Gastkommentar: Der kernlose Mythos Ernst Moritz Arndt

Die Anfrage zur Veröffentlichung dieses Kommentars erreichte uns bereits am vergangenen Montag, dem 8. März. Wegen personeller Engpässe und einiger technischer Unstimmigkeiten kommt es erst heute zu einer Veröffentlichung. Vorab konnte der Kommentar allerdings schon auf dem Fleischerovrstadtblog gelesen werden, von dem wir auch die Zwischenüberschriften übernommen haben.

Aus aktuellem Anlass weisen wir noch einmal darauf hin, dass Kommentare im Allgemeinen und Gast-Kommentare im Besonderen nicht die Meinung der webMoritz-Redakteure widerspiegeln.

Ein Gast-Kommentar von Alexander Köcher

Arndt auf dem Rubenowdenkmal

Am 17. März wird der Senat der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald über die Ablegung ihres Namenspatrons abstimmen. Viel ist in den vergangenen Monaten darüber debattiert worden und es ist damit ein Diskurs entstanden, der in diesem Zusammenhang höchst überfällig war. Ernst Moritz Arndt war ein antisemitischer Hetzer, Franzosenhasser und völkischer Nationalist, sagen die einen. Ernst Moritz Arndt war ein standhafter Vorkämpfer gegen Unterdrückung und für Demokratie und Freiheit, sagen die anderen.

Der Austausch der Argumente für diese divergierenden Positionen ist nicht immer sachlich verlaufen – so wie das bei politischen Debatten oft der Fall ist, weil das Politische auch von Befindlichkeiten lebt und eben häufig agonistisch statt konsensual funktioniert. Deshalb ist die vielfach angebrachte Kritik an der Debattenkultur, wie sie sich hier vollzogen hat, unberechtigt. (mehr …)

Mittwoch: Showdown in der Arndt-Debatte

Am kommenden Mittwoch, dem 17. März, wird der Senat der Universität aller Voraussicht nach darüber entscheiden, ob sich die Universität von ihrem Namenspatron Ernst Moritz Arndt trennt oder ob sie ihn behält. Für die Namensablegung wäre die Zweidrittelmehrheit der 33 Senatoren erforderlich.

Der webMoritz wird über den Kurznachrichtendienst Twitter (hier klicken) über den Verlauf und das Ergebnis der Debatte live berichten.

Mit der Entscheidung findet die vor neun Monaten auf der Sommer-Vollversammlung der Studierendenschaft begonnene Debatte über das Für und Wider des umstrittenen Patrons zumindest ein offizielles Ende. Ob auch die streitendenden Initiativen, die Gruppe “Uni ohne Arndt” sowie die “Pro Arndt AG”, im Anschluss an die Entscheidung ihren öffentlichen Disput beenden werden, bleibt abzuwarten.

“Offizielle Arndt-Abschieds-Feier” auf dem Rubenowplatz

Logo "Uni ohne Arndt"

Vorher wird es auf jeden Fall noch einmal zur Sache gehen: Die Initiative “Uni ohne Arndt”, die den Namensstreit im vergangenen Sommer wieder auf die Tagesordnung gesetzt hatte und die Urabstimmung initiiert hatte, wird auf dem Rubenowplatz im Vorfeld der Senatssitzung ab 12 Uhr eine “offizielle Arndt-Abschieds-Feier” abhalten, wie es in einer Mitteilung auf der Homepage der Initiative heißt.

Was die Initiative dazu befugt, “offizielle” Feiern abzuhalten, sei zwar dahingestellt, geplant ist die Veranstaltung offenbar als Kundgebung gegen den Namenspatron. Sebastian Jabbusch erklärte dem webMoritz auf Anfrage, man habe nicht vor, eine übermäßig große oder laute Veranstaltung abzuhalten. Die Arndt-Gegner wollten lediglich Präsenz zeigen, womöglich ein wenig Musik machen und ihre Position abschließend noch einmal unterstreichen. Da man ja nicht wisse, ob Arndt tatsächlich verabschiedet werde, habe man sich auch von dem Namen der Feier wieder distanziert. Auf der Homepage der Initiative wird er derzeit aber noch verwendet. (mehr …)

Der Senat diskutiert über den Namenspatron

Die Debatte um den Namenspatron der Greifswalder Universität ging am vergangenen Mittwoch in die letzte und vermutlich entscheidende Runde. Nach dem die vom Senat speziell zu diesem Zweck eingesetzte Kommission ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte, wurde dieser unter den Senatoren noch einmal besprochen. Die zehn Kommissionsmitglieder hatten sich am Ende nicht durchringen können, eine Empfehlung an das höchste universitäre Gremium zu geben. Stattdessen hatte man noch einmal verschiedene Materialien zur Debatte zusammengestellt und eigene Texte mit den Argumenten für und wider Arndt vorgelegt.

Thomas Schattschneider

Sitzungsleiter (und gleichzeitig Kommissionsvorsitzender) Thomas Schattschneider bat zu Beginn des Tagesordnungspunktes allerdings darum, diese Argumente nicht noch einmal einzeln zu diskutieren. Vielmehr sollte Gelegenheit gegeben werden Rückfragen und eventuelle Ergänzungen anzubringen. Er erklärte weiterhin die Kommission habe unter anderem deswegen keine abschließende Empfehlung abgeben wollen, weil sich die Mitglieder nicht noch stärker als bisher öffentlichen Schmähungen und Diffamierungen aussetzen wollten.

Zusätzlich zum Bericht der Kommission lagen dem Senat Gutachten über die rechtliche Grundlage für eine eventuelle Namensänderung und die geschätzten Kosten einer solchen vor. Diese beiden Papiere sind bisher nicht veröffentlicht worden. Klar ist jedoch, dass allein der Senat für die Namensgebung zuständig ist, nicht wie zu Anfang der Debatte behauptet das Bildungsministerium. Für eine solche Änderung benötigt es allerdings eine 2/3-Mehrheit. Die Kosten einer Umbenennung wurden in dem entsprechenden Gutachten auf 100.000 Euro geschätzt. Über welchen Zeitraum die Umstellung von Briefköpfen u.Ä. in diesem Plan erfolgen soll ist jedoch nicht bekannt.

Auf Nachfrage erläuterten die Arndt-Befürworter und Kommissionsmitglieder Dr. Dirk Alvermann und Dr. Irmfried Garbe ihr Sicht auf die Kritik am universitären Namensgeber: Arndts Werk weise zwar rassistische und antisemitische Passagen auf, ihn jedoch vordergründig als Rassisten und Antisemiten zu sehen, werde seinem Gesamtwerk nicht gerecht. Auch Senator und Altrektor Prof. Jürgen Kohler machte sich für den umstrittenen Freiheitsdichter stark. Arndt wäre eine Kämpfernatur gewesen und habe für seine Überzeugungen viele Repressalien ertragen. Daran hätten sich, so Kohler, im Jahr 1933 einige Professoren ein Beispiel nehmen sollen.

Professor Hubertus Buchstein

Gegen Arndt argumentierten vor allem Senator Professor Hubertus Buchstein. Er erklärte in seinem Fachbereich, der Politischen Ideengeschichte, sei Arndt keineswegs umstritten. Wenn überhaupt so werde er dort als “rhetorisch begabter Propagandist mit fremdenfeindlichem und antisemitischem Gedankengut”  betrachtet. In den meisten Standartwerken finde Arndt jedoch gar keine Beachtung. Auch Senator und Anti-Arndt-Aktivist Sebastian Jabbusch erneuerte seine Kritik am Patron der Universität.

Von Professor Patrick Bednarski wurden die hohen Kosten einer möglichen Namensänderung kritisiert. Seiner Auffassung nach, sei das Gutachten noch sehr optimistisch. Er frage sich ob das Geld an anderer stelle nicht besser aufgehoben sei. Professor Werner Stegmaier erklärte man müsse sich im Klaren darüber sein, dass es in dieser Entscheidung keinen Kompromiss gebe. Der Senat riskiere mit der Entscheidung entweder die regionale Bevölkerung oder die bundesweite Presse zu verärgern, eines von beiden müsse man wohl in Kauf nehmen. Professor Hannelore Weber sprach von der Wahl zwischen “einem linken und einem rechten blauen Auge.”

Der stellvertretende Senatsvorsitzende Thomas Schattschneider erklärte er erwarte zur Sitzung des Senats am 17. März Anträge zur Namensfrage.

Bilder:

Foto Schattschneider – Sandro Teuber

Foto Prof. Buchstein – Ulrich Kötter

Eilmeldung: Namenkomission des Senats legt Bericht vor

Am Freitagvormittag hat die Namenskommission des Akademischen Senats der Universität Greifswald ihren lang ersehnten Bericht vorgelegt. In den vergangenen Monaten haben die insgesamt zehn Mitglieder sich mit den Argumenten für und gegen den universitären Namenspatron Ernst Moritz Arndt auseinandergesetzt. In zwei öffentlichen Anhörungen wurde weiteren Wissenschaftlern und den Greifswalder Bürgern die Möglichkeit gegeben Stellung zu nehmen.

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Die Komissionsmitglieder Schattschneider und Weber bei der Anhörung vor zwei Wochen

Das Ergebnis der Arbeitsgruppe endet dabei gespalten. Die Mitglieder konnten sich nicht einigen, ob sie am Ende des Prozesses eine Empfehlung geben wollen und haben es aus diesem Grund letztendlich nicht getan. Im dem kurzen Abschlussbericht heißt es:

In ihrer abschließenden Sitzung am 27. Januar 2010 debattierte die Kommission über die Frage, ob die Kommission eine konkrete Empfehlung an den Senat abgeben sollte und welche Wirkung damit verbunden wäre. Eine Abstimmung darüber, ob die Kommission durch ein Votum eine Empfehlung an den Senat abgeben sollte, ergab 4 JA- und 4 NEIN-Stimmen. Die übrigen zwei Kommissionsmitglieder konnten an der Sitzung nicht teilnehmen. Die Kommission gibt somit insgesamt – entgegen ihrem Arbeitsauftrag – keine abschließende Empfehlung an den Senat.

Der Bericht wird flankiert von gut sechzig Seiten Material in denen die Kommission ihre eigene Arbeitsgrundlage erläutert, Arndt-Kritiker wie -Befürworter noch einmal zu Wort kommen. Zudem liegt der Materialsammlung ein umfangreicher Pressespiegel zum Thema bei.

Die nicht vorhandene Empfehlung könnte ein erneuter Rückschlag für die Initaitive Uni ohne Arndt sein. Der Kommissionsvorsitzende (und Senator) Thomas Schattschneider hatte Anfang Januar noch angekündigt er wolle sich im Senat gegen Arndt aussprechen.  Dies hatte bei Arndt-Gegnern Hoffnungen geweckt, die Kommission und schließlich auch der Senat könnten sich trotz des Ergebnisses der studentischen Urabstimmung gegen Arndt entscheiden.

Mehr Informationen zum Bericht der Arbeitsgruppe findet ihr in den kommenden Tagen auf dem webMoritz.

TITEL Die alten Herren vom Laberverein – Senatsöffentlichkeit

Der Senat soll alle seine Dokumente auf einer Internetseite veröffentlichen, doch bis heute ist nichts passiert. Die Senatoren fürchten um ihre Macht.

Landesweit findet eine Machtverschiebung statt, die vor Jahren begann und nun immer mehr zu Tage tritt. Die einst so wichtigen Senate werden durch das aktuelle Landeshochschulgesetz immer mehr in ihrer Macht beschränkt, die wichtigen Entscheidungen treffen mittlerweile die Rektoren. Inzwischen sind die Senatoren sogar froh, wenn sie überhaupt noch über bestimmte Vorgänge informiert und angehört werden. Doch auch diese letzte Bastion, dass der Senat in allen wichtigen Fragen informiert wird, droht zu fallen.

Es entscheidet sich in der Diskussion um die Frage, wie öffentlich das gesagte Wort im Senat ist. Es geht um das eigentümliche Demokratieverständnis einiger Universitätsfunktionäre und darum, wer auf die Entscheidungen der Universität Einfluss nehmen darf und wer nicht. Der Senat ist das Parlament der Universität und das zweite zentrale Gremium neben dem Rektorat. In ihm sitzen Vertreter der Hochschullehrer, Mitarbeiter und Studierenden der Universität. (mehr …)