von Torsten Heil | 10.12.2010

Pressekonferenz der Stadtverwaltung zur geplanten Demonstration in Greifswald.
Mit Blechtonnen, Fahrrädern und Segelschiffen machten die Gegner des Castortransportes bereits in der Vergangenheit in und um Greifswald auf sich aufmerksam. Der Höhepunkt der Proteste gegen den Castortransport, der in etwa einer Woche in den Werkbahnhof Lubmin rollen soll, findet am kommenden Samstag in Form einer Demonstration um die Greifswalder Innenstadt statt . Insgesamt werden 4000 Demonstranten aus dem gesamten Bundesgebiet erwartet. „Zehn Busse aus MV und weitere 14 aus dem gesamten Bundesgebiet haben sich schon angemeldet“, sagte Ulrike Berger (Grüne), Sprecherin des Anti-Atom-Bündnisses Nordost. Die Protestierenden kommen unter anderem aus dem Wendland, Hamburg und Braunschweig.
Mehrere hundert Polizisten sollen den Protest absichern
Die Polizeidirektion Anklam und die Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt bereiten sich umfassend auf die Führung des geplanten Einsatzes zur Transportbegleitung vor. Mehr als 500 Polizisten sollen nach Angaben der Ostsee-Zeitung die Anti-Atom-Demonstration absichern. Die Einsatzkräfte sollen aus Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, der Hansestadt Hamburg und der Bundespolizei kommen. „Wir halten starke Reserven aus dem gesamten Bundesgebiet bereit“, teilte der Einsatzleiter Polizeioberrat Gunnar Mächler mit. Bisher gebe es jedoch keine Hinweise auf die Anreise gewaltbereiter Demonstranten. Falls sich die Erkenntnisse in den Tagen ändern sollten, werden auch die polizeitaktischen Maßnahmen angepasst. Bislang seien aber keine Kontrollen an den Ortseinfahrten nach Greifswald geplant.

Dezernent Ulf Dembski (SPD) rechtet mit Verkehrsbehinderungen.
Stadt verspricht Unterstützung bei Schneefall
„Die Stadt heißt alle friedlichen Demonstranten Willkommen“, sagte der zuständige Dezernent für öffentliche Ordnung, Ulf Dembski (SPD). Der Demonstrationszug führt einmal im Kreis um die Innenstadt, dabei wird auch die Europakreuzung schneiden. Einwohner und Gäste der Stadt müssen sich jedoch auf weiträumige Sperrungen einstellen. „Es wird erhebliche Verkehrsbehinderungen geben“, so Dembski gegenüber dem webMoritz. Die Stadtverwaltung und Polizei erwarten darüber hinaus zahlreiche Tages-Gäste, die entweder den Weihnachtsmarkt oder das Mitternachts-Shopping besuchen wollen. „Die Stadt wird gegebenenfalls bei Schneefall, die Demonstrations-Route vom Winterdienst räumen lassen“, erklärte Dembski weiter
Zwei Kundgebungen am Bahnhof
„Die Bahnhofstraße wird ab morgens 9 Uhr voll gesperrt und die Bushaltestelle verlegt“, teilte Dembski weiter mit. Die Kundgebung beginnt ab 12 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz. Der Demonstrationstross wird sich gegen 13.30 Uhr in Bewegung setzen. „Nachdem sich der Demonstrationszug in Bewegung gesetzt hat, werden, je nachdem, die entsprechenden Zufahrtstraßen zeitweise gesperrt“, sagte Einsatzleiter Mächler. In den Straßen, die auf der Demonstrationsroute liegen, gilt komplettes Halteverbot. „Das ist auch im Interesse jedes Fahrzeugführers. Schließlich könnten Handtaschen gegen die Autos in den zum Teil sehr schmalen Straßen stoßen und sie beschädigen“, wirbt Mächler für die Maßnahme. Die Polizei wird den Protestmarsch nach vorne und hinten absichern. „Nach der etwa zweistündigen Demonstration gibt es eine große Abschlusskundgebung am Bahnhof“, so Ulrike Berger. Auf parteipolitische Redner habe man bewusst verzichtet, um die gesellschaftliche Breite der Protestbewegung darzustellen.
Kostenfreies Bürgertelefon

Polizei-Einsatzleiter Gunnar Mächler spricht von einer guten Zusammenarbeit.
Die ersten Bürger aus Greifswald nutzten die Möglichkeit, sich am Bürgertelefon über die am Samstag in Greifswald mit der Großdemonstration im Zusammenhang stehenden Straßensperrungen und Umleitungen zu informieren. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800 – 58 92 984 bemühen sich die Mitarbeiter, Fragen und Probleme möglichst schnellen zu klären. Befürchtungen von Anrufern, dass auch der Straßenverkehr zwischen Lubmin und Kröslin ab Freitag betroffen sein könnte, entkräfteten die Mitarbeiter am Bürgertelefon. Die Polizei wird rechtzeitig über die Medien und am Bürgertelefon die notwendig werdenden Maßnahmen informieren.
Der katholische Polizeiseelsorger Mecklenburg-Vorpommerns Dr. Stephan Handy ruft, anlässlich der Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Transport in das Zwischenlager Nord (ZLN), dazu auf gewaltfrei zu demonstrieren: „Die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern haben vor 21 Jahren die Erfahrung gemacht, dass friedliche Demonstrationen zu Freiheit und Demokratie geführt haben. Freiheit und Demokratie brauchen, damit sie Bestand haben, allgemein akzeptierte und geschützte Regeln. Diese sind im Grundgesetz verankert. Dazu gehört auch das Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit. Die Polizei hat den Auftrag, dieses Recht zu schützen.“
Fotos: Torsten Heil (Pressekonferenz, Gunnar Mächler), Carsten Schönebeck (Ulf Dembski/Archiv), Marco Wagner (Grafik/Google Maps), Jörn Zahlmann via jugendfotos.de (Aufmacher-Bild)
Route:
Busbahnhof (ZOB) – Bahnhofstraße – Goethestraße – Stephaniestraße – Lange Reihe – Platz der Freiheit – Hansering – Steinbeckerstraße – Loefflerstraße – Wollweberstraße – Lange Straße – Karl-Marx-Platz – Bahnhofstraße – Busbahnhof (ZOB)
Als Redner sind der pommersche Bischof Hans-Jürgen Abromeit vorgesehen, Konrad Ott, Professor für Umweltethik an der Greifswalder Universität, Oskar Gulla als Chef der Bürgerinitiative gegen das Steinkohlekraftwerk, Kerstin Rudek, die Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow- Dannenberg, Ulrike Mehl, die stellvertretende BUND-Vorsitzende und für die atomkritische DDR-Bürgerrechtsbewegung Johann-Georg Jaeger. Ferner sollen Vertreter des DGB sowie des Republikanischen Anwaltsvereins zu Wort kommen.

von Carsten Schönebeck | 18.11.2010
Die Stadt Greifswald fällt im frisch veröffentlichten Ranking des „Zukunftsatlas 2010“ um mehr als 50 Plätze und liegt nun auf Rang 159 von insgesamt 412 kreisfreien Städten und Landkreisen in Deutschland. Die Studie wird im Drei-Jahres-Rhythmus von der Schweizer Unternehmensberatung prognos AG, die sich auch für das neue städtische Leitbild verantwortlich zeichnet, erarbeitet.
Hatte sich Greifswald 2007 noch an der Schwelle zu den TOP 100 befunden und diese für 2010 angepeilt wurden diese Hoffnungen nun enttäuscht. Zwar konnte sich die Stadt in den meisten Einzelbereichen des Rankings verbessern, insbesondere aber beim Faktor „Wettbewerb und Innovation“ ist Greifswald nach Ansicht der Wirtschaftsberater vom obersten ins letzte Drittel abgestürzt. Trotz Vebesserung ebenfalls im hinteren Drittel liegt die Hansestadt beim Faktor „Soziale Lage und Wohlstand“ (Platz 382 von 412). Spitzenpositionen unter den ersten Zehn bescheinigen die Schweizer der Stadt Greifswald in den Bereichen „Demographie“ und „Dynamik“.
Greifswald bleibt regionaler Leuchtturm

Oberbürgermeister Dr. Arthur König
Oberbürgermeister Dr. Arthur König zeigte sich enttäuscht von der Verschlechterung im prognos-Ranking und analysierte: „Gerade im Umfeld so starker Städte wie Osnabrück, der Region Hannover oder der Städteregion Aachen ist es besonders schwer, bei unseren hiesigen Rahmenbedingungen Plätze gut zu machen.“ König zeigte sich jedoch positiv darüber gestimmt, dass Greifswald unter den ostdeutschen Städten weiterhin Platz 4 belege und „die Leuchtturmposition in der Region Vorpommern wahre“. Eine interne Auswertung der Studie solle in den kommenden Wochen geschehen.
Besondere Beachtung hatte die prognos-Studie im Jahr 2007 in Greifswald gefunden, weil sich die Stadt sprunghaft um 224 Plätze in das obere Drittel katapultiert hatte. Der Greifswalder Geographie-Professor Helmut Klüter begründete diesen Sprung am Mittwoch in der Ostsee-Zeitung mit den damals stark steigenden Studentenzahlen und bezeichnete Rankings allgemein als „mehr oder weniger spekulative Modelrechnungen“.
Bilder:
Logo – prognos AG
Foto Dr. König – Eric Schümann
Foto Startseite (Fernglas) – Marc Tirl via jugendfotos.de
von Marco Wagner | 15.11.2010

Die Grünen laden in die Brasserie Hermann ein, um "Tacheles" zu reden.
In Greifswald gibt es ständig Brennpunkte, über die es sich zu beschweren, kritisieren, diskutieren und empören lohnt. Bürgerinnen und Bürger machen ihrem Unmut zumeist in der Kneipe um die Ecke bei einem Glas Bier Luft. In London gibt es seit Jahren im Hyde Park den „Speakers Corner“. Zu bestimmten Zeiten versammeln sich Menschen, um an dieser Ecke des Hyde-Parkes ihr Statement zu bestimmten tagesaktuellen, politischen Themen abzugeben.
Die Greifswalder Grünen haben nun diese Idee aufgegriffen. Am Dienstag, dem 16. November, findet in der Brasserie Hermann um 20 Uhr eine ähnliche Veranstaltung unter dem Motto „Tacheles reden“ statt. Wie der Pressemitteilung der Greifswalder Grünen zu entnehmen ist, darf an diesem Abend jeder „auf ein Kistchen steigen und die Welt von seiner Meinung überzeugen.“ Die Themenwahl ist dabei jedoch nicht beliebig, sondern bleibt auf Greifswald beschränkt. Darüber hinaus darf jeder nur ein Thema nennen und erläutern, anschließend muss er sich wieder hinten anstellen, bis er erneut „Rederecht“ hat. Die Veranstaltung wird von Michael Steiger moderiert.
Für den Fall, dass der eine oder andere Besucher an der Veranstaltung teilnehmen will, ihm allerdings kein diskussionswürdiges Thema einfällt, haben die Organisatoren bereits einige Themen vorgeschlagen, über die diskutiert werden kann. Eigene Themen dürfen freilich auch mitgebracht werden. Zu beachten bleibt, dass es die Gemeinde Lubmin nicht gestattet, wenn ihr Dorf im öffentlichen Raum in einem Atemzug mit dem Zwischenlager, das nur einen Steinwurf des Seebades entfernt liegt, genannt wird. Da das „Zwischenlager Nord“, das auf dem Gelände des ehemaligen „Kernkraftwerkes Lubmin“ bei Greifswald errichtet wurde, auf der Gemarkung der Gemeinde Rubenow liegt, muss ab sofort vom „Zwischenlager Nord Rubenow“ gesprochen werden. Andernfalls erfolgt eine Unterlassungserklärung von Seiten der Gemeinde Lubmin. Darüber berichteten in der Vergangenheit sowohl die Ostseezeitung, als auch die Greifswalder Grünen. Wer den entsprechenden Beschluss des Gemeinderates Lubmin als Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit empfindet, kann sich daher am Dienstag um 20 Uhr in der Brasserie Hermann einfinden und „Tacheles reden“.
Bildnachweis: Greifswald wird grün (Banner)
von Torsten Heil | 04.11.2010

"Wir denken trotz der Klage an die Region."
Die Stadt Greifswald klagt gegen die Kreisgebietsreform. Der Landtag beschloss am 7. Juli 2010 Mecklenburg-Vorpommern das „Gesetz zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstrukturgesetz)“. Welches seinerseits als Artikel 1 das „Gesetz zur Neuordnung der Landkreise und der kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landkreisneuordnungsgesetz – LNOG M-V)“ enthält.
Die Hauptgründe für Oberbürgermeister Dr. Arthur König (CDU): So gebe es eine erhebliche Diskrepanz zum Leitbild der Landesregierung, das eine Stärkung der Zentren vorsieht. Dies werde durch das neue Gesetz aber nicht befördert. Zudem verliere die Stadt Aufgaben und Kompetenzen. Gleichzeitig erschweren die weiten Wege, die von den Abgeordneten innerhalb des neuen Kreisgebildes zurückgelegt werden müssen, die ehrenamtliche Arbeit.
Der Oberbürgermeister betonte allerdings: „Wir denken trotz der Klage an die Region. Wir sind für eine enge Zusammenarbeit, wollen uns die Art und Weise aber nicht vorschreiben lassen, sondern selbst bestimmen.“ Bis auf die SPD stimmten alle Fraktionen und Wählergruppen der Klage zu.
Rechtsanwalt Christian Pegel (SPD) empfahl, abzuwarten. Seiner Einschätzung nach seien die Argumente der kreisfreien Städte gegen das neue Gesetz zu schwach. Vielmehr sollte man auf einen möglichen Klageerfolg der Landkreise setzen, die seiner Ansicht nach in ihren Rechten erheblich beschnitten würden.

So sollen die Kreise nach der Reform aussehen. (Klicken zum Vergrößern)
„Im neuen Großkreis würde Greifswald wohl das Mitbestimmungsrecht über unsere Schulen und weitere Einrichtungen verlieren. Dies bedeutet, dass wir nicht wie bisher eine gute Qualität in Lehre und Schulausbildung garantieren können. Damit Greifswald als Leuchtturm der Region weiterhin Vorreiter in Bildung, Schaffung von Arbeitsplätzen und soziale Unterstützung seiner Bürger sein kann, muss es nun mal kreisfrei bleiben und durch den heutigen Beschluss haben wir unsere Mittel als Bürgerschaft bis auf das Letzte ausgeschöpft“, bekräftigt Franz-Robert Liskow, Bürgerschaftsmitglied und Kreisvorsitzender der Jungen Union Greifswald, nach der Bürgerschaftssitzung.
Gemeinsam mit den kreisfreien Hansestädten Wismar und Stralsund wurde Ende Juli 2010 der Verfassungsrechtler Professor Dr. Dombert beauftragt, die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zu prüfen. Sowohl von Seiten des Gutachters aber auch seitens des Vertreters des Städte- und Gemeindetages wurde den kreisfreien Städten eine verfassungsgerichtliche Überprüfung des Kreisstrukturgesetzes empfohlen. Die Beschwerde soll nun am 1. Dezember beim Landesverfassungsgericht eingereicht werden.
In der Bürgerschaft stimmten 31 Abgeordneten für eine Klage. Die sechs Gegenstimmen kamen von der SPD. Vier Abgeordnete enthielten sich. Greifswald verliert durch die Kreisgebietsreform ab September 2011 seine Kreisfreiheit. Es soll aber Kreissitz im neuen Großkreis werden, der Ostvorpommern, Uecker-Randow und Teile des Landkreises Demmin umfassen wird.
Fotos: Torsten Heil (OB König), Daniel Focke (Grafik), JonnyKO via jugendfotos (Justizia)
von webmoritz. | 25.10.2010
Ein Beitrag von Alexander Müller und Torsten Heil

Dieser Mann hat das Anzeigen-Blatt angeblich wieder eingesammelt.
In Greifswald liefern sich eine Verlegerin und der Geschäftsführer der WVG einen erbitterten Kleinkrieg. Dabei überschreiten sie anscheinend nicht nur Grenzen des guten Geschmacks, sondern auch die Schwelle zur Kriminalität. Die Polizei ermittelt.
Als der Optiker Andreas Arnold die Türglocke seines Geschäftes hört, ahnt er noch nicht, dass dieser Moment der Auftakt zu einem neuen Kapitel einer Provinzposse der ganz besonderen Art sein wird. Durch die Tür tritt ein Mitarbeiter des Anzeigenblattes „Stadtgespräch“. Wie immer lässt er ein paar kostenlose Hefte im Laden und setzt seine Tour durch die Geschäfte der Greifswalder Innenstadt fort. Doch diesmal ist etwas anders als sonst.
Nur wenige Minuten nachdem der Verteiler den Optiker verlassen hat, läutet die Türglocke ein weiteres Mal. Ein kräftig gebauter Mann mit grünem Overall und schwarzer Weste betritt das Brillengeschäft. „Wir müssen die Ausgaben vom ‚Stadtgespräch‘ wieder mitnehmen, es hat sich dort ein Druckfehler eingeschlichen“, erklärt er dem verdutzten Andreas Arnold. Kurzerhand steckt der Unbekannte alle Hefte ein und verschwindet wieder. Wer ihn geschickt hat, sagt er nicht. Verwundert blickt ihm Andreas Arnold durch sein Schaufenster hinterher und beobachtet, wie noch zwei weitere in grün und schwarz gekleidete Männer die Nachbarläden durchstreifen, überall auf der Suche nach dem kostenlosen Anzeigenblatt. Mehrere Hundert von ihnen werden sie am Ende des Tages eingesackt haben. Bei der Truppe handelte es sich aber keinesfalls um Mitarbeiter des „Stadtgesprächs“. Vielmehr wollen Augenzeugen die Männer mit den grünen Overalls als Hausmeister der Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft Greifswald (WVG) erkannt haben.
„Das bedroht meine Existenz“

Der Unbekannte versteckte sich hinter einer Aktentasche.
Als Grit Juhnke, Herausgeberin des Stadtgesprächs, von einer verwunderten Leserin über die seltsamen Vorgänge informiert wird, glaubt sie zunächst an einen schlechten Scherz. Von einem Druckfehler in ihrem Heft weiß sie nichts und von einer großflächigen Rückrufaktion erst recht nicht. Sofort fährt sie an den Ort des Geschehens. Noch im Auto beschleicht sie eine düstere Ahnung, wer hinter dem Diebstahl ihrer Hefte stecken könnte. In der aktuellen Ausgabe für Oktober und November befindet sich nämlich ein kritischer Beitrag über die Mieterhöhungen der WVG, illustriert mit einer martialischen Fotomontage mit dem WVG-Geschäftsführer Klaus-Peter Adomeit. Das Bild zeigt den Funktionär gefesselt in einem Schandpfahl und der öffentlichen Schmähung preisgegeben. Juhnkes Verdacht: Adomeit könnte seine Hausmeistertruppe von der WVG Diensleistungsgesellschaft (DLG) losgeschickt haben, um die Hefte mit dem unliebsamen Beitrag einzusammeln und zu vernichten. „Das bedroht meine Existenz“, so Juhnke weiter.
Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, wäre das nur der traurige Höhepunkt einer Privatfehde zwischen zwei Menschen, die jedes Maß im respektvollen Umgang miteinander verloren haben. Adomeit gegen Juhnke – dieser Konflikt schwelt schon seit langem. Bereits im März erschien in Juhnkes Anzeigenblatt ein umstrittener Beitrag über die Mehrkosten der Stadthallensanierung, an der Adomeit als Geschäftsführer der Projektgesellschaft Stadthalle (PGS) maßgeblich beteiligt war. Mithilfe seines Anwalts erwirkte der WVG-Chef wiederum eine Gegendarstellung im aktuellen „Stadtgespräch“. Außerdem ließ er alle Ausgaben aus seinen WVG-Gebäuden entfernen.
„Ich habe nichts gegen Pressefreiheit“
Aber hat der WVG-Chef nun tatsächlich die Grenze zur Kriminalität überschritten und seine Getreuen damit beauftragt, Juhnkes Magazin aus dem gesamten Stadtbild zu beseitigen?
Adomeit will die Vorwürfe nicht kommentieren. Ob er für die unrechtmäßige Rückrufaktion nun verantwortlich ist, will er weder bestätigen noch dementieren. „Ich habe nichts gegen die Pressefreiheit, aber gegen die Darstellung meiner Person im aktuellen Stadtmagazin habe ich mir Rechtsbeistand geholt“, erklärt er weiter.
Fakt ist: Verlegerin Juhnke stellt Strafanzeige wegen Verdachts auf Untreue, Unterschlagung und Diebstahl gegen drei bekannte Tatverdächtige und eine unbekannte Person. Wie Polizeisprecher Axel Falkenberg bestätigt, liegt WVG-Geschäftsführer Adomeit im Fokus der Ermittlungen. Auch die Namen der drei angeblichen DLG-Hausmeister liegen der Polizei vor. „Herr Adomeit wird sich persönlich zu den Vorwürfen äußern müssen“, erläutert Falkenberg das weitere Vorgehen der Beamten.
Doch während die Polizei noch ermittelt, scheint die nächste Runde in der Posse zwischen den Streithähnen Adomeit und Juhnke bereits eingeläutet zu sein. „Wer wie Frau Juhnke den Weg über die Medien geht, der muss mit rechtlichen Konsequenzen rechnen“, poltert Adomeit. Der Punkt, an dem noch eine vernünftige Lösung zwischen zwei vernünftigen Menschen möglich wäre, ist längst überschritten.
Fotos: privat (Unbekannter Mann), Bildschirmfoto (Startseite)