Wir, die Redakteur*innen der moritz.medien, machen uns natürlich auch weiterhin Gedanken über unsere Umwelt und berichten daher in einem zweiten Teil unserer Nachhaltigkeitskolumne über weitere Themen, Tipps und Gedanken, damit ihr euer Leben (noch) nachhaltiger gestalten könnt.

Ohne Wasser kein Leben. Von 1,386 Milliarden km³ Wasser auf der Erde sind nur 0,3 – 0,4% potentiell als Trinkwasser verfügbar. Menschen in den verhältnismäßig reichen Industrieländern, wie Deutschland, haben eine besondere Verantwortung, sich aus wissenschaftlicher und ethischer Perspektive mit der Nutzung von Wasserreserven auseinanderzusetzen.

Als virtuelles Wasser wird all jenes Wasser bezeichnet, welches zur Herstellung von Produkten, Waren oder sogar zur Ermöglichung von Dienstleistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufgewendet wird. „Virtuell“ erscheint zunächst ein wenig irreführend, denn es geht um real genutztes Wasser, das sich allerdings für Konsument*innen unsichtbar hinter einem Produkt, einer Ware oder einer Dienstleistung verbirgt.

Der Wasserfußabdruck (WFA), beschreibt die Menge an Wasser, die für die Herstellung von Produkten oder die Erbringung von Dienstleistungen zur Verfügung stehen muss, dabei verbraucht, verschmutzt wird oder verdunstet. Bei Brot und Getreide liegt diese Wassermenge bei ca. 1.300 l/kg, bei Rindfleisch schon bei 15.000 l/kg. Der WFA kann für eine Person, ein Land oder ein Unternehmen bestimmt werden, ebenso wie für unterschiedliche Bezugszeiträume wie einen Tag oder ein Jahr. Mit dem internationalen Import und dem Export von Produkten ist immer auch der Import und Export von virtuellem Wasser verbunden. Dementsprechend entfällt der Teil des WFA, der im Inland produziert wird, auf das Inland. Mit dem Import von Produkten wird ein Teil des WFA in den Exportländern hinterlassen. Deutschland hat mit ca. 4000 l pro Kopf und Tag einen überdurchschnittlich hohen WFA. In Deutschland – und dank der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in der EU – gibt es zwar gute Nutzungsregelungen zum Schutz von Wasserkörpern und Ökosystemen, der Wasserverbrauch in der Produktion deutscher Importprodukte außerhalb der EU bleibt aber problematisch. Den höchsten WFA Deutschlands unter den landwirtschaftlichen Produkten verursachen laut WWF (2009) in absteigender Reihenfolge der Import von Kaffee, Kakao, Ölsaaten, Baumwolle, Schweinefleisch, Sojabohnen, Rindfleisch, Milch, Nüssen und Sonnenblumen.

Umweltauswirkungen

Brasilien ist eines der Länder, in denen Deutschland seinen größten externen Wasserfußabdruck hinterlässt, weil dort beispielsweise Soja und Kaffee gut angebaut werden können. 40 Prozent des in Brasilien produzierten Sojas importiert allein die EU als Tierfutter für die wachsende Fleischproduktion und für Weideflächen und den Sojaanbau werden jährlich ca. 1,4 Millionen Hektar Amazonas-Regenwald gerodet. Die starke Übernutzung der natürlichen Wasserressourcen und der Eintrag von Abwässern aus Landwirtschaft und Fischerei hat im wasserreichen Land Brasilien bereits zu großer Wasserverschmutzung, Trinkwasserengpässen und der Ausbreitung durch Wasser übertragbarer Krankheiten geführt. Für einen Ertrag von 125 ml Bohnenkaffee müssen in der Produktion 140 Liter Wasser aufgewandt werden.

Baumwolle wird neben China, den USA, Indien, Pakistan und Usbekistan beispielsweise in der Türkei angebaut, wo durch den exzessiven Einsatz von Insektiziden und Pestiziden Gewässer stark verschmutzt werden und durch ineffiziente Bewässerungsmethoden, wie Überflutung der Felder, viel Wasser unnötig verloren geht. 2006 konnten so infolge heftiger Dürreperioden und nicht ausreichender Wassermengen nur 86% der zu bewässernden Landwirtschaftsflächen tatsächlich bewässert werden. In der Türkei ist die Einhaltung der WRRL nicht notwendigerweise gesichert, z.B. wird ein großer Teil des Nutzwassers dem Grundwasser illegal entnommen und städtische Abwasser, ebenso wie Pestizide und Düngemittel aus der Landwirtschaft gelangen ungeklärt in Flüsse und Seen. Auch in Usbekistan wurden für den Baumwollanbau die beiden Zuflüsse zum Aralsee so übernutzt, dass immer weniger Wasser den See erreichte und er innerhalb der letzten 40 Jahre (Stand 2009) um 85% schrumpfte, was unter anderem zu Versalzungsprozessen führte – der Aralsee ist hierfür aber nicht das einzige regionale Beispiel. In Indien wird von Baumwoll-Farmer*innen jährlich eine Wassermenge von 250 km³ zur Feldbewässerung entnommen, obwohl durch Regen nur ca. 150 km³ nachgeliefert werden. Die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung und die Funktionalität von Ökosystemen wie Flussauen und Seen für die Zukunft sind dadurch ungewiss. Auch fallen 54 % von Indiens Pestizidverbrauch auf den Anbau von Baumwolle, obwohl die Anbauflächen nur 5% der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche Indiens beanspruchen.

In Spanien wird trotz sehr ariden Klimas ein Großteil der Obst- und Gemüseproduktion für den europäischen Markt angebaut. Etwa drei Viertel des gesamten jährlichen Wasserverbrauchs Spaniens sind durch Bewässerung in der Landwirtschaft bedingt. Aufgrund teils veralteter und verschwenderischer Bewässerungsmethoden wie der Feldüberflutung liegen die Wasserbedürfnisse der Landwirtschaft beispielsweise in Andalusien vier- bis fünfmal über der durch Regenfälle erneuerten Wassermenge. Die Ressourcenübernutzung wird hier auch durch die Politik gestützt, indem Wasserpreise extrem subventioniert werden, sodass die Wasserpreise für Farmer*innen nicht die realen Preise abbilden. Dazu kommt, dass Farmer*innen Wasser vielfach durch illegale Brunnen entnehmen und dies nicht effektiv rechtlich verfolgt wird. Das hat in Andalusien bereits zu starken Grundwasserdefiziten und einer Versalzung der Grundwasserkörper geführt. 

Forschung mit dem WFA hat gezeigt, dass durch den weltweiten Handel mit virtuellem Wasser, der durch In- oder Exporte von Produkten indirekt betrieben wird, bestehende globale Machtstrukturen manifestiert werden. Für die Politik bedeutet das: wo wir einen Fußabdruck hinterlassen, egal welcher Art, verändern wir natürliche Kreisläufe und Lebensrealitäten betroffener Menschen und daraus geht eine besondere Verantwortung hervor, die im Falle des WFA in einigen Ländern bedeutend größer, in anderen vielleicht geringer ausfällt. Wir sollten uns dieser Verantwortung annehmen und uns für eine nachhaltige Entnahme und schonende Beeinträchtigung der Ressource Wasser für unseren Verbrauch einsetzen, ebenso wie den Schutz der betroffenen Lebewesen und Ökosysteme, unabhängig davon, ob sie sich auf einem Territorium befinden, das wir als „unseres“ bezeichnen.

Vom Fußabdruck lernen

Wasserentnahmestrategien und Bewässerungsmethoden, genauso wie die Qualität der Wasserleitungen unterscheiden sich zwischen Ländern und Regionen stark und deshalb können mithilfe der Konzepte WFA und virtuelles Wasser kaum pauschale Aussagen getroffen werden. Es ist aber durchaus möglich, den eigenen Konsum ins Verhältnis zu setzen, grundlegende Tendenzen zu identifizieren und Sensibilität zu schaffen. Das ist sowohl für die Handels- und Entwicklungspolitik im größeren Rahmen als auch für den einzelnen Verbraucher von Bedeutung. So wissen wir nun, dass die Herstellung einer Jeans 11.000 Liter Wasser beansprucht, stehen ihrem gesamten Herstellungsprozess ein wenig ehrfürchtiger gegenüber, können auf den trendbedingten saisonalen Erneuerungswahn mit informierter Distanz blicken und uns sagen „ich brauche diese neue Hose nicht“. Oder wir verstehen, dass viele Tierprodukte sehr viel wasser- und verschmutzungsintensiver sind als viele pflanzliche Äquivalente und entschließen uns doch mal, der Reduktion unseres Fleischkonsums eine Chance zu geben. Und wir können uns noch bewusster zum Kauf von regionalem Obst und Gemüse entschließen, da wir wissen, dass Produkte aus dem Mittelmeerraum oder Nordafrika nur in Ausnahmefällen mit effizienten Bewässerungsmaßnahmen angebaut werden.

Beitragsbild: Mukesh Sharma auf Unsplash
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Der Artikel von Roxane Bradaczek erschien im moritz.magazin mm141.