Am Donnerstag, dem 29.11. eröffnete Veronika Wehner (Chefredakteurin moritz.magazin) um 20:30 Uhr die Diskussion. Der WiWi-Hörsaal in der Loefflerstr. 70 war gefüllt, sodass Nachzügler keinen Platz mehr bekamen. Das Publikum setzte sich zusammen aus Studierenden, Verbindungsmitgliedern und der Presse.

Kurz vor 20 Uhr gab es eine Planänderung: Statt des Kritikers Moritz Gerlach, ein Journalist für den Spiegel, wurden spontan Michael Steiger (Greifswald für Alle, StraZe), Yannick van de Sand (Vorsitzender der Jusos) und Deike Voss von der Damenverbindung Gratia Aurora eingeladen.
Es wurde sofort klar kommuniziert, dass keine Burschenschaften zur Podiumsdiskussion eingeladen wurden, aufgrund rechter Gesinnung. Außerdem wurde die Redebeitragszeit auf 90 Sekunden begrenzt, um Monologe zu verhindern, was im Großen und Ganzen eingehalten wurde.

Alle Redeteilnehmer waren sich darüber einig, eine konstruktive Diskussion zu führen, um die Studierendenschaft für das Thema Verbindungen zu sensibilisieren und mit gefährlichem Halbwissen aufzuräumen. Michael Steiger fiel hier mit aufbrausendem Verhalten eher aus dem Rahmen.
Mit einer Darstellung des Aufkommens der Verbindungen in Greifswald wurde die Debatte eingeleitet, denn in Greifswald sind für eine Kleinstadt in Ostdeutschland erstaunlich viele Verbindungen, zwölf an der Zahl, beheimatet. Die geladene Historikerin Anne-Maika Krüger aus Rostock begann mit einem geschichtlichen Abriss zur Entstehung und Entwicklung der Studentenverbindungen in Deutschland. Die geladenen Verbindungsvertreter Finn Thore Leggeri (ATV), Ricco Pfeiffer (Corps Guestfalia) und Deike Voss ergänzten mit der geschichtlichen Entstehung ihrer eigenen Verbindungen.

Die erste Frage bezog sich auf die Notwendigkeit, ob Verbindungen (Frauenverbindungen) teil der Studierendenschaft sein sollten. Die mehrheitliche Meinung auf dem Podium argumentiert eher in die Richtung, dass Verbindungen in der heutigen Zeit nicht mehr notwendig für die verfasste Studierendenschaft sind.

Daraufhin wurde die Frage auf den geschichtlichen Aspekt eingeleitet. Die Aufarbeitung der NS-Zeit ist ein kritisch gesehener Punkt, da es dazu bis jetzt kaum historische Berichte gab. Der Vorsitzende des Lassalle-Kreises Florian Boenigk äußert sich ehrlich dazu, dass es damals wie heute keine historische Aufbereitung gibt. In den 1950ern gab es eher einen großen Ansturm auf die Verbindungen, sodass teilweise Füchse sogar abgelehnt werden mussten. In den 70/80er Jahren wurde eine historische Aufarbeitung versucht, diese wurde aber nie vollendet.

In der NS-Zeit wurden lokale Verbindungen verboten, aber die meisten haben sich von allein in das Führerprinzip eingeordnet. Burschenschaften entschieden sich 1920 dafür, {EDIT: 04.12.2018} sich nicht mehr mit Juden zu duellieren, da in der Ideologie deutscher wehrhafter Männlichkeit Juden und Frauen gleichermaßen als ehrlos abgewertet wurden, erklärte die Historikerin Krüger.

Angeschlossen daran ging es um das sogenannte Lebensbundprinzip. Bei diesem Thema gingen die Einschätzungen weit auseinander, auch teils innerhalb der Vertreter*innen der Verbindungen. Es ist zwar so, dass heutzutage eine Mitgliedschaft ein Leben lang über das Studium hinaus gilt, aber man die Freiheit besitzt, auszutreten. Von den Kritikern wurde da aber v.a. das Mitspracherecht der alten Herren in aktuellen Verbindungsentscheidungen problematisch angesehen. Hier merkten die eingeladenen Sprecher der jeweiligen Verbindungen an, dass die Entscheidungsgewalt der alten Herren in der heutigen Zeit stark eingegrenzt ist. Bei Damenverbindungen gibt es keine so hohe Diskrepanz zwischen den Activa und den hohen Damen, da sie noch nicht solange existieren.

Ein immer wieder kritischer Punkt ist die Fuchsenzeit und die Rituale, die die Verbindungsanwerber währenddessen durchlaufen müssen.

Die Vertreterin der Frauenverbindung erklärte die Probezeit: neue Füchse können sich zwei Semester lang das Verbindungswesen ansehen und verschiedene Verbindungen vergleichen, am Ende können sie aktiv werden und müssen das Aufnahmeritual, den Fuchsvortrag vollziehen. Die weiteren Verbindungen ergänzten, dass es zur Fuchsenzeit gehört, sich mit der Geschichte der Verbindung, der Universität und der Stadt auseinanderzusetzen. Die Abschlussprüfung der Fuchsenzeit setzt sich aus einem theoretischem und einem praktischen Teil zusammen.
Abhängig davon, ob es eine schlagende oder eine nichtschlagende Verbindung ist, gehört noch die Mensur, der Fechtkampf, dazu.

Eine kritische Nachfrage durch die Moderation nahm Bezug darauf, dass gemunkelt wird, dass die Füchse niedere Arbeit verrichten müssten. Die Kritiker merkten außerdem an, dass es einen unbestreitbaren Alkoholmissbrauch gibt. Die Historikerin weist auch darauf hin, dass das Saufen bei den nicht-schlagenden Verbindungen oft als Ersatz zur Mensur dient.
Die Verbindungsvertreter verteidigen sich damit, dass es immer schwarze Schafe überall gäbe und sie immer nur mit den schlechtesten Beispielen konfrontiert werden. Es wird erklärt, dass das Dienerprinzip Ende des 18. Jahrhunderts abgesetzt wurde. Trotzdem müssen die Füchsen bei den Kneipen, die Getränke zapfen und den Gästen bringen.

Außerdem wurde gefragt, wie es abläuft, wenn Mitglieder oder Anwerber aus religiösen Gründen keinen Alkohol trinken wollen/dürfen. Die Verbindungsvertreter stellten klar, dass man keinen Alkohol konsumieren muss, wenn man nicht will, es gäbe auch Alternativen wie alkoholfreies Bier. Die Kritiker bemerkten jedoch, dass von sehr vielen Einzelfällen mit Alkoholkonsum, also dem Saufen-Kotzen-Saufen berichtet wird.

Die Vertreter der Verbindungen versuchten den Eintritt in Verbindungen damit zu erklären, dass man zum einen an günstigere Wohnungen kommen konnte, außerdem finde man nur auf diesem Wege Freunde fürs Leben und gerade im Studium bliebe man nicht nur in seiner Fakultät gebunden. Bei den Turnerschaften könne man zudem auch vom Sportangebot profitieren.
Die Kritiker bemängelten die Argumentation, da man diese beschriebene Freundschaft überall finden könnte und bei zu hohen Mieten müsste man woanders angehen.

Ricco, Vertreter der schlagenden Verbindung, wurde dann direkt zur Mensur befragt. Historisch bedingt war es die Verteidigung der Ehre mit scharfen Waffen, Revolver oder Degen. Doch heute ist es bei ihnen so, dass sie sich auf bestimmte Fechtkämpfe vorbereiten. Diese Kämpfe sind absolut mit Regeln durchzogen, fast schon choreografiert. Der Adrenalinschub macht diese Kämpfe laut Ricco so attraktiv. Yannick sah das als Begründung kritisch, da in Klausuren z.B. auch alles Gelernte abgerufen  werden müsse und der Adrenalinschub genauso da ist. Er versteht den Kampf mit scharfen Waffen nicht.

Ihren Abschluss fand die Diskussion mit einer kurzen Frage an alle: Wo seht ihr das Verbindungswesen in 20 Jahren? Die Antworten waren durchmischt, von im Museum bis hin zu mehr gemischten Bünden und weniger pflicht-schlagenden Verbindungen.

In der 45-minütigen Diskussionsrunde wurden Fragen, zur Gewaltbereitschaft gegenüber Verbindungsmitgliedern, nach den Grundwerten und der Hierarchie in Verbindungen gestellt. V.a. aber die Frage nach dem Beitrag zur studentischen Kultur, stand im Zentrum. Die Verbindungsmitglieder sahen Verbindungen als Teil der studentischen Kultur und solange sie Teil der Universität sind, sollten sie auch Werbung auf dem Markt der Möglichkeit machen dürfen.
Ein Kritiker merkte aber an, dass nicht die Verbindungen Teil der Universität sind, sondern die Verbindungsmitglieder, solange sie eingeschriebene Studenten sind. Außerdem wurde auf den finanziellen Hintergrund der Verbindungen aufmerksam gemacht, dieser könne zu sehr viel und beeinflussender Werbung genutzt werden, mit der kein studentischer Verein mithalten kann.

Zudem wurde der Wunsch nach klarer Positionierung gegen rechts und gegen Burschenschaften deutlich, wenn die Verbindungen das auch hier von sich selbst sagen können. Bis auf eine Provokation war die Diskussionsrunde den Umständen entsprechend sachlich und fair.

Pünktlich um 23:30 Uhr wurde die Veranstaltung dann für beendet erklärt. Nach der Diskussion wurden noch einzelne Nachfragen persönlich mit den Rednern ausgewertet. Die Stimmung nach der Veranstaltung wirkte aufgeheizt, aber dennoch blieb es ruhig.

Zusammenfassend kann man von einer sachlichen Diskussion sprechen, denn es kam so gut wie nie zu Zwischenrufen und auch die Redner ließen sich aussprechen und warteten ab, bis sie auf der Rednerliste dran waren. Ein wenig schwach wirkten die Erklärungsversuche der Verbindungsstudenten, bei der Frage, warum Verbindungen so reizvoll sind. Umgekehrt lieferte die schlagende Verbindung tiefere Einblicke in die heutige Mensur und die dabei einstudierte Choreographie. Yannick van der Sand und Peter Madjarov stachen mit gutdurchdachten Argumenten, aber auch kritischen Fragen an die Verbindungen heraus, während es bei Herrn Steiger zum Schluss nur noch hieß: Alle Verbindungen sind Nazis! Im letzten Teil mit dem Publikum ging leider viel Zeit an Fragen verloren. Viele Fragen wurden bereits angesprochen oder die Kundgabe der eigenen Meinung wurde als Frage getarnt. Im Großen und Ganzen ist man zufrieden. Spannend bleibt nun die Frage, wie der StuPa sich zum Beschluss der VV entscheiden wird, der von den Studierenden angenommen wurde, dass Verbindungen die Möglichkeit haben sollten, auf dem MdM einen Stand zu haben. 

Beitragsbilder: Philipp Schulz