Der Senat soll alle seine Dokumente auf einer Internetseite veröffentlichen, doch bis heute ist nichts passiert. Die Senatoren fürchten um ihre Macht.

Landesweit findet eine Machtverschiebung statt, die vor Jahren begann und nun immer mehr zu Tage tritt. Die einst so wichtigen Senate werden durch das aktuelle Landeshochschulgesetz immer mehr in ihrer Macht beschränkt, die wichtigen Entscheidungen treffen mittlerweile die Rektoren. Inzwischen sind die Senatoren sogar froh, wenn sie überhaupt noch über bestimmte Vorgänge informiert und angehört werden. Doch auch diese letzte Bastion, dass der Senat in allen wichtigen Fragen informiert wird, droht zu fallen.

Es entscheidet sich in der Diskussion um die Frage, wie öffentlich das gesagte Wort im Senat ist. Es geht um das eigentümliche Demokratieverständnis einiger Universitätsfunktionäre und darum, wer auf die Entscheidungen der Universität Einfluss nehmen darf und wer nicht. Der Senat ist das Parlament der Universität und das zweite zentrale Gremium neben dem Rektorat. In ihm sitzen Vertreter der Hochschullehrer, Mitarbeiter und Studierenden der Universität.

Er tagt hochschulöffentlich, das heißt, nur Mitglieder der Hochschule dürfen an den Sitzungen teilnehmen und nur an sie dürfen Informationen weitergegeben werden. Doch selbst diese haben es schwer, sich über das Geschehen im Senat zu informieren. Sie können zwar die Sitzungen besuchen, doch dürfte es ihnen schwer fallen, den Diskussionen zu folgen. Sitzungsunterlagen, Protokolle und Anträge, die für das Verständnis erforderlich wären, sucht man im Internet nämlich vergeblich. Bisher gibt es jedoch keine Möglichkeit an die Dokumente zu kommen, außer man nimmt den Umweg über das Sekretariat. Einen Umweg, den kaum ein Studierender geht. So tagen die Senatoren weitestgehend unbeobachtet und das soll nach ihrer Meinung am besten auch so bleiben.

Da es aber unabdingbar für eine transparente Universität ist, alle Dokumente öffentlich zur Verfügung zu stellen, haben einige Senatoren um den ehemaligen Rektor Jürgen Kohler, im Juli letzten Jahres den Antrag gestellt, genau diesem öffentlichen Interesse in Zukunft nachzukommen. Nach einiger Diskussion wurde diesem Anliegen überraschend zugestimmt, bis zum 1. Oktober sollten die Daten online sein. Passiert ist jedoch bis heute nichts. Der studentische Senator Sebastian Jabbusch hat mittlerweile angedroht, alle Unterlagen auf einer eigenen Internetseite selbst zu veröffentlichen, wenn der Senat es nicht bald tut.

Prof. Schafmeister-Alexander-Müller„Wir mussten erstmal eine technisch günstige Lösung finden, Welt- und Hochschulöffentlichkeit voneinander zu trennen. Wir haben diese Aufgabe an das Rechenzentrum weitergegeben, von dem erst im November erste Vorschläge kamen“, erklärt die Senatsvorsitzende Maria-Theresia Schafmeister die Verspätung. Die kommissarische Leiterin des Rechenzentrums Stefanie Voigt begründet die Verzögerungen mit einem Personalwechsel im Oktober. Mit einem neuen zentralen Authentifikationssystem soll aber jedem Hochschulangehörigen ab dem 1. März über das Intranet der Hochschule der Zugang zu den Dokumenten des Senats ermöglicht werden. „Das war schneller nicht zu machen. So aber können wir einen besseren Service für alle bieten“, rechtfertigt Voigt die Verzögerungen.

Doch macht es in Zeiten weltweiter Datenströme und Kommunikationsnetzwerke überhaupt Sinn, zwischen hochschul- und weltöffentlich zu unterscheiden? Es reicht ein Zuschauer, der Informationen an einen Dritten weitergibt, schon ist die Grenze durchbrochen. Von Twitter, StudiVZ und Internetblogs ganz zu Schweigen. Der Siegeszug des Internets scheint noch nicht in den Köpfen der Senatoren angekommen zu sein.

Dass all die Verzögerungen der Senatsvorsitzenden ganz gelegen kommen, daraus macht sie keinen Hehl. „Die Erfahrung zeigt bereits jetzt, dass im Senat nicht mehr so umfassend informiert wird, wie das früher geschah“, befürchtet Schafmeister.

Sie geht sogar noch weiter und spricht von Druck, der auf sie ausgeübt wird: „Der Rektor und andere Senatoren haben ganz offen gesagt, sie würden sich in Zukunft zurückhalten. Ich befürchte, dass wir im Senat in Zukunft nicht mehr in Ruhe laut denken können.“ Gleichzeitig wird jedoch das seltsame Demokratieverständnis der Vorsitzenden und einiger Senatoren deutlich. „Es passt mir nicht, wenn Dinge, die wir besprochen haben, unter Nennung von Namen am nächsten Tag in der Zeitung stehen.“
Welche Konsequenzen ein modernes Öffentlichkeitsverständnis nach sich zieht, zeigt der Fall Matschke. Als im Jahr 2007 in der Diskussion um die Ehrenpromotion für den Siemens-Personalvorstand Jürgen Radomski der damalige Senatsvorsitzende Manfred Matschke in der Süddeutschen Zeitung zitiert wurde, versuchten die Dekane Klaus Fesser und Heyo Kroemer ihm den Zugang zur Dienstberatung zu verwehren. In dieser treffen sich Rektorat, Dekane und Vertreter der Studierendenschaft um Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung für die Universität zu besprechen.

Die Dekane warfen Matschke vor, Interna an die Presse weitergegeben zu haben. „Nachdem mit der Veröffentlichung in der Süddeutschen Zeitung vertrauliche Senatsunterlagen an die Öffentlichkeit gelangt sind, sehe ich mich eigentlich nicht mehr in der Lage, mich im Senat und der Dienstberatung offen zu vertraulichen Angelegenheiten zu äußern“, schreibt Fesser in einem internen Brief an Rektor Westermann. „Ich bitte Sie, in Zukunft die Dienstberatung auf Mitglieder nach Grundordnung zu beschränken“, heißt es dort weiter. Matschke wies die Vorwürfe von sich und durfte weiterhin an der Dienstberatung teilnehmen. Dennoch zeigt der Fall, welches Öffentlichkeitsverständnis Senatoren, Dekane und Rektorat haben und mit welchem Nachdruck sie es verteidigen.

„Es gibt nicht den geringsten Grund, die Unterlagen der öffentlichen Sitzungen der Hochschulöffentlichkeit vorzuenthalten. Der Senat befasst sich nicht mit geheimen Angelegenheiten und fasst auch keine Geheimbeschlüsse“, positioniert sich Matschke heute. Die Senatsvorsitzende Schafmeister behauptet das Gegenteil: „Die Hinterzimmerpolitik, die fängt jetzt an! Jetzt wird nicht mehr im Senat, sondern am Telefon hinter vorgehaltener Hand miteinander gesprochen. Der Senat wird ein Abwink- und Laberverein werden, wenn das so weiter geht.“

Letztendlich befindet sich Schafmeister in einem Teufelskreis. Sie kämpft gegen eine immer größere Beschneidung der Machtkompetenzen des Senats. Modernisiert sie ihn, kommen die entscheidenden Informationen nicht mehr in den Senat und sie muss mit einem Versinken ihres Gremiums in der Bedeutungslosigkeit rechnen. Hält sie an alten Werten fest, bleibt der Ruf des Hinterzimmergremiums der alten Herren. Doch die weltweite Informationsrevolution lässt sich nicht aussitzen. Sie setzt ihren Siegeszug fort, auch in den altehrwürdigen Hallen der Universitätsgremien.

Ein Artikel von Alexander Müller