutlicht er, dass man mit den Bemühungen um Konstanz und Verbesserung der Situation noch ganz am Anfang steht. (mehr …)