Jedes Jahr zum ersten Advent stand normalerweise der traditionelle Weihnachtsbaum-Kauf mit den Eltern an und damit verbunden auch immer die Suche nach dem perfekten Tannenbaum. Doch sind Weihnachtsbäume in ihrer traditionellen Form als echte Bäume überhaupt noch zeitgemäß? Gibt es gute Alternativen?
Der Zyklus des Lebens eines Weihnachtsbaumes ist, auf das Minimum heruntergebrochen, eigentlich ganz schön traurig: Stell dir vor, du wächst auf deinem Platz, betreibst Photosynthese und hilfst der Menschheit so beim Atmen, nur um am Ende unliebsam gefällt zu werden. Mit Lametta, Lichterketten und Kugeln behangen, stehst du dann in einem Wohnzimmer. Menschen starren dich an und bewerten dich – in Süddeutschland nennt man das „Christbaum loben“. Du fällst Haustieren zum Opfer, die ihre Blase entleeren müssen oder deine mit Kugeln behangenen Zweige mit ihrem Spielzeug verwechseln. Nach wenigen Tagen wirst du wieder abgeschmückt und endest als Feuerholz im Kamin. Alternativ wirst du zum Sterben auf den Balkon oder in den Garten verbannt oder fliegst, wie in der Werbung eines schwedischen Möbelhauses, einfach auf den Gehweg.
Ein echter Baum soll es sein
Nadelbäume, die als Weihnachtsbäume fungieren, wachsen meist auf „Weihnachtsbaumplantagen“ (also reinen Monokulturen). Ich hatte irgendwann vor vielen Jahren mal Biologie im erhöhten Anforderungsniveau und erinnere mich ein wenig an Monokulturen: Es war nicht viel Positives dabei. Bei Monokulturen wird auf einer Fläche lediglich eine Pflanzenart angebaut – in unserem Fall Nadelbäume. Diese benötigen logischerweise auch die gleiche Nährstoffzufuhr, weswegen die Böden in diesen Fällen „einseitig“ belastet werden. Außerdem steigt das Risiko für Ertragsminderung, da Schädlinge vermehrt auftreten und diese auch Resistenzen gegen die eingesetzten Pestizide bzw. Herbizide entwickeln können. Das wiederum führt dazu, dass Pestizide (und Herbizide) stärker verwendet werden müssen. Kurzzusammenfassung: Monokulturen sind ziemlich schädlich. Genaueres zu Monokulturen gibt es bei Quarksnachzulesen.
Es gibt auch Bio- und Öko-Weihnachtsbäume. Hierbei unterscheidet die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) in zwei Richtungen: Bäume, die auf Plantagen in der Region wachsen oder Bäume, die direkt aus dem Wald stammen. Die SDW merkt zusätzlich an, dass man darauf achten solle, dass es sich um umweltfreundlichen Anbau handelt. Das bedeutet, dass keine chemischen Pestizide eingesetzt wurden, sondern dass umweltfreundliche Alternativen wie Schafe zur Unkrautbekämpfung zum Einsatz kamen – hier werden zusätzlich die Ausscheidungen als Dünger genutzt. Eine Win-Win-Situation sozusagen.
Eine weitere Möglichkeit ist übrigens ein Weihnachtsbaum-Verleih. Neben hippen Berliner Start-Ups mit komischen Namen machen dies wohl auch einige regionale Baumschulen. Der Vorteil besteht darin, dass man den Baum tatsächlich nur für Weihnachten in einem Topf ausleiht und der Baum anschließend nicht nur zurück in die Baumschule wandert, sondern sogar wieder in den Boden eingeplanzt wird. Jedoch kann es auch hier passieren, dass der Baum am Ende weite Wege zurücklegen muss, was der Ökobilanz dann wiederum nicht besonders zugute kommt. Bevor man also im Internet einen Baum zum Ausleihen bestellt, sollte man erst einmal in der Region nachfragen.
Hauptsache grün und geschmückt
Alternativen zum echten Weihnachtsbaum stellen scheinbar Plastikbäume dar. Für diese sprechen vor allem die Nutzungsdauer von meist mehreren Jahren sowie der einfache Umstand, dass kein Baum für die Christmas-Feelings sterben musste.
Doch so nachhaltige Alternativen stellen die Plastikbäume gar nicht dar. Einerseits stammen viele Plastikbäume nach wie vor aus Ländern wie China, was die Ökobilanz schon aufgrund der langen Anreise mittels diverser Transportmittel zerstört. Andererseits sind Kunststoffe gerade in der Produktion und der Entsorgung alles andere als ökologisch. Laut einer Berechnung von Quarksmüsste ein Plastikweihnachtsbaum 17 bis 20 Jahre genutzt werden, um die Ökobilanz eines herkömmlichen Weihnachtsbaumes zu übersteigen. Genauere Hintergründe zur Berechnung findet ihr im Quarks-Artikel.
Falls ihr viele (größere) Pflanzen habt, könntet ihr auch einfach diese etwas festlich schmücken. So habe ich mit meiner Mitbewohnerin zu Internatszeiten immer die Yucca-Palme (Egbert – sie hatte wirklich den Namen Egbert) mit Lichterkette und ein wenig Baumschmuck behangen. Ihr solltet jedoch darauf achten, wie eure Pflanzen das direkte Licht an den Blättern verträgt, nicht dass sie sich dort verbrennt.
Kreativ soll es sein!
Vielleicht sagt ihr euch ja auch, dass so ein Baum, egal ob nun künstlich oder echt, einfach zu viel Platz wegnimmt. Auf Pinterest findet man durchaus platzsparende Alternativen, wie aufgemalte bzw. angeklebte „Bäume“ für die Wand oder Bastelanleitungen für kleinere Dekorationen. Auch das bereits oben erwähnte, schwedische Möbelhaus hat eine Wanddekorationsalternative zum Weihnachtsbaum im Angebot, dieses soll hier natürlich nur als Beispiel dienen. Es gibt scheinbar auch Menschen, die ihre Klappleitern weihnachtlich schmücken. Wieso eigentlich nicht?
Fazit
Ihr seht schon, dass es gar nicht so einfach ist. Auf den ersten Blick schneidet der Bio- bzw. Ökobaum noch am besten ab, wenn man die Bastelalternativen aus dem Blick lässt. Für den Fall, dass ihr euch tatsächlich einmal mit der genauen Ökobilanz diverser Bäume, ihren Transportwegen und -arten, sowie der Nutzungsdauer und Größe auseinandersetzen wollt, gibt es von ESU-service ein nützliches Tool zur ziemlich exakten Berechnung der Ökobilanz. Doch egal, wie ihr euch am Ende entscheidet: Genießt euren (alternativen) Weihnachtsbaum und die vorweihnachtliche Zeit!
Am Dienstag, dem 18. Oktober, haben die beiden webmoritz.-Redakteur*innen Leonie und Adrian die Inhaber*innen des Greifswalder Unverpacktladens uver zu einem Interview getroffen. Dort haben sie einige Einblicke in den aktuell laufenden Rechtsstreit mit dem Dienstleistungskonzern Uber aus San Francisco bekommen. Doch wie kommt eigentlich ein weltweit agierendes Unternehmen mit über 11 Mrd. US-Dollar Jahresumsatz auf die Idee, einen kleinen Unverpacktladen aus Greifswald aufgrund von Markenrechtsverletzungen zu verklagen?
Ein Beitrag von Adrian Siegler und Leonie Vogelsang
Im Interview haben die beiden Inhaber*innen Esther und Philippe uns erklärt, was es mit dieser Klage auf sich hat, inwiefern Uber und eine Münchener Anwaltskanzlei in den Streit verwickelt sind und warum eine solche Klage nicht nur ein Problem für uver, sondern auch für viele andere Kleinstunternehmen darstellt. Außerdem im Interview dabei ist Markus, der versucht, wo es auch nur geht, die beiden bei allen möglichen Aufgaben und Herausforderungen im Hintergrund zu unterstützen.
Das Interview:
Hallo ihr drei, zuallererst vorweg …
Wie geht es euch gerade so? Die letzten Tage und Wochen waren ja sicherlich ziemlich anstrengend und stressig für euch.
Esther: Schön, dass ihr da seid. Es waren auf jeden Fall ein paar stressige Tage, aber mir geht es trotzdem ganz gut. Ich kann den Stress gut von meinem Privatleben trennen.
Philippe: Wir haben aufgrund der Thematik sehr viel zu tun und es gibt die ganze Zeit irgendwelche Sachen zu regeln. Das begleitet einen schon mit in den Alltag, da uns die ganze Geschichte je nach Ausgang auch echt gefährlich werden kann.
Würdet ihr euch und natürlich euren Laden einmal kurz vorstellen?
Esther: Ich bin Esther, bin zusammen mit Philippe hierher gekommen und wohne seit 2018 in Greifswald. Vor circa 2 bis 3 Jahren haben wir uns überlegt, dass wir gerne einen Unverpacktladen in Greifswald gründen wollen würden, da wir das hier noch etwas vermisst haben und selbst gerne nachhaltiger und unverpackt einkaufen wollen. Und nun hat der Laden seit mittlerweile knapp 1,5 Jahren offen – uver. Hier findet man alles für den täglichen Bedarf – Lebensmittel, Haushaltswaren wie Shampoo, Waschmittel und Drogerieprodukte und alles unverpackt oder in Pfandgläsern.
Philippe: Ich bin Philippe und auch Teilhaber von uver. Wir haben hier die Mission, Greifswald ein Stück nachhaltiger zu machen, indem wir es möglich machen, plastik- und müllfrei einzukaufen, sodass jede*r im Alltag was tun kann, um aktiv Umweltschutz zu betreiben.
Markus: Hallo, ich bin der Markus. Ich bin schon ein bisschen länger in Greifswald und habe Philippe und Esther bei einer Tour durch Mecklenburg-Vorpommern kennengelernt. Da war ich so begeistert von der Idee, dass sie hier in Greifswald was Nachhaltiges auf die Beine stellen wollen, dass ich da unbedingt einsteigen wollte. Die beiden waren so lieb, mir das Vertrauen zu schenken und seitdem versuchen wir gemeinsam, hier in Greifswald unverpacktes Einkaufen anzubieten.
Es gibt ein Problem mit Uber – Könntet ihr den Sachverhalt nochmal für uns zusammenfassen?
Philippe: Das Thema ist Uber und uver. Wir haben vor einiger Zeit ein Schreiben von einer Anwaltskanzlei für Patent- und Markenrecht erhalten, welche mit Uber zusammenarbeitet. Und die sind jetzt irgendwie dazu gekommen, uns unseren Namen streitig zu machen, da laut ihnen eine Verwechslungsgefahr zwischen den Namen „Uber“ und „uver“ bestünde. Das ist das Problem: Eine Anzeige, in der gefordert wird, unsere Marke und unseren Namen zu löschen.
Was bedeutet der Name uver eigentlich und wie seid ihr auf ihn gekommen?
Esther: Uver mit V ist quasi ein Wortspiel aus unverpackt und dem Ufer, in Bezug auf das Meer und den Ryck hier in der Nähe. Unser Mediendesigner ist auf die Idee gekommen und wir fanden es passend und haben den Namen direkt übernommen. Wir waren lange auf der Suche nach einem guten Namen, den man auch schnell aussprechen kann. „Ich gehe mal kurz zum Unverpacktladen“ klingt da etwas zu umständlich. Aber „Ich gehe mal kurz zum uver“ kann man gut sagen.
Die Forderung der Anwaltskanzlei, euren Namen und eure Marke zu löschen – Werdet ihr weiter darauf eingehen und wenn ja, wie?
Markus: Worum es uns hier eigentlich geht und warum wir die Öffentlichkeit mit euch suchen, ist die Tatsache, dass wir hier nicht nur unverpackte Lebensmittel anbieten, sondern auch für einen sozialeren Umgang – nicht nur im privaten Leben – stehen. Wir vertreten bestimmte ethische Werte, die unser Unternehmen auch ausmachen: Wie wir unseren Kund*innen und Geschäftspartner*innen gegenübertreten, sie behandeln wollen. Und das ist auf fairer Ebene und auf Augenhöhe. Und was uns ein bisschen stört – was heißt ein bisschen? Was uns richtig fertig macht, ist der Fakt, dass hier sofort wieder mit Anwälten kommuniziert wird, ohne die Möglichkeit, vorher mit Uber mal auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen. Wenn du so ein Schreiben in den Händen hältst, weißt du als Kleinstunternehmen: Es wird gefährlich, weil so etwas Anwaltskosten mit sich zieht, die besonders in der Start-up-Phase überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Wir suchen weiterhin eine Kompromisslösung, die für beide Seiten vertretbar ist. Und daran arbeitet aktuell auch unser Anwalt.
Was könnten im schlimmsten Fall diese Forderungen von Uber für euch und euren Laden bedeuten?
Philippe: Im schlimmsten Fall müssten wir auf diese Forderungen eingehen – also die Marke löschen. Und da steckt vielmehr dahinter, als man jetzt so im ersten Moment denkt. Wir müssten uns nicht nur einen neuen Namen ausdenken, ein neues Logo designen und eine neue Marke eintragen, sondern auch die ganze Arbeit und Ressourcen, die bereits reingesteckt wurden, um uver als Marke aufzubauen, gehen verloren. Nach 1,5 Jahren erreichen wir nun so langsam den Punkt, wo der Name „uver“ in Greifswald vielen Leuten ein Begriff ist. Das wäre dann komplett verloren. Wir müssten quasi nochmal bei null anfangen, was ein riesengroßes Problem ist, weil vor allem Marketing so ein großes Thema und unfassbar teuer ist. Es wäre für uns fatal, damit noch einmal von vorn anzufangen.
Seid ihr bereits im Austausch mit der Anwaltskanzlei?
Markus: Wir selber natürlich nicht, weil wir gar nicht den juristischen Background haben. Wir haben einen Marken- und Patentanwalt in Berlin kontaktiert, der uns aktuell vertritt. Dieser hat sofort das Telefon in die Hand genommen und gefragt, wie wir zu einer Lösung kommen. Die Münchener Anwaltskanzlei, die Uber vertritt, hat ihm und uns zuerst zu verstehen gegeben, dass wir die Kategorien einkürzen müssen, für die wir unsere Marke eingetragen haben. Das bedeutet, man meldet beim Marken- und Patentamt den Namen „uver“ an. Dabei muss man auch entscheiden, wofür man die Marke einträgt. Wir haben uns für etliche Kategorien eingetragen, die auch perspektivisch unser Unternehmen ergänzen sollen. Zum Beispiel auch für einen Lieferdienst innerhalb von Greifswald, mit dem wir beispielsweise Senioren mit dem Lastenrad beliefern können. Dort müssen wir nun schauen, ob wir nicht durch Einkürzung von Kategorien noch irgendwie unsere Marke retten können.
Uber-Deutschland hat einen eurer Posts auf Instagram kommentiert – sie haben von der Sache gehört und möchten sich bei euch melden. Haben sie das schon?
Esther: Wir haben uns riesig gefreut, dass wir ihre Aufmerksamkeit auf uns ziehen konnten. Aber nein, es ist noch nichts passiert.
Wie könnte ein Vorschlag von Uber aussehen?
Markus: Das ist gar keine so einfache Frage, beziehungsweise haben wir da keine einfache Antwort drauf. Wir haben einfach Hoffnung – und das könnt ihr sicherlich nachvollziehen – dass wir unsere Marke behalten können. Der Vorschlag, den wir uns erträumen, ist, dass Uber auf uns zukommt und sagt: „Okay, wir haben das gar nicht gewusst mit den Anwälten. Wir screenen grundsätzlich den Markt – so ist das ja üblich. Und vielleicht haben wir in dem Fall einen Fehler gemacht, weil wir nicht wussten, dass ihr ein Kleinstunternehmen seid, mit zwei Inhaber*innen, die selbst im Laden stehen und zusätzlich bei dem Thema Umweltschutz ganz stark aktiv sind.“
Eine Traumvorstellung wäre natürlich: „Okay, das war jetzt so ein harter Schlag für euch – wir unterstützen euch auf dem Weg oder bei einem anderen Umweltprojekt, was Relevanz hat.“
Denn der Umweltbericht von Uber hat Visionen bis in das Jahr 2030 oder 2040. Was wir hier betreiben ist Umweltschutz sofort. Oder vielleicht – man wird ja noch träumen dürfen – sagt Uber auch: „Wir gehen aus der Nummer gemeinsam gestärkt raus.“ – und sie unterstützen uns einfach.
Ihr habt zu dem Thema auch eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Wie läuft diese bis jetzt und reichen die Spenden um die Anwalts- und sonstigen Kosten zu decken?
Philippe: An dieser Stelle schonmal ein riesiges Dankeschön an alle Leute, die uns unterstützt haben. Es ist wirklich Wahnsinn. Wir haben das auf Instagram geteilt und es war wirklich unglaublich, was passiert ist. So viele Leute gingen darauf ein und es gab so viel Zuspruch von allen möglichen Seiten. Die Kampagne selbst läuft über betterplace und dort sind richtig schnell die Anwaltskosten in Höhe von 3000 €, die wir initial hatten, wieder reingekommen. Wir haben die Crowdfunding-Kampagne dann wieder runtergenommen. Auf weitere Spenden sind wir zunächst weniger angewiesen und wollen eher die Öffentlichkeit nutzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.
Markus: Auf das Thema aufmerksam zu machen bedeutet, dass wir kein Einzelfall sind. Dadurch, dass wir an die Öffentlichkeit gegangen sind, bekommen wir ganz viele Rückmeldungen von anderen Kleinstunternehmen – auch viele aus der Unverpacktbranche – dass das ein tagtägliches Geschäft ist: Unterlassungserklärungen, Abmahnungen, Markenverletzungsschreiben gehen raus und gerade die kleinen Unternehmen haben damit sehr hart zu kämpfen. Damit wollen wir an die Öffentlichkeit. Wir sind sehr dankbar für die finanzielle und emotionale Unterstützung, aber hier geht es um etwas viel Größeres. Wir hinterfragen die Praktiken, die in Deutschland (darüber hinaus kann ich es nicht einschätzen) vorherrschen, da wir permanent mit solchen Problemen konfrontiert sind. Das ist jetzt das zweite Mal innerhalb eines Jahres. Es ist nicht der erste Rechtsstreit, den wir haben. Und nun haben wir uns nicht anders zu helfen gewusst, als an die Öffentlichkeit zu gehen, was der richtige Weg zu sein scheint. Wir erhalten sehr viel Unterstützung – vielen Dank dafür.
Wollt ihr zum Abschluss noch ein paar Worte loswerden, die euch auf dem Herzen liegen?
Markus: Nach dem ganzen Schock und dem Stress, den wir erleben, erfahren wir aber auch – und da wiederholen wir uns an der Stelle – einen unglaublichen Support. Das schwenkt diese Negativerfahrung sofort in etwas Positives um. Kurz wird dieses Weltbild erschüttert und man fragt sich, ob wir jetzt wieder im Hardcore-Kapitalismus angekommen sind – etwas wofür uver überhaupt nicht steht, wir haben andere Werte. Und diese Werte teilen anscheinend auch ganz viele, viele andere Menschen, obwohl wir noch nicht einmal so richtig in der Öffentlichkeit sind. Wir haben einen minimal-kleinen Social-Media-Kanal mit nicht einmal 2000 Follower*innen und trotzdem haben darüber hinaus so viele Menschen Anteil genommen. Der Kabarettist Moritz Neumeier hat die Story innerhalb einer Stunde aufgegriffen und in seinen Stories veröffentlicht, weil anscheinend eine Followerin hier aus Greifswald das Ganze so schockieren fand, dass sie das einfach an ihn weitergeleitet hat. Danach ist die ganze Crowdfunding-Kampagne völlig explodiert. Und das gibt uns Kraft bei der ganzen Geschichte. Die Unverpacktbranche ist insgesamt eine ganz schöne Herausforderung – hier in Greifswald eher weniger – aber dennoch zu sehen, dass Umweltschutz eine Rolle spielt für die Leute, ist einfach fantastisch.
Vielen Dank für eure Zeit und die interessanten Einblicke. Die moritz.medien wünschen euch nur das Beste!
Schon ewig liegt mein altes und kaputtes Handy bei mir zu Hause in einer Schublade rum, fast vergessen. Doch als neulich in der Redaktionssitzung die Idee für einen Artikel über das Reparatur Café von verquer aufkam, ist es mir wieder eingefallen. Und ich war direkt hellauf begeistert: Gleichzeitig mein altes Handy reparieren können und einen Artikel über eine super coole Initiative schreiben? Eine perfekte Kombi!
Also beschließe ich zur nächsten Öffnungszeit direkt einmal vorbei zu schauen und mein kaputtes Handy mitzubringen. Das Reparatur Café von verquer findet alle zwei Wochen in den ungeraden Kalenderwochen immer montags von 16 bis 19 Uhr in der Straze statt. Die Straze liegt in der Stralsunder Str. 10 und das Reparatur Café im ersten Stock in den Kurswerkstätten. Die Werkstatt ist dabei für jede*n offen – das Alter spielt keine Rolle und alle sind willkommen, vorbei zu kommen und ihre defekten Gegenstände mitzubringen. Vor allem Elektrogeräte, aber auch Möbel können hier gut repariert werden, also alles von Laptops über Lampen, zu Nähmaschinen, Kinderwägen oder Stühlen. Für kaputte Kleidung kann man am besten in die Kabutze gehen und um sein Fahrrad mit Hilfe selbst zu reparieren, in die Fahrradwerkstatt im Klex. Bei großen Gegenständen wie Waschmaschinen oder sehr komplizierten Reparaturen wird darum gebeten, vorher einmal abzusprechen, ob die Kapazitäten dafür da sind. Das geht über folgende Mail-Adresse oder Telefonnummer: reparieren@bildung-verquer.de, 03834-77 37 881. Was man sonst mitbringen sollte, ist etwas Zeit, da es manchmal zu kleinen Wartezeiten kommen kann, wenn an einem Tag besonders viel los ist. Das Reparatur Café existiert seit Anfang des Sommers 2021, also seit etwa 1,5 Jahren, und ist gut besucht. Etwa 10 – 15 Menschen kommen pro Schicht. Die Leute, die kommen, sind nicht nur alternative Studis, sondern Menschen jeden Alters von Jugendlichen bis zu Senior*Innen.
Im Reparatur Café geht es vor allem um Hilfe zur Selbsthilfe. Und um gemeinsames Reparieren mit den ehrenamtlichen Helfer*innen, die sich alle gut auskennen. Es geht also nicht darum, dass man einfach seinen kaputten Gegenstand abliefert und der von den ehrenamtlichen Handerker*innen repariert wird. Stattdessen gibt es viel zu lernen und selbst auszuprobieren. Man kann selbst löten und schrauben und nach Fehlern suchen. Man arbeitet also immer gemeinsam an dem mitgebrachten Gegenstand, kriegt bei allen Schritten Unterstützung und ist nie auf sich allein gestellt. Nebenbei kann man viel über verschiedene Werkzeuge, Produktionsprozesse und Ressourcen lernen. Und hinterher wird man mit dem tollen Gefühl belohnt, etwas selbst repariert zu haben, erzählt mir Claudia, die bei verquer arbeitet und das Café betreut.
Nachdem Claudia mir etwas über das Reparatur Café erzählt hat, schaue ich mich ein wenig im Raum um. Leider hat gerade niemand Zeit, um mir bei meinem Handy zu helfen, aber ich werde direkt bei der Reparatur einer Tablet-Ladebuchse mit eingebunden. Zwischendrin trinke ich einen Tee und esse etwas von den Keksen, die für alle dastehen – sehr gemütlich wie ich finde. Wirklich wie in einem Café.
Dann hat Tiano, einer der ehrenamtlichen Reparateure, Zeit, mir bei meinem Handy zu helfen. W-Lan und Bluetooth lassen sich nicht mehr einschalten. Wir beginnen also zunächst mit einer Heißluftpistole das Handy am Rand zu erhitzen, um den Kleber zu lösen, mit dem es zusammengeklebt ist. Ich habe immer geglaubt, dass man Handys, seit sie verklebt werden, gar nicht mehr aufbekommt. Ein Irrglaube von mir, wie ich jetzt erfahre. Trotzdem wird durch das Verkleben eine Reparatur natürlich schwieriger, da es länger dauert und man spezielles Werkzeug braucht. Das Verkleben hat zwei Gründe: Zum einen können Handys dadurch wasserdicht gemacht werden (das geht auch anders, wäre dann allerdings teurer in der Produktion). Aber zum anderen können die Firmen dadurch bewirken, dass viele Menschen sich direkt ein neues Handy kaufen. Und das obwohl vielleicht nur einzelne Teile kaputt sind, die man leicht austauschen könnte, wenn man weiß, wie. Zum Glück lässt sich mein Handy sehr schnell und unkompliziert öffnen. Und ich sehe zum ersten Mal sein Innenleben. Ich bin direkt fasziniert von den ganzen winzigen Bauteilen. Tiano erklärt mir, dass einige der Transistoren (elektrische Schalter, durch die Smartphones erst möglich geworden sind) nur etwa 10.000 Atome groß sind – eine große Zahl aber trotzdem eine unvorstellbar kleine Größe und mit dem bloßen Auge nicht sichtbar. Er erklärt mir sehr anschaulich die Funktionsweise meines Handys – ich bin fasziniert. Dann geht es ans Aufschrauben, um an die WLAN-Antenne ran zu kommen. Diese könnte der Grund sein, warum Bluetooth und WLAN nicht mehr funktionieren. Dabei entdecken wir leider Spuren von Wasser, das ins Innere des Handys gedrungen ist und einen Kurzschluss ausgelöst hat. Leider kann man so etwas nicht mehr selbst reparieren, weil die Teile zu klein sind. Trotzdem hat mir die das vorsichtige und meditative Arbeiten Spaß gemacht.
Der Arbeitstisch mit meinem geöffneten Handy
Claudia und Tiano betonen zum Schluss beide, dass man häufig mehr Gegenstände reparieren kann, als man denkt. Und dass vieles nicht direkt weggeschmissen werden muss. Das spart nicht nur Geld, sondern auch Ressourcen und schont die Umwelt. Besonders spannend finde ich dazu eine Website, die Tiano mir zeigt. Auf ihr kann man sehen, wie viele Geräte durch das Netzwerk Reparatur-Initiativen, zu dem das verquer Reparatur Café in Greifswald gehört, repariert werden und wie viel CO2 dadurch eingespart wird. Im September, dem Monat in dem ich dort war, haben 12 Reparatur-Initiativen beim Reparieren von 140 Gegenständen geholfen und damit 1 Tonne CO2 und 16 Tonnen Boden und Gestein eingespart. Das ist eine Menge!
Das zufriedenstellende Gefühl, etwas selbst repariert zu haben, kann ich selbst leider nicht erleben. Trotzdem hat es mir großen Spaß gemacht, mein Handy selbst aufzuschreiben und ich fand es super interessant, es einmal von innen zu sehen. Sonst liegt die Erfolgsquote bei etwa 85%, wenn man die von vorneherein so gut wie aussichtslosen Fälle nicht berücksichtigt, meint Tiano. Aber ich habe Glück und einer der anderen Reparateure nimmt mir das kaputte Handy ab, um die einzelnen Teile als Ersatzteile nutzen zu können. So passiert dann letztlich doch noch etwas Sinnvolles damit und ich muss es nicht in den Müll werfen. Ein rundum erfolgreicher Besuch für mich.
Wer schon einmal auf den Salzwiesen spazieren war, hat sicherlich die Rinder bemerkt, die dort grasen. Unsere Redakteurin war mit Dörte Wolfgramm-Stühmeyer unterwegs. Sie hat 2016 den Familienbetrieb ihrer Eltern übernommen und bewirtschaftet die Wiesen mit ihren Tieren. Ein Gespräch über Paludikultur, unachtsame Spaziergänger*innen and Moor.
An einem bewölkten Morgen treffe ich Dörte Wolfgramm-Stühmeyer an den Salzwiesen. Kessie ist auch mit dabei. Die einjährige Hündin wird gerade zur Hütehündin ausgebildet und schnuppert ganz aufgeregt im Gras. Frau Wolfgramm-Stühmeyer erzählt, dass bereits ihre Großeltern Landwirte gewesen seien. Doch erst nach der Wende hätten ihre Eltern einen eigenen Hof gegründet. Damals noch mit 10 Rindern – gerade so viele, wie in den eigenen Stall passten. Die Landwirtin erinnert sich: „Meine Eltern wollten es nicht auf sich sitzen lassen, dass nach der Wende alles Land in der Umgebung verkauft wurde. Deshalb haben sie, erst einmal hobbymäßig, mit der Landwirtschaft angefangen.“
Als der Betrieb langsam wuchs, sei die Familie auf der Suche nach neuen Flächen gewesen – aber viele ertragreiche Standorte bereits verkauft oder verpachtet. „Die Salzwiesen waren eine Ecke, die sonst keiner haben wollte, also haben wir sie Anfang der 90er Jahre von der Stadt gepachtet und bewirtschaftet“, so die studierte Agrarökologin.
Tatsächlich eignen sich die Salzwiesen nicht sonderlich gut zur Grünlandnutzung, denn es handelt sich um Niedermoorböden. Das aufwachsende Gras hat einen geringen Futterwert, dadurch ist nur eine eingeschränkte Beweidung möglich. Außerdem sind die Flächen nicht immer mit Maschinen befahrbar. Frau Wolfgramm-Stühmeyer demonstriert das Problem, in dem sie kräftig auf dem Boden springt. Ich merke die Vibration unter den Füßen.
„Die Grasnarbe schwimmt im Prinzip auf einem beweglichen Untergrund.“
Dörte Wolfgramm-Stühmeyer
Die eingeschränkte Nutzbarkeit der Flächen sei auch ein Grund gewesen, warum der Betrieb 1997 auf ökologische Landwirtschaft umgestiegen sei. Zusätzlich liege ihnen die artgerechte Tierhaltung sehr am Herzen. Der Familienbetrieb ist tierisch vielfältig aufgestellt. Neben Mutterkühen und Mutterschafen gehören Mastschweine und Legehennen zum Hof. Das Fleisch der Tiere wird direkt im Hofladen vermarktet. „Ich habe Kunden, die sagen, dass sie das Fleisch nur noch bei mir kaufen. Das ist das größte Lob, was ich bekommen kann“, sagt die Landwirtin.
Kessie bleibt auf einmal stehen und schnüffelt intensiv im Gras. Dort liegen die Reste einer Fast-Food-Tüte. Frau Wolfgramm-Stühmeyer hebt sie auf. Sie weiß, dass viele Greifswalder*innen gerne auf den Salzwiesen spazieren gehen. Einige Flächen habe sie deshalb aus der Beweidung genommen und mähe sie nur noch. Zusätzlich mulche sie auch die Spazierwege zwischen den Weiden, um diese freizuhalten. Diese Kultur des Miteinanders wünsche sie sich auch von den Spaziergänger*innen. „Ich kann alle nur immer wieder bitten ihren Müll mitzunehmen. Auch der Hundekot hat auf meinen Flächen nichts verloren“, betont sie. Auch warnt sie davor die Weiden zu betreten, selbst wenn es erst einmal nicht so aussieht, als ob dort Tiere stehen.
Müll sollte auf den Wiesen nicht zurückgelassen werden. Der findet sich letztlich im Heu wieder.
Nicht nur zurückgelassener Müll macht der Landwirtin zu schaffen. Auch das Thema Paludikultur – also die Bewirtschaftung nasser Moore – beschäftige sie. Einerseits sehe sie die ökologische Notwendigkeit, die Flächen wiederzuvernässen. Anderseits sei ein Drittel ihrer Flächen Niedermoorflächen und würde bei einer konsequenten Wiedervernässung aus der Bewirtschaftung fallen. Eine Nutzung der Flächen in Paludikultur sei auf ihren Weiden technisch noch nicht möglich. Sie hoffe daher, dass in Zukunft Lösungen gefunden werden können, die die Moore schützen, aber gleichzeitig ihrem Betrieb nicht schaden. Schließlich genieße sie es sehr Landwirtin zu sein: „Wenn ich morgens auf den Weiden stehe und die Ruhe genieße, oder wenn ich sehe, wie entspannt meine Rinder sind, bin ich dankbar für meinen Beruf.“ Auch auf die Frage, ob Frau Wolfgramm-Stühmeyer, wenn sie die Wahl hätte, nochmal Landwirtin werden würde, gibt es eine einfache Antwort: „Ich würde nichts anderes wollen.“
Ob Klimaschutz, Konsum, Ernährung oder Gewässerschutz — die Mitglieder der BUNDjugend in Greifswald engagieren sich umweltpolitisch für mehr Gerechtigkeit. webmoritz. hat vier von ihnen in der Innenstadt getroffen, um die Beweggründe der jungen Menschen zu erfahren.
Greifswald ist bunt. Dies erkennt man nicht nur an den Hausfarben in der Innenstadt, sondern auch an den vielfältigen NGOs, die sich im Stadtkern tummeln. Neben den derzeitigen Friedensdemos organisieren gemeinnützige Vereine Aktionen für mehr Gerechtigkeit auf unserem Planeten.
Die BUNDjugend Greifswald setzt sich beispielsweise für vielfältige Umweltthemen ein. Sie reichen von Klimaschutz und -gerechtigkeit über Konsum und Umweltverschmutzung bis hin zur Biodiversitätskrise und Ernährung. Sich selbst beschreibt die Gruppierung als politisch, vielfältig und offen. Der gemeinnützige Verband ist geprägt durch acht feste Teammitglieder in Greifswald. Insgesamt sind es etwa 83.000 Mitglieder bundesweit. Die jungen Menschen hier vor Ort sind mit Herz und Seele dabei. „Es passiert einfach auf der Welt zu viel Scheiße, wie die Abholzung der Regenwälder und die hohen CO2-Emissionen“ erklärt Tabea (21 Jahre), die sich deshalb umweltpolitisch engagiert. Sie studiert mit Verena (19 Jahre) zusammen an der Universität Greifswald Biochemie. Jeden Donnerstag um 19:00 Uhr trifft sich der Ortsverband, um neue Aktionen zu planen. Vor kurzer Zeit verteilten die Studierenden in der Greifswalder Innenstadt Beutel und Aufkleber, um über Sea-Watch zu informieren.
Die Pharmaziestudentin Gesine (21 Jahre) war schon in ihrer Heimatstadt Schwerin aktiv bei der BUNDjugend-Gruppe. Neben ihren Vorlesungen engagiert sie sich für eine gerechtere Welt. Christina (21 Jahre) hat die Gruppe 2020 in Greifswald wieder ins Leben gerufen. Die Landschaftsökologiestudentin interessiert sich innerhalb ihres Studiums und in ihrer Freizeit für viele unterschiedliche Umweltthemen. In ein paar Wochen ist eine Aktion gegen die Entenfütterung an unterschiedlichen Gewässern rund um Greifswald geplant, darauf freut sich die Studentin besonders.
Der Greifswalder Ortsverband der BUNDjugend sucht weitere junge Personen, die Lust haben, die Welt etwas zu verbessern: „Es gibt noch so viel zu tun, damit die Welt gerechter und grüner wird“, erzählt Christina am Fischmarkt in Greifswald. Anders als die Fridays-for-Future-Bewegung thematisiert die BUNDjugend diverse Umwelt- und Naturproblematiken. Daher finden über das Jahr verteilt ganz unterschiedliche Aktionen statt, beispielsweise eine Kleiderparty, von der Gesine schwärmt. Außerdem empfinden die vier Studierenden die Exkursionen immer wieder als spannend, um mit Menschen und der Natur in Kontakt zu kommen.
Personen bis zu einem Alter von 27 Jahren können bei der BUNDjugend in ganz Deutschland mitwirken. Zurzeit sind es vor allem Studierende, die darin aktiv sind, jedoch sind sie offen für alle jungen Menschen. Wer Lust darauf hat, etwas Luft von den frischen Ideen des Verbandes zu schnuppern, kann auf der Websiteunter anderem Informationen zu Aktionstagen und Mitgliedstreffen finden.
Beitragsbild: Lena Isenberg BUNDjugend am Fischmarkt in Greifswald: Tabea, Verena, Gesine und Christina (von links nach rechts)
Hier könnt ihr das aktuelle Video von moritz.tv sehen.
Beim Abspielen des Videos werden personenbezogene Daten zu YouTube übertragen. Weitere Informationen findest du in unseren Datenschutzhinweisen (Datenschutzerklärung | webmoritz.).