Deutsch-polnische bilaterale Beziehungen: ein ambivalentes Verhältnis

Deutsch-polnische bilaterale Beziehungen: ein ambivalentes Verhältnis

Die deutsch-polnischen bilateralen Beziehungen sind ambivalent und befinden sich momentan im Wandel. Schon seit einigen Jahren führen Polen und Deutschland einen sehr aktiven Handel miteinander, von dem beide Staaten profitieren. Der Regierungswechsel in Polen im letzten Jahr könnte die Handelsbeziehungen noch verstärken. Die neue Regierung steht für enge Zusammenarbeit mit anderen EU-Staaten. Mit der nationalistischen Vorgänger-Regierung der PiS-Partei, die zunehmend autoritär herrschte, stand Deutschland immer wieder im Konflikt. Doch auch nun gibt es Unstimmigkeiten, besonders in Bezug auf die mecklenburg-vorpommersche Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und ihre frühere deutsch-russische Handelspolitik.

Trotz bisheriger politischer Konflikte ist Polen schon seit mehreren Jahren der fünftgrößte deutsche Handelspartner. Umgekehrt ist Deutschland sogar Polens größter Handelspartner. Deutschland exportiert vor allem Chemieprodukte und Maschinen nach und importiert vor allem Autos und Autoteile aus Polen. 2020 Betrug der Wert der zwischen Deutschland und Polen gehandelten Waren zwischen 100 und 150 Milliarden Euro; 2022 waren es fast 170 Milliarden. Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft gibt gegenüber der Tagesschau an, dass er sich durch den Regierungswechsel in Polen eine weitere Ausweitung der Handelsbeziehungen erhofft. Unter der Vorgängerregierung hatte es immer wieder Spannungen zwischen Polen und Deutschland und Polen und der Europäischen Union gegeben. Die neue Regierung von Ministerpräsident Donald Franciszek Tusk (“Platforma Obywatelska”, PO, Bürgerplattform) ist ein Bündnis von drei Fraktion, die ein linkes, liberales und konservatives Spektrum umfassen. Sie ist klar pro-europäisch ausgerichtet.

Mecklenburg-Vorpommern und Polen

Besonders bedeutend sind die deutsch-polnischen Beziehungen in den Grenzregionen, also auf deutscher Seite neben Brandenburg auch in Mecklenburg-Vorpommern. Entsprechend pflegt das Bundesland auch politische regionale Partnerschaften mit den polnischen Wojewodschaften Westpommern und Pommern. Zudem besteht eine grenzüberschreitende Partnerschaft mit Polen im Rahmen mehrerer politischer Gremien. Die Industrie- und Handelskammer Neubrandenburg engagiert sich in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Polen besonders der Wojewodschaft Westpommern. In Stettin betreibt sie das “Haus der Wirtschaft”, um Unternehmen vor Ort zu beraten.

Mecklenburg-Vorpommerns Reaktionen auf den polnischen Regierungswechsel

Der vorhergesehene Regierungswechsel nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse im Oktober 2023 wurde von mecklenburg-vorpommerschen Kommunalpolitiker:innen positiv beschrieben. Zwar seien die Beziehungen im lokalen und regionalen Kontext auch zuvor schon recht gut gewesen, Konflikte mit der nationalen polnischen Regierung hätten jedoch immer wieder eine Belastung dieser Verhältnisse verursacht. Man hoffe, dass sich dies nun unter der neuen nationalen Regierung ändere. Ministerpräsidentin Schwesig hoffte, dass sich dadurch neben den lokalen auch die deutsch-polnischen Verhältnisse verbessern werden. So könne man als benachbarte Länder Probleme gemeinsam lösen.

Ministerpräsidentin Schwesigs abgesagter Polen-Besuch

Nun gibt es jedoch wieder Konflikte, deren Gegenstand Ministerpräsidentin Schwesigs frühere Russlandpolitik ist. Bis unmittelbar vor dem Beginn des Ukrainekriegs hatte sie sich für Bau und Inbetriebnahme der Gaspipeline Nordstream 2 aus Russland ausgesprochen. Diese war in Polen immer wieder kritisiert worden, weil Deutschland damit Russland unterstützt habe, was dort nicht gut angekommen war. Dennoch wurde Ministerpräsidentin Schwesig als Bundesratsvorsitzende im November 2023 vom polnischen Senat zu einem Staatsbesuch im Februar 2024 eingeladen. Diese erklärte dazu, sie wolle die deutsch-polnischen Beziehungen verbessern und vertiefen. Vor kurzem kam es deshalb jedoch in Polen zu größeren Protesten gegen diesen Besuch. Die oppositionelle PiS-Partei rief dazu auf und sprach sich öffentlich dagegen aus, Ministerpräsidentin Schwesig zu empfangen. Ihre pro-russische Außen- und Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit spreche dagegen.

Nachdem die Deutsche Welle berichtet hatte, dass der Staatsbesuch in Polen aufgrund dieser Dynamiken wohl nicht stattfinden könne, gab der Leiter der mecklenburg-vorpommerschen Staatskanzlei Patrick Dahlemann (SPD) bekannt, dass die Reise aufgrund der derzeitigen Situation dort momentan nicht möglich sei. Er betonte auch, dass dies keine “politischen” Hintergründe habe. Dennoch wurde die Ausladung in Deutschland auch als Affront gewertet. Einen Tag später erklärte die Kanzlei des polnischen Senats, dass gute Verhältnisse zum Bundesrat bestünden und die Reise zu einem späteren Termin nachgeholt werde. Wegen der “Dynamik anderer politischer Ereignisse” sei eine Koordination der Termine derzeit schwierig, worin der Grund für die Absage bestehe. In einem Bericht vom 19. Januar 2024 deutete der Norddeutsche Rundfunk die deutsche Übersetzung der Pressemitteilung als Zeichen für ein “diplomatisch schwieriges Gelände”. Die mecklenburg-vorpommerschen Landesoppositionsparteien äußerten Verständnis für die polnische Kritik an Ministerpräsidentin Schwesig. Der Europaabgeordnete der Grünen-Fraktion Niklas Nienaß aus Rostock forderte sie deshalb dazu auf, sich bei den Polen zu entschuldigen.

Resumé

Auf lokaler und regionaler Ebene bestehen in der deutsch-polnischen Grenzregion schon seit Jahren gut und enge Kontakte. Die nationalistische und zunehmend autoritäre nationale polnische Regierung hatte die politischen Beziehungen auf dieser Ebene jedoch zunehmend erschwert. Wirtschaftlich entstanden dennoch enge Verknüpfungen und Handelsbeziehungen. Durch die neue pro-europäische polnische Regierung erhoffen sich viele in Deutschland und im Besonderen auch in Mecklenburg-Vorpommern eine weitere Annäherung und Verdichtung der bilateralen Verhältnisse und Kooperationen. Die laut Kritiker:innen pro-russische Auslands- und Wirtschaftspolitik der mecklenburg-vorpommerschen Landesregierungen und Ministerpräsidentin Schwesigs erschweren dies jedoch weiterhin. Forciert wird das durch den weiterhin hohen Einfluss der PiS-Partei in Polen. Wie sich die Beziehungen weiter entwickeln werden, bleibt daher abzuwarten.

Beitragsbild: Allan Kant

Ein Hoch auf die Nachbarschaft – der PolenmARkT geht in die nächste Runde

Ein Hoch auf die Nachbarschaft – der PolenmARkT geht in die nächste Runde

Angefangen hat alles mit einem polnischen Kulturabend im Keller der Slawistik. 26 Jahre später hat sich daraus längst ein viel größeres Kulturereignis entwickelt – der PolenmARkT, ein Festival, das mit einem vielfältigen Programm einen Einblick in die polnische Kultur bietet, so fern wie möglich von Mainstream und Klischeés.

Greifswalder*innen jeden Alters können sich also freuen, wenn graue Novembertage ab dem 16.11. wieder einem bunten Nachbarschaftsfest weichen. Bereits an diesem Abend gibt es bei der feierlichen Eröffnung um 18 Uhr im Alfried-Krupp-Kolleg neben der Verleihung eines Förderpreises für deutsch-polnische Zusammenarbeit und musikalischer Begleitung die erste Lesung zu hören. Joanna Bator liest aus ihrem Buch “Gorzko, Gorzko” (2022, dt. Bitternis), in dem die Protagonistin ihrer düsteren Familiengeschichte auf den Grund geht.

Literarisch ist aber noch einiges mehr geboten in den nächsten zwei Wochen, etwa mit “Das späte Leben” von Inga Iwasiów oder “Teraz tu jest nasz dom. Hier ist jetzt unser Zuhause” von Barbara Gawryluk, das auch in einer eigenen Kinderlesung in der Stadtbibliothek vorgestellt wird. Neben Lesungen gibt es auch Konzerte unterschiedlichster Genres, von einem Punk-Abend im Klex über die Songwriterin Kathia zum Jazzpianisten Alex Marek.

Wer nicht bis Donnerstag warten will, kann bereits am 15.11. mit “The Landscape of fear” in der STRAZE den ersten Film sehen, der außer einem Kurzfilmabend der Kunstakademie Krakau auf dem Programm steht.

Zusätzlich gibt es Vorträge sowohl zur polnischen Geschichte als auch zur aktuellen politischen Situation, zum Beispiel zu den Wahlen im Oktober.

Begleitend zum Festival werden drei Ausstellungen gezeigt: Im Kulturschaufenster ausgewählte Fotografien von Michał Żak, dessen Kunstinstallation “Good luck” gerade im Kunstkubus zu sehen ist. Im Foyer des Ernst-Lohmeyer-Platzes 6 werden mit “Ukraine 2022-2023” Szenen und Orte gezeigt, die der freiwillige Helfer Marcin Staniewski aus dem Auto heraus bei Fahrten durch die Ukraine festgehalten hat. Und wer nicht nur Fotografien sehen will, kann sich stattdessen die Kunstwerke von Małgorzata Ragan im PKB Kunstladen anschauen.

Das Wichtigste im Überblick:
Was? PolenmARkT
Wann? 16. – 30. November
Wo? Übersicht der Veranstaltungen im Programmheft

Beitragsbild: polenmARkT e.V.

Kurioses aus Polen – Kulturvermittlung mal anders

Kurioses aus Polen – Kulturvermittlung mal anders

Es ist schon kalt. Der Herbst hat auch Polen, wo ich bereits seit mehreren Jahre lebe, schon voll im Griff. Aber Herbst, Polen? Da war doch was! Genau, das polenmARkT-Festival in Greifswald. Das Programm ist wieder sehr reichhaltig und zumeist sind die Eintrittspreise, sofern denn welche verlangt werden, bezahlbar. Schon 25 Jahre hat das Festival auf dem Buckel. Gerne will ich daher traditionell auch etwas zum Thema Polen beisteuern.

Der PolenmARkT versuchte und versucht stets die polnische Kultur in Deutschland bekannter zu machen bzw. zu vermitteln. Teilweise war ich selbst direkt am PolenmARkT beteiligt. Auch außerhalb dieses Festes war ich in diesem Bereich tätig. Nahm ich Studierende mit nach Polen – und damit meine ich nicht die “Region” des eigentlichen Polenmarkts -, dann waren sie immer ziemlich erstaunt, wie das Leben dort so abläuft, wie weit die infrastrukturelle Entwicklung im Vergleich zu Deutschland ist. Natürlich wurden dann auch schon bereits eher ausgelutschte Themen wie “Essen in Polen” usw. zum Gesprächsthema. Ich will sie an dieser Stelle auch nicht wieder aufwärmen. Ich möchte einfach mal den Fokus auf eine interessante und für Deutsche eher unbekannte Sache legen sowie eine andere Möglichkeit aufzeigen, sich der polnischen Kultur zu nähern.

Es gibt da einen ziemlich kuriosen Ort in Polen und zu diesem nehme ich die Leserschaft nun einmal mit. Dabei nähere ich mich dem Thema über das Groundhopping. Nun startet ein kleiner Exkurs: Groundhopping ist ein Hobby, das in Deutschland ungefähr ab der zweiten Hälfte der 90er-Jahre langsam intensiver betrieben wurde. Es geht bei diesem Konglomerat aus Fernweh, Sport und Planungskunst hauptsächlich um das “Sammeln” von Stadien. Das Ziel ist das Spiel. Es ist eine besondere Form des Tourismus. In der Regel sammeln Groundhopper*innen nach einem gesehenen Fußballspiel in einem Stadion, in dem er oder sie allerdings zuvor noch nicht gewesen ist, einen neuen Stadionpunkt. Stolz erscheint in einer angelegten Liste, die sich dann weiter und weiter füllt, ein neuer Stadionname mit Ort, Datum usw. So verhält es sich auch mit Ländern – ein neues besuchtes Land mit Spiel bedeutet einen neuen Länderpunkt.

Nachdem die ersten Pionier*innen der Stadionsammelei dann auch Reiseführer herausgaben, nahm die Begeisterung für dieses Hobby stetig Fahrt auf. Mittlerweile ist das Spektrum an Magazinen und Blogs relativ breit gefächert.
Polen wurde ebenso schon in den 90ern bereist. Es galt damals allerdings noch als ein Exot. In einer Zeit, in der das Internet noch nicht zum Alltag gehörte, war es mühsam, an Anstoßzeiten zu kommen. Im Videotext wurden die Termine der ersten Liga für das kommende Wochenende erst Mitte der Woche veröffentlicht. Glücklich waren diejenigen, die einen polnischen Sender empfangen konnten. Ansonsten war nach der Einreise auf blauen Dunst der Gang zum Zeitungsregal eine Möglichkeit, die Spielzeiten wenigsten aus einer Tageszeitung erfahren zu können.
Aus eigener Erfahrung: Wir hatten im Ort einen polnischen Berufsschüler, der über einen Kumpel wusste, wann in seiner Stadt gespielt wurde. So kam ich vor gefühlten 100 Jahren zu meinem ersten Spiel in Polen. Mittlerweile stellt aber z.B. die Plattform “Europlan-Online” hilfreiche Links und Fotos von Stadien zur Verfügung. Selbst in Polen, wo das Hobby zunächst suspekt war, hat sich mittlerweile eine kleine Szene entwickelt, die nicht, wie sonst üblich, mit einem Verein von Ort zu Ort pilgert, sondern sich genau diese Sammelleidenschaft von Stadien auf die Fahne geschrieben hat.

Die Stadionvielfalt in Polen ist ziemlich bunt, denn meist hat jeder Sportplatz auch einen architektonischen Ausbau (Tribünen, Tribünchen, Bänke auf Hügeln, Käfig usw.). Ebenso lassen sich unterschiedliche Baustile bestimmten Epochen zuordnen. Leute, die “Schüsseln” – also ziemlich große alte Stadien – wie in Słupsk, Będzin oder Piła “abgehakt” haben, haben hautnah die Überreste der Vorkriegszeit, Relitke des goldenen Zeitalters des Kohleabbaus und die Monumentalität des Kommunismus erfahren können. Was allerdings nicht so stark besetzt ist, das ist die Sparte der Stadien mit spektakulären Hintergründen – der Sportplatz Helgoland (zwischen Meer und Felswand gelegen) und das Stadion in Rijeka (malerisch am Meer) grüßen hämisch aus anderen Ländern herüber. Polen hat nur im weiten Süden hohe Berge. Ein Stadion mit Meerblick gibt es seit dem Abriss des deutschen Sportplatzes in Misdroj (heute Międzyzdroje) auch nicht mehr. Aber der Platz mit dem wohl eindrucksvollsten Hintergrund in ganz Polen ist dann wohl wahrscheinlich das kleine Stadion von Strażak Licheń Stary.

Licheń Stary befindet sich nördlich von Konin, welches wiederum zwischen Łódź und Poznań zu verorten ist. Hier gibt es den schlichten Sportplatz eines von Feuerwehrmännern gegründeten Vereins. “Strażak” bedeutet “Feuerwehrmann”. Von der Straße aus gesehen befindet sich der Platz, der hier schon seit 1999 existiert, direkt hinter der  Feuerwache. Eine Seite bietet ein Tribünchen, sodass das Publikum während des Spiels sitzen kann. Von der Eckfahne der „Windmühlenseite” aus – hinter dem Platz befindet sich eine Windmühlenruine – ergibt sich die beste Möglichkeit, den atemberaubenden Blick auf das Ensemble der angrenzenden Gotteshäuser zu genießen. Das Auge erkennt hier die Türme und Dächer der heiligen Quelle, der Kirche der heiligen Dorothea, der Kirche der Mutter Gottes von Częstochowa und insbesondere der Basilika. Sie ist die größte Basilika in Polen, und besitzt ebenso auch die größte Orgel im ganzen Land. Der Vorplatz bietet Raum für eine gigantische Anzahl von 250 000 Leuten.

Dass ausgerechnet hier ein solches Bauwerk errichtet wurde, das selbst von der Landesstraße 92 sehr gut zu erkennen ist (Was für ein gigantischer Anblick!), hat natürlich auch einen Grund. Dieser führt bis in die Zeit der napoleonischen Kriege zurück. Ein Schmied wollte nicht fern der Heimat sterben. Da erschien ihm Maria. Er überlebte, und einige Zeit später – wieder daheim – stellte er ein Marienbildnis auf. In der Umgebung gab es später noch weitere Marien-Erscheinungen, weshalb der Ort nun erst recht zum Pilgerort wurde. Dieser Ort, an dem die Maria erschien, trägt bis heute eine Markierung (natürlich nachträglich bearbeitet). Ein Besuch lohnt sich, auch für Hardcore-Religionsmuffel.  

An Sonntagen herrscht demzufolge auf dem Sportplatz von Strażak Licheń Stary eine Atmosphäre, die Besucher*innen wohl am seltensten bei einem Fußballspiel antreffen. Durch die musikalische Begleitung der Gottesdienste bekam schon so manches Spiel nicht nur einen religiösen Touch, sondern auch einen kulturellen. Ein Spiel hier um 12:00 am Sonntag ist wahrlich ein Schmaus für die Sinne. Feinste Orgelklänge dringen in so unglaublich schöner Art in die Ohren ein. All das gibt es zum Nulltarif, denn in den unteren Ligen wird meistens kein Eintrittsgeld verlangt. Die Gemeinden und Städte spenden Vereinen in der Regel ein paar Taler für anfallende Unkosten, sodass häufig jede Person, die will, auch das Spiel sehen kann. Der Verein Strażak Licheń Stary spielt in der Okręgowa, was ungefähr der Bezirks- bzw. Landesklasse entspricht (Liga 7). Zur Ekstraklasa ist es also noch ein ganz weiter Weg.
Schade ist, dass es daher kein Ticket für die Sammlung gibt. Man kann es verschmerzen, denn Andenken verschiedenster Art gibt es zuhauf im Ort, der natürlich touristisch mitzog, zu kaufen. Seit der Fertigstellung der Basilika (erkennbar an der großen Kuppel) im Jahre 2004 natürlich noch umso mehr. Wer als Tourist*in Souvenirs mag, wird also mit Sicherheit bei dieser heiligen Stätte fündig werden.

Übrigens ist derzeit der Platz für Fotos von Licheń Stary auf der Platform „Europlan-Online“ noch nicht belegt. Also, angehende Groundhopper*innen! Wer will zuerst…?

Noch ist Polen nicht verloren – Schulter an Schulter im 2-Meter-Abstand in Krisenzeiten

Noch ist Polen nicht verloren – Schulter an Schulter im 2-Meter-Abstand in Krisenzeiten

Wie auch die Radioaktivität ist das, was die ganze Welt aktuell beschäftigt, nicht erkennbar, doch scheinbar permanent um uns herum. Ich möchte nicht werten oder beurteilen. Mir steht das auch nicht zu. Als Vertreter der Presse ist es in erster Linie das Anliegen, eine einfache Lagebeschreibung abzugeben. Ganz konkret ist meine Aufgabe eine blanke Darstellung der Situation von meinem aktuellen Standort in Polen. Auch liegt mir dabei ein Abschreiben von anderen Medien fern. Ich möchte lediglich einmal aufzeigen, wie sich das Leben schlagartig verändert hat. Wo fange ich an? Wo höre ich auf? Ich gehe einfach zum 12. März zurück.

An diesem Tag wurde der Ausnahmezustand ausgerufen. Eine Erhöhung des Status sollte in den kommenden Wochen folgen. Schon in den Tagen zuvor schlossen sich die Türen von Theatern, Museen, Schulen und weiteren öffentlichen Einrichtungen. Die Regierung empfahl den Betrieben, Firmen und Konzernen alles dafür zu tun, dass ihre Leute nicht gezwungen werden, den täglichen Weg zur Arbeit antreten zu müssen. Daran wurde sich auch gehalten. An jenem Freitag, der 12. März war ein Donnerstag, waren schon kaum noch Leute an den Straßenbahn- und Bushaltestellen, wo sonst morgens Massen aussteigen, zu sehen. Ältere Leute und Erziehungsberechtigte brauchten ohnehin nicht mehr vor die Tür.

Was mich angeht: In der Zeit vor dem Homeoffice und der beginnenden Panik stieg ich auch um, als ich den Weg mit der Straßenbahn gegen den Spaziergang zur Arbeit eintauschte. Das war der positive Nebeneffekt in der ganzen Situation. Viele Bilder, die mir sonst verborgen gewesen wären, wurden nun sichtbar. Drei Punkte fielen mir besonders auf: Ganz unscheinbar gibt es sogar noch ein paar Reste deutscher Sprache an einer Hauswand, die einst zu einem Geschäft gehörte. Die Fans von Lech Poznań tobten sich mit Spraydosen in manchen Straßen doch ziemlich gut aus. Und in die Reihe der kuriosen Wandverzierungen ordnete sich ein Hundeabbild über einer Toreinfahrt ein. Apropos Einfahrt: Wollte ich das Land verlassen, müsste ich mich bei Rückkehr für zwei Wochen in Quarantäne begeben. Das Osterfest in der Heimat entfällt für mich auch in diesem Jahr.

Und dann kam das Homeoffice! Der tägliche Weg bei Wind und Wetter entfiel, es blieb mehr vom Tag und am Wochenende konnte man sowieso noch vor die Tür. So kam es zu einer kuriosen Situation. Während zur Hauptverkehrszeit kaum noch Autos auf der Straße waren – schaut euch mal das Bild an (!) – tummelten sich in den Wäldern Menschenmassen. Und ich übertreibe da nicht einmal. Der Weg in mein geliebtes Reservat glich einer Autobahn. Es war klar, dass das nicht lange so anhalten würde.

Aufgrund der steigenden Werte wurde seitens der Regierung dann so gut wie alles gestrichen. Die Arbeit der Polizei wurde durch eine Quarantäne-App erleichtert. Anfangs war die Polizei nur beschäftigt, die Einhaltung von Quarantäne-Auflagen zu überprüfen, sodass es sogar den Aufruf an die Langfingergemeinschaft gab, kriminelle Aktivitäten doch vorübergehend ruhen zu lassen. Nebenbei fährt die Polizei mit Lautsprecherautos durch die Städte und fordert die Leute auf, das Haus nicht zu verlassen. Die Präsidentschaftswahl steht an, da möchte man zeigen, dass hier in Gefahrensituationen nichts anbrennen kann. Das Volk steht geschlossen hinter diesen Entscheidungen. Auch hier in der Hochburg der Opposition loben die Leute, jedenfalls diejenigen, mit denen ich hier Kontakt habe, die Festlegungen. Was heißt das nun für mich konkret? An Spaziergänge und Abenteuer in den Wäldern ist aktuell nicht zu denken. Ich darf noch einkaufen, zur Apotheke und zum Arzt.

Die Supermärkte haben sich auf die Situation eingestellt. Die Angestellten sitzen hinter einer Glaswand, auf dem Boden sind Markierungen und Leute dürfen nur begrenzt hineingelassen werden, dafür wurden aber die Öffnungszeiten verlängert. In manche Läden dürfen sogar nur einzelne Personen. An Medikamente zu kommen, ist weiterhin kein Problem. Rezepte werden hier von der Praxis aus über das Handy ausgestellt – verschlüsselt durch einen Code, mit dem die Apothekenfrau (bisher habe ich hier noch keine Männer in einer Apotheke gesehen) mir dann das passende Präparat aushändigt. Dringende Arztbesuche entfallen jetzt natürlich. Mein Zahnarztbesuch muss dann leider etwas warten. Was ich mit meinem Haar mache, steht noch in den Sternen. Friseurgeschäfte wie andere kosmetische Einrichtungen wurden zum Stillstand gezwungen.

Und sonst? Langeweile kommt nicht auf. Es ist gut, dass ich einen Balkon habe. So kann ich dann doch noch die Sonnenstrahlen – insbesondere am Abend – genießen und Leute beobachten, die ihre Hunde ausführen und jene, die in einem Abstand von 2 Metern laufen müssen oder müssten. Dabei kommt es durchaus schon zu kuriosen Szenen. Ich kam von der Mülltonne und eine Frau eilt mich sehend flinken Fußes ins Haus. Wer nun denkt, sie hätte mir die Türe aufgehalten, der irrt. Im Haus drückt sie aber dann die Tasten des Fahrstuhls … Ich dagegen wähle die Treppen – ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein in meinem täglichen Sportprogramm. Ansonsten habe ich mir mal wieder ein Buch vorgenommen. Sonst komme ich kaum dazu. Auch andere Lektüre fiel mir beim Aufräumen auf. Soziale Kontakte halte ich über mein Handy, das mich durch die Info des Anbieters in der Ecke jeden Tag daran erinnert, im Haus zu bleiben. Auch das Backen von Brot steht bei mir wieder auf dem Plan. Kulinarisch hat die ganze Phase, die dann hoffentlich auch mal wieder endet, ein paar positive Nebeneffekte. Es schmeckt einfach lecker.

Ganz so gut geht es aber nicht allen. Die ersten in meinem Bekanntenkreis klagen bereits über Entlassungen und Probleme beim Zahlen der Mieten. Die Solidarität ist aber groß. Mit enormen Leistungen unterstützen die Fußballfans und Pfadfinderverbände wie gewohnt Krankenhäuser und alte Menschen.

Es bleibt spannend. Denn Ostern als das wichtigste Fest der Polen kommt bald.

Beitragsbilder: Michael Fritsche
Banner: Julia Schlichtkrull

PolenmARkT und Fußball passt wie fettige Wurst zu Salzgurken

PolenmARkT und Fußball passt wie fettige Wurst zu Salzgurken

Nun sind zwar schon ein paar Tage seit meiner Abreise aus Greifswald ins Land gezogen, aber der Blick richtet sich häufig noch auf die webmoritz-Seite, auch die pdf-Version des Magazins ziehe ich mir gerne. Obwohl ich jetzt hier in Polen Wurzeln geschlagen habe, interessiert mich das Geschehen an alter Wirkungsstätte – eine Heimat war Mecklenburg-Vorpommern für mich als Märker allerdings nie so richtig. Ick sage immer noch kleen anstatt lütt. Und so besteht auch nach wie vor das Interesse am PolenmARkT.

Im letzten Jahr wurde der Grundstein für die interkulturelle Fußballveranstaltung des Greifswalder Kulturfestes gelegt, diese Tradition gilt es nun auszubauen. Der SV 90 Görmin unterstützte 2018 tatkräftig dieses Vorhaben, richtete die Veranstaltung in seinem Peenetal-Stadion aus und wurde nun nach Szczecin zum Verein Czarni 44 Szczecin eingeladen.

Während das Leben in Vorpommern noch tief schlief, zog ich mir die Schuhe an und lief zur Haltestelle. Polen hat sich in den letzten zehn Jahren rasend schnell entwickelt. Es beginnt schon bei der Bushaltestelle. Früher war es manchmal ein Schuss ins Blaue, ob ein Bus kommt oder nicht. Teilweise gab es keine Information über den Abfahrtsort. Jetzt ist alles haargenau im Netz und an der Tafel zu lesen. Bei der Eisenbahn bzw. dem Bahnhof geht es weiter. Der ehemalige Ort Klebstoff schnüffelnder Jugendlicher ist heute ein steril wirkendes Gebäude mit Einkaufszentrum. Die Ticketpreise bei der polnischen Bahn sind sehr human. Das Wochenendticket ist in den letzten 15 Jahren nur um ca. 10 zl im Preis gestiegen (81 zl). Und wie sieht es in dieser Kategorie in Deutschland aus…? Vieles ist hier im Alltag wesentlich besser organisiert und gestaltet. Die Gastfreundlichkeit ist darüber hinaus enorm. Das galt es heute wieder unter Beweis zu stellen.

Während der Bus aus Görmin auf die A20 fuhr, war von meinem modernen Zug aus, in dem man auf Knopfdruck einen Haken für seine Kleider bekommt, Szczecin schon in Sichtweite. Ein paar Stündchen später gab es dann ein großes Wiedersehen mit Freund*innen aus Polen, aus der Slawistik, aus Görmin und aus der deutschen Fußballwelt – hier im kleinen Stadion an der ul. Hoża. Wir befinden uns hier im traditionsreichen Nordteil der Stadt (Stichwort: Aufstand 1970, Werft). Am Stadion nagt der Zahn der Zeit, was an vielen Ecken sichtbar ist. Dieser Umstand wurde trotzdem als äußerst charmant und positiv aufgenommen. Es ist einfacher und authentischer Fußball. Der savannenartige Rasen passte sich den heutigen Witterungsbedingungen an. Über ein Auftauchen von Löwen und Zebras hätte sich niemand mehr gewundert.

Ohne großes Trara ging es gleich ans Eingemachte. Bei Görmin wurde im Vergleich zum letzten Jahr stark aufgerüstet. Es war ein Mix aus erster und zweiter Mannschaft. Nach zähem aber fairem Kampf stand es nach 90 Minuten 0:0. Die eine oder andere Chance war nett anzusehen, doch ließen die Torhüter auf beiden Seiten nichts anbrennen. Und wenn der Torwart schon geschlagen war, dann half das Aluminium. Kurz vor Schluss knallte der Ball noch einmal so richtig bis nach Deutschland hörbar an den Pfosten von Czarni, bevor die Entscheidung im Elfmeterschießen getroffen werden musste. „Nein! Keine Verlängerung!“, kreischte der weibliche Anteil des 30-köpfigen Gästetrosses. Kurz und schmerzlos mit einigen schönen Paraden beider Torhüter wanderte der Siegerpokal in die Hände des SV 90 Görmin. Czarni Szczecin ging auch nicht leer aus und konnte sich über einen kleineren Pokal freuen. Das Ergebnis war schnell vergessen. Noch fix das Foto beider Mannschaften gemacht, ehe gemeinsam gespeist und geplaudert wurde. Die Kohle glühte längst während des Spiels, da waren die Würste später nur noch Formsache. Für Vegetarier*innen bzw. Abnehmwillige wurden klassisch polnisch sehr schmackhafte Schnellgurken gereicht. Während die Akteure noch schmausten, rief bereits die Heimfahrt nach mir.

Eine Punktlandung wäre übertrieben, viel später hätte ich dennoch nicht im Zug sein dürfen. Bei untergehender Sonne tuckerte das Eisenross der älteren Generation nun gen Osten. Wie früher. Muffige Polster, 8er-Kabinen und Schiebetür. Schuhe aus und sich in die Horizontale begeben. In der tiefen Nacht erreichte auch ich dann mein Domizil, während in Görmin schon lange alles fest schlief.

Fotos: Michael Fritsche