moritz 104 – April 2013 – Keine Wahl

moritz 104 – April 2013 – Keine Wahl

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Die unerwünschten allsemesterlichen Prüfungen sind für die meisten von uns vorbei und man kann sich wieder schöneren Dingen hingeben, zum Beispiel dem alltäglichen Schwachsinn. In meiner Prüfungszeit habe ich immer die Angewohnheit mich zu Hause förmlichst zu verstecken und hauptsächlich nur zum Arbeiten rauszugehen. Wo dies nun so gut wie vorbei ist und der Abschluss zum Greifen nah (Jippiehh), fällt mir alltäglicher Schwachsinn neuerdings an allen Ecken förmlichst entgegen.

Dank Facebook und Co. wissen wir zwar, wie das Essen unserer Freunde aussieht, können aber immer noch nicht richtig kochen. Auch die neuesten Tassen bei Bäckerei Junge entgehen uns nicht. In Foren unterhält man sich ganz angeregt darüber, dass der neue Papst nun doch nicht schwarz ist und warum er nur einen Lungenflügel hat. Und irgendwie scheint das wichtiger zu sein als die Tatsache, dass Politiker wie Assad immer noch ungestört Menschen töten lassen.

Auf der Straße werde ich von Leuten regelrecht umgelaufen, weil sie nach unten auf ihr Handy gucken, anstatt in die Welt nach oben. Sie beschweren sich über Schnee, aber bemerken vor lauter Rumspielerei die Sonne gar nicht. In der Kaufhalle motzen Kunden, weil ein Angestellter zu langsam die Melone an der Salatbar schneidet, während sie selbst dann an der Kasse stundenlang nach Kleingeld suchen. Den Höhepunkt des alltäglichen Schwachsinns habe ich dann schlussendlich in meinem Fernseher gefunden, ganz zufällig beim Zappen.

Deutschland sucht den neuen erfolglosen Superstar und gleichzeitig heulen Mädels bei Heidi Klum rum, dass man ihre Haare abschneidet, damit sie das nächste, ebenfalls erfolglose Topmodel werden können. Während ­ein Typ namens Elvis in Russland versucht eine Frau mit Wodka rumzukriegen, streiten sich ein paar Weiber um einen Typen und seine Rosen. Der Bachelor im TV ist eben unterhaltsamer als der Bachelor auf dem Papier und Nadine weiß bei Frauentausch nach langem Überlegen immer noch nicht, welche Wurst sie am liebsten isst. Stumpf ist Trumpf.

Ich für meinen Teil habe nun beschlossen, dass der Fernseher noch häufiger als sowieso schon ausbleibt. Ich tausche Fernsehzeit und Internetblödsinn gegen ein Buch und Zeit mit meinen Freunden an der frischen Luft. Manchmal sind Prüfungen vielleicht doch gar nicht so schlecht, so bleibt man wenigstens etwas fitter im Kopf.

Laura-Ann Schröder

Das aktuelle Magazin findet ihr analog überall in der Uni, oder hier zum Download.

Ein GreifsWald voller Bücherbäume

Seit einem halben Jahr lädt ein öffentliches Tauschregal in der Innenstadt zum unkomplizierten Bücherhandel ein. moritz ist auf der Suche nach den Wurzeln des ersten Greifswalder Bücherbaums und den Früchten, die er trägt.

Winter in Greifswald – ein leidiges Thema. Die Straßen der Stadt sind vereist, der Himmel grau und die Bäume kahl. Bis auf einer.

Am Platz der Freiheit – den meisten besser als Europakreuzung bekannt – wurzelt seit Juli vergangenen Jahres ein besonders prächtiges Exemplar. Aus seinem Stamm wachsen Bücher der verschiedensten Genres und Farben. Ein bunt gefüllter Bücherbaum ist das.

Die Idee zu dem Projekt ist von der Spree zu uns herübergeschwappt. Wie so vieles in Greifswald, könnte man meinen. Mode, Mate und Musik, … jetzt eben auch Bücherbäume. Vielleicht kennen einige von euch sogar die Rotbuche in Berlin Köpenick/Grünau oder die fünf Baumstämme an der Ecke Kollwitzstraße/Sredzkistraße in Prenzlauer Berg, nach deren Vorbild das Greifswalder Projekt entstanden ist. Vertreter des Kulturamts, der Jugendkunstschule, der Stadtwerke Greifswald und des Vereins Bücherfreunde e.V. setzten sich vergangenen Jahres in einer Arbeitsgruppe zusammen und diskutierten lange über eine mögliche Umsetzung. Das Ergebnis: Im Sommer wurde die Skulptur des Stralsunder Bildhauers Raik Vicent an der Bushaltestelle in der Anklamer Straße aufgebaut. Die Finanzierung haben die Stadtwerke übernommen und auch die Sparkasse Vorpommern ist mit einem Metallschild am Baum als Sponsor vermerkt. Mitglieder der Bücherfreunde betreuen das öffentliche Tauschregal. Fast täglich füllen sie die Fächer mit Büchern aus ihrem Bestand auf und kontrollieren, was von den Passanten hineingestellt wurde. Dabei kann es allerdings auch vorkommen, dass „fremde“ Bücher mal eben entfernt werden, wenn sie dem Sinn der Bücherfreunde nicht entsprechen.

Buchdeckel mit dem Aufruf, sich beim moritz zu melden.

Diesem Eifer fiel wohl auch moritz zum Opfer. Anfang Dezember hatten unsere Redakteure einige Bücher mit einem kleinen Text  und der Bitte, sich bei „Fund“ zu melden, präpariert und in den Bücherbaum gestellt.  Auf eine Antwort warteten wir vergeblich. Dabei war durchaus ansprechende Literatur darunter: zwei Krimis, ein Kinderbuch, ein paar Romane. Aber wie Paul Kroll vom Verein deren Interessen und Bestand beschrieb: „Der Grundstock sind eben die guten DDR-Verlage.“

Von eben diesen finden sich hunderte, ja tausende wahre Klassiker und Raritäten in den Vereinsräumen in der Spiegelsdorfer Wende. Ein echtes Erlebnis, sich dort durch das Labyrinth aus Lesestoff zu forsten – wie in einem richtigen Bücherwald eben!

Weitere Bücherbäume geplant

Doch zurück zu dem einzelnen Baum an der Europakreuzung. Auch hier trifft man nicht selten Neugierige, die einen Blick in die Regalfächer werfen. Natalia Okuń ist eine von ihnen. „Immer wenn ich auf den Bus warte, schaue ich, ob etwas Interessantes für mich dabei ist“, verrät sie. Der Bücherbaum ist ein absolutes Novum für die polnische Austauschstudentin. „Am Anfang wusste ich nicht, wie das funktioniert, aber jetzt nutze ich das Angebot oft, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern.“ Im Gegenzug hat Natalia einige polnische Bücher in den Baum gesteckt für die Studenten, die hier in Greifswald ihre Sprache lernen.

Der Bücherbaum an der Europakreuzung.

Es scheint, als wäre dieser neue Trend ein voller Erfolg. Und die Akzeptanz der Bürger zahlt sich aus: Schon jetzt plant die Arbeitsgruppe um den Bücherbaum, weitere Exemplare in der Hansestadt zu etablieren. Nur wenige Meter entfernt vor den Kunstwerkstätten wäre so ein Standort. Und auch Schönwalde soll mit einem Bücherbaum aufgeforstet werden. Nur das liebe Geld verzögert wie gewöhnlich jegliches Vorhaben. Zumindest der Baum an der Europakreuzung bleibt vorerst bestehen. Die Bücherfreunde geben ihr Bestes, sein Inneres trocken zu halten, doch das raue Klima macht auch vor Bücherbäumen nicht Halt. Im Laufe der Monate hat sich das Holz mal zusammengezogen, mal ausgedehnt, schließlich hier und da gespalten. Ihn als mobile Tauschbörse zeitweilig in anderen Teilen der Stadt aufzustellen, wie ursprünglich angedacht, ist daher nicht mehr möglich. Allerdings gibt es zumindest in der Innenstadt auch noch andere Orte, die zum „Bookcrossing“ einladen. So befindet sich neben dem Jugendhaus Pariser seit Längerem ein in die Wand eingelassenes Tauschregal, ebenso in der Gützkower Straße am Waschsalon. Eine ältere Passantin begrüßt die Idee: „Es ist doch so: Man sammelt und sammelt, und irgendwann landet es im Keller. Hier haben die Bücher wenigstens noch Verwendung.“

Natalia ist von dem Prinzip sogar so begeistert, dass sie die Bücherbäume nun auch in ihrer Heimat vorschlagen will, zuerst an der Universität und später vielleicht im Stadtzentrum. Schon bald könnte es in Polen dann heißen: „Das haben wir uns aus Greifswald abgeguckt.“ Wer braucht schon noch Berlin als Trendsetter?

Ein Feature von Laura Hassinger; Bilder von Laura Hassinger

Lohmanns Lunch #4 – Vegetarische Burger

Na, seid ihr gut im neuen Jahr angekommen? Habt ihr die Schlemmereien überlebt und auch beschlossen „Ab jetzt lebe ich gesünder“? Ich für meinen Teil habe mich nach den weihnachtlichen Fressorgien zu zwei Wochen vegetarischem Dasein entschlossen, da ich kein Fleisch mehr sehen kann. Glücklicherweise gibt es eine Menge sehr leckerer, vegetarischer Gerichte, sodass keine Langeweile aufkommt, wie manche eingefleischte Fleischesser gerne behaupten. Vieles Asiatische, einiges Mediterrane und auch manches Deutsche ist fleischlos. Und selbst eines der klassischen Fleischgerichte – der Burger – ist ziemlich einfach vegetarisch zuzubereiten. Der Clou dabei sind natürlich die Bestandteile der Bratlinge, und ich zeige euch, wie ihr sie richtig schmackhaft hinkriegt.

Der Vorteil von Burgern ist, dass sie leicht zu variieren sind; mal mit Tomate und Zwiebel, mal mit Gurke, Salat und Zucchini, und jedes Mal eine andere Sauce. Dazu kommt, dass die vegetarischen Bratlinge nicht schwer im Magen liegen, im Gegensatz zum klassischen Hackfleischburger. Also ein gesunder, leichter Ausgleich zum Geschlemme über die Feiertage.

Ein bisschen Vorbereitung solltet ihr allerdings einplanen, denn die Linsen und der Reis müssen abkühlen, bevor ihr daraus die Bratlinge formen könnt. Also am besten morgens oder bereits am Vortag aufkochen. Dann geht alles fix: Sellerie, Zwiebeln und Knoblauch kleinschneiden, Möhren reiben, in einer Schüssel mit Reis, Linsen, Eiern und Kumin (Kreuzkümmel) mischen. Etwas Pfeffer und Salz dazu, eventuell auch Mehl, damit die Bratlinge nicht auseinanderfließen, sondern halbwegs formstabil sind.

In einer Pfanne bratet ihr die etwa handtellergroßen Bratlinge in Öl an, bis sie hellbraun sind, was eine Weile dauern kann (nicht auf höchster Stufe, sonst sind sie schnell schwarz). In der Zwischenzeit halbiert ihr die Brötchen und toastet sie. Das geht auch im Backofen, dauert nur etwas länger. Salat, Gurke, Tomate, Zwiebel und was ihr sonst noch auf eure Burger packen wollt, zurechtschneiden, Brötchen aus dem Toaster oder Ofen holen und mit Sauce bestreichen. Die genaue Schichtung eurer Burger ist euch überlassen, Hauptsache es schmeckt und ihr könnt noch gerade so abbeißen. Dazu passt eine Lemongrass-Limonade. Haut rein!

Für 12 Burger braucht ihr:

12 Burgerbrötchen (logisch)

125g Reis, am besten rot

125g Linsen

2 Möhren

1 Zwiebel

2 Knoblauchzehen

1 Stange Staudensellerie

1 TL Kumin (Kreuzkümmel), gemahlen

2 Eier

Salz, Pfeffer, Mehl

Zum Garnieren Salat, Gurke, Tomate, Zwiebel, Sauce, Käse, etc.

Von und mit Erik Lohmann; Bilder von Milan Salje

Integration mal anders

„Deutsch für alle!“ – Studenten des Faches Deutsch als Fremdsprache geben für internationale Studierende und Asylbewerbern Deutschunterricht und lernen so die Welt der Integration kennen.

Auf der Suche nach einer Möglichkeit, die Beziehungen zu internationalen Studierenden sowie Menschen mit Migrationshintergrund zu fördern, hat die Referentin des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) Christin Weitzmann das Projekt „Regenbogen“ im Dezember 2011 ins Leben gerufen. Nach einem Jahr der Planungs- und Vorbereitungsphase wurde das Vorhaben im letzten Jahr vorgestellt. Das Projekt richtet sich vor allem an Studierende des Faches Deutsch als Fremdsprache (DAF), die sich die Arbeit auch im Rahmen des Bachelor-Pflichtpraktikums anerkennen lassen können.

Unter dem Motto: „Deutsch für alle!“ geben die Studierenden im Lektorat des Studienkollegs und im Flüchtlingsheim Greifswald Deutschunterricht. Im Lektorat werden Konversationskurse angeboten, im Flüchtlingsheim gibt es verschiedene Angebote wie einen Alphabetisierungskurs, ein Deutsch-Anfängerkurs und eine Hausaufgabenhilfe für Kinder.

Sichtstunde im Lektorat

Für die Gestaltung des Deutschunterrichts sind die DAF-Studenten selbst verantwortlich. Sie treffen die Entscheidung über den Inhalt und den Aufbau. Trotz der hohen Eigenverantwortung, die die Studierenden tragen, sind sie nicht völlig auf sich alleine gestellt. So werden ihnen Unterrichtsmaterial und Leitfäden zur Verfügung gestellt. Die Mitarbeiter des Lektorats kommen sogar zur Sichtstunde, bewerten die „Deutschlehrer“ und geben Verbesserungsvorschläge. Inhaltlich werden das Studium, der Alltag und die Kultur in Greifswald thematisiert, auch der Umgang mit den Behörden wird besprochen. Gerade für die Kursteilnehmer im Lektorat ist es von Bedeutung, da sie sich entweder auf ein Studium in Deutschland vorbereiten oder erst noch dafür qualifiziert werden müssen.

Neben der Didaktik machen die Studierenden eine ganz andere Erfahrung. Unterschiedliche Kulturformen, wie die Kultur Afrikas oder des Orients, treffen im Flüchtlingsheim aufeinander, dem gegenüber steht die eigene Kultur, die die Studierenden mitbringen – das kann zunächst einmal eine ziemlich beängstigende oder überfordernde Aussicht sein. Aus diesem Grund werden die infrage kommenden Studenten durch das Flüchtlingsheim geführt, bevor sie dort anfangen, Deutsch zu unterrichten. So wird eine erste Vertrautheit mit der Situation der Asylanten hergestellt, die dann eine Vertrauensbasis für die ersten Unterrichtsstunden bietet. Sollten dennoch Berührungsängste bei den Studierenden bestehen, so werde diese durch die freundliche Atmosphäre schnell beseitigt, erzählt Christin. Die Bewohner kommen alleine auf einen zu, vor allem diejenigen, die schon ein bisschen Deutsch können, um sich zu unterhalten.

Nach und nach nimmt das Gefühl der Fremdheit auf beiden Seiten ab. Zu vielen Gelegenheiten bringen dann beide Seiten einander die jeweils unvertraute Kultur nahe, wie durch gemeinsame Feste: Im Dezember organisierte der AStA eine kleine Weihnachtsfeier im Flüchtlingsheim. Hierfür haben die Mitglieder des Regenbogenprojekts Geschenke für die Kinder gesammelt und Plätzchen gebacken. Während die Plätzchen gut ankamen, waren die meisten Bewohner von der klassischen Weihnachtsmusik nicht so begeistert.

Im Flüchtlingsheim herrscht eine familiäre Atmosphäre

Ohne lange zu zögern haben die Bewohner den Studierenden ihre Musik nahe gebracht, die Kinder begannen zu tanzen. Musik verbindet. Bei Augenblicken wie diesen bleibt es nicht, auch in vielen alltäglichen Situationen in den Kursen merkt man deutlich, dass viele Bewohner Interesse zeigen. „Man kann regelrecht sagen, dass nicht die Flüchtlinge integriert werden, sondern wir Deutschen“, erzählt Christin.  Aufgrund der familiären Atmosphäre bleiben einige DAF-Studenten nach ihrem Praktikum ehrenamtlich dabei.

Dennoch bleibt es wichtig, dass die DAF-Studenten lernen, das aufgebaute Vertrauensverhältnis auf einer professionellen Ebene zu gestalten. „Man muss nur ab und zu den Punkt finden, wo man sagt, jetzt ist gut. Einige kommen dann auch und wollen etwas erklärt haben oder eine Beratung, das dürfen wir nicht“,  so Christin.

Für jedes Kind gab es Geschenke, auch für die Kleinen

Insgesamt kommt das Projekt „Regenbogen“ bei den Bewohnern sehr gut an. Natürlich erreicht man nicht jeden, aber ein Anfang ist gemacht und „eigentlich hätte es mittlerweile zum Selbstläufer werden können“, berichtet die AStA-Referentin. Doch der Betreiberwechsel des Flüchtlingsheims durch European Homecare im November 2012 sorgte bei den Mitgliedern des DAF-Projekts für Unruhe. Das Weiterbestehen des Projektes blieb lange fraglich. Während die Zusammenarbeit zwischen den Studierenden und früheren Mitarbeitern sehr gut verlief, hat das Programm des DAF-Projekts eine Umstrukturierung erfahren. Die vielen Unsicherheiten haben dazu geführt, dass nicht mehr die Mitarbeiter des Flüchtlingsheims die Unterrichtsstunden für die Studierenden bestätigen. „Der Kontakt zu den früheren Mitarbeitern war ein bisschen familiärer, deswegen konnte man das besser nachvollziehen“, erzählt Christin.  Nun handhabt man die Angelegenheit wie im Lektorat, wo die DAF-Studenten von allen Teilnehmern nach jeder Unterrichtstunde eine Unterschrift bekommen. Ist ihre Pflicht erfüllt, können sie damit zum Lektorat gehen und sich eine Praktikumsbestätigung holen; für die Arbeit im Flüchtlingsheim macht das vorläufig der AStA. Auch in Zukunft wird man im Flüchtlingsheim Deutschunterricht geben können, die Kurse zur Hausaufgabenhilfe für die Kinder sollen sogar ausgeweitet werden. Nur um das Lektorat ist es nicht gut bestellt. Die Kurse werden zu wenig besucht. Dafür gibt es erfreuliche Nachricht aus Wolgast: Nach mehrfachen Anfragen hat man beschlossen, dass DAF-Projekt Regenbogen auf das Flüchtlingsheim in Wolgast auszuweiten.

Ein Feature von Preciosa Alberto; Bilder von Charlotte Saebsch

TITEL: Wahlreise

Einige unter uns wissen, wie es sich anfühlt das Studierendenparlament (StuPa) zu wählen, doch wie wirkt dieses Spektakel aus der Sicht eines Wahlzettels? moritz hat exklusiv nachgeforscht und offenbart die Wahrheit. Ein Erfahrungsbericht.

Früher war ich mal ein großer Baum, jetzt bin ich nicht mehr so schön anzuschaun. Als rotes Blatt Papier warte ich hier im Drucker geduldig darauf als Wahlzettel in die große Welt zu ziehen, denn ich bin zu etwas Großem bestimmt: Ich werde ausziehen um dem Volk eine Stimme zu geben.

In großen Kartons verpackt geht es nach dem Passieren der bösen Tintenstrahler Richtung Uni-Hauptgebäude. Ich wäre gerne noch ein wenig weiter gereist, aber als kleiner Zettel hat man da kein Mitspracherecht.

Gott, herrscht hier ein Trubel. Warum sind die denn alle so aufgeregt? Als Zettel kann ich diesen ganzen Tumult nicht so ganz nachvollziehen, geht doch sowieso kaum jemand zu so einer Wahl. Dementsprechend kehrt bereits nach wenigen Minuten die gewohnte Ruhe ein, schließlich wird Konzentration und Ernsthaftigkeit in solch entscheidenden Momenten erwartet. Immer wieder bilden sich kleine Schlangen mit Wahlmutigen vor dem großen Tisch, auf dem ich nun schon eine kleine Weile ausharre, doch eine Massenwahl will sich nicht einstellen. Schlafen die faulen Studenten etwa alle noch oder lockt bereits die Bibliothek? Fehlendes Interesse möchte ich nun wirklich niemandem andichten.

Nach zwei Tagen bin ich endlich an der Reihe. Studierendenausweis und ein Häkchen in der Namensliste, Ordnung muss schließlich sein. Dann werde auch ich endlich in die Wahlkabine getragen. Die Entscheidung fällt nach ein paar prüfenden Blicken scheinbar nicht schwer. Einige der gesetzten Kreuze  gefallen mir gar nicht, doch wieder gilt das Schweigegebot der Zettel.

Vor dem nächsten Schritt bangt es mir: Zusammengefaltet in eine dunkle Urne geworfen werden, das ist kein Vergnügen. Langsam aber stetig wird die Luft über mir dünner und der Zettelberg immer größer. Die Menschen um mich herum freuen sich anscheinend darüber. Mir wird es allerdings langsam ein wenig eng. Kurz vor dem Ersticken wird der Deckel geöffnet.

Hui, ist das ein Spaß mit den anderen Zetteln aus der Urne auf einen großen Tisch zu fliegen, fast wie auf den großen Fließbändern in der Papierfabrik, ein bisschen muffig riecht es hier dennoch. Nun ist aber Schluss mit lustig, es geht ans Auszählen. Schweigend und emsig machen sich die Helfer daran Stapel zu bilden, Strichlisten zu führen und über wohl lustig gemeinte Stimmabgaben zu stöhnen. Ein paar meiner Freunde hat es schlecht getroffen, ihr Mensch hat sie zu einem ungültigen Wahlzettel gemacht und das bedeutet Schredder. Manchmal höre ich sie nachts immer noch schreien.

Mir bleibt dieses Schicksal glücklicherweise erspart und das Ergebnis steht nun nach einer aufregenden Woche fest. Mein Job ist erledigt und das StuPa mit einem Prozent mehr Wahlbeteiligung neu besetzt. Ich erhole mich nach diesem Stress erst mal auf den Bahamas und wer weiß, vielleicht trifft man sich ja mal als Recycling-Papier wieder.

Eine Investigativ-Reportage von Lisa Klauke-Kerstan

Ein Angebot mit einem Plus

An der Philosophischen Fakultät wird ein integrativer Master entwickelt: Kultur-Interkulturalität-Literatur mit einem Schwerpunkt in Anglistik/Amerikanistik, Germanistik, Skandinavistik oder Slawistik. Professor Joachim Schiedermair vom Institut der Skandinavistik arbeitet den Master mit aus.

Wie kam die Idee auf, einen neuen Master zu entwickeln?

Die Idee kam deshalb auf, weil wir – die philologischen Fächer der Philosophischen Fakultät – qualitativ sehr hochwertige Masterstudiengänge in den Bereichen Slawistik, Skandinavistik und Germanistik anbieten, sie aber nicht so angenommen werden, wie wir uns das wünschen. Wir wollten ein Angebot schaffen, das mehr Studierende nach Greifswald locken kann. Dazu brauchen wir ein Programm, in dem die philologischen Grundfächer in ihrer etablierten Struktur erhalten bleiben, das aber auch noch ein Plus bietet, das an anderen Universitäten nicht vorhanden ist. Deshalb haben wir zwei Komponenten neben der jeweiligen philologischen Säule eingebaut: Zum einen eine Kulturtheorie-Säule. In Gesprächen mit Studierenden haben wir gemerkt, dass diese zu Masterprogrammen abwandern, die Kultur- oder Literaturtheorie beinhalten. Zum anderen eine Interkulturalitäts-Säule. Diese wird vom Fachbereich Deutsch als Fremdsprache (DAF) bestückt, weil wir den Praxisaspekt steigern wollten. Damit bieten wir ein Starterpaket DAF, das die Absolventen befähigt, in verschiedenen Bereichen von Deutsch als Fremdsprache eigenverantwortlich zu arbeiten. Die Idee, DAF mit aufzunehmen, hatte noch einen weiteren Grund: Wir haben beobachtet, dass in Berlin das Masterprogramm DAF unglaublich stark nachgefragt ist. Es bewerben sich 200 junge Leute, aber es werden jährlich nur 20 für das Studium angenommen. Die Idee war, dass man von den 180 Leuten, die nicht angenommen werden, vielleicht 20 bis 30 nach Greifswald locken könnte.

Wer arbeitet an der Erstellung mit?

Zunächst mal die beteiligten Lehrstühle mit literaturwissenschaftlichem Schwerpunkt: Für die Anglistik/Amerikanistik Professor Domsch, in der Germanistik sind es die Professorinnen Schumacher, Unzeitig und Siebenpfeifer, in der Skandinavistik bin ich das und in der Slawistik ist das Frau Jekutsch. Außerdem waren der Mittelbau und die Studierendenvertreter der beteiligten Fächer zu allen Arbeitstreffen eingeladen. Alle Mails gingen immer an Vertreter aller Statusgruppen.

Seit wann arbeiten Sie daran?

Die Idee kam vor ungefähr anderthalb Jahren auf. Der Studiendekan Professor Donges war es, der erstmals Leute an den Tisch brachte, die Interesse an einem integrierten Master hatten. Daraufhin haben die damalige Prodekanin, Frau Unzeitig, und ich ein erstes Konzept für die Philologien erarbeitet: Wie verbindet man die vorhandenen Lehrstühle geschickt in einem Masterprogramm miteinander, sodass es gleichzeitig attraktiv für Studierende ist? Wir wollten mit dem Master auch nicht mit anderen norddeutschen Masterprogrammen konkurrieren, sondern eine Nische besetzen. Daraufhin kamen wir sehr schnell auf den dreisäuligen Aufbau. An die konkrete Ausarbeitung habe ich mich gemacht. Ich habe viele Gespräche geführt, da man erstmal bei den beteiligten Lehrstühlen Überzeugungsarbeit leisten musste. Im letzten Semester habe ich, sowohl mit den Beteiligten aus den Fächern als auch mit meinen Mitarbeiterinnen am Lehrstuhl, intensiv an den notwendigen Papieren wie der Prüfungs- und Studienordnung gearbeitet.

Eckdaten des neuen Masters:

 Beginn: voraussichtlich Wintersemester 2013/14

Einschreibung: jedes Winter- und Sommersemester

Voraussetzungen: kein Numerus Clausus, aber Sprachkenntnisse:

– Anglistik/Amerikanistik: mindestens C1-Niveau

– Skandinavistik: Sprachkenntnisse in mindestens einer skandinavischen Sprache mit mindestens B1-Niveau

– Slawistik: mindestens B2-Niveau

Für: in der Regel Studierende mit Bachelor of Arts-Abschluss in einer der Philologien, nach Absprache mit den jeweiligen Fachvertretern auch aus anderen B.A.-Studiengängen

Aufbau:

– vier Semester, wobei das vierte Semester der Masterarbeit vorbehalten ist

– drei Module und 30 Leistungspunkte (LP) pro Semester: Kulturtheorie 5 LP, Interkulturalität 10 LP, Philologie 15 LP

– drei Säulen im Studium:

Kulturtheorie: fächerübergreifend, Einführung in kulturwissenschaftliche Ansätze ( Inter- und Transkulturalität)

Interkulturalität: verbindet Kulturtheorien mit der Vermittlungspraxis von DAF (z.B. Lehre vom Fremden, Institutionslehre), DAF in der Praxis

Literatur und Kultur (abhängig von der Philologie): literaturwissenschaftliches Fachwissen

zusätzliche Möglichkeit des Austauschs eines Seminars von Literatur und Kultur mit einer praktischen Arbeit (wie der Mitarbeit beim polenmARkt, Nordischen Klang oder einer eigenen kulturellen Veranstaltung)

Ein Interview von Katrin Haubold; Portraitfoto von Katrin Haubold