13. Dezember – Ein gemütlicher Trudchenabend

Foto: Deni Šimić

Foto: Deni Šimić

Heute im Kabutze, wo sonst die Nähmaschinen glühen und fleißig alles an- und zusammen genäht wird was nicht Niet- und Nagelfest ist, klappern heute die Stricknadeln beim entspannten miteinander. Auch für diejenigen interessant, die noch auf der Suche nach einem passenden Geschenk sind. Denn nicht nur die weibliche Verwandtschaft freut sich über selbstgestrickte Topflappen oder warme Socken von fortgeschrittenen Strickmeistern. Die Strickbutze öffnet um 18 Uhr in der Kabutze, Friedrich-Loeffler-Straße 44a ihre Pforten.

Sei dein eigener Schneider!

Stoffe zuschneiden, neue Muster kombinieren und dann ab unter die Nähmaschine. Schon hat man etwas Neues aus eigener Hand geschaffen. Die offene Nähwerkschaft Kabutze bietet die Möglichkeit kreative Kleidung zu kreieren.

Den Faden in die Öse fädeln, mit Bedacht und Geduld. Leicht ist das nicht. Die Zickzack-Naht ist eingestellt und eignet sich am Besten für meinen elastischen Stoff. Einmal tief durchatmen und dann kann das Vernähen von Oberteil und Zwischenstück beginnen. So betrachtet muss es doch leicht sein, ein eigenes Kleidungsstück herzustellen. Doch welche Stoffe welche Stiche erfordern oder welche Tricks man anwenden muss, um elastische und steife Stoffe irgendwie zu vereinen, war mir nicht bewusst.

Deshalb sitze ich nun im Kapuzenkleid-Workshop in der Kabutze, eine offene Nähwerkstatt, und versuche, drei verschiedene Stoffe zu etwas Neuem zu kombinieren. In meiner Vorstellung sieht es jetzt schon umwerfend aus. Neben mir sind noch drei andere Teilnehmer da, stöbern in der Kiste für Stoffreste, betrachten alte Oberteile oder wühlen sich durch den unglaublichen Berg von Knöpfen. Uns zur Seite steht die Workshopleiterin Babett Gibb, die uns alles Nötige erklärt und der wir oft verzweifelte Blicke à la „Ich glaube, ich habe die Nähmaschine kaputt gemacht.“ zuwerfen. Fäden haben eben manchmal ein Eigenleben.

„Wir sind ja auch keine Profis. Hier kann jeder von jedem lernen. Wir freuen uns, wenn wir auch noch etwas dazu lernen. Zudem entsteht auch ein generationsübergreifender Austausch.“ Es ist jener Ansatz, berichtet Kabutzenmitglied Mel, der die Nähwerkstatt ausmacht.

Sie ist eine von denjenigen, die den Entstehungsprozess von Anfang an begleitet hat. Seit 2009 gibt es die Gruppe, doch erst ein Jahr später konnten sie sich in den derzeitigen Räumlichkeiten in der Friedrich-Loeffler-Straße 44a niederlassen. In der Zwischenzeit wurde viel geplant. Zurzeit besteht die Kabutze aus acht Mitgliedern. Der Gründerkreis bestand aus drei Leuten, die in Greifswald einen Ort des gemeinsamen Nähens etablieren wollten. Als Vorbilder dienten bereits bestehende Nähcafés in Großstädten. „Wir haben erst einmal überlegt, wie wir das Ganze gestalten wollen und ein Konzept geschrieben. Denn wir wollten eine Nähwerkstatt mit politischem Hintergrund aufbauen“, erinnert sich Mel. Gemütlich sitzt sie in der Ecke auf einem Sofa, welches wie der Rest der Einrichtung aus Spenden stammt.

Den Stoff, welchen ich mir für meinen Rock herausgesucht habe, war früher, allem Anschein nach, eine Tischdecke. Zugegeben, eine sehr hübsche Tischdecke mit blumigem Muster. Neben dem gemeinsamen Nähen und voneinander lernen gehört auch das Teilen zur Grundidee. Poltische, ökologische und soziale Komponenten bilden das Grundgerüst.

„Wir versuchen, alles mit dem Thema Kleidung zu verknüpfen“, erklärt Mel. So gibt es auch Filmabende, die zum Beispiel über Arbeitsbedingungen in der südamerikanischen Textilindustrie aufklären oder diverse Workshops zum nachhaltigen, privaten Wirtschaften. Geplant sind zum Beispiel ein Workshop zur Herstellung von Lampen oder das Basteln eines Sitzkissens aus alten Tetrapacks.

Mode ist ein sehr kurzlebiges Geschäft, was die Kleidungsstücke im Schrank schnell verblassen und altern lässt. Dabei ist es enorm, wie viele Ressourcen in der Textilproduktion ausgebeutet werden. So erzeugt die Herstellung eines einzelnen T-Shirts nach verschiedenen Berechnungen und je nach Größe, Webdichte und Herstellungsart fünf bis acht Kilogramm CO₂. Laut Statistischem Bundesamt verursacht jeder Einwohner in Deutschland 200 Kilogramm CO₂-Emissionen pro Jahr für Kleidung und Textilien. Einer World Wide Fund For Nature (WWWF)-Studie zufolge sind 2 700 Liter für die Herstellung eines einzigen T-Shirts notwendig.

Unvorstellbare Summen für einen täglichen Gebrauchsgegenstand, den man bereits für wenig Geld bei einschlägig bekannten Modeketten kaufen kann. Selber nähen bedeutet, neben der Entwicklung eines eigenen Konsumbewusstseins auch Entschleunigung vom hektischen Alltag. Eine sinnstiftende Handarbeit, die wir in globalisierten Zeiten auf unterster Ebene zurück erobern können.
In der Zwischenzeit ist die Mittagspause angebrochen. Wir haben uns in der behaglichen Sitzecke niedergelassen und genießen die eigens für uns gekochte Kartoffelsuppe. Nach der delikaten Suppenstärkung begeben wir uns alle wieder an unsere Werke, die sich nach Vollendung sehnen.

Wo bitte schön ist denn nun dieser tolle Stich, den ich an meiner gekauften Kleidung erblicke? Jener, der die Ränder so schön umnäht. Nach langem Suchen an meiner Nähmaschine Zuhause musste ich enttäuscht feststellen, dass es diesen wohl nicht gibt. „Overlockstich“ nennt sich das Ganze und dafür gibt es eine extra Nähmaschine in der Kabutze.

Doch warum überhaupt selbst nähen und nicht den Weg des geringsten Widerstandes nehmen und in Kleidungsgeschäften einkaufen? Das Nähen beansprucht, besonders am Anfang, viel Zeit. Und manchmal entspricht das Resultat dann nicht der eigenen Wunschvorstellung.

Doch eine Nähmaschine kann viel mehr, als nur Löcher in einer Hose zusammennähen. Sie haucht alten und neuen Stoffen frisches Leben ein und erschafft etwas Eigenes, in dem Herzblut, Geduld und Stolz stecken. Es formt das Individuelle. „Ich finde es spannend, wie man sich durch Kleidung ausdrücken kann“, erzählt Mel. Eileen, eine der Teilnehmerinnen ist inzwischen fertig mit ihrem Kleid.

Aus einem mitgebrachten bunt gestreiften T-Shirt hat sie ein entzückendes Kleidchen gezaubert. „Ach, das ist so schön, ich liebe es jetzt schon“, sagt sie mit einem breiten Grinsen. Am Ende des Tages werden wir entspannt und zufrieden mit unseren Werken nach Hause gehen. In Gedanken bin ich allerdings schon bei meinem nächsten, selbst genähten Kleidungsstück.

Ein Feature von Maria Strache

Aufgepeppt statt Öko – Die offene Nähwerkstatt Kabutze

Aufgepeppt statt Öko – Die offene Nähwerkstatt Kabutze

Die “Kabutze” in der Friedrich-Löffler-Straße ist eine offene Nähwerkstatt, in welcher sich kritisch mit den Produktionsbedingungen auseinandergesetzt wird, die in der Kleidungsindustrie vorherrschen. Als Alternative zum immer neuen Konsum von Textilien, wird in der Werkstatt schon seit über einem Jahr Anfängern das Nähen vermittelt. Jeder kann vorbeikommen, um seine eigenen Kleidungsstücke zu reparieren oder neu zu gestalten, damit diese langlebiger werden.

moritz-Redakteurin Anastasia Statsenko traf sich mit einer der Gründerinnen, um mehr zu erfahren. (mehr …)

Kultur kompakt: 13. bis 16. Januar

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So jung das Jahr noch ist, so drohend erscheinen schon die Prüfungsgeister im Kalender und das schlechte Gewissen zwingt fast zur Übernachtung in der Unibibliothek. Um euch aber vorm nervlichen Zusammenbruch zu bewahren, haben wir für euch einen kleinen Blick auf den Veranstaltungskalender am Wochenende geworfen und von grafisch-literarischen Sprachhybriden über Berlin-Fucking-Hardcore bis hin zum Second-Hand-Bazar in gemütlicher Atmosphäre ist so einiges vertreten. (mehr …)

7 – Ein Geschenk zum Selbernähen

Wem bisher das ultimative Geschenk fehlt und wer Freude am vorweihnachtlichen Handwerkeln hat, wir haben etwas Besonderes für euch! MORGEN, am 8. Dezember, findet eine vorweihnachtliche Nähaktion in der offenen Nähwerkstatt Kabutze statt.

Der ökologische Gedanke zählt: Aus recycelten Handtüchern werden kleine Unikate angefertigt. Am Ende wird jeder Teilnehmer mindestens einen frech und fröhlich gestalteten Waschhandschuh mit nach Hause nehmen können.

Selbst ohne Vorkenntnisse im Umgang mit einer Nähmaschine seid ihr willkommen. Ihr bekommt professionelle Anleitung beim Entwerfen eurer Idee und bei deren Umsetzung. Für Nähmaschinen und reichlich Material ist ebenfalls bereits gesorgt. Der Eintritt ist frei, wer möchte, kann etwas zum Erhalt der Werkstatt spenden.

Ihr seid alle herzlich in die Kabutze eingeladen zum webMoritz-Adventskalender-Nähworkshop.

Ort: Friedrich-Loeffler-Straße 44 a.

Zeit: 16:00 bis 20:00 Uhr

Tel: 0163 75 36 98 8