Einige unter uns wissen, wie es sich anfühlt das Studierendenparlament (StuPa) zu wählen, doch wie wirkt dieses Spektakel aus der Sicht eines Wahlzettels? moritz hat exklusiv nachgeforscht und offenbart die Wahrheit. Ein Erfahrungsbericht.

Früher war ich mal ein großer Baum, jetzt bin ich nicht mehr so schön anzuschaun. Als rotes Blatt Papier warte ich hier im Drucker geduldig darauf als Wahlzettel in die große Welt zu ziehen, denn ich bin zu etwas Großem bestimmt: Ich werde ausziehen um dem Volk eine Stimme zu geben.

In großen Kartons verpackt geht es nach dem Passieren der bösen Tintenstrahler Richtung Uni-Hauptgebäude. Ich wäre gerne noch ein wenig weiter gereist, aber als kleiner Zettel hat man da kein Mitspracherecht.

Gott, herrscht hier ein Trubel. Warum sind die denn alle so aufgeregt? Als Zettel kann ich diesen ganzen Tumult nicht so ganz nachvollziehen, geht doch sowieso kaum jemand zu so einer Wahl. Dementsprechend kehrt bereits nach wenigen Minuten die gewohnte Ruhe ein, schließlich wird Konzentration und Ernsthaftigkeit in solch entscheidenden Momenten erwartet. Immer wieder bilden sich kleine Schlangen mit Wahlmutigen vor dem großen Tisch, auf dem ich nun schon eine kleine Weile ausharre, doch eine Massenwahl will sich nicht einstellen. Schlafen die faulen Studenten etwa alle noch oder lockt bereits die Bibliothek? Fehlendes Interesse möchte ich nun wirklich niemandem andichten.

Nach zwei Tagen bin ich endlich an der Reihe. Studierendenausweis und ein Häkchen in der Namensliste, Ordnung muss schließlich sein. Dann werde auch ich endlich in die Wahlkabine getragen. Die Entscheidung fällt nach ein paar prüfenden Blicken scheinbar nicht schwer. Einige der gesetzten Kreuze  gefallen mir gar nicht, doch wieder gilt das Schweigegebot der Zettel.

Vor dem nächsten Schritt bangt es mir: Zusammengefaltet in eine dunkle Urne geworfen werden, das ist kein Vergnügen. Langsam aber stetig wird die Luft über mir dünner und der Zettelberg immer größer. Die Menschen um mich herum freuen sich anscheinend darüber. Mir wird es allerdings langsam ein wenig eng. Kurz vor dem Ersticken wird der Deckel geöffnet.

Hui, ist das ein Spaß mit den anderen Zetteln aus der Urne auf einen großen Tisch zu fliegen, fast wie auf den großen Fließbändern in der Papierfabrik, ein bisschen muffig riecht es hier dennoch. Nun ist aber Schluss mit lustig, es geht ans Auszählen. Schweigend und emsig machen sich die Helfer daran Stapel zu bilden, Strichlisten zu führen und über wohl lustig gemeinte Stimmabgaben zu stöhnen. Ein paar meiner Freunde hat es schlecht getroffen, ihr Mensch hat sie zu einem ungültigen Wahlzettel gemacht und das bedeutet Schredder. Manchmal höre ich sie nachts immer noch schreien.

Mir bleibt dieses Schicksal glücklicherweise erspart und das Ergebnis steht nun nach einer aufregenden Woche fest. Mein Job ist erledigt und das StuPa mit einem Prozent mehr Wahlbeteiligung neu besetzt. Ich erhole mich nach diesem Stress erst mal auf den Bahamas und wer weiß, vielleicht trifft man sich ja mal als Recycling-Papier wieder.

Eine Investigativ-Reportage von Lisa Klauke-Kerstan