von moritz.magazin | 22.12.2019
Es weihnachtet sehr, auch in Greifswald – und besonders bei den moritz.medien. Mit dem advents.kalender geben wir Euch weihnachtliche Tipps, Tricks, Erfahrungsberichte, Rezepte uvm. für die Adventszeit. Öffnet jeden Tag ein Beitrags-“Türchen”! Im heutigen Türchen: Superschorle und M-Boy im Kampf gegen den W-Mann.
Das heutige Adventskalendertürchen wurde uns freundlicherweise von den Weihnachtswichteln des moritz.magazins zur Verfügung gestellt. Im aktuellen Heft mm143 könnt ihr die Fotostory neben vielen anderen Artikeln, u.a. zum Thema Eliten, noch einmal nachlesen – entweder online oder überall, wo es moritz.magazine gibt.
Beitragsbild: Till Junker
bearbeitet von: Anne Frieda Müller
von moritz.magazin | 25.06.2014
Europa hat gewählt und Greifswald auch. Der Gang zur Wahlurne ist die Möglichkeit mitzuentscheiden, welches politische Lager uns vertritt. Die Wahl ist eine spannende Angelegenheit, besonders wenn man das erste Mal wählen darf.
Ich erinnere mich noch genau daran, als ich in meinem Heimatort zum ersten Mal wählen gehen durfte: mit 16 Jahren kommunal und mit 18 Jahren bundesweit. Irgendwann ist immer das erste Mal, dachte ich vor der Kommunalwahl 2007. Ich bekam haufenweise Informationsbroschüren der verschiedenen Parteien, die mich als Erstwähler gewinnen wollten. Alle Parteien priesen an, dass sie für mich natürlich die beste Wahl seien. Außerdem betätigte ich damals den Wahl-o-mat: Dieser half mir nicht weiter. Meine politische Einstellung repräsentierte das Wahl-o-mat-Ergebnis in keiner Weise.
Was sollte ich also wählen? Bei den Wahlen in meinem Heimatort konnte ich glücklicherweise auf bekannte Gesichter zurückgreifen. Da fiel die Entscheidung in der Wahlkabine vergleichsweise einfach. Hier in Greifswald – in meiner neuen Wahlheimat – ging dies bei den Europa- und Kommunalwahlen 2014 nicht. Ich fühlte mich wieder zurückgesetzt ins Jahr 2007, als ich 16 Jahre alt war. Diese Wahl in Greifswald war für mich wie eine „zweite“ erste Wahl. Die gleiche Spannung, die gleichen Fragezeichen im Kopf. Ich fragte mich „Wer sind diese Personen auf den Plakaten?“ Ich resümierte: „Wurde bei den Podiumsdiskussionen etwas erzählt, was mir meine Wahl erleichtern würde?“ und „Wem traue ich zu, seine Wahlversprechen tatsächlich annähernd einzuhalten?“. Auch wollte ich mit meiner Wahl ein politisches Lager unterstützen, um eine solide Koalitionsbildung zu ermöglichen. Gedanken und Fragen, die mir sowohl vor meiner ersten Wahl im Heimatort als auch in Greifswald durch den Kopf gingen.
Wiebke Evers
Schlussendlich ist jedoch wichtig, zur Wahl zu gehen, seine Stimme abzugeben und sich am politischen Geschehen zu beteiligen. Ich habe meine Chance genutzt an der Politik in Greifswald und in Europa teilzuhaben. Ich habe mich entschieden. Falls ihr euch genauso den Kopf zerbrochen habt wie ich, bietet euch diese moritz-Ausgabe auch unterhaltsame Artikel zur Entspannung.
Wolltet Ihr schon immer einmal erfahren, wie ein Festival auf die Beine gestellt wird? Dann ist die Reportage über die Vorbereitungen des Greifswalder International Students Festivals nach den Wahlstrapatzen eine wohlverdiente Unterhaltung. moritz hat die Planung und Vorbereitungen des Festivals begleitet und berichtet über ihre Erfahrungen. Wenn ihr euch jedoch nicht nach Neuigkeiten über Regionales sehnt, sondern eher auf der Suche nach internationalen Themen seid, so ist der Artikel über die Erasmus-Stundeten in Greifswald euer Thema zum Abschalten vom Alltag. Viel Spaß beim Lesen.
Das komplette Heft findest du hier.
von moritz.magazin | 25.06.2014
Es ist Dienstag. Der April ist erst wenige Stunden alt, als sich pünktlich um sieben Uhr mein Wecker zu Wort meldet. Es ist Zeit, sich für ein neues Semester aufzuraffen. Aber muss das so früh sein? Dabei muss es sich doch um einen schlechten Aprilscherz handeln. So oder so ähnlich erging es vermutlich vielen von uns und doch verflüchtigen sich all die von der Müdigkeit vernebelten Gedanken bei der Fahrt mit dem Rad in die Stadt. Man freut sich, alt bekannte Gesichter zu sehen. Doch nicht alles ist wie im letzten Semester, neue Kommilitonen, neue Dozenten, neue Themen.
Ganz nebenbei sind auch die Dekane neu gewählt worden. Was sie für die kommende Legislatur wohl ins Auge gefasst haben? Auch beim Allgemeinen Studierendenausschuss soll alles neu sein.
Nach gerade einmal 45 Minuten ist das erste Seminar überstanden, ein guter erster Eindruck und doch schön zu wissen, dass es jetzt nur noch vier Stunden sind, bis ich wieder zu Hause bin. Laptop und Tablet werden in den Korb der Alten Unibibliothek gepackt, der täglichen Dosis Elektronik kann jetzt schon nachgekommen werden.
Mittlerweile ist es fast Mittagszeit und der Hunger meldet sich. Vielleicht ein Abstecher in die Mensa, immerhin wurde ja ein Mensa-Ausschuss gebildet, der die Essensqualität verbessern soll. Vielleicht kann man ja auch mal in einen der vielen Bioläden reinschauen? Na ja. Auf jeden Fall wird erstmal der Hunger gestillt, vorerst.
Tobias Bessert
Die nächste Veranstaltung im Audimax erwartet mich, auf dem Weg fällt mir wieder die an Berthold Beitz gerichtete Dankestafel auf. Doch wer war er, ob ich vielleicht auch mal so eine Tafel bekomme? Nach 20 Minuten ist dann auch die zweite Veranstaltung vorbei und es bleibt die Frage, was man den Rest des Tages noch so machen könnte. Vielleicht mache ich eins der zehn Dinge die man in Greifswald gemacht haben sollte?
Erst einmal nach Hause, mal schauen, irgendwas wird sich schon ergeben. Auf dem Weg komm ich an einem Gebäude vorbei. Die wissenschaftlichen Werkstätten sollen dort sein, doch was wird in denen überhaupt gebaut? Zu Hause angekommen schalte ich erst einmal wieder den Laptop an, mal schauen was in nächster Zeit so los ist. Bald ist ja wieder der Nordische Klang, was es da wohl alles gibt? Und dann der Schock, demnächst ist ja auch Ostern. Hase, Eier, Schokolade, wo kommt das eigentlich her? Keine Ahnung, ich weiß nur eins: Ich bekomme schon wieder Hunger. Die Sonne geht unter, der Tag ist vorbei und was bleibt? Eine Menge offene Fragen.
Auch wenn es mittlerweile mit dem Aufstehen besser klappen sollte, so bleiben doch einzelne Fragen. Zumindest bis heute, denn ab jetzt hilft euch der moritz. Viel Spaß beim Lesen.
Das komplette Heft findest du hier.
von moritz.magazin | 22.03.2014
Sex and the City, Feuchtgebiete, Shades of Grey – man wird nur so überschüttet mit Geschichten über die schönste Nebensache der Welt. Sex sells – das gilt besonders für die Medien. Doch sprechen die Menschen wirklich so offen über ihr Intimleben, wie es in Serien oder Reportagen dargestellt wird? Oder ist das Thema Sex gerade deshalb so interessant und populär, weil es in der Gesellschaft immer noch Tabus gibt?
Sex ist omnipräsent – selbst wenn man ihn nicht hat oder auch noch nie hatte, wie schätzungsweise zwei Millionen Deutsche. In dem Buch „Und wer küsst mich?“ von Maja Roedenbeck geht es um Menschen, die noch nie Sex hatten – nicht, weil sie alle keine Lust hätten, sondern weil der erste Schritt manchmal zu schwer ist und mit der Zeit auch nicht leichter wird. Knapp 2 000 aktive „Absolute Beginners“, wie sie sich selbst nennen, versuchen mithilfe eines gemeinsamen Online-Forums Gleichgesinnte zu finden und sich auszutauschen. Die Angst, nicht mitreden zu können, nicht normal zu sein – ausgegrenzt zu werden, kann belastend sein. Wer mit über 30 noch keinen Sex gehabt hat, wird wahrscheinlich gerade durch die Freizügigkeit im deutschen Fernsehen eher unter Druck gesetzt als aufgeklärt.
Aber auch auf der anderen Seite gibt es Scham und Druck: Rund 65 Prozent aller Männer und 56 Prozent aller Frauen haben auf die Frage, ob ihre sexuellen Wünsche in ihrer Partnerschaft erfüllt werden, mit „Nein“ geantwortet. Ein ziemlich frustrierendes Ergebnis.
Unerfüllte Wünsche kennt auch Miss Decadoria – von ihren Kunden. Die junge Frau ist seit einigen Jahren in Berlin unter diesem Namen als Domina tätig und versucht, die erotischen Fantasien ihrer ausschließlich männlichen Kundschaft zu erfüllen – Fantasien, die die Männer in einer Beziehung nicht ausleben könnten, da sie Angst vor der Reak-tion ihres Partners haben. Sie kennen zwar ihre Neigungen, verschweigen diese aber lieber, weil sie befürchten, als abnormal zu gelten und die Beziehung dadurch zu gefährden. „Ich finde das allerdings sehr bedenklich, die Frau versucht dann ihrem Mann ein erfülltes Sexualleben zu bieten und sie kann im Normalfall natürlich nichts von den geheimen Fantasien wissen“, wendet Miss Decadoria ein, „Das ist für beide Seiten sehr schade, die Frau erhält nicht mal die Möglichkeit, die Fantasien zu befriedigen und der Mann erzeugt dann selbst ein geheimes sexuelles Doppelleben.“
Insbesondere betrifft das natürlich Menschen, die einen ungewöhnlichen Geschmack haben, der deshalb auch nicht in der Öffentlichkeit thematisiert wird. Vibratoren, Gleitgel, Handschellen – das sind Gegenstände, die man gut und gerne in der Schublade haben darf. Immerhin nutzen laut der „Durex Global Sex Survey 2012“ ein Drittel aller deutschen Paare Dildos oder andere Sexspielzeuge. Anders sieht das jedoch bei Fetischen aus, die in der Gesellschaft nicht als massentauglich gelten. Doch wer bestimmt, welche Vorlieben legitim sind und welche nicht?
Windeln als Sex-Accessoire
„Mir macht es Spaß, Menschen zu treffen, die anders ticken und mir ‚quasi‘ ihre Abgründe offenlegen. Außergewöhnliche Fantasien und Ideen sind auch immer eine Herausforderung und diese liebe ich! Es ist so, dass bei vielen Fetischen Gegenstände oder Körperteile aus ihrem normalen Kontext gerissen werden. Je extremer das ausfällt, desto mehr wird ein Fetisch tabuisiert.“ Beispielsweise werden Windeln im Normalfall mit Babys assoziiert; ein Fetischist würde jedoch durch das Tragen von Windeln sexuell erregt, was für die Außenstehenden auf den ersten Blick seltsam erscheint. Ein Grund für viele, ihre intimsten Wünsche und Gedanken vor dem Partner zu verschweigen, weil sie Angst haben, als Perverser abgestempelt zu werden. Bereits jedes dritte Pärchen hatte laut einer Umfrage der Zeitschrift „Elle“ wegen unterschiedlicher Bedürfnisse Streit. Theoretisch könnte man also einwerfen, dass so etwas wie Windeln tragen oder Toilettenerziehung wie Miss Decadoria sie anbietet, so spezielle und „anormale“ Wünsche sind, dass man sie dem Partner zuliebe verschweigen sollte. Wenn aber in jeder zweiten Beziehung sexuelle Fantasien verschwiegen werden, ist das dann „normal“?
Da stellt sich die Frage, ob Sex überhaupt ein Thema in den Medien und in der breiten Öffentlichkeit sein muss, sodass Vorstellungen und Wünsche erst „normiert“ werden können? Schließlich ist Sex ein intimer Austausch zwischen zwei Menschen und kein Volksereignis. Wie er abläuft, sollte eigentlich jedem selber überlassen und nicht durch die Medien kommentiert und bewertet werden. Doch dass das nicht der Fall ist, erkennt man, wenn man sich den Fall des ehemaligen Wetterexperten ins Gedächtnis ruft. Fast täglich wurden neue Details seines Liebeslebens in der medialen Öffentlichkeit debattiert – unabhängig vom Prozessverlauf. Eine pikante Information – eine riesige Schlagzeile. Mit Sex wird Quote gemacht. Während in Russland ein Verbot der „Werbung“ für Sex unter Jugendlichen und der „nicht-traditionellen“ Beziehungen beschlossen wurde und damit weiter zu Tabuisierung beigetragen wird und Homosexualität im deutschen Fußball scheinbar noch immer verheimlicht werden muss, kann zumindest in den deutschen Medien von Tabus keine Rede sein. Gummipuppen, Fesselspiele, Swinger-Clubs – je ausgefallener, desto besser. In Reportagen wird über ungewöhnliche Berufe im Erotikbereich berichtet; Pornodarsteller in Aktion, Bordellbesitzer oder SM-Liebhaber – nach elf Uhr fällt jede Tabugrenze. Serien wie „Sex and the City“ handeln von Problemen rund um die schönste Nebensache der Welt und Bücher á la „Shades of Grey“ erreichen Bestseller-Status. Aber kann man deshalb auch von einer offenen und toleranten Gesellschaft sprechen? Jemand, der mit über 30 noch keinen Sex gehabt hat, bestimmte Fetische besitzt oder eine ungewöhnliche Berufswahl getroffen hat, wird zwar in den Medien thematisiert – wenn man aber seinen Chef im Swinger-Club trifft, kann es mit der Offenheit schon wieder ganz anders aussehen. Auch Miss Decadoria weiß, dass die Wahl ihres Berufs ein „beliebtes Tratsch-und Lästerthema“ im größeren Bekanntenkreis ist. Von ihren Freunden und ihrer Familie jedoch gab es jedoch statt Skepsis eher ein paar neugierige oder ungläubige Blicke – „gerade wenn es ins Detail einiger Tätigkeiten geht“, erzählt sie.
Sex sells – Sexspielzeug als Life-Style-Produkte
Für Frau Werth gehören pinke Vibratoren, Pornos oder nach Schokolade schmeckendes Gleitgel zum Alltag – schließlich ist sie Besitzerin des Beate-Uhse-Laden in der Innenstadt Greifswald. Am meisten Spaß machen ihr die Kundengespräche und die Beratung. Allerdings scheinen die Greifswalder nicht besonders kaufkräftige Kunden zu sein – während es vor mehreren Jahren noch drei Sex-Shops gab, findet man in den Gelben Seiten nun nur noch einen – wobei man vermuten kann, dass viele Interessierte lieber online und anonym bestellen. Schließlich gibt es im Internet ein großes Angebot an qualitativ hochwertigen Waren. Egal ob Massageöle, Liebeskugeln, erotische Dessous, Spielzeuge für Männer, Handschellen oder Lederpeitschen – im Internet findet man alles, was das Herz begehrt. Zu größten Herstellern zählt das deutsche Unternehmen Fun Factory. Sexspielzeuge gelten mittlerweile als Life-Style-Produkte und die Industrie versucht alles, um ihren Kunden den Kauf so einfach und angenehm wie möglich zu gestalten. Denn Sexspielzeuge mal ins Liebesleben einzubeziehen, wünschen sich laut dem FirstAffair.de-Sexreport 25,5 Prozent der Deutschen. Deshalb bieten Unternehmen mittlerweile sogenannte „Dildo-Partys“ an, die speziell an Frauen gerichtet sind. Wie bei einer „Tupper-Party“ kommt ein Vertreter, in diesem Fall eine „Dildo-Fee“ nach Hause, die in entspannter Atmosphäre verschiedene Produkte vorstellt. Denn mit Freundinnen bei einem Gläschen Sekt lässt es sich gleich viel besser shoppen. Für manche kein Problem, andere finden dies schon wieder zu freizügig.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?
Auch Miss Decadoria hängt ihre Wünsche und Vorstellungen nicht an die große Glocke: „Ich finde das ist eine Frage der Notwendigkeit. Muss ich meiner Familie oder meinen Kollegen wirklich mitteilen, wo meine persönlichen Vorlieben liegen, besonders wenn man dann negative Reaktionen zu erwarten hat? Ich finde, dass man da im Zweifelsfall lieber seine Privatsphäre wahren sollte.“ Lediglich vor seinem Freund oder seiner Freundin wäre Schweigen und Scham fehl am Platz. Dennoch haben in Beziehungen knapp 70 Prozent Hemmungen, mit ihrem Partner über Sex zu reden, wie eine Umfrage der „Elle“ ergab. Auch von Miss Decadorias Kunden gehen die wenigsten wirklich offen mit ihren Neigungen um. Ein Kunde habe sein Gesicht sogar schon mit einer schwarzen Maske verdeckt, bevor er zum gemeinsamen Treffpunkt kam, um von niemandem erkannt zu werden.
Frustrierend ist dies auch für denjenigen, der die Wünsche umsetzen soll, wenn er nicht wirklich weiß, was sich der andere wünscht – oder nicht einmal weiß, dass der andere sich etwas wünscht. „Ich kann niemanden in den Kopf schauen“, erklärt Miss Decadoria, „manchmal scheinen das einige nicht ganz zu verstehen und erwarten quasi ein Wunder von mir. Das ist so, als würde ich zum Friseur gehen und sagen „Schneide mir die Haare“ und dann erwarten, dass mein Wunschhaarschnitt dabei rum kommt.“
Sex gehört zu den intimsten Kommunikationsformen zwischen zwei Menschen. Auf der einen Seite kann das ständige Reden darüber dem Sex die Romantik und den Zauber nehmen, auf der anderen Seite kann man sich fragen, inwieweit Zauber und Romantik zwischen zwei Menschen existieren, die sich nicht trauen, dem Liebsten oder der Liebsten zu sagen, was sie wirklich wollen.
Scham und Lust – zwei Gefühle, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, die aber durch erotische Fantasien miteinander verbunden sein können. Möglicherweise sind manche Wünsche in der Fantasie auch besser aufgehoben, doch das sollte jeder für sich selbst entscheiden und nicht von der Gesellschaft abhängig machen.
Sabrina v. Oehsen schrieb diesen Artikel und zeichnetete das Bild.
von moritz.magazin | 22.03.2014
Jeder Ort hat seine Geschichte. Und Geschichte hinterlässt zumeist Spuren, von denen wir heute noch Zeuge werden können, wenn wir nur hinsehen und es Bemühungen gibt, diese historischen Zeugnisse zu erhalten.
Die Stadt Greifswald besteht nunmehr seit über siebenhundert Jahren, erste Siedlungsspuren gehen bis ins frühe dreizehnte Jahrhundert zurück. Im Jahr 1250 erhielt die Siedlung, die zu damaligen Zeiten noch als Gripeswald oder auch Gripswolde bekannt war, das Stadtrecht. Vieles ist seither geschehen: Die Einwohnerzahl hat sich seit Beginn des siebzehnten Jahrhunderts verzehnfacht, seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mehr als verdoppelt. Eine Veränderung des Stadtbildes ist nicht zuletzt dadurch nur natürlich und trotzdem zählt die Greifswalder Altstadt mit ihrem Marktplatz und dem freistehenden Rathaus zu den schönsten in Norddeutschland. Dies ist nicht zuletzt ein Verdienst des Denkmalschutzes. Aber auch fernab der Altstadt findet sich gedenkwürdiges.
Die Denkmäler der Hansestadt
Die Greifswalder Marienkirche wurde um 1280 fertiggestellt. Die Arbeiten am Langhaus jedoch dauerten vermutlich bis ins 14. Jahrhundert an.
Fällt der Begriff des Denkmals, denkt man wohl in erster Linie an Monumente oder Statuen, die zur Erinnerung an bedeutende Ereignisse oder Personen errichtet wurden. So kommen in Bezug auf Greifswald das Rubenow-Denkmal oder die Statue zu Ehren Caspar David Friedrichs in den Sinn. Darüber hinaus gibt es aber auch Denkmäler, die erhaltene Werke der Kunst oder der Baukunst umfassen. Das Denkmalschutzgesetz erweitert diese Begriffe und legt fest, was geschützt werden soll. Im Sinne jenes Gesetzes sind Denkmäler Dinge, die bedeutend für die Geschichte und Entwicklung von Menschen, Städten und Siedlungen sind. Aber auch künstlerisch, volkskundlich und wissenschaftlich wertvolle Zeugnisse fallen unter diese Definition. Weiterhin gibt das Gesetz Auskunft über die verschiedenen Kategorien von Ehrenmälern. So wird zum Beispiel das Einzeldenkmal erwähnt. Es kann sich dabei um ein Gebäude wie das Greifswalder Rathaus oder um eine Grünanlage wie den Rubenow-Platz handeln. Technische Konstruktionen wie die Wiecker Brücke gehören genauso in diese Kategorie wie die gesamte Wallanlage, die die Altstadt umschließt. Die Besonderheit von Einzeldenkmälern liegt darin, dass sie in ihrer Gesamtheit unter Schutz stehen. Es soll nicht nur die Fassade und das Dach eines Gebäudes, sondern auch der gesamte Innenbereich in seiner historischen Form erhalten bleiben. „Dazu gehören Raumstrukturen, Ausstattungselemente wie Türen und Treppen, Fußbodenbeläge oder Holzbalkendecken aber auch Betondecken bei moderneren Denkmälern. Bei der Wiecker Brücke gehört natürlich die gesamte Konstruktion einschließlich der Ketten, der Scharniere, des Unterbaus und der Pfeiler dazu“, erklärt Astrid Ewald, Sachbearbeiterin der unteren Denkmalschutzbehörde in Greifswald. „Es gibt auch Denkmäler aus dem zwanzigsten Jahrhundert“, führt sie weiter aus. „Denkmal bedeutet nicht immer uralt. Etwas muss nicht alt sein, wenn es eine geschichtliche Bedeutung hat“, ergänzt Andrea Henning, ebenfalls Sachbearbeiterin der unteren Denkmalschutzbehörde.
Neben den Einzeldenkmälern gibt es noch die Denkmalbereiche. Bei denen werden nur bestimmte Teile von Gebäuden, Straßen oder Grünflächen unter Schutz gestellt. Vertreter dieser Kategorie sind die Siedlung Ladebow, der Fischerort Wieck und die Greifswalder Altstadt, deren Grundstücksstrukturen zum Teil noch auf den mittelalterlichen Grundriss zurückzuführen sind; für die also lange, schmale Grundstücke und enge, rechtwinklig zueinander verlaufende Straßen das typische Erscheinungsbild darstellen.
Ebenfalls typisch für das historische, hanseatische Stadtbild ist das Giebelhaus, das beispielsweise in der Steinbeckerstraße oder am Marktplatz gefunden werden kann. Darüber hinaus zeigt sich, dass ein Denkmal nicht nur in einer Kategorie vertreten sein muss. „Die gesamte Greifswalder Altstadt ist auch ein Bodendenkmal, denn sie stellt den Stadtgründungsbereich dar, das heißt, sie existiert seit dem dreizehnten Jahrhundert und dementsprechend gibt es dort Siedlungsspuren auch unter der Erde. Eigentlich findet man dort an jeder Ecke etwas, wenn man anfängt zu graben“, führt Ewald aus. Auch muss ein Denkmal nicht immer am selben Ort zu finden sein und stillstehen. Ein Vertreter der sogenannten beweglichen Denkmäler ist mit der „Greif“, einem Segelschulschiff, in Greifswald schnell ausfindig gemacht.
Denkmalschutz und Denkmalpflege
Niedrige, meist eingeschossige Gebäude und oft mit einem Rohrdach bedeckt, zählen zum typischen Erscheinungsbild des Fischerorts Wieck.
Denkmalschutz und -pflege obliegen dem Land, den Landkreisen und Gemeinden und dienen dazu, Denkmäler, zu pflegen und zu schützen, wissenschaftlich zu erforschen und einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Beim Betrachten des Denkmalschutzgesetzes stellt sich die Frage, warum es dann Gebäude wie die Stralsunder Straße 10 gibt, die trotz ihres Status‘ offensichtlich dem Verfall unterliegen. „In diesem Fall ist es so, dass wir zwar Möglichkeiten haben, gemäß des Denkmalschutzgesetzes einzugreifen, aber man kann nicht gleich davon ausgehen, dass der Eigentümer zur Sanierung gezwungen werden kann. Wir müssen immer auch Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen heranziehen. Gibt es zum Beispiel ein großes Loch im Dach eines Gebäudes, können wir beauflagen, dass der Eigentümer handeln muss, um Gefahren vom Gebäude abzuwenden“, berichtet Ewald. „Aber zu einer kompletten Sanierung können wir niemanden zwingen. Das geht nur in Zusammenarbeit mit dem Bauherrn und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten“, verdeutlicht Henning, „Sie haben da ein Beispiel für ein Gebäude gewählt, dessen Sanierung Summen in Millionenhöhe bedarf.“ Die Denkmalpflege obliegt also dem Eigentümer beziehungsweise dem Bauherrn eines Gebäudes – in Zusammenarbeit und Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde. Daher sind ungenutzte Bauten eher vom Verfall bedroht als solche, die noch genutzt werden, da Mängel hier in der Regel später bemerkt und behoben werden und sie keinen wirtschaftlichen Ertrag einbringen, der auch zur Instandhaltung eingesetzt werden könnte. Nichtsdestotrotz hat der Eigentümer aber die Erhaltungspflicht.
Kompliziert ist die Situation auch, was die Baderstraße 2 betrifft – auch als „Sybilla Schwarz Haus“ bekannt. Hier befindet sich eines der letzten Giebelhäuser, dessen Geschichte bis ins vierzehnte Jahrhundert zurückgeht und das zudem barocke Einbauten und Strukturen des neunzehnten Jahrhunderts beinhaltet. Das Haus ist unsaniert, steht leer und es ist schwierig, das Gebäude zu nutzen. Da es sich dabei ursprünglich um ein Speichergebäude handelt, ist vor allem das Dachgeschoss zum Wohnen überhaupt nicht geeignet, da die Deckenhöhe nicht den Anforderungen entspricht. Das bedeutet, dass im Grunde nur zwei Geschosse nutzbar gemacht werden können, denn würde man das Dachgeschoss bis hin zur Bewohnbarkeit ausbauen, würden sämtliche historische Zeugnisse in ihrer Originalität zerstört werden. Natürlich gibt es bei Weitem nicht nur Negativbeispiele. Viele der Denkmale verdanken ihren Erhalt und ihre Schönheit ausgiebigen Sanierungen, vor allem im Innenstadtbereich. Ein positives Beispiel kann in der Gützkower Straße 26 gefunden werden. Das hier stehende Wohngebäude beinhaltet neben einer historischen Treppe Malereien im Flur- und Eingangsbereich, die erst kürzlich vollständig gesäubert und restauriert wurden.
Einschränkungen durch den Denkmalschutz
Die Wiecker Holzklappbrücke wurde von dem Greifswalder Holzschiffbaumeister August Spruth entworfen und 1887 erbaut.
Dass der Schutz von Denkmälern nicht immer nur positive Folgen haben kann, wird am Beispiel des Jugendzentrums klex deutlich. Das Gebäude, das vom Stadtjugendring und zahlreichen Vereinen für Jugendsozialarbeit genutzt wird, steht unter Denkmalschutz. Dies kann im Falle einer Sanierung des Hauses indirekt zu einer Bedrohung für das Jugendzentrum werden, denn aktuell befindet sich die Nutzung des Gebäudes aus baurechtlicher Sicht in einer Grauzone. Bezüglich Brand- und Schallschutzbestimmungen wird das historische Gebäude als Versammlungsstätte den aktuellen Anforderungen nicht mehr gerecht. Würde das klex nun saniert werden, griffen die aktuellen Vorschriften und Veranstaltungen wie Konzerte könnten nicht mehr durchgeführt werden. Der Denkmalschutz spielt dabei insofern eine Rolle, dass es zwar technisch möglich wäre, das Gebäude entsprechend der gültigen Bestimmungen anzupassen, jedoch wären die Eingriffe nicht mit den Auflagen des Denkmalschutzgesetzes vereinbar. Wann das Gebäude saniert wird, ist noch unklar. „Aktuell stehen wir auf Platz sechs der städtischen Sanierungsliste, dank der Politik. Die Stadt plädierte für Platz zwölf“, so Yvonne Görs vom Stadtjugendring. „Das Problem ist, dass eine vollständige Sanierung Jahre in Anspruch nehmen kann und das Gebäude könnte nicht mehr so genutzt werden wie heute“, erklärt sie weiter. In so einem Fall wäre also die Frage, wann und ob man in dem Haus überhaupt wieder Veranstaltungen im Rahmen der Jugendsozialarbeit durchführen könnte.
Jedoch könnte nicht nur das klex Einschränkungen unterliegen, die unter anderem Folge des Denkmalschutzes wären. Wer sich in Wieck niederlassen und ein Haus bauen will, darf nicht einfach tun und lassen, geschweige denn bauen, was er will. Wieck ist ein Denkmalbereich, die Siedlungsspuren hier gehen ins vierzehnte Jahrhundert zurück und die heutige Erscheinung des Fischerortes ist kein Zufall. „Die Siedlung ist geprägt von eingeschossigen, kleinen Gebäuden, oft mit Rohrdach, das hat schon seine Besonderheiten“, berichtet Ewald. Neubauten müssen sich in das Gesamtbild des Ortes einfügen, so gibt es zum Beispiel Auflagen bezüglich der Höhe und verschiedener Baumaterialien der Gebäude. Auch bestimmte Dachneigungen und Fensterformate müssen eingehalten werden. „Wir hatten vor geraumer Zeit den Fall, dass der Bau eines dreigeschossigen Hauses abgelehnt wurde.“ Denkmalschutz kann also auch Einfluss auf Gebäude nehmen, die noch gar nicht gebaut wurden. Betrachtet man aber das Resultat der Auflagen, sind sicher nicht viele Menschen der Ansicht, dass sie nicht ihre berechtigte Funktion haben. Der Status des Ortes Wieck und der Greifswalder Altstadt als interessante Sehenswürdigkeiten für Touristen sprechen jedenfalls dafür.
Den Artikel schrieben Michael Bauer und Isabel Kockro. Die Fotos stammen von Isabel Kockro.