Kino: gestern, heute und morgen

Darren Aronofskys „The Fountain“

Brad Pitt ließ sich einen Vollbart stehen. Im Jahr 2001 sollte in einem australischen Filmstudio die Aufnahmen zum Kinofilm „The Fountain“ oder „The Last Man“ wie der Arbeitstitel damals lautete, anfangen. Budgetrestriktionen, Drehbuchbearbeitungen und die Schwangerschaft der unter Vertrag stehenden Hauptdarstellerin Cate Blanchett verzögerten diese. Ein Jahr später erfolgte ein neuer Anlauf. Pitts Bart wuchs somit immer weiter. Doch im Juli 2002 die Überraschung: Der Darsteller verlässt die Filmproduktion und heuerte beim ehemaligen Tatort-Regisseur Wolfgang Petersen als Achilles an.

„The Fountain“ verlor somit seinen zugkräftigen Star. Trotz der angewachsenen Vorproduktionskosten wanderte der Film in die Konzeptionsphase zurück. Ein herber Schlag für den Regisseur und Drehbuchautor Darren Aronofsky.
Nach den beiden Spielfilmen „π“ und „Requiem for a Dream“ sollte der als psychologische Reise eines Mannes angekündigte Film ein weiter Schritt in der Karriere des jungen amerikanischen Filmemachers sein. Mit geringer finanzieller Ausstattung, dafür aber einer gehörigen Portion an Ideen, schuf er einzigartige Filmerlebnisse: „π“ beschreibt die Irrungen eines Mathematikers auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und „Requiem for a Dream“ stellt die Menschen als eine von Drogen bestimmte Art dar und zwar ohne mit der Moralkeule um sich zu hauen. Beide Werke entfalten ihre Wirkung besonders durch die Musik des Komponisten Clint Mansell und die Kameraarbeit von  Matthew Libatique. Beide Zutaten sind auch im dritten Kinofilm Aronofskys dabei. Obwohl der Regisseur für einige andere Filmprojekte im Gespräch war (Batman: Year One; Lone Wolf and Cub) hielt er an „The Fountain“ fest, war mit einem niedrigern Filmbudget, den neuen Darstellern Hugh Jackmann und Rachel Weisz und dem Drehen des Films in Kanada einverstanden.
Der Film wurde fertig gestellt, doch der Verleih Warner Bros. konnte diesen „The Fountain“ nicht begreifen. Jedenfalls nicht, um ein Marketingpaket für das Publikum zu schnüren, welches von vielen erfolgreich ausgepackt wird. Doch was ist denn das Problem des Films? In normalen filmischen Kategorien ist „The Fountain“ scheinbar nicht zu begreifen. Die Struktur der Handlung ist komplex, nicht auf den ersten Blick gradlinig darstellbar und die Bedingen der drei verschiedenen Filmrealitäten, obwohl es bei genauerer  Betrachtung nur eine ist,  Aufmerksamkeit fordernd. Die momentane Rezeption beschränkt sich sehr auf Verweise zu Odyssee im Weltraum. Dies wird weder Kubrick noch Afronofsky gerecht. Parallelen sind erkennbar, beide bedürfen des Montagepunktswechsels des Zuschauers, doch gilt „2001“ als Klassiker. Diese werden tautologisch erklärt. Afronofskys muss dagegen erst einmal Wirkungszeit gelassen werden. Abstand zum Werk, um tiefer einzudringen. Demontieren wir “The Fountain“ und hieven ihn auf den Olymp.

Geschrieben von Björn Buß

Kino: Die Dame trug schwarz

Park Chan-wooks „Lady Vengeance“

Lee Geum-ja hat nur ein Ziel in ihrem Leben. Rache an dem Mann zu nehmen, der die jetzt 32-jährige Frau veranlasste, ein Verbrechen zugestehen, dessen Täterin sie nicht war. Insgesamt 13 Jahre verbüßte sie für das Kidnapping und die Ermordung eines kleinen Jungen.

Lee Geum-ja hat nur ein Ziel in ihrem Leben. Rache an dem Mann zu nehmen,  der die jetzt 32-jährige Frau veranlasste, ein Verbrechen zugestehen, dessen Täterin sie nicht war. Insgesamt 13 Jahre verbüßte sie für das Kidnapping und die Ermordung eines kleinen Jungen.
Mit dem ersten Schritt in die wiedergewonnene Freiheit beginnt Lee ihren seit langem geplanten Rachefeldzug. Gefängnisfreundinnen werden kontaktiert und für ihren kühnen Plan eingespannt. Niemand kann ihre Bitten abweisen: Im Gefängnis galt sie als gutherziger Engel. Nun stellt sich aber heraus: Geum-ja ist eine Meisterin der Täuschung und als sie endlich ihrem Todfeind von Angesicht zu Angesicht gegenüber steht, potenzieren sich die Rachegelüste aufgrund plötzlichen Wissengewinns um ein Vielfaches.
Nach „Sympathy for Mr. Vengeance“ und „Oldboy“ bringt Regisseur Park Chan-wook seine vereinfacht ausgedrückte Rache-Trilogie mit „Lady Vengeance“ zum Abschluss. Waren in den beiden thematischen Vorgängern männliche Protagonisten rächend mit  den Plotwendungen übefordert, darf nun die weibliche, aber weniger sanfte Art der Rache bestaunt werden. Gekonnt klappt das Zusammenspiel von handwerklich geschulten Machern. Die Kamera ist nah an den Figuren, meist starr an ihrem Platz verankert und die Halbtotale findet fast ausschließlich in Szenen mit vielen Agierenden Verwendung. Montiert wird nicht das für jeden Sichtbare, sondern äquivalente Geschehnisse.
Zu Tränen rührt „Lady Vengeance“ nicht nur die leidgetragenen Figuren des koreanischen Dramas. Schon bevor deren  erste emotionalen Hüllen fallen, durchdrang dieses Gefühl den Zuschauenden und ermöglichte somit Ahnungen des Kommenden. Trist ist dieses nicht. Des Regisseurs Wunsch, die Idee eines femininen Gewaltdrangs nicht nur ehemaligen Videothekaren in Filmzitaten überhäuften Filmen zu überlassen, ist nur ein winziger, aber reiner Schluck aus der Quelle des asiatischen Films.

Geschrieben von Björn Buß

Kino: Hitlergruß und knallende Hacken

Dani Levys „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“

Komödie und Moral. Über Hitler lachen und gleichzeitig Gewissensbisse auf der Leinwand, den Führer umzubringen? Das kann nicht funktionieren, trotz 1A-Besetzung. Leider geht es allein um die letzten Tage des inzwischen recht machtlosen Hitler.

Der depressive Führer soll vom Schauspieler Adolf Grünbaum (Ulrich Mühe) motiviert, aber auch provoziert werden, um seine Neujahrsrede zu halten, in der das deutsche Volk zum Endsieg angetrieben werden soll. Handlungsort ist das zerbombte Berlin, das dem Führer mithilfe von extra angefertigten Requisiten als unbeschadete Stadt vorgegaukelt wird. In großen, weitläufigen Räumen seiner Residenz wird er beobachtet und getrimmt von den Nazi-Monstern Goebbels, Himmler und Speer (Sylvester Groth, Ulrich Noethen und Stefan Kurt).
Herausragende Darstellerleistungen liefern Sylvester Groth in der Rolle des knochentrockenen Propagandaministers („Das Lagerleben ist besser als sein Ruf.“) und Ulrich Mühe als jüdischer Schauspiellehrer Prof. Adolf Grünbaum, der eindeutig der Sympathieträger des Films ist. Sylvester Groth spielt eindringlich den wortgewandten Goebbels, wechselt blitzschnell vom durchbohrenden Blick auf Grünbaum zum bissigen Kommentar, ohne mit der Wimper zu zucken und er ist es, der vor allem die satirische Komponente des Films trägt.
Helge Schneider als Hitler wird von Grünbaum aus seiner Lethargie gerissen: „Die ewige Jugend ist in mich zurückgekehrt. Der Jud tut gut!“. Schneider, eher bekannt für seinen eigentümlichen Humor, gelingt es, den Führer als kindlich naives Opfer darzustellen. 
Ist Deutschland reif für eine satirische Verfilmung jüngster Geschichte? Es geht nicht um Massenmord und all die Grausamkeiten, sondern um ein persönliches Profil Hitlers als bemitleidenswerten Mensch, der somit der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Können wir darüber lachen? Dani Levy hat einen Film gewagt, der  mit ironischem Wortwitz statt Verharmlosung nicht einmal vor Mitgefühl mit dem Führer zurückschreckt. Aber „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ ist auch nicht die erste Satire auf das NS-Regime.
Doch die moralische Attitüde macht leider zunichte, was der Film hätte sein können. Zu sehr hindert die Familie Grünbaums als Gegengewicht zur Figur Hitlers den Film daran, bissiger und satirischer zu sein.

Geschrieben von Judith Küther

LEI – neue Gruppe feat. europäische Orientierung

Wer unter den Studierenden kennt nicht die Erasmus-/ Sokratesprogramme? Das Ticket in die weite Welt? Die Gelegenheit , einmal europäische Luft statt Boddenduft zu schnuppern und unkompliziert bei einer ausländischen Universität zu studieren, sei es im sonnigen Süden oder im hohen Norden? Doch wer kennt LEI?

Klingt beim ersten Hören vielleicht merkwürdig und sorgt für einen skeptischen Blick. Dabei verbirgt sich hinter diesen drei Buchstaben die „Lokale Erasmus Initiative“ – in ganz Europa wird das offizielle Austauschprogramm durch diese regionalen Gruppen unterstützt. Und nun ist es auch in Greifswald soweit. Knapp 17 Studenten schlossen sich Anfang November zusammen um die in Greifswald lebenden Erasmusstudenten zu unterstützen, zu betreuen und mit helfender Hand zur Seite zu stehen – als ergänzende, aber selbstständige Einheit des Auslandsamtes.
Die konstituierende Phase haben wir schon hinter uns und Fragen der Organisation, des Logos, der Ideen wurden von geplanten Events abgelöst.
Die größeren Aufgaben werden erst recht zum Beginn des neuen Semesters anfallen, dann nämlich, wenn wieder neue Studenten in die Stadt kommen und man mit einer ganz besonderen „Ersti-Erasmus-Woche“ die Austauschstudenten willkommen heißen wird – und hier sind wir auch auf die Unterstützung der Studierenden angewiesen.  Das bewährte Tutorenprinzip wird von sog. Buddy-Groups unterstützt: Kleingruppen die aus Greifswalder und Erasmusstudenten bestehen und nach Interessen gemixt werden. Jede Menge Spaß, neue Leute und Erkenntnisse sind hierbei garantiert.
Wer sich für unsere Arbeit interessiert oder in einer Buddy-Group mitmachen will – der kann sich einfach bei uns melden (lei@uni-greifswald.de) – oder direkt zu unserer Sitzung kommen (immer donnerstags, 18:30 Uhr im AStA-Gebäude, 3. Stock). 

Geschrieben von Kerstin Kowalzig

Kino: Amerikanischer Traum

Phil Joanous „Spiel auf Bewährung“

Sean Porter (Dwayne „The Rock“ Johnson) ist Aufseher in einem Gefängnis für minderjährige Schwerverbrecher. Er und sein Kollege Malcom Moore (Xzibit) werden täglich mit dem Kreislauf des Lebens im Ghetto konfrontiert.

Die meisten der jungen Insassen landen wieder in der Haftanstalt oder sterben auf der Straße. Trotzdem erobern die überwiegend farbigen Kids mit Gewalt und Beschimpfungen das Herz ihres Wärters. Porter beschließt, etwas gegen den Kreislauf zu unternehmen  und gründet eine Footballmannschaft – was sonst. Mit unschlagbaren Argumenten („Du musst das Unmögliche versuchen, wenn das Mögliche nicht funktioniert.“) stellt er sich heldenhaft den zweifelnden Institutionen. Schließlich tritt der selbsternannte Coach in Boot-Camp Manier („Ihr macht genau das, was ich will.“) den verschlossenen Häftlingen gegenüber. Doch ganz unvorhergesehen wird Porters größte Herausforderung das Team selbst. Die Spieler sind desinteressiert, haben kein Vertrauen in sich und andere und verlieren ihr erstes Spiel. Mit ein paar aufmunternden Worten macht der Trainer aus den Einzelkämpfern eine Gemeinschaft, so einfach ist das. Bandenkriege werden vergessen, der vorbestimmte Siegeszug durch die Highschool-Football-Liga beginnt. Aus zunächst recht glaubwürdigen Schicksalen werden in der Verwirklichung eines Traumes, der leider gar nicht ihr eigener ist, entindividualisierte Vorzeigesportler. Philosophische Ansprachen („Jetzt seid ihr Loser, aber egal wie das Spiel ausgeht, am Ende werdet ihr Sieger sein.“) geben dem Actionsportdrama – ja, so etwas gibt es – die nötige Bedeutungsschwere. Der auf einer wahren Begebenheit beruhende US-amerikanische Spielfilm kommt gänzlich ohne Überraschungen aus. Das ist praktisch, denn so bemerkt der Zuschauer nicht, dass Stereotype innovative Charaktere ersetzen. Da können auch die überzeugenden Nachwuchsdarsteller nichts mehr rausholen. Ausnahmetalent und Ex-Wrestler “The Rock” wirkt in der Rolle des Jugendstrafanstaltaufsehers neben dem Charakterdarsteller Xzibit geradezu virtuos. Was bleibt, ist ein brauchbarer Einblick in die den Europäern fremden Footballregeln. Wer diese jedoch schon kennt, kann den Eintritt sparen und stattdessen DVDs sortieren.

Geschrieben von Sarah Bechimer