So zeigt Greifswald Gesicht gegen Rassismus

So zeigt Greifswald Gesicht gegen Rassismus

Am Samstag, den 13. Januar 2024, haben rund 1300 Menschen auf dem Greifswalder Marktplatz gegen Rassismus und Diskriminierung demonstriert. Ein Bündnis aus Universität, Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Einrichtungen, Kirchen und gesellschaftlichen Vereinen hatte im Rahmen der neuen Kampagne “Gesicht zeigen gegen Rassismus” dazu aufgerufen. Hier könnt Ihr nachlesen, wie es war und was (zusammengefasst) gesagt wurde.

Es ist 14:30 Uhr an einem regnerischen Januarwochenende. Mitten auf dem Marktplatz ist eine Leinwand aufgebaut, darauf zu sehen: das von Jeff Osuji designte Banner der Kampagne. Drumherum versammelt eine Menschenmenge, so groß wie es in Greifswald selten der Fall ist: 1300 Menschen sollen gekommen sein – das sind etwa 2,2 % der Greifswalder Einwohner*innen. Prozentual sind das mehr Teilnehmende als bei der Demo gegen Antisemitismus und Rassismus im Dezember in Berlin. Anlass ist jedoch ein ähnlicher: In letzter Zeit wurde vermehrt über rassistisch motivierte Übergriffe berichtet. Aber es ist auch klar, dass dies kein Problem ist, das erst mit dem Israel-Gaza-Krieg oder der Diskussion um die Geflüchtetenunterkünfte im letzten Jahr in Greifswald begonnen hat. Bei der Demonstration berichten viele Greifswalder*innen von ihren Erfahrungen der letzten Jahre oder erzählen, wie wichtig auch die internationalen Kolleg*innen für die Region sind.

Prof. Dr. Katharina Riedel, Rektorin der Universität Greifswald, eröffnet die Demonstration gemeinsam mit Jada Ladu, Student der Universität Greifswald. Sie bedankt sich, dass so viele Menschen trotz des schlechten Wetters gekommen waren und die Kampagne unterstützen. Sie habe die Kampagne initiiert, nachdem Jada Ladu im Herbst 2023 “unsägliche” rassistische Angriffe auf ihn publik gemacht hatte. Auch Jada Ladu bedankt sich, dass heute ein “so starkes Zeichen gegen Rassismus gezeigt werden kann.” Er habe auch mit anderen betroffenen Studierenden gesprochen und festgestellt, dass sich die rassistischen Übergriffe vor allem nach der Debatte um die Geflüchtetenunterkünfte in Greifswald verschärft haben. Prof. Dr. Katharina Riedel ergänzt, dass auch Dozierende von rassistischen Angriffen berichtet haben – sowohl im Uni-Kontext als auch außerhalb der Universität. Außerdem erwähnt sie den tätlichen Angriff auf eine jordanische/syrische Familie Ende letzten Jahres, bei dem die Täter in eine Wohnung eingedrungen sind und zwei Personen verletzt haben. Zudem betont sie: Auch Antisemitismus zähle heute dazu. Rassismus schade dem Image und widerspreche den Grundsätzen der Menschlichkeit.

Auf dem Bildschirm werden alle Partner*innen der Kampagne gezeigt. Darunter unter anderem alle wissenschaftlichen Einrichtungen Greifswalds. Auch Katapult unterstützt die Kampagne und hat eine Grafik erstellt mit den Ländern, aus denen Greifswalder Uniangehörige stammen – es zeigt sich: es gibt wenige Länder, aus denen keine Studierenden und Kolleg*innen kommen. Die Grafik ist auch auf Instagram zu sehen.

Prof. Dr. Katharina Riedel vergleicht die Stadt mit einem Ökosystem: Sie sehe in der Ökologie, dass Vielfalt gut sei und das sei auch auf das “Ökosystem” Greifswald übertragbar.

“Als Biologin weiß ich diese Diversität zu schätzen.”

Prof. Dr. Katharina Riedel, Rektorin der Universität Greifswald

Ruth Terodde, zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Universität Greifswald, moderiert die Veranstaltung und richtet ebenfalls ein paar Worte an die Versammelten. Sie habe mit Blick auf das Wetter nicht mit vielen Menschen gerechnet, aber sei nun “echt stolz” auf die Stadt. Sie sagt, die Kampagne sei “nötig und wichtiger und aktueller denn je”.

“Die Provokationen von gestern dürfen nicht die Normalität von heute werden.”

Ruth Terodde, Zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Universität Greifswald

Bettina Martin, Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten, ist Schirmherrin der Kampagne und zeigt sich in einer Videobotschaft. Sie betont, dass rassistisch motivierte Angriffe nicht in Ordnung sind und aufgestanden werden muss für eine demokratische Gesellschaft ohne Rassismus. Sie wünsche sich eine Welt, in der niemand zum Beispiel aufgrund von Herkunft, Kultur oder Aussehen diskriminiert wird. Sie sei sich sicher, dass es mehr Menschen gebe, die ebenfalls dahinterstehen.

Auch Dr. Stefan Fassbinder, Oberbürgermeister der Stadt Greifswald, ist in einer Videobotschaft zu sehen. Er betont, dass Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art, Angriffe auf die Menschlichkeit seien und der Stadt schaden. Ohne die betroffenen Menschen wäre Greifswald arm – sie seien nötig für eine gesicherte Zukunft und wichtig für die Stadt.

“[Es] ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass sich alle wohlfühlen.”

Dr. Stefan Fassbinder, Oberbürgermeister der Stadt Greifswald

1. Kurzgespräch: Welche Stadt wollen wir sein?

Ruth Terodde spricht mit Homaira Adeel und Jada Ladu. Homaira Adeel ist afghanische Feministin und Aktivistin. Sie ist selbst geflohen und ist Vorsitzende des Migrantenbeirats Greifswald. Zudem ist sie Gründerin des Vereins ASNA e. V., der sich für die Rechte von persisch sprechenden Frauen einsetzt. Jada Ladu ist in Kenia aufgewachsen und kam zum Studium nach Greifswald. Er ist in vielen Gremien beteiligt und ist als Vertreter der Studierendenschaft Mitglied mit beratender Stimme im Migrantenbeirat.

Die erste Frage wird an Jada Ladu gestellt: Er ist das Gesicht der Kampagne – was war sein Ziel, als er im letzten Jahr seine Erfahrungen publik gemacht hatte? Jada Ladu antwortet, es sei einfach mal an der Zeit gewesen, es sei quasi in ihm übergekocht. Er spricht auch von der Erfahrung, dass er kaum Beistand von Zivilist*innen während oder unmittelbar nach den Angriffen bekommen habe. Da habe sich dann viel Frust aufgebaut. Schließlich habe er entschieden, mit der Ostseezeitung zu sprechen. Und seitdem habe er von immer mehr Betroffenen gehört, die oft sogar noch Schlimmeres erlebt haben – vor allem, wenn mehrere Diskriminierungsmerkmale zusammenfielen.

Die nächste Frage wird an Homaira Adeel gestellt: Sie habe selbst schlimme Fluchterfahrungen gemacht und arbeite nun mit geflüchteten Frauen zusammen – ist Greifswald für sie ein sicherer Hafen? Homaira Adeel antwortet, dass dies keine leichte Frage sei. In Greifswald leben 6000 Menschen mit Migrationshintergrund, die alle unterschiedliche Geschichten und Leben haben. Sie könne jedoch von ihren eigenen Erfahrungen und von Gesprächen mit Anderen reden. Greifswald gebe Sicherheit, vor allem vor dem weshalb die Menschen geflohen sind. Aber es gäbe auch Probleme. Sie selbst sei zum Studieren nach Greifswald gekommen und habe rassistische Erfahrungen sowohl an der Uni als auch außerhalb gemacht. Außerdem erzählt sie von einer Diskussion über eben diese Kampagne bei einer Frauengruppe in der letzten Woche: Viele überlegen, Greifswald wieder zu verlassen. Sie müssen sich überlegen, möchten sie hier bleiben und kämpfen oder lieber in eine sicherere Stadt mit weniger Herausforderungen ziehen? Es gebe zudem Rassismus-Erfahrungen, die nicht anerkannt und über die nicht geredet wird. Auch kritisiert sie, dass es keine Beratungsstelle für Opfer von Rassismus in der Stadt gebe.

2. Kurzgespräch: Kultur ohne Grenzen

Marcus Hoffmann, Referent im Rektorat der Universität Greifswald, spricht mit Prof. Dr. Clemens Räthel und Oliver Lisewski. Prof. Dr. Clemens Räthel ist Lehrstuhlinhaber für Fennistik und Skandinavistik und zudem Festivalleiter des Nordischen Klangs. Oliver Lisewski ist Chefdramaturg am Theater Vorpommern.

Die erste Frage richtet sich an Prof. Dr. Clemens Räthel: Warum sei Kultur das richtige Medium gegen Rassismus? Prof. Dr. Clemens Räthel antwortet, dass durch Kultur Begegnungsräume geschaffen werden und bisher Unbekanntes kennengelernt werden könne. Als er neu in der Stadt war, habe er gemerkt, dass man durch Veranstaltungen, wie den Nordischen Klang, auch die Stadt besser kennenlernen könne. Man könne zusammen tanzen, diskutieren und in den Austausch treten.

Die nächste Frage richtet sich an Oliver Lisewski: Er arbeitet in einem internationalen Team – wie sehe dort die Zusammenarbeit aus? Oliver Lisewski antwortet, dass sie ohne die internationalen Künstler*innen nicht das aktuelle Repertoire zeigen könnten. Sie würden zudem versuchen, die Internationalität für mehr Vielfalt zu zeigen.

Eine dritte Frage richtet sich ebenfalls an Oliver Lisewski: Sind Vorfälle von den internationalen Künstler*innen berichtet worden? Oliver Lisewski antwortet, dass es vor allem im Ballett und Orchester internationale Bewerber*innen gebe. Eine Häufung an rassistischen Angriffen sei noch nicht berichtet worden, jedoch könne das noch kommen und das würde auch dem Ruf des Theaters schaden. Zudem weist er darauf hin, dass Greifswald eine Hansestadt ist, sich also über internationale Beziehungen definiert.

3. Kurzgespräch: Wissenschaft braucht Weltoffenheit

Christian Suhm, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Alfried Krupp Wissenschaftskolleg, spricht mit Diclehan Ulucan, Dr. Dina Raafat und Prof. Dr. Thomas Klinger. Diclehan Ulucan ist Promovierende am Institut für Mathematik und Informatik an der Universität Greifswald. Dr. Dina Raafat ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Immunologie an der Universitätsmedizin Greifswald. Prof. Dr. Thomas Klinger arbeitet am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik und ist zudem wissenschaftlicher Direktor des Alfried Krupp Wissenschaftskolleg.

Christian Suhm stellt eine Frage an alle drei Gesprächspartner*innen: Warum sei Rassismus inakzeptabel und welche Maßnahmen sollten unternommen werden? Diclehan Ulucan antwortet, dass Rassismus die Gesellschaft schwäche. Gerade in der Wissenschaft sehe man, dass international besetzte Themen effektiver seien. Sie wünscht sich zudem ein Kulturfest in Greifswald, bei dem verschiedene Kulturen vorgestellt werden könnten. So könne gezeigt werden, wie gut und schön Vielfalt eigentlich ist. Dr. Dina Raafat appelliert, dass eine Hochschule idealerweise ein sicherer Raum sein sollte – nur dann könne man sich sicher fühlen und gut arbeiten. Sie schlägt vor, zuerst zu gucken, wo das Problem liege, wo der Rassismus herkomme, und dann dort anzusetzen. Es sei wichtig, dahingehend mehr zu sensibilisieren, dass Leute aus verschiedenen Kulturen kommen und da auch viel Potential liege. Prof. Dr. Thomas Klinger betont ebenfalls, dass Rassismus menschlich und moralisch völlig inakzeptabel und daneben sei. Alle brauchen Wissenschaft, sie sei gut für uns. Am Max-Planck-Institut stammen etwa ein Drittel aus der ganzen Welt. 60 % der Doktorand*innen haben einen internationalen Hintergrund. Er betont, Rassismus sei nicht die Zukunft. Ohne die Internationalität würde es das Max-Planck-Institut und das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg nicht geben. Er wünscht sich einen Aufruf an die ganze Stadt für mehr Offenheit und Neugier.

4. Kurzgespräch: Fachkräftemangel in der Region – Expert*innen in der Krankenversorgung und Pflege
willkommen?

Steffen Fleßa, Lehrstuhlinhaber für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement an der Universität Greifswald, spricht mit Fatima Sevde Acikgöz, Prof. Dr. Uwe Reuter und Dr. Elpiniki Katsari. Fatima Sevde Acikgöz ist Medizinstudentin im fünften Semester. Prof. Dr. Uwe Reuter ist der ärztliche Vorstand der Unimedizin Greifswald. Dr. Elpiniki Katsari ist Herzchirurgin an der Klinik für Unfall-, Wiederherstellungschirurgie und Rehabilitative Medizin.

Die erste Frage wird an Fatima Sevde Acikgöz gestellt: Fühlt sie sich hier willkommen? Fatima Sevde Acikgöz antwortet, dass sie sich damals sehr über die Zusage für das Medizinstudium in Greifswald gefreut, und sich gleich ein idyllisches Leben an der Küste vorgestellt habe. Die Realität sähe aber anders aus. So habe sie zum Beispiel rassistische Erfahrungen mit Lehrkräften gehabt. Sie müsse jeden Tag neu beweisen, dass sie deutsch ist.

Auch die nächste Frage richtet sich an Fatima Sevde Acikgöz: Möchte sie nach den hiesigen Erfahrungen wieder zurück ins Rheinland und was müsse man dagegen tun? Fatima Sevde Acikgöz antwortet, dass ihre Erfahrungen hier es nicht leicht machen würden zu bleiben. Sie sehe allerdings auch die Probleme der Gesundheitsversorgung im ländlichen Bereich und könne sich schon vorstellen, in dem Bereich zu arbeiten. Daher könne sie diese Frage nicht endgültig beantworten.

Die nächste Frage richtet sich an Dr. Elpiniki Katsari: Wie sehe sie den Fachkräftemangel? Dr. Elpiniki Katsari antwortet, dass der Fachkräftemangel ein großes Problem sei. Viele wichtige Termine, wie zum Beispiel OP-Termine, müssen verschoben werden, weil nicht genug Personal da sei.

Die nächste Frage richtet sich ebenfalls an Dr. Elpiniki Katsari: Wie sähe es in der Herzchirurgie ohne internationale Fachkräfte aus? Dr. Elpiniki Katsari antwortet zunächst mit ein bisschen Statistik: etwa 30 bis 40 Prozent der Herzchirurg*innen hätten einen internationalen Hintergrund. Es müsse bewusst werden, dass auch sie wichtig sind und unbedingt erhalten bleiben sollten.

Eine weitere Frage wird an Prof. Dr. Uwe Reuter gestellt: Wieviele Mitarbeiter*innen der Universitätsmedizin Greifswald haben einen Migrationshintergrund? Prof. Dr. Uwe Reuter antwortet, dass über 200 Mitarbeitende aus 64 verschiedenen Ländern an der UMG arbeiten.

Die letzte Frage wird ebenfalls an Prof. Dr. Uwe Reuter gestellt: Wie sähe es aus, wenn es keine internationalen Mitarbeitende geben würde? Prof. Dr. Uwe Reuter antwortet, das die UMG auf die internationalen Mitarbeitenden angewiesen sei. Es gäbe so schon einen Mangel an Personal in allen Bereichen. Außerdem nehme die Geburtenrate ab, während die Bevölkerung immer älter wird. So brauche es mehr Pflegekräfte. Ohne die internationalen Fachkräfte sei die Gesundheitspflege und vor allem die Altenpflege nicht sichergestellt.

5. Kurzgespräch: Bleiben wir lieber unter uns? Tourismus und Wirtschaft

Prof. Dr. Annelie Ramsbrock, Prorektorin für Personalentwicklung, Organisation und Diversität, spricht mit Heiko Miraß, Peter Mosdorf und Jeff Osuji. Heiko Miraß ist der parlamentarische Staatssekretär für Vorpommern und das Östliche Mecklenburg. Peter Mosdorf ist der Geschäftsführer der Brasserie Hermann. Jeff Osuji ist Grafikdesigner, kommt aus Nigeria und ist seit 2021 in Greifswald. Prof. Dr. Annelie Ramsbrock stellt ihn so vor, dass Jada Ladu zwar das Gesicht der Kampagne sei, Jeff Osuji der Kampagne jedoch ein Gesicht verliehen habe. Er hat nämlich die Banner der Kampagne designt.

Die erste Frage wird Jeff Osuji gestellt: Welche Erfahrungen habe er in Greifswald gemacht? Jeff Osuji antwortet zunächst, dass es gerade ein besonderer Moment sei, so viele Gesichter zu sehen. Aber auch er habe rassistische Erfahrungen in Greifswald machen müssen. Besonders einprägsam sei es gewesen, als er gerade einmal drei Monate in Greifswald war: ein alter Mann mit einem Beutel sei auf ihn und seine Freundin zugekommen und er habe ihm Hilfe angeboten. Der Mann habe jedoch zu seiner Freundin gesagt, dass schwarze Männer nichts wert seien. Das habe sehr wehgetan. Normalerweise habe er unterwegs Kopfhörer auf und kriege es so nicht so mit, wenn jemand eine rassistische Bemerkung mache, oder könne es so besser ausblenden. Aber in dem Moment sei er dem schutzlos ausgeliefert gewesen.

Die folgende Frage wird ebenfalls Jeff Osuji gestellt: Möchte er denn in Greifswald bleiben? Er antwortet, dass er da schon drüber nachgedacht habe. Letztendlich habe er sich aber dazu entschieden, vorerst zu bleiben, denn er habe hier auch tolle Menschen kennengelernt und die seien ihm wichtiger.

Die nächste Frage richtet sich an Peter Mosdorf: Welche Erfahrungen habe er mit internationalen Leuten und Rassismus in der Küche und an den Tischen gemacht? Peter Mosdorf antwortet, dass jeder Mensch irgendeine Art an Rassismus an sich hätte und erzählt, dass in der Küche der Brasserie Hermann vier Mitarbeitende aus unterschiedlichen Ländern arbeiten, die sich humorvoll ständig übereinander lustig machen würden. Er sagt, ohne Menschen aus anderen Ländern, würde es Gastronomie auf diese Art nicht geben. Oft würden diese Menschen auch die Jobs machen, die viele Deutsche gar nicht machen wollen. Zudem gebe es auch viele internationale Gäste. Da sei es völlig uninteressant, welche Herkunft oder Geschlecht jemand habe – sie alle haben ein Bedürfnis. Die Menschen in der Gastronomie, würden das Leben bunt machen.

Prof. Dr. Annelie Ramsbrock wirft ein, dass es nicht optimal ist, wenn die internationalen Leute vor allem die Arbeit machen, die die Deutschen nicht machen wollen. Besser wäre es, wenn sich das gleichmäßig aufteile. Dem stimmt Peter Mosdorf ebenfalls zu.

Die letzte Frage richtet sich an Heiko Miraß: Welche Erfahrungen habe er gemacht? Heiko Miraß antwortet, dass es ihm widerstrebe, dass diese Kampagne nötig sei – dabei sei die Internationalität so wichtig. Er habe die Erfahrung gemacht, dass Firmen, bevor sie Migrant*innen einstellen, fragen, ob sie da etwas beachten müssten. Dabei müsse man sich einfach “gesittet und anständig” verhalten, damit das funktioniere.

Kommende Veranstaltungen

Ruth Terodde bedankt sich bei allen Redner*innen und erwähnt, dass zu jedem Thema noch viel mehr gesagt werden könne. Dazu sei eventuell bei den kommenden Aktionen Zeit.

Dr. Michael Schöner, Antidiskriminierungsbeauftragter der Universität Greifswald, stellt die bereits geplanten Veranstaltungen und Aktionen der Kampagne vor:

  • Vom 11. bis 24. März 2024 finden die internationalen Wochen gegen Rassismus in Greifswald statt, bei der es einige Aktionen geben wird
  • Es soll eine Plakataktion mit dem Design von Jeff Osuji in der ganzen Stadt geben.
  • Es soll eine Broschüre mit Informationen für Betroffene von Rassismus geben.
  • In Zusammenarbeit mit den Alfried Krupp Wissenschaftskolleg wird es eine Vortragsreihe passend zum Thema geben. Die ersten Vorträge sind am 21. Mai und 3. Juni, jeweils um 18 Uhr.
  • Es sind Workshops geplant, bei denen es um die Stärkung von Personen, die Rassismus ausgesetzt sind, geht, und Workshops, bei denen es um die Sensibilisierung, Rassismus im Umfeld wahrzunehmen, und um den Umgang mit eigenem Rassismus geht.

Falls Ihr von Rassismus betroffen seid, könnt Ihr Euch bei dem Antidiskriminierungsbeauftragten der Uni, Dr. Michael Schöner, melden. In dieser Richtlinie der Uni ist außerdem festgehalten, wie mit Diskriminierung jeglicher Art umgegangen wird.

Beitragsbild: Juli Böhm

Greifswalder*innen entscheiden im Juni über Geflüchtetenunterkünfte

Greifswalder*innen entscheiden im Juni über Geflüchtetenunterkünfte

Bereits vor der außerordentlichen Bürgerschaftssitzung Ende März diesen Jahres sammelten Greifswalder*innen Unterschriften, um einen Bürgerentscheid zu erreichen. Die Unterschriften sind nun ausgezählt. Das Rechtsamt der Stadt und auch das Innenministerium haben ihre Stellungnahmen abgegeben. Die Bürgerschaft hat nun den Bürgerentscheid zugelassen. Im Juni wird es einen Bürgerentscheid zu den geplanten Geflüchtetenunterkünften geben. Doch erst einmal von vorn:

Nachdem die Thematik um das geplante Containerdorf im Ostseeviertel aufkam, taten sich Greifswalder Bürger*innen zusammen und sammelten Unterschriften mittels Bürgerbegehren, um einen Bürgerentscheid zu erzwingen. Solch ein Bürgerbegehren benötigt Unterschriften von 10 Prozent der Bürger*innen einer Gemeinde, mindestens jedoch 4.000 Unterschriften von Bürger*innen, die in dieser Gemeinde gemeldet sind.

Am Donnerstag, den 13. April 2023, gab die Pressestelle der Universitäts- und Hansestadt Greifswald bekannt, dass die notwendige Mindestanzahl von 4.000 Stimmen erreicht wurde. Wie die Stadt mitteilte, wurde die Auszählung der Unterschriften nach 5.200 geprüften Unterschriften, von denen 4.100 gültig waren, abgebrochen, da die notwendige Mindestanzahl erreicht wurde.

Das Bürgerbegehren

Am 9. März 2023 wurde ein Bürgerbegehren gestartet. Die Petition richtete sich gegen die Errichtung von Containerdörfern in der Hansestadt. Diese konnte an 36 verschiedenen Standorten unterzeichnet werden – darunter viele Tankstellen und einige Friseurläden. Innerhalb kurzer Zeit erreichten die Initiatoren laut eigener Aussage 7.000 Unterschriften.

Während der außerordentlichen Bürgerschaftssitzung am 28. März 2023, deren Ergebnis in diesem Artikel des webmoritz. nachzulesen ist, wurden die Unterschriften bereits geprüft. Neben der Unterschrift muss der Wohnsitz mit niedergeschrieben werden. Anschließend musste für jede abgegebene Unterschrift dieser Wohnsitz nochmals einzeln abgefragt werden. Das dauert etwas.

Das Ergebnis wurde anschließend an die Bürgerschaft weitergereicht. Die Stadtverwaltung arbeitete außerdem bereits einen Organisationsablauf aus. Auch dieser ging an die Bürgerschaft. Diese trat am Donnerstag, den 20. April 2023, zusammen und beschloss den Bürgerentscheid sowie den Organisationsablauf.

How To Bürgerentscheid

Der Bürgerentscheid findet nun am 18. Juni 2023 statt. Von 8 Uhr bis 18 Uhr haben Greifswalder Bürger*innen die Möglichkeit ihre Stimme zu der Frage “Sind Sie dafür, dass im Eigentum der Universitäts- und Hansestadt Greifswald stehende Grundstücke zwecks Errichtung von Containerdörfern zur Unterbringung von Geflüchteten an den Landkreis Vorpommern-Greifswald verpachtet werden?” abzugeben. Die Stadtverwaltung hat für den Bürgerentscheid bereits eine Seite erstellt, auf der alle wichtigen Informationen zu finden sind. Stimmberechtigt sind alle Bürger*innen (sofern sie die deutsche Staatsbürgerschaft haben oder EU-Mitglied sind), die das 16. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens 37 Tagen ihre Hauptwohnung in Greifswald gemeldet haben. Wer stimmberechtigt ist, wird nochmals einen Brief von der Stadt bekommen, in dem unter anderem steht, in welchem der 24 Lokale die Stimme abgegeben werden darf.

Der Bürgerentscheid ist am Ende angenommen, wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen mit “Ja” stimmt. Allerdings müssen mindestens 25 % aller Stimmberechtigten ihre Stimme abgegeben haben. Stimmengleichheit gilt als “Nein” und sollte der Bürgerentscheid negativ ausfallen, liegt die Entscheidung bei der Bürgerschaft.

Das Wichtigste ist jedoch das Folgende: Für diesen Bürgerentscheid benötigt die Stadt nun knapp 200 Helfende, die in den Abstimmungslokalen unterstützen. Diese Helfenden müssen auch stimmberechtigt sein. Über diese Seite könnt ihr euch verbindlich als Abstimmungshelfer*innen für den Bürgerentscheid anmelden. Die Helfenden erhalten eine Aufwandsentschädigung von 40,00 € für ihre Tätigkeit an diesem Tag.

Beitragsbild: Laura Schirrmeister

Demonstrationen wegen Geflüchtetenheim – Eskalierende Proteste und Suche nach alternativen Unterbringungsmöglichkeiten

Demonstrationen wegen Geflüchtetenheim – Eskalierende Proteste und Suche nach alternativen Unterbringungsmöglichkeiten

Seit Ende Februar sucht der Landkreis Vorpommern-Greifswald eine Unterbringungsmöglichkeit für mehrere hundert Geflüchtete. Diese werden dem Landkreis wie in allen deutschen Kommunen vom Bund zugewiesen. Die Kommunen müssen dann deren Unterbringung organisieren. Die Überlegungen des Kreistags gingen mit mehreren Demonstrationen und Gegendemonstrationen einher, die teilweise unangemeldet stattfanden und am 27. Februar im Ostseeviertel heftig eskalierten. Aufgrund dieses eskalierten Protests und Uneinigkeiten der politischen Entscheidungsträger*innen wird weiter nach der bestmöglichen Lösung gesucht.

Erst fünf Tage vor den Protesten, am 22. Februar, wurde von Landrat Michael Sack (CDU) bei einer Pressemitteilung angekündigt, dass man nun kein Containerdorf in Pasewalk mehr plane, sondern eines in Greifswald entstehen solle. Darüber war zuvor nicht öffentlich diskutiert worden. Stattdessen war eine Geflüchtetenunterkunft für etwa 300 Personen in Pasewalk angezielt worden, weshalb die dortige Stadtverwaltung ebenfalls am 22. Februar beschloss, sich bei ihrer nächsten Sitzung Anfang März 2023 damit näher zu befassen. Schon hierbei kam es zu heftigen Protesten vor dem Pasewalker Rathaus, an denen rund 200 Personen teilnahmen. Dabei musste die Polizei nach eigenen Angaben das Rathaus vor den Demonstrierenden schützen. Im Vorfeld waren 1600 Unterschriften gegen die Unterkunft gesammelt worden.

Nachdem der Landtag bereits im Herbst letzten Jahres die Herrichtung der leerstehenden Kita “Zwergenland” verhindern konnte – diese war bereits in der Umsetzung und wurde ohne Mitrede der Stadt Greifswald abgebrochen – sucht man wieder nach Lösungen für die sich zuspitzende Geflüchtetenkrise. Auch in diesem webmoritz-Artikel nachzulesen.

Planung für ein Containerdorf in Greifswald

Dieser Plan wurde nach Landrat Sacks Pressemitteilung aufgegeben. Anstatt dessen sollte ein Containerdorf für 500 Geflüchtete auf einem freien Grundstück im Greifswalder Stadtteil Ostseeviertel entstehen. Bei seiner Pressemitteilung hatte Landrat Sack erklärt, dass ein genauer Zeitplan noch nicht vorhanden sei, das Projekt aber so schnell wie möglich durchgeführt werden solle. Der Kreistag solle daher am 27. Februar über den Erwerb von Containern beraten.

An diesem Datum fand in Greifswald eine Sitzung der Ortsteilvertretung des Ostseeviertels in einer Schule in der Nähe des Grundstücks, auf dem das Containerdorf entstehen soll, statt. Auch der Greifswalder Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Bündnis 90/Die Grünen) war dort kurzfristig anwesend, musste aber aufgrund eines anderen Termins vorzeitig gehen. Zeitgleich protestierten im Ostseeviertel an dem Ort, der für das Containerdorf vorgesehen war, etwa 500 Demonstrierende unangemeldet dagegen. Durch vorherige Protestaufrufe im Internet wusste die Polizei von der Demonstration, obwohl sie nicht angemeldet war. Die Demonstrierenden versammelten sich auch vor der Schule, in der die Ortsteilvertretung tagte. Beim vorzeitigen Verlassen des Gebäudes wurde Oberbürgermeister Fassbinder von der Polizei auf deren Empfehlung hin durch einen Hinterausgang zu seinem Auto eskortiert. Sie gibt an, dass eine Kette von Beamten notwendig gewesen sei, um ihn zu schützen. Kurzzeitig sei die Situation sogar “gefährlich” für ihn gewesen. Die Demonstrierenden hätten ihn ausgebuht und aggressiv versucht, zu ihm zu gelangen und ihm ihre Kritik und Wut aufzuzeigen. Nach eigenen Angaben musste die Polizei physische Gewalt anwenden und Schlagstöcke einsetzen, um Oberbürgermeister Fassbinder zu schützen. Vor der Demonstration hatte es im Internet auch Aufrufe gegeben, zum Protestieren vor sein Haus zu ziehen. Nach vorläufigen Angaben der Polizei waren unter den Demonstrierenden mindestens 20 Menschen aus der rechtsextremen Szene. Zeitgleich mit den Protesten fand eine angemeldete Gegendemonstration mit etwa 50 Personen gegen Rassismus statt. Nach deren Ende kam es zu verbalen Angriffen einiger Gegendemonstrant*innen auf die Demonstrierenden gegen die Geflüchtetenunterkunft. Als Reaktion darauf griffen zwei von ihnen einen Gegendemonstranten physisch an. Die Polizei verhinderte weitere Eskalationen. Nach ihren Angaben bestehen Ermittlungen wegen einer Widerstandshandlung gegen die Schutzmaßnahmen für Oberbürgermeister Fassbinder, Anzeigen wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und das Zünden von Pyrotechnik sowie eine Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung.

Die Ortsteilvertretung war bei der Sitzung einstimmig gegen die Geflüchtetenunterkunft, kann jedoch nur Empfehlungen aussprechen. Sie sei grundsätzlich für Hilfen für Geflüchtete, aber gegen die Größe und Lokalität der Unterkunft, auch aufgrund der Nähe zur Schule, argumentierte sie. Oberbürgermeister Fassbinder kritisierte in Interviews die Kurzfristigkeit des Beschlusses vom Landkreis. Der Kreistag stimmte am 27. Februar mit einer knappen Mehrheit für eine Dringlichkeitsvorlage, um der Stadt Greifswald rund neun Millionen Euro für das Projekt zu geben. 25 Abgeordnete stimmten dafür und 19 dagegen; es gab zehn Enthaltungen. Bei der Debatte hatte es heftige Kritik an den Plänen durch die Fraktionen von “DIE LINKE” und der SPD. Landrat Sack argumentierte dagegen, es sei kein freier Wohnraum für “dezentrale Lösungen“ vorhanden und der Kreistag habe sich mit großer Mehrheit gegen Unterbringung in Sporthallen und Schulen entschieden. Außerdem habe die Stadt Greifswald im Kreis Vorpommern-Greifswald bislang nicht die meisten Geflüchteten aufgenommen.

Suche nach alternativen Lösungen und weitere Proteste

Aufgrund der breiten Kritik tagte am 2. März der Greifswalder Hauptausschuss, um alternative Unterbringungsmöglichkeiten zum geplanten Containerdorf im Ostseeviertel zu finden. Das war im Vorfeld von Lokalpolitiker*innen aller Parteien für die Zentrierung der Geflüchteten an einem Ort kritisiert worden. Oberbürgermeister Fassbinder hatte daher drei alternative Standorte für Unterkünfte für bis zu 200 Geflüchtete vorgeschlagen. Landrat Sack hatte die Eskalationen am 27. Februar hart verurteilt und angegeben, dass Kreistag und Stadtrat kooperieren würden, um eine Lösung zu finden.

Während der Tagung kam es erneut zu Protesten. Es fanden mehrere Demonstrationen auf dem Greifswalder Marktplatz statt: zwei angemeldete mit insgesamt 300 Teilnehmenden für die Aufnahme von Geflüchteten und eine unangemeldete mit 750 Personen gegen das geplante Containerdorf. Die Polizei ließ auch die unangemeldete Demonstration gewähren. Trotz der aufgeladenen Stimmung waren die Proteste zwar laut, aber zumindest weitestgehend friedlich.

Beitragsbild: Jan Hilgendorf

Sonntag zählt’s! – Oberbürgermeister*innenwahl die Zweite

Sonntag zählt’s! – Oberbürgermeister*innenwahl die Zweite

Die Stichwahl um das Amt des*der Greifswalder Oberbürgermeister*in steht vor der Tür. Am Sonntag, dem 26. Juni 2022, öffnen die Wahllokale erneut von 08 – 18 Uhr ihre Türen, und Wahlberechtigte sollen sich entscheiden: Dr. Stefan Fassbinder oder Prof. Dr. Madeleine Tolani? In diesem Artikel findet ihr noch einmal gebündelt die Informationen, die ihr für die Wahl braucht.

Wie es die Wahlplakate noch immer von den Laternenpfählen rufen, reichten die Stimmen keiner Kandidat*innen für den Gewinn der OB-Wahl vor fast zwei Wochen. Die beiden ersten Plätze belegten Dr. Stefan Fassbinder (Bündnis 90/Die Grünen), seit 2015 amtierender Oberbürgermeister, mit 48,54% der Stimmen, und Prof. Dr. Madeleine Tolani (CDU), mit 33,14%. Es sind mindestens 50% + eine Stimme notwendig, um die Wahl zu gewinnen.
Diese Zahlen klingen, als wäre die Wahl fast entschieden. Trotzdem ist es nun besonders wichtig, sich an der Stichwahl zu beteiligen: Am 12.06. stimmten nur 40,84 % aller Wahlberechtigten ab. Das sind immerhin ein paar Wähler*innen mehr als bei der OB-Wahl 2015 – in dem Jahr wurden nicht einmal die 38% erreicht, weder im ersten Durchlauf, noch in der Stichwahl. Auch damals waren Bündnis 90/Die Grünen und die CDU auf den obersten Plätzen. Heute wissen wir, wie die Wahl ausgegangen ist. Aber wer würde annehmen, dass der amtierende Oberbürgermeister mit einem Vorsprung von lediglich 0,1% gewann? Greifbarer formuliert waren dies nur 15 Stimmen. “Meine eine Stimme zählt eh nicht” sollte damit als Argument fürs Nicht-Wählen entsorgt werden. Insbesondere, wenn das nächste lautet: “[Kandidat*in] gewinnt doch sowieso”.

Bild: votemanager

How To Stichwahl

Was mache ich, wenn ich meine Wahlbenachrichtigung versehentlich schon weggeworfen habe?
Kein Problem, nimm einfach deinen Personalausweis oder Reisepass mit. Hauptsache, du wählst.

Werden neue Stimmzettel gedruckt?
Ja, es stehen nur noch Prof. Dr. Tolani und Dr. Fassbinder zur Auswahl.

Muss ich wieder Briefwahl machen, wenn ich beim ersten Mal Briefwahl gemacht habe?
Du bekommst auf jeden Fall die Unterlagen. Diese kannst du zuhause ausfüllen und per Post verschicken, oder persönlich im Briefwahlbüro in der Walther-Rathenau-Straße 11, an den Infotheken im Rathaus oder im Stadthaus abgeben.

Ab wann ist die Briefwahl wieder direkt in der Rathenaustraße möglich?
Seit letzten Donnerstag, dem 16. Juni, 13:30 Uhr, werden die neuen Briefwahlunterlagen ausgereicht. Der Wahlzettel kann dort direkt ausgefüllt werden. Du brauchst deinen Personalausweis oder Reisepass und die Wahlbenachrichtigung. Notfalls kannst du auch ohne die Benachrichtigung hingehen.

Wie kann ich das Angebot der Briefwahl wahrnehmen, wenn ich beim ersten Wahlgang im Wahllokal gewählt habe?
Für Briefwahl per Post konnten die Unterlagen online beantragt werden, Einsendeschluss für die ausgefüllten Rücksendungen war allerdings gestern.
Alternativ kann bereits im Wahlbüro der Rathenaustraße gewählt werden.

Erhalten die Wahlhelfer*innen ein neues Anschreiben?
Nein. Die Information, ob sie auch bei der Stichwahl im Einsatz sein sollten, steht auf den Berufungsschreiben vom ersten Wahlgang.

Wer sind die Kandidierenden noch gleich?

Dr. Stefan Fassbinder

  • Partei: Bündnis 90/Die Grünen
  • Greifswalder OB seit 2015, in Zusammenarbeit mit SPD und Die Linke
  • setzt sich “für mehr Vielfalt, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit ein”

Prof. Dr. Madeleine Tolani

  • Partei: CDU
  • Professorin für Bürgerliches Recht
  • 3 Grundsätze: “Kompetenz und frischer Wind ins Rathaus!”, “Greifswald kann mehr!” und “Der Mensch im Mittelpunkt!”

Ein genaueres Bild könnt ihr euch auf den verlinkten Websites der Kandidat*innen sowie in unserem Live-Ticker der Podiumsdiskussion vom 02.06., in diesem KATAPULT MV-Artikel zur Diskussion der Kandidierenden am vergangenen Montag, und in diesem Interview mit Dr. Stefan Fassbinder machen.

Hier noch einmal das Wichtigste in Kürze:

Was: OB-Stichwahl
Wann: Sonntag, 26.06.2022, von 08 bis 18 Uhr
Wo: im Wahllokal deines Wahlbezirks
Weitere Informationen: direkt auf der Website der Stadt Greifswald


Beitragsbild: Clara Rauner

Was haben Sie bisher erreicht, Herr Bürgermeister? Im Interview mit Stefan Fassbinder

Was haben Sie bisher erreicht, Herr Bürgermeister? Im Interview mit Stefan Fassbinder

Am 16. Februar durfte der webmoritz. den amtierenden Oberbürgermeister unserer Stadt, Stefan Fassbinder, treffen. In vier Monaten, am 12.06.2022, wird in Greifswald nämlich der*die neue Oberbürgermeister*in für eine Wahlzeit von 7 Jahren direkt gewählt. Auch Fassbinder wird hier wieder antreten. Zusammen haben wir auf seine bisherige Amtszeit zurückgeblickt und ihn gefragt, welche Ziele er bei einer Wiederwahl umsetzen möchte.

Das Interview wurde geführt von Maret Becker und Svenja Fischer

Hallo! Zum Anfang können Sie sich vielleicht erst einmal vorstellen. Zum Beispiel, in dem Sie uns sagen, wo Ihre Lieblingsorte in Greifswald sind?

Mein Name ist Stefan Fassbinder. Ich bin seit 2015 der Oberbürgermeister von Greifswald und vor 22 Jahren aus beruflichen Gründen hierhergekommen. Ich habe damals eine Stelle beim Pommerschen Landesmuseum angenommen.

In Greifswald gibt es natürlich ganz viele schöne Orte. Die Innenstadt ist wunderschön, genauso wie Wieck und die Klosterruine. Ich habe einen unbekannteren Lieblingsort in Ladebow, nördlich der Kleingartensparte. Da gibt es einen kleinen Strand, den man zu Fuß erreichen kann. Den mag ich besonders, weil er so schön abgelegen ist.

Sie sind auch auf Social Media extrem aktiv, gerade auf Instagram. Was bedeutet das für Ihre Arbeit und auch hinsichtlich Ihres Wahlkampfes, dass Sie da so direkt mit den Leuten ins Gespräch kommen?

Sie haben gerade schon das richtige Stichwort genannt. Die sozialen Medien können ein gutes Mittel sein, um miteinander in Kontakt zu treten. Natürlich auch, um meine Ansichten und Projekte vorzustellen, manchmal aber auch nur, um eine Stimmung wiederzugeben. Das darf auch mal ein Sonnenuntergang sein oder andere schöne Motive, die wir in Greifswald haben. Es gibt aber auch Leute, die mich über die sozialen Medien anschreiben, Kommentare abgeben oder sich ganz direkt an mich wenden. Hier liegt eine große Chance, um vielfältige und sehr niedrigschwellige Kommunikationswege zu öffnen.

Wir wissen ja, dass es auf Social Media auch Hasskommentare gibt. Sind Sie davon öfter betroffen?

Es kommt vor, zum Glück nicht so häufig. Aber es gibt solche Fälle. Wenn sie wirklich strafrechtlich relevant sind, erstatten wir auch Anzeige. Ich finde, das geht einfach nicht. Da muss man einen Riegel vorschieben, aber insgesamt, denke ich, hält es sich in Grenzen. Wobei ich es schade finde, dass auf Facebook richtige Diskussionen sehr schwierig sind, weil doch sehr schnell die persönliche Keule herausgeholt wird. Das finde ich schade, weil es eine Chance wäre, aber das wirkliche Diskutieren ist eher selten auf Facebook.

Insgesamt ist das politische Klima in den letzten Jahren rauer geworden, auch außerhalb von Social Media, so zumindest unser Eindruck. Fällt Ihnen das auch auf?

Ja, ich habe ebenfalls den Eindruck, dass es rauer geworden ist. Oder man merkt es einfach mehr. Früher haben sich die Leute am Stammtisch entsprechend geäußert und die 10 Leute drum herum haben es mitbekommen. Inzwischen kann man es in die ganze Welt hinauslassen. Das ist auf keinen Fall ein Gewinn, das ist auch teilweise eine Gefahr. Das betrifft auch Ehrenamtliche, die in der Kommunalpolitik tätig sind, wo es nicht hinzunehmen ist, wenn sie massiv angegriffen werden. Diese Personen machen das in ihrer Freizeit und setzen sich für die Gemeinschaft ein. Da sind manche Zeitgenoss*innen, die sich auf eine Art und Weise verhalten, die nicht anzunehmen ist.

Dazu passen vielleicht auch die Montagsproteste. Wie schätzen Sie den Einfluss dieser Proteste ein, die ja seit Längerem sehr regelmäßig stattfinden? Glauben Sie, dass es das Klima der Stadt und der Bevölkerung in Greifswald verändert?

Also es ist natürlich festzustellen, dass jeden Montag eine Gruppe von 200 bis 400 Personen nach Greifswald kommt — darunter übrigens auch viele Auswärtige –, um ihre Meinung kundzutun. Das ist erstmal in Ordnung, das gehört zur Demokratie. Insofern habe ich da kein Problem mit. Zum Glück ist es in Greifswald so, dass die Demonstration nicht gewalttätig ist. Auch der Einfluss der Rechtsextremist*innen ist nicht so deutlich und massiv. Darüber bin ich froh und dankbar. Nicht in Ordnung ist, wenn man gewalttätig wird. Ich wehre mich so ein bisschen gegen den Ausdruck, der ja manchmal von dieser Seite kommt, dass die Gesellschaft gespalten ist. Im Endeffekt ist es eine relativ kleine Gruppe, die diese Meinung vertritt, die man auch vertreten kann. Deswegen gehört das zur Demokratie und man muss es aushalten, solange es sich im angemessenen Rahmen bewegt.

Wir würden als nächstes ein ganz anderes Thema anschneiden: Wie würden Sie die Beziehung und die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Uni einschätzen?

Es war mir zu Beginn meiner Amtszeit ein großes Anliegen, das Verhältnis nicht nur zu verbessern, sondern es auch qualitativ auf ein anderes Niveau zu heben. Ich habe gleich regelmäßige Gespräche mit dem Rektorat eingeführt. Das ist wichtig, denn in diesen regelmäßig angesetzten Gesprächen behandelt man ganz viele Themen, die nicht immer gleich ein Problem sind. Es ist aber wichtig, dass man sich darüber austauscht. Inzwischen ist die Beziehung zwischen Stadt, Stadtverwaltung, Universität, Universitätsverwaltung und der Universitätsmedizin sehr gut und konstruktiv. Wir arbeiten bei vielen Projekten eng zusammen. Natürlich ist die Universität und alles, was damit zusammenhängt — die Studierenden, das Studierendenwerk, die außeruniversitären Forschungsinstitute, die hier sind, weil die Universität hier ist — der Lebensmotor für die Stadt. Selbst die produzierende Wirtschaft oder die Start-ups haben sich teilweise entwickelt, weil die Universität hier ist. Greifswald und die Universität gehören zusammen. Das bedingt einander und ich glaube, dass die Beziehung inzwischen sehr gut und sehr konstruktiv ist.

Können Sie uns ein paar größere Themen nennen, die in solchen Gesprächen häufig zum Tragen kommen?

Das ist wirklich eine bunte Palette. Es sind Themen, die die Mobilität betreffen. Wir sprechen natürlich über Verkehrskonzepte, die Anbindung der Institute, mögliche Konflikte zwischen Mobilitätsströmen von Studierenden und anderen Mobilitätsströmen, die man konstruktiv lösen muss. Wir reden in letzter Zeit verstärkt über Nachhaltigkeitsthemen. Die Universität ist auch eine große Landbesitzerin. Wir haben gemeinsam Projekte — unter anderem Wirtschaftsförderprojekte wie Vorpommern Connect — auf den Weg gebracht. Die Universität wirkt auch immer mehr in die Region und in der Region. Da ist die Zusammenarbeit sehr eng geworden. Wohnraum ist auch ein großes Thema, wo wir versuchen, uns auszutauschen. Internationale Beziehungen sind mir persönlich und auch der Universität sehr wichtig.

Passend zum Politischen bzw. Hochschulpolitischen: Haben Sie eine Meinung zur Ralph-Weber-Kontroverse?

Es ist natürlich sehr bedauerlich, dass jemand wie Ralph Weber Mitglied des Lehrkörpers der Universität ist. Das ist keine Zierde für unsere Stadt oder für die Universität. Sie muss sich aber im vorgegebenen gesetzlichen Rahmen bewegen und das ist auch richtig so. Ich denke, der entscheidende Faktor ist, wie die Studierenden mit der Situation umgehen. Wie weit sie das Lehrangebot wahrnehmen oder auch nicht. Ich habe momentan das Gefühl, dass Herr Weber keine Belastung für die Universität wird.

Gerade der Wohnraumausbau ist ein großes Thema. Auch unter Studierenden ist es ja vor allem zum Semesterbeginn jedes Mal so, dass geschaut wird, wo man unterkommen kann. Gibt es da konkrete Pläne, stark in den Wohnraumausbau zu investieren?

Die Wohnraumthematik stellt sich allen Bevölkerungsgruppen. Wir brauchen mehr Wohnraum. Diese große Wohnraumnachfrage ist ein Ergebnis unseres Erfolges, dass sich Greifswald so positiv entwickelt. Deswegen kommen Menschen nach Greifswald. Wir haben schon eine ganze Menge auf den Weg gebracht, zum Beispiel das große Bebauungsgebiet an der Hafenstraße, da werden 500 bis 600 neue Wohnungen entstehen. Das geht jetzt endlich los. In Schönwalde und im Ostseeviertel entsteht neuer Wohnraum. Wir versuchen auch, Projekte zu fördern, die mehr Wohnraum geben. Da gibt es zum Beispiel Alternativwohnraumprojekte. Wir haben die Projekte seitens der Stadt unterstützt, also Häuser an dieses Projekt gegeben. Wir versuchen auch, das Studierendenwerk aktiv zu unterstützen, dass der Wohnraum ausgebaut wird. Es ist ein langer Prozess. Denn Wohnraum schaffen ist in Deutschland immer langwierig und es ist oft schwierig, neue Bebauungsgebiete anzubieten. Das ist eine Hauptaufgabe, die wir haben. Gleichzeitig entstehen neue Konflikte. Jeder neue Wohnraum, der gebaut wird, verdrängt eine Grünfläche oder es wird enger. In diesem Dilemma befindet man sich und man muss versuchen, das möglichst gut zu lösen.

Haben Sie da konkrete Zahlen, als grobe Vorstellung, wie sich die Bevölkerung in Greifswald entwickelt?

In Deutschland haben wir seit Jahren die Tendenz, dass die Bevölkerung älter wird. Das ist auch in Greifswald so. Wir haben ein Durchschnittsalter von 43 Jahren und sind damit eine der jüngsten Städte in Deutschland, und halten das eigentlich seit Jahren. Das bedeutet, es kommen mehr ältere Menschen dazu, aber es ziehen gleichzeitig auch jüngere Menschen nach Greifswald. Die Studierendenzahl ist seit einigen Jahren ziemlich gleich, so um die 10.000. Aber wir haben verstärkt Studierende, die bleiben, weil sie hier einen Job finden. Es gibt auch junge Familien, die hier Jobs finden. Das heißt also auch, der Anteil der Jüngeren wächst und zum Glück in den letzten Jahren auch der Anteil der Kinder. Die Bevölkerungspyramide bleibt einigermaßen ausgeglichen. Wir haben zum Glück nicht diese extremen Verhältnisse. Wir wachsen in allen Bereichen. Ich glaube, dass wir noch schneller wachsen würden, wenn wir mehr Wohnraum anbieten könnten. Ich weiß von Leuten, die hier einen Job gefunden haben, aber ins Umland ziehen mussten. Deshalb ist die Wohnraumschaffung sehr wichtig. Denn wenn man in der Stadt wohnt, kann man mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und muss nicht ins Auto. Auch das ist für unsere Stadt ganz wichtig. Mir ist es schon lieber, wenn die Leute in der Stadt wohnen.

Denken Sie, dass in den letzten Jahren, was die Jobsituation angeht, mehr geschaffen wurde und gerade auch die jungen Leute hierbleiben können?

Einerseits ist die Arbeitslosigkeit stark gesunken. Im letzten Monat [Anm. d. Red.: also im Januar 2022] lag sie zum Beispiel bei 5,7 %. Das ist der niedrigste Wert seit der Wende. Aber nicht, weil alle in Rente gehen, sondern weil neue Jobs kommen. Auch die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs ist in den letzten 7 Jahren stark gestiegen. Dabei vor allem die Zahl der hoch qualifizierten Jobs, aber auch in der Produktion. Wir haben große Betriebe, zum Beispiel HanseYachts oder Cheplapharm. Es ziehen Leute aufgrund der Jobs her. Das gab es vor 10 Jahren kaum. Was mich besonders freut: Diejenigen, die ihr Studium abgeschlossen haben, können, wenn sie es möchten, hierbleiben.

Haben Sie das Gefühl, dass das Stadtbild sich verändert, da unter anderem die Ruine am Hafen oder der alte Speicher abgerissen wurden?

Natürlich ist das Stadtbild im Wandel und das war auch immer so. Ich bin dagegen, zu versuchen, da eine Käseglocke drüberzupacken und zu sagen, das muss alles so bleiben. Sowas funktioniert nicht bei einer Stadt, die dynamisch ist. Das funktioniert vielleicht bei einer Stadt, die abstirbt, aber nicht bei einer, die sich weiterentwickelt. Und natürlich werden die Gebäude zum Teil auch größer und höher. Ich finde das nicht schlimm und dieser Prozess war auch immer schon so. Man muss natürlich aufpassen und Maß halten. Man muss immer das Stadtbild im Blick behalten, damit nicht etwas entsteht, was gar nicht gut ist, aber der Wandel ist da und wird auch bleiben. Ein Beispiel ist die Bebauung am Hafen. Die Stadt war immer bis zur Kaikante bebaut. Es ist erst eine Entwicklung der DDR, dass der Hansering gekommen ist und Blöcke abgerissen wurden. Schon zu DDR-Zeiten war geplant, die Felder, die da leer waren, die sogenannten A-Quartiere, wieder aufzubauen. Das machen wir jetzt nach und nach und dass die Gebäude jetzt etwas größer sind, als vor 50 oder 100 Jahren, das ist so. Aber da sind wir schon wieder bei einem anderen Thema. Wohnraum-, Gewerbe- und Büroflächen werden in Greifswald dringend gesucht und irgendwo müssen sie hin. Wir versuchen es so zu gestalten, dass es gut ist für die Stadtentwicklung. Bei der Ruine: Es ist schade um das Haus, es war auch ein wunderschönes Gebäude. Aber es war auch klar, dass es nach dem Brand nicht mehr zu halten ist. Und ich bin froh, dass wir es jetzt geschafft haben, dass es abgerissen wurde, denn es war nun wirklich keine Zierde mehr. Ich hoffe jetzt, dass das Grundstück zur Verfügung steht für eine vernünftige Entwicklung. Es ist ein schönes, attraktives Grundstück mitten in der Stadt. Da kann man viel draus machen und ich hoffe, das gelingt in den nächsten Jahren, aber es ist nicht einfach.

Nochmal zu den Ruinen bzw. zu den Häusern in der Innenstadt, die leer stehen. Sollte man als Stadt versuchen zu intervenieren, da viele in Privatbesitz sind? Indem zum Beispiel ein Kaufangebot gemacht wird?

Wir versuchen, das in den Fällen zu tun. Wir haben zum Glück nicht mehr so viele leer stehende Häuser in der Innenstadt, außer dem Sybilla-Schwarz-Haus eigentlich gar keins mehr. In der Langen Straße gab es noch einen Fall, aber der ist inzwischen zum Glück gelöst. Da haben wir unsere baurechtlichen Instrumente genutzt, dass da etwas passiert. In der Schützenstraße ist es leider nicht gelungen, bzw. insofern nur, als dass das Gebäude jetzt abgerissen wurde. Das ist ein ästhetischer Gewinn, hinsichtlich Wohnraum und ähnlichem natürlich erstmal nicht. Da wo wir können, versuchen wir Einfluss zu nehmen, dass kein Gebäude leer steht oder sich negativ entwickelt. In manchen Punkten stößt man an Grenzen, weil Privatbesitz in Deutschland sehr stark geschützt ist. Da kann man in manchen Bereichen ran, aber es ist ein schwieriger Prozess.

Sie sind mit dem Vorhaben angetreten, die Stadt grüner und fahrradfreundlicher zu machen. Glauben Sie, das Ziel erreicht zu haben und haben Sie, im Fall einer Wiederwahl, noch Pläne für die Zukunft?

Es ist einiges erreicht worden und ich freue mich auch, dass wir uns beim ADFC-Fahrradklima-Test verbessert haben. Wir sind auf Platz 4 in Deutschland [Anm. d. Red.: Ortsgrößenklasse 50.000 bis 100.000 Einwohner]. Das ist schon mal ganz gut, aber natürlich bin ich noch nicht zufrieden damit. Wir wollen definitiv weitergehen. Wir haben konkrete kleinere Projekte vor: Die Beleuchtung des Radwegs nach Wackerow oder des letzten Stücks der Pappelallee ist in Arbeit, die Loefflerstraße soll eine Fahrradstraße werden. Das wurde von der Bürgerschaft beschlossen. Mir war in den letzten Jahren der Ausbau der Fahrradwege ins Umland besonders wichtig. Gerade für Leute, die da wohnen, sind es manchmal nur wenige Kilometer, aber manche Straßen sind einfach nicht mit dem Fahrrad befahrbar. Jetzt kann man nicht nur am Wochenende raus-, sondern auch unter der Woche reinfahren. Wir haben sehr viele Fahrradwege saniert, allerdings oft nur kurze Stücke. Das fällt nicht unbedingt auf, aber wenn man jeden Tag fährt, kann das eine Verbesserung sein. Die Radstation ist gekommen, die mir als Mobilitätsbaustein sehr wichtig ist, aber es ist ein Dauerthema. Wir haben mit über 40 % fast den höchsten Fahrradfahrer*innenanteil in ganz Deutschland. Andere Städte verkünden oft große Projekte, zum Beispiel will Hannover den Radanteil auf 25 % erhöhen, das haben wir schon lange erreicht. Dann ist es auch schwieriger, weiterzugehen. Alle, die es möchten, sollen die Möglichkeit haben, mit dem Fahrrad zu fahren. Da gibt es noch einiges zu tun.

Es wurden in den letzten Jahren immer mehr Möglichkeiten eingeführt, Lastenräder zu nutzen. Auch von der Stadt kann man sich Lastenräder ausleihen. Haben Sie eine Vorstellung, wie stark das nachgefragt und genutzt wird?

Unser Lastenradsystem LARA, was ein gemeinsames Projekt mit der Universität ist, wird gut angenommen. Was mich wirklich positiv überrascht, ist der starke Anwuchs an privaten Lastenrädern. Das hat fast explosionsartig zugenommen, was ich sehr schön finde. Dieses Thema, was man früher hatte: Wie kann ich meinen Bierkasten, meine zwei Kinder, den Einkauf transportieren? Das ist mit den Lastenrädern gelöst. Wenn ich dann womöglich noch ein E-Lastenbike habe, dann haben wir neue Dimensionen erreicht, was ich sehr erfreulich finde. Das stellt einen aber auch wiederum vor Herausforderungen. Die Räder brauchen Platz, sie müssen irgendwo stehen, irgendwo fahren, die klassischen Fahrradständer funktionieren da nicht mehr. Aber ich halte es für eine sehr positive Entwicklung, denn sie zeigt, was möglich ist, auch ohne Kfz-Nutzung, und ich glaube, das wird auch weiterwachsen. Die Wohnungsbaugesellschaften merken das, die Mieter fragen das an — “Wo kann ich mein Rad unterstellen?” — und ich finde das sehr erfreulich.

Wie ist eigentlich das Parteienklima in der Bürgerschaft? Wurden Sie schon von anderen Parteien abgehalten, Ihre Ziele zu erreichen?

Wir haben in der Bürgerschaft eine Links-Grüne Mehrheit, die sehr klein ist. Das heißt, alle Partner*innen müssen immer zustimmen. Das ist manchmal nicht einfach, da muss man viel verhandeln, auch Kompromisse eingehen und auf der anderen Seite gibt es vor allem die CDU-Fraktion, die leider gegen viele Vorhaben stimmt, was ich bedauerlich finde. Ich fände es besser, sie würde Alternativen aufzeigen und man diskutiert darüber. Es ist eher so eine Fundamentalopposition, die da gemacht wird, die im Übrigen auch für das politische Klima nicht so gut ist. Das bedauere ich. Insgesamt denke ich, haben wir in den letzten 7 Jahren sehr viel umsetzen können durch die Bürgerschaft, die das meiste bestimmt. Und da bin ich auch wirklich zufrieden. Wenn man zurückschaut, ist doch sehr viel erreicht worden. Manches geht langsamer, als man vielleicht gedacht hat, das ist so in Deutschland, aber in der Summe haben wir sehr viel erreicht.

Können Sie Beispiele nennen, wo Sie sich gewünscht hätten, dass es schneller gegangen wäre?

Die Entwicklung der Bebauungsgebiete ist so ein Fall. Man sieht zum Beispiel beim Bebauungsgebiet am Elisenpark (B-Plan 13), da geht es jetzt richtig los, die Erschließungsstraße ist fertig. Das Projekt hat 5 oder 6 Jahre gedauert. Auch andere B-Pläne dauern mehrere Jahre. Das ist schon sehr lange, finde ich. Unser neues Schulzentrum, ein ganz großes Bauprojekt für die Stadt, ist von den ersten Gedanken an fast 10 Jahre alt und der erste Spatenstich ist noch nicht getan. Das sind schon sehr lange Prozesse, was aber nicht mit der politischen Situation zusammenhängt. Das sind Probleme, die wir in Deutschland haben, dass gewisse Prozesse einfach extrem langsam sind, und das ärgert mich und macht es manchmal schwierig. Das verstehen auch die Bürger*innen nicht so richtig, warum alles so lange dauert und ich verstehe es zwar manchmal, weil ich weiß, warum es so ist, finde es aber nicht gut. Da müssen wir insgesamt in Deutschland zu schnelleren Wegen kommen.

Hatten Sie ein großes politisches Herzensprojekt oder auch große Erfolge in der vergangenen Legislatur?

Ich hatte nicht so das eine große Projekt, weder vor der Wahl noch jetzt. Ich fände es auch ein wenig dünn bei 7 Jahren, wenn man sagt, ich nehme mir dieses eine Projekt vor. In manchen Städten ist das vielleicht so, aber hier in Greifswald nicht. Mir war es insgesamt wichtig, dass wir Greifswald nachhaltiger machen, dass wir es sozialer machen — ein ganz wichtiges Thema — dass wir es innovativ und weltoffener machen. Und das ist, glaube ich, wenn man alle Punkte zusammennimmt, gelungen in vielen Bereichen. Beim einen mehr, beim anderen weniger. Es ist auch eine Daueraufgabe, da gibt es Aufgaben, die nie abgeschlossen sind, an denen man immer kontinuierlich dranbleiben muss. Aber wenn ich mir anschaue, wo wir gestartet und wo wir gelandet sind, zum Beispiel bei den ganzen Beteiligungsformaten, die wir auf ein ganz anderes Niveau gehoben haben, die internationalen Kontakte, die wir aufgebaut haben, die vielen sozialen Projekte: Wir haben die Straßensozialarbeiter gehalten, wir haben SoPHi, den Pflege- und Sozialdienst bei der WVG installiert, wir haben mit den Greifswaldgutscheinen ein sehr innovatives Wirtschaftsförderinstrument geschaffen und der freie Eintritt im Strandbad, der vor allem Familien zugutekommt, und und und. Es lässt sich sehr viel aufzählen und da bin ich schon zufrieden mit, aber es sind immer Daueraufgaben und man darf sich nie ausruhen, sonst fällt eine Stadt wieder zurück.

Sie haben sich ja auch für die kommende Wahl wieder aufgestellt. Unter der Annahme, dass Sie wiedergewählt werden, was sind große Projekte, die für die nächste Legislatur anstehen?

Also ganz wichtig: Im Vordergrund stehen die großen Projekte, die schon laufen. Diese müssen erfolgreich zu Ende geführt werden. Das ist das große Schulzentrum, die Sanierung des Theaters, die Umsetzung des Verkehrskonzeptes in der Innenstadt. Damit haben wir jetzt erst angefangen und das wird uns auch noch eine Weile begleiten. Das ist die Sanierung oder der Neubau des Humboldt-Gymnasiums und andere wichtige Sachen, die schon angestoßen sind und weitergeführt werden müssen. Natürlich hat man auch noch Ideen, was man so auf den Weg bringen könnte. Ich fände eine Schienenverbindung von Ladebow über Greifswald nach Lubmin sehr attraktiv. Vielleicht sogar eine Verlängerung Richtung Freest/Kröslin. Da gibt es einen ersten Prüfauftrag, da werden wir uns ranmachen, denn die Schiene liegt ja schon – die nach Freest nicht, aber die nach Lubmin. Das wird ein Projekt sein, bei dem man einen sehr langen Atem braucht, aber da werden wir uns auf jeden Fall heranmachen. Ein anderes Thema: Wir haben in letzter Zeit schon angefangen, dass in den Kitas wieder gekocht wird, sehr gut, sehr erfolgreich, das möchten wir auf jeden Fall wieder massiv ausbauen. Ich möchte sogar, dass wir vielleicht einen Schritt weitergehen und die komplette Schulverpflegung als selbst gekocht anbieten. Dass dann irgendwann alle Kinder und Jugendlichen eine gute Küche bekommen, möglichst regionale Produkte, möglichst biologisch hergestellt. Eine gesunde und schmackhafte Küche, mit einer regionalen Wertschöpfungskette.

Wir würden unser Interview abschließen wollen mit der Frage, wie man Sie erreichen kann? Per Mail, Telefon oder auch persönlich.

Persönlich in den Bürgersprechstunden, die einmal im Monat stattfinden, in allen Stadtteilen. Ein Projekt, was ich auch gleich eingeführt habe und was bis heute sehr erfolgreich läuft. Selbstverständlich kann man mir einen Brief schreiben, man kann an oberbuergermeister@greifswald.de eine E-Mail schreiben. Das ist im Übrigen für mich die einfachste Kommunikationsform, weil ich ja viele Anfragen mit den Fachämtern abstimmen muss und das ist natürlich per E-Mail am einfachsten. Aber man kann mich auch über Facebook oder Instagram anschreiben, auch darauf reagiere ich. Man kann mich auch auf der Straße ansprechen, wenn man mich sieht. Das ist gar kein Problem. Da ich meistens mit dem Fahrrad unterwegs bin, im Zweifel einfach winken, dann steige ich auch ab, wenn die Zeit es erlaubt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Auch Ihnen vielen Dank!

Beitragsbild: Svenja Fischer