Was meins ist, ist auch deins

mm106_greifswelt_27_Teilen_KatrinOb „Tauschen statt Besitzen“, „Swappen statt shoppen“ oder „Teilen statt Konsumieren“ – seit mehreren Jahren scheinen die Deutschen dem Trend verfallen zu sein, weniger selbst zu besitzen und mehr gemeinsam zu nutzen. Handelt es sich dabei nur um einen Medienhype oder führt der Trend zu einem Wandel der Gesellschaft?

Bibliotheken, Videotheken, Autovermietungen, Flohmärkte – sie alle haben als Grundsatz, dass ein Gut verliehen oder zur Weiternutzung durch einen Anderen verkauft wird. Allerdings hat sich in den letzten Jahren, besonders nach der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise, der Trend verstärkt und unter neuen Namen bemerkbar gemacht: Man spricht nun von „collaborative consumption“ oder „sharing economy“.

Die letzten Jahre waren geprägt durch neue Möglichkeiten der sozialen Netzwerke und ein verstärkter Austausch auf diesen sowie ein erhöhtes Umweltbewusstsein. Wohl auch deswegen beginnt der kollaborative Konsum, auch KoKonsum abgekürzt, sich in Deutschland zu etablieren. Laut einer Studie der Leuphana Universität Lüneburg ist die Umweltverträglichkeit für die Menschen der drittwichtigste Faktor bei Gütern und Dienstleistungen – nach der Qualität und dem Preis. Und genau darin liegen die Stärken des KoKonsums. Durch ihn werden Rohstoffe besser genutzt und wenig verwendete Geräte besser ausgelastet. Das wiederum kann Unternehmen dazu animieren, Produkte langlebiger zu gestalten.

Zwölf Prozent aller Deutschen nutzen die Möglichkeiten des gemeinsamen Konsumierens – Tendenz steigend. Gerade unter jungen Menschen ist der KoKonsum weit verbreitet: Etwa ein Viertel aller 14 bis 29-Jährigen haben Erfahrungen mit ihm, so die Studie der Leuphana Universität. Allerdings stellt sie auch fest, dass es auffallend viele junge Menschen mit höherer Bildung und Einkommen sind. Sie konstatiert, dass dreiviertel aller Deutschen mit dieser Form des Konsums noch nicht in Berührung gekommen sind. Und genau da sind die Ansatzpunkte: Mit Imagekampagnen soll der alternative Lebensstil weiter verbreitet werden, rechtlichen Grundlagen müssen hierfür geschaffen werden – und vielleicht gibt es auch Steuervergünstigungen, beispielsweise bei der Mehrwertssteuer.

Kein neuer Trend

Ganz neu ist der Trend des gemeinsamen Nutzens jedoch nicht. Schon in den 1970er Jahren kamen die Second-Hand-Läden auf – allerdings waren deren Nutzer als ‚Ökos’ verschrien. In den letzten Jahren hat sich das Image hingegen gewandelt; das Tragen von gebrauchter Kleidung avancierte zum Modetrend und ebnete somit Plattformen wie kleiderkreisel.de den Weg. Seit 2009 kann man auf dem Internetportal Klamotten und Accessoires, die man selbst nicht mehr braucht, gegen Geld oder ein anderes Kleidungsstück tauschen – pro Tag werden laut eigenen Angaben 2 000 Transaktionen getätigt und 3 500 Artikel online gestellt.

In Greifswald finden sich auch Ansätze des kollaborativen Konsums. Seit ungefähr zehn Jahren gibt es den Umsonstladen, bei dem nicht mehr genutzte Gegenstände im Laden gegen andere eingetauscht werden können. „Es ist nur schade, dass es einer Wirtschafts- und Finanzkrise bedarf, um den Gebrauchswert von Gegenständen besser wert zu schätzen“, meinen die Mitglieder des Umsonstladen Greifswald e.V., „Das Funktionieren des Umsonstladens sollte aber nicht nur der Krise zugeordnet werden. Uns gab es ja schon vorher.“ Sie freuen sich über den Trend des Teilens. Auch der Möbelsprinter, der IKEA-Möbel von Rostock nach Greifswald bringt, ist eine Art der „collaborative consumption“ – mietet man doch hier für seine bestellten Möbel den Platz im Sprinter. Während der Umsonstladen sich über Spenden finanziert und damit beispielsweise die Hausmiete zahlt, nehmen die Jungs vom Möbelsprinter durch die Fahrten das Geld für das geliehene Auto ein. „Wir hoffen, dass wir irgendwann ein eigenes Elektroauto haben, mit dem wir die Fahrten erledigen können“, erzählt Philipp Hunsche, der die Idee zum Sprinter hatte. Sie wollen zwar ein gewinnbringendes Unternehmen aufbauen, dabei aber die Umwelt nicht belasten.

Tauschen bringt nicht immer Vorteile

Doch nicht immer ist es sinnvoll, Objekte miteinander zu tauschen. Eine Kurzstudie der Heinrich-Böll-Stiftung und des Naturschutzbundes zeigt, dass durch den Transport oder die Verpackung der Tauschgegenstände das eigentliche Potential der Ressourcenschonung gemindert wird. Auch können die Gegenstände übernutzt werden, wodurch sich der Verschleiß erhöht. Gibt man dann den Erlös für neue Güter aus, wird die Ressourcenschonung wieder zunichte gemacht.

Obwohl um ihn in den Medien gerade ein großer Rummel gemacht wird, hat der KoKonsum das Potential, zu einem Wandel in der Gesellschaft und des Konsumverhaltens beizutragen. Gelingt es, die Vorteile herauszustreichen, ohne die Nachteile unter den Teppich zu kehren, werden in 20 Jahren vielleicht schon über die Hälfte aller Deutschen mit ihm in Berührung.

Feature und Montage von Katrin Haubold; Grafiken: xooplathe (Menschen, Wekrzeug), Michael/FreeVector (Auto), Easyvectors (Banknoten)

Der Ernst des Lebens

Der Ernst des Lebens

mm106_kultur_38_gemäldeEin Artikel des Los Angeles Time Magazine aus dem Jahre 1988 gibt Aufschluss darüber, welche Zukunftsvisionen damals über das Jahr 2013 herrschten. moritz gibt einen Einblick in den heutigen Alltag, wie er sich vor 25 Jahren ausgemalt wurde.

Das Klingeln meines Weckers reißt mich unsanft aus dem Schlaf. Es klopft an der Tür, doch bevor ich überhaupt Gelegenheit erhalte, den Gast hereinzubitten, steht mein Mitbewohner schon im Zimmer. Hierbei handelt es sich nicht um die Art Mitbewohner, die um 8 Uhr morgens dein Zimmer aufsuchen, um nach einer durchzechten Nacht von den jüngsten Mensaereignissen zu berichten. Es handelt sich vielmehr um einen ordnungsfanatischen Roboter namens Ernst, der keine Abweichung vom täglichen Zeitplan zulässt: „Guten Morgen. Höchste Zeit aufzustehen. In 57 Minuten beginnt Ihre Vorlesung. Das Frühstück steht zubereitet in der Küche. Außerdem wäre eine Dusche für Sie äußerst empfehlenswert.“ Widerwillig starte ich in den Tag, bevor Ernst mit dem nächsten Schritt des Weckprogrammes beginnt und einen Eimer kaltes Wasser holt. Schon das erste Nippen am Kaffee zeigt, dass Ernsts Barista-Qualitäten deutliches Steigerungspotential besitzen.  Mit diesem Gebräu könnte man Tote zum Leben erwecken – wobei es laut Zeitungstitelblatt nur noch eine Frage der Zeit sei, bis dies der Wissenschaft gelinge. Der herzhafte Schrei aus dem Zimmer meiner Mitbewohnerin verrät, dass Ernst doch auf den Wassereimer zurückgreifen durfte. An der Haustür halte ich Ausschau nach meinem e-Bike. Das aufgebrochene Schloss auf seinem Stellplatz gibt Aufschluss über sein tragisches Schicksal. Ein Glück, dass Ernst mit dem Aufwischen der Wasserpfütze beschäftigt ist, denn für eine Standpauke über akkurate Radsicherung fehlt mir dank des bevorstehenden Fußmarsches die Zeit.

Professor im Schlafrock

Knallrot erreiche ich den Vorlesungssaal. Bei all dem Ärger habe ich vergessen, die Sonnencreme LSF 50+ aufzutragen. Die 3D-Projektion meines Professors bittet darum, die Tablet-PCs schon einmal herauszuholen, während er sich einen Bademantel um seine mit Herzchen bestickte Unterhose zieht. Er bittet um Entschuldigung: Sein Roboter sei noch auf die Semesterferien programmiert. Auch seine Frau scheint in seliger Ruhe verschlafen zu haben und serviert ihm seinen Kaffee. Ich bin verwundert, dass ein Professor des Grades Alpha mit einem Beta verheiratet sein darf. In Huxleys Roman „brave new world“ wäre dies nicht möglich. Während mein Professor nun über das eigentliche Thema „Atommolekularbiologie für den Einsatz von Knochenmarkttransplantationen“ referiert, schalte ich den Kopf aus und mein Tablet an. Fred, ein Kommilitone, sitzt seit bereits acht Monaten in Amerika fest, da Smogwolken aus Asien den Flugverkehr lahm legen. Man wüsste nicht, wie sich das Ganze noch entwickeln würde, schreibt Fred. Daher muss er vorerst in Amerika bleiben, obwohl er für nur ein Semester verschwinden wollte.

Mensaessen 2.0

Der verkorkste Start in den Tag löst fast so etwas wie Vorfreude auf das Mensaessen aus. Die Auswahl der Gerichte ist aber seit den Nahrungsengpässen auf einen Einheitsbrei beschränkt. Endlich Platz genommen, verrät das Transparent meines Sitznachbarn, dass er an der Demonstration zur Herabsetzung des Rentenalters auf 84 teilnahm. Da fällt mir ein, dass ich meiner Oma am Wochenende einen Besuch in ihrer WG abstatten wollte. Glücklicherweise lassen sich keine Ersatzteile für den kaputten Kassettenspieler ihrer Mitbewohnerin finden, sodass mir eine Dauerbeschallung durch die Wildecker Herzbuben erspart bleibt. Eigentlich sollte Ernst in Omas Haushalt arbeiten, doch ihr Misstrauen gegenüber den maschinellen Zeitgenossen führte ihn in meine Studentenbude. Wenn er wüsste, welch Unheil ihm erspart bleibt, würde er seltener auf den Wassereimer zurückgreifen. Nun muss ich mich aber beeilen, um pünktlich zu meinem ersten Arbeitstag als studentische Hilfskraft zu erscheinen.

Als ich das Institut betrete, wundere ich mich schon nicht mehr über die Hightech-Schiebetüren, die sich mir über fünf Korridore bis hin zum Büro von Master Professor Alpha 42 öffnen. Er hat auf alles eine Antwort. Zumindest könnte man diese Vermutung als Fan von „Per Anhalter durch die Galaxis“ haben. Jedoch erhalte ich auf meine Frage, worin meine Aufgabe für heute bestehe, nur die Antwort  „42“. Dann werde ich in ein Zimmer mit überdimensionalen Flachbildschirmen geleitet. Ein kleines Deltamädchen versucht mühsam zu erklären, dass ich eine Videokonferenz mit japanischen Wissenschaftlern abhalten werde. JAPANISCH? Aber ich kann doch gar kein japanisch. Das junge Team der Tokyo University of Modern Medicine berichtet von einer Testreihe namens „I am legend“. Das Lachen, welches ich mir bei diesem merkwürdigen Namen nicht verkneifen kann und der mich eher an Will Smith erinnert, vergeht mir bereits im nächsten Atemzug. Die Wissenschaftler erklären, dass in Japan ein Virus ausgebrochen sei. Erkrankte ziehen sich zurück, essen wenig, meiden die Sonneneinstrahlung und entwickeln eine blasse Haut, die teilweise sogar verfaule. In meinem Magen dreht sich der Mensabrei. Die Wissenschaftler berichten von sogenannten I.L.-Tabletten und manövrieren diese über einen Scanner in den Raum. Ich muss hier raus, ehe ich noch aufgefordert werde, diese Dinger zu probieren.

Nah und Frisch

Langsam wird mir die Umgebung immer grotesker. Seit wann sind Supermärkte in Hierarchieklassen unterteilt? Ganz links dürfen die Alphas schmackhafte Delikatessen einkaufen. Ich traue meinen Augen nicht, dass ich richtige Lebensmittel erwerben kann, nachdem es in der Mensa nur diesen Einheitsbrei für uns Studenten gab. Doch sobald ich den Supermarkt betrete, stellt sich die übliche Frage: Was wollte ich einkaufen? Ich zücke mein Smartphone. Ein einziger Klick auf das kleine Kühlschranksymbol gewährt mir Einblick in den WG-Kühlschrank. Er scheint nur noch von Licht gefüllt zu sein. „Vielen Dank für Ihren Einkauf. Auf Wiedersehen“, schallt es nach dem Großeinkauf aus dem Kassenautomaten. Auch, wenn die Roboter weitaus mehr Höflichkeit als ihre menschlichen Vorgänger an den Tag legen, ersehne ich mir doch eine unfreundliche Kassiererin anstelle der kalten Maschine. Wie viele Arbeitsplätze hier wohl verloren gingen? Ich sollte nicht darüber nachdenken.

Umso mehr freue ich mich nun darauf, endlich zu Hause anzukommen. Natürlich koche ich nicht. „Wieso auch?“, schaut mich meine Mitbewohnerin verwundert an, als ich sie frage wo die Kochtöpfe sind,„Ernst macht das schon.“

Doch als Import aus Indien gelingt es Ernst und seinen scharfen Kochkünsten wieder einmal, mir die Speiseröhre zu verätzen. Mir reicht es endgültig. Was für ein Tag. Fluchend verziehe ich mich in mein Zimmer und setze mich vor den Fernseher. Gerade als ich mich zurücklehne um die DVD „Der Aufstand der Alten“ dort weiterzuschauen, wo ich gestern Abend aufgehört hatte, wird meine Aufmerksamkeit zum Fenster gelenkt. Auf der Straße demonstrieren hunderte Menschen gegen die hohe Arbeitslosigkeit. Ein Anlass für die Polizei, sich in bedrohlicher Angriffshaltung zu formatieren. Der Fernseher vermag wohl die Schreie der Demonstranten zu übertönen, doch finden meine Gedanken keine Ruhe, demn der Film zeigt mir kein wirklich anderes Bild. In der Hoffnung, dass der morgige Tag mehr Raum für Optimismus lässt, lösche ich das Licht.

Das Klingeln meines Weckers reißt mich unsanft aus dem Schlaf. Mit verschwommenem Blick erkenne ich, dass ich das Läuten seit bereits zwanzig Minuten erfolgreich ignoriere. Zu tief war ich in meinen Träumen um das Jahr 2013, wie es hätte sein können, versunken. Auch, wenn es bedeutet, dass ich mein Frühstück selbst zubereiten muss, bin ich doch froh, in dieser Gegenwart zu erwachen.

Ein Blick in eine alternative Realität von Ulrike Günther & Marie Wieschmann

Titelbild: Ausschnitt aus einem Gemälde von Albert Robida

 

Uni – nur online?

mm106_universum_16MOOCs werden immer bekannter und Professoren machen YouTube zu ihrem neuen Vorlesungssaal. moritz hat geprüft, wie gut ein Onlinestudium an der Universität Greifswald funktionieren könnte.

Seitdem die ersten Vorlesungen von Elite-Universitäten öffentlich auf YouTube zu sehen sind, entwickelten sich immer mehr Angebote für Studierende, an Kursen verschiedenster Universitäten online teilzunehmen. Lehrmaterial wird über einen Server bereitgestellt, Aufgaben werden online abgegeben und bewertet. Diese Möglichkeiten haben sich vor allem an amerikanischen Universitäten verbreitet. Es gibt keine Aufnahmeprüfungen, keine Stundenpläne, man kann sich die Vorlesung zu jedem Zeitpunkt als Video ansehen und jeder kann in seinem individuellen Lerntempo den Stoff bearbeiten. Diese Kurse heißen MOOCs: Massive Open Online Courses. Das Lehrangebot boomt, tausende von Studierenden nehmen das neue Lernen an. Die Universitätsumwelt wird komplett umgekrempelt. Wie wird sie in 20 Jahren aussehen? Wird es dann überhaupt noch das Studium , wie wir es kennen, geben?

Aller Anfang ist schwer

Das computerunterstützte Lernen ist genauso alt wie die Erfindung der Großraumcomputer. Damals nahmen sie noch ganze Räume ein und erbrachten, verglichen mit heutigen Geräten, extrem wenig Leistung. Schon immer gab es Programmierer, die kleine Anwendungen gestaltet haben, mit denen es möglich war, Vokabeln oder mathematische Formeln zu lernen. Bis jedoch diese Programme in die Haushalte kamen und somit für jedermann anwendbar waren, vergingen einige Jahre. Erst in den 90er Jahren konnten Privatpersonen Lernprogramme an ihren heimischen PCs benutzten. 1995 wurden die ersten Lernprogramme an der Universität Greifswald eingeführt, damals noch auf Laserdisks oder CD-Roms. „Das waren statische Programme, die man in einem winzigen PC-Pool, der aus nur sechs Computern bestand, einsetzen konnte. Isoliert eingesetzt konnte das nie zu produktiven Leistungen führen. Das waren die Anfänge vom computergestützten Lernen“, sagt die Privatdozentin Doktor Heidrun Peters zu den ersten Computerprogrammen der Universität. Es gab eine schnelle Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten, nicht nur an der Universität Greifswald, sondern auch an allen anderen Universitäten. Heute, meint Peters, ist die Greifswalder Universität etwa zehn Jahre zurück in der Benutzung von Lernplattformen beziehungsweise Onlineplattformen. Die wenigsten Dozenten benutzen „moodle“ oder „Gryps Cast“, um ihre Lernveranstaltung zu unterstützen oder den Studierenden eine bessere Möglichkeit zu geben, den Stoff für die Prüfungen zu wiederholen. Wie kommt es, dass die technischen Möglichkeiten nicht ausgenutzt werden? Professor Patrick Donges, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft, sieht die Gründe für das geringe Onlineangebot vor allem in der Gestaltung der Vorlesungen: „Ich glaube, dass der Dozent vor allem die Sorge hat, dass der Vorlesung dadurch Spontanität genommen wird. Ich mache auch mal einen Witz zwischendurch, der nur in diese Situation passt.“ Außerdem haben viele Dozierende Angst davor, gefilmt zu werden und damit für immer auf ihr gesagtes Wort festgenagelt zu sein. Den positiven Mehrwert erkennt er durchaus. Die Studierenden könnten sich besser auf ihre Prüfungen vorbereiten und ein Studium mit Kind ist viel besser zu organisieren, da jeder die Vorlesungen hören kann, wann er will. Jedoch ist es Donges sehr wichtig, in seinen Vorlesungen Feedback von den Studierenden zu bekommen. Im Rahmen eines herkömmlichen Seminars kann direkt auf Fragen eingegangen und thematische Aspekte vertieft werden. Interpersonale Kommunikation ist für ein erfolgreiches Studium überlebenswichtig. Es wäre jedoch gut möglich sehr einheitliche Vorlesungen aufzeichnen zu lassen. Auch wenn es zu Überschneidungen mit anderen Lehrveranstaltungen kommt, sind Vorlesungsmitschnitte eine gute Ausweichmöglichkeit. Ein reines Online-Studium jedoch lehnt er ab. Zu wichtig sind die Aspekte neben dem Studium. Michael Mach, der sich für die Verbesserung der Studierbarkeit im Ein-Fach-Bachelorstudium an der Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät einsetzt, gibt zudem noch zu bedenken, dass es Studiengänge gibt, die wohl nie nur rein online abgehandelt werden können. Medizin, Pharmazie, Physik, Chemie haben alle praxisbezogene Elemente, die nicht ersetzt werden können.

mm106_universum_16_neuPotentiale werden erkannt

Die eigentliche Frage ist, wie sich das Studium in den nächsten 20 Jahren verändern wird. Die Meinung darüber ist größtenteils gleich: Gar nicht. Die technische Komponente wird sich im Laufe der Jahre noch verbessern. Peters plädiert dafür, dass mehr auf die Potentiale des E-Learnings geachtet und diese auch ausgenutzt werden sollten. Mach kann sich gut vorstellen, dass sich die Prüfungssituationen ändern werden und Prüfungen nicht mehr auf dem Papier, sondern auf Tablets abgehalten werden. Eine vollkommene Entwicklung zum Onlinestudium kann sich keiner vorstellen und würde sich auch keiner wünschen. Die Vorteile der räumlichen und zeitlichen Unabhängigkeit sind jedem bewusst, aber zu schwer liegen die Nachteile im Gewicht, die vor allem das herkömmliche Studentenleben umfassen. Persönlicher Kontakt mit anderen Studierenden, mit Dozierenden, Lerngruppen, Feierabendbier – all das würde wegfallen und die Qualität des Studiums sehr mindern. Gerade an einer kleinen Universität wie in Greifswald findet Donges ein Onlinestudium alles andere als wünschenswert. „In Greifswald ist der Pluspunkt, dass es überschaubar ist und es einen engen Kontakt zwischen Studierenden und Dozierenden gibt. Wenn alle Institute online wären, warum sollten Studierende in Greifswald online studieren? Wieso nicht bei einer großen Universität? Wir haben dann kein Argument mehr. Der enge Kontakt mit den Dozierenden, das sind ja die Vorteile, nach denen man seinen Studienort auswählt.“

Obwohl sich die Technik immer weiter entwickelt und Kinder von klein auf an den Umgang mit ihr lernen, werden sich vielleicht nur die Mittel ändern, mit denen gelehrt wird. Kein Papier mehr, sondern Tablets, keine Tafeln mehr, sondern interaktive Tapeten. Das Studium mit Anwesenheit wird nicht durch ein reines Onlinestudium abgelöst, aber mit Onlineanteilen unterstützt werden. In den kommenden Jahren werden sich die technischen Vorteile durchsetzen und die Lehrpotentiale sich noch mehr etablieren. Den persönlichen Kontakt jedoch kann man nicht ersetzen.

Ein Feature von Luise Schiller mit Fotos von Corinna Schlun (Wiese) und Katrin Haubold (Kamera)

Lohmanns Lunch #7 –

Lohmanns Lunch #7 –

Wie kommt man eigentlich auf die Idee, eine Kochserie in einem Studentenmagazin zu veröffentlichen? Man nehme zehn  Redakteure, etwas Bier und Wein und selbst eingelegtes Grillgut – voila, fertig ist die Idee. Nur noch fix ein paar leckere Gerichte gezaubert und schon habt ihr euer kleines moritz-Kochbuch.

Jetzt ist endlich wieder Grillsaison und somit der richtige Zeitpunkt, um euch ein paar leckere Ideen mitzugeben. Diesmal gibt es gleich drei Rezepte, die einfach vorzubereiten sind.

mm106_kultur_34_LL3mm106_kultur_34_LL2mm106_kultur_34_LL1Für alle, die ihr Fleisch mal selber marinieren wollen, gibt es zwei Vorschläge für jeweils 300 g Fleisch. Die Chili-Ingwer-Marinade kann recht scharf werden, harmoniert aber gut mit saftig gegrilltem Geflügel. Am besten ist es, ihr bereitet sie morgens vor, denn die Marinade muss mindestens drei Stunden einziehen. Einfach Reiswein, Ingwer- und Sesamöl und Sojasauce in einer gut verschließbaren Dose mischen, dann die kleingeschnittene Chili und etwas Pfeffer dazugeben. Legt das Fleisch in die Dose, macht den Deckel drauf und schüttelt gut, damit das Fleisch komplett von der Marinade bedeckt ist. Bis zum Grillen kalt stellen und stündlich schütteln.

Die Alternative ist eine Marinade mit Honig, Senf und Thymian, mit der sowohl Geflügel als auch Schweinefilet süß und saftig werden. Auch hier braucht ihr Reiswein, dazu kommen Olivenöl, Honig (am besten Thymianhonig) und Senf. Alles gut durchmischen und mit Thymian würzen. Das Fleisch einlegen und wie oben verfahren.

Die Schafskäsepäckchen könnt ihr auch direkt vor dem Grillen vorbereiten. Die Zwiebel wird kleingehackt, die Pilze geputzt und in dünne Stifte geschnitten. Bröselt den Käse in eine Schüssel, gebt das Olivenöl, die Zwiebel und die Pilze dazu. Mit den Kräutern und Pfeffer würzen und gut durchmischen. Reißt von der Alufolie quadratische Stücke ab und gebt auf jedes zwei bis drei Esslöffel der Schafskäsemischung. Die Ecken hochklappen, oben etwas zusammendrehen und ab auf den Grill damit. Der Käse braucht eine Weile, bis er gar ist.

Dazu passt am besten ein kühles Bierchen, Sonne und 20 Grad Celsius im Schatten. Lasst es euch schmecken und genießt den Sommer.

 

Reicht für 2, wenn es noch Salat oder Brot gibt:

Chili-Ingwer-Marinade:

50 ml Reiswein (oder Kochsherry)

3 EL Ingweröl oder  Sonnenblumenöl

1 EL geriebener Ingwer

3 EL Sesamöl

1 Chilischote

5 EL helle Sojasauce

Pfeffer

Honig-Senf-Thymian-Marinade:

50 ml Reiswein (oder Kochsherry)

5 EL Olivenöl

2 EL flüssiger Honig

2 TL mittelscharfer Senf

1 TL Thymian, kleingeschnitten

 

Schafskäsepäckchen:

250 g Schafskäse

50 g Champignons

½ rote Zwiebel

1 EL Olivenöl

Pfeffer

Italienische Kräuter

Alufolie zum Einpacken

 

Grillrezepte von Erik Lohmann, mit Fotos von Milan Salje

Von einem der auszog, mit dem Fahrrad einzukaufen

Lastenrad(640x427)Der Anteil der jungen Menschen, die einen Führerschein besitzen, sinkt stetig. Gerade in den großen Städten kommt man problemlos ohne Auto aus. Nur was ist, wenn man große Einkäufe transportieren will? Eine Alternative, die sich auszuprobieren lohnt: ein Lastenfahrrad.

Andere Kerle schwärmen für Motorräder oder Autos, ich hingegen lasse mir von Fahrrädern den Kopf verdrehen. Erst neulich wieder habe ich mich verführen lassen, von einer Schönheit, die der ganzen Stadt bereitwillig zur Verfügung steht. Schlank, schwarz und kräftig ist es, das Lastenfahrrad des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Einfach zum Verlieben. Seit Mitte März hat man die Möglichkeit, das vom Landesverband bereitgestellte Rad auf Spendenbasis auszuleihen und im Alltag auszuprobieren.

„Wie sieht denn ein Lastenfahrrad aus?“, wurde ich gefragt, als ich Freunden begeistert davon berichtete, „hat das einen extra großen Gepäckträger?“ Nein, ein Lastenfahrrad ist in der Regel deutlich länger als ein normales Fahrrad und bietet – meist zwischen Lenker und Vorderrad – eine Menge Stauraum. Einige Modelle haben eine große Alukiste montiert, andere eine flache, offene Ladefläche und einige einen Holzkasten, nicht ganz unähnlich einer Schubkarre. Das Lastenrad des ADFC gehört zur letzten Kategorie. Robust, einfach zu beladen, flexibel, mit ausreichend Platz, allerdings ohne Schutz der Ladung vor Witterung oder Diebstahl. Die Einsteigervariante als praktikable Alltagslösung.

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Zulandung wie ein Kleinwagen…

„Wofür brauchst du denn so ein Rad?“ war noch eine Frage, die mir gestellt wurde. Ganz einfach: Für alles Alltägliche, was man mit dem Auto erledigen würde. Einkaufen, die Fahrt zum Grillen, Leergut wegbringen, die Weltherrschaft an mich reißen. Für mich stand fest, dass ich so ein Lastenrad zumindest mal ausprobieren muss.

Gesagt, getan. Die Ausleihprozedur ist unglaublich unkompliziert: Anfragen, vorbeifahren, ausleihen. Bei der Ausleihe kooperiert der ADFC mit der lokalen Pfadfindergruppe, die einen überdachten Stellplatz bereitstellt und den Schlüssel für das Lastenrad verwahrt. Nach einer kurzen Einweisung steige ich aufs Rad. Zumindest nachdem ich die Funktionsweise des Ständers begriffen habe: Einfach das Lastenrad nach vorne schieben und er klappt hoch. Denkbar einfach, fast schon zu einfach für studierte Menschen. Die ersten paar Meter sind recht wackelig. Durch das kleine Vorderrad ist die Lenkung direkter als bei einem normalen Fahrrad. Auch der Wendekreis ist größer, denn das Lastenrad ist ziemlich lang. Man gewöhnt sich aber schnell daran.

Die ersten drei Gänge der Acht-Gang-Schaltung sind dafür ausgelegt, mit einem voll beladenen Rad anzufahren. Ohne Zuladung ist man hier quasi im Leerlauf. Aber als ich beim Allgemeinen Studierendenausschuss rund 40 Kilogramm Drucksachen für den moritz einlade, bin ich sehr dankbar für die niedrige Übersetzung. Langsam krieche ich die Friedrich-Loeffler-Straße runter, da das zusätzliche Gewicht eine Menge Anlauf braucht. An der Europa-Kreuzung bin ich so weit, dass ich mich nicht mehr komplett auf das Rad konzentrieren muss und lasse den Blick schweifen. Sofort bemerke ich, dass ich auffalle. Viele Passanten und Radfahrer drehen sich nach mir um – oder eher nach dem Lastenrad. Was in anderen Ländern zum Alltag gehört, ist bei uns noch ein Hingucker – leider, denn das Potential von Lastenrädern im urbanen Verkehr ist hoch und sollte mehr genutzt werden.

An der Zentralen Universitätsbibliothek angekommen, habe ich endlich mal eine Ausrede, die Rampe hinaufzufahren und direkt vor dem Eingang zu parken. Auch hier zieht das Rad Blicke auf sich, nur auf die Idee, etwas Platz zu machen, kommen manche Schaulustige am oberen Ende der Rampe nicht. Ausladen, einladen, weiter geht die Probefahrt. Es ist wirklich angenehm, die ganzen Magazine nicht mit dem Rucksack verteilen zu müssen, sondern sie bequem vor mir her zu kutschieren. Selbst mit dem Auto wäre es nicht einfacher gewesen, denn wer kann schon sagen, dass er mit seinem Auto direkt vor der Eingangstür der Bibliothek parken darf?

...aber weniger Platzbedarf

…aber weniger Platzbedarf

Als ich fertig bin, nutze ich die Gunst der Stunde und fahre noch mal los, ein paar Sachen einkaufen, die ich schon lange vor mir her geschoben hatte: Ein Grill und Erde für die Balkonpflanzen. Alles lässt sich problemlos im Rad verstauen. Selbst ein Wocheneinkauf für eine vierköpfige Familie ließe sich transportieren. Und die maximale Zuladung von 60 Kilogramm stellt eine Grenze dar, die man wohl nie wirklich ausreizen möchte.

Als ich am späten Nachmittag mit meinen Erledigungen fertig bin und keine Entschuldigung mehr finden kann, das Rad länger zu behalten, gebe ich es schweren Herzens zurück und werfe fünf Euro in die Spendenbox. Wie gerne hätte ich selbst so einen Drahtesel. Auch mein Mitbewohner und die Redaktion des moritz sind begeistert. Aber wo sollten wir so ein Rad unterstellen, und wie oft bräuchten wir es wirklich?

Ein Text von Erik Lohmann; Fotos von Milan Salje

“Dann müssen wir auf die Straße. Mit Ihnen.”

Die Psychologin Professor Hannelore Weber ist seit FebrWeberuar 2013 Rektorin unserer Universität. Mit moritz sprach sie über ihre Arbeit, finanzielle Probleme der Universität und Frauenförderung.

Ist Ihnen das Ausscheiden aus dem regulären Lehr und Forschungsbetrieb des Psychologischen Instituts schwergefallen?

Sehr schwer. Ich habe um die Entscheidung gerungen, ob ich mich zur Wahl als Rektorin stellen und damit mein altes, akademisches Leben hinter mir lassen sollte. Das waren wie zwei Seelen in meiner Brust. Ich bin mit großer Leidenschaft Hochschullehrerin gewesen. Momentan betreue ich noch Diplomarbeiten am Institut für Psychologie und habe meine Arbeitsgruppe dort. Es überfällt mich ein wenig Wehmut, wenn ich ab und an ins Institutsleben eintauche. Mal wieder die Zeit für Forschung haben, das wäre schon schön.

Was waren die ersten Herausforderungen in Ihrem Amt?

Wenn ich mich früher für Vorlesungen vorbereitet habe, dann habe ich mir Zeit genommen und auch nehmen können. Stundenlang. Nun bin ich mit einer Vielfalt von neuen Aufgaben konfrontiert, sowohl was die internen Vorgänge an der Universität betrifft als auch die vielen Außentermine, die sich aus der Zusammenarbeit mit der Politik, mit anderen Hochschulen und Institutionen ergeben. Die schiere Menge an Fragestellungen und Aufgaben lässt mir nicht mehr die Zeit wie früher, sich intensiv mit einer Sache auseinanderzusetzen. Dieses v

eränderte Zeitmanagement ist eine neue Herausforderung für mich.

Wie sieht ihr Alltag als Rektorin aus?

Wenn ich Auszüge aus einem Arbeitstag durchgehe, wird das schnell deutlich. Nun ist es 11 Uhr. Gleich im Anschluss folgt ein Berufungsgespräch, wobei es darum geht, eine junge Kollegin für eine Professur an der Universität für den Bereich Gender Studies zu gewinnen. Danach fahre ich zur Universitätsmedizin zu einem Treffen mit Vertretern der Euroregion Pomerania. Dort geht es um grenzüberschreitende Projekte zwischen Polen, Schweden und Deutschland. Letzte Woche war ich in diesem Zusammenhang in Stettin und habe die Medizinische Universität besucht, die großes Interesse an einer Kooperation mit Greifswald hat. Später am Nachmittag steht die Suche nach privaten Förderern an, die wir gewinnen wollen, um möglichst viele Deutschlandstipendien für engagierte und begabte Studierende verteilen zu können. Im Anschluss werde ich im Institut für Psychologie an den Vorbereitungen einer Tagung mitarbeiten. Heute Abend treffe ich mich noch mit einer Gutachtergruppe des Verbundes der Norddeutschen Universitäten, die morgen die Universität besuchen wird und sich unser Qualitätsmanagement hinsichtlich der Lehre ansieht.

Eines Ihrer Forschungsgebiete umfasst die Regulation von Stress und Emotionen. Hilft Ihnen Ihr Fachwissen sich zu entspannen?

Es hilft schon. Allerdings ist es häufig so, dass man zwar die Theorie und relevante Forschungsergebnisse kennt, sie aber vergisst, wenn man mitten im Alltag gefangen ist. Dann fehlt bisweilen die Zeit, die nötige Distanz zu bekommen und sich zu sortieren. Wenn eine Anforderung sehr schnell auf die Nächste folgt, muss man lernen, diese Reflexionsphasen einzubauen, um dann wieder effizient und angemessen handeln zu können.

Der Nordkurier hat vor wenigen Tagen geschrieben, dass das Defizit der Universität im laufenden Haushaltsjahre 6, 8 Millionen Euro beträgt. Stimmt das?

Wir haben ein strukturelles Defizit. Wie groß das Defizit jedoch letztlich wird, hängt davon ab, inwieweit wir zusätzliche Kosten, zum Beispiel durch Tarifsteigerungen für Mitarbeiter oder steigende Energiepreise, v

om Land erstattet bekommen.

Welche Lösungsansätze sehen Sie, wenn das Land das Defizit nicht in voller Höhe ausgleicht?

Wenn das Land nicht ausgleicht, werden wir nicht umhin kommen, im Personalhaushalt zu sparen, indem wir beispielsweise freiwerdende Stellen nicht sofort neu besetzen können, sondern erst nach einigen Monaten. Die mangelnde finanzielle Ausstattung wird sich verschärft in den kommenden Jahren stellen. Wir hoffen, dass unser Bildungsminister in den Gesprächen zum Doppelhaushalt 2014/2015 möglichst viel bei der Finanzministerin für die Hochschulen herausholen kann. Wenn das nicht gelingt, werden wir uns überlegen müssen, wie wir die Öffentlichkeit auf die die drängenden Probleme der Universitäten aufmerksam machen. Dann müssen wir eventuell auch auf die Straße gehen. Mit Ihnen.

Werden Sie sich für eine weitere Erhöhung der Professorinnen-Quote an der Universität starkmachen?

Das ist für mich ein großes Anliegen, weil sich Greifswald im bundesdeutschen Vergleich hinsichtlich des Anteils von Hochschullehrerinnen an den Professuren deutlich unter dem Durchschnitt befindet. Deshalb haben wir uns auch entschieden, an dem „Professorinnen-Programm“ teilzunehmen. Dabei werden vom Bund zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt, wenn eine

ausgeschriebene Professorenstelle durch eine Frau besetzt wird. Als eine Art Eintrittskarte für die Teilnahme an diesem Programm haben wir ein Gleichstellungskonzept eingereicht. Dieses wird momentan begutachtet.

Wie beurteilen Sie die aktuelle, politische Debatte um die Frauenquote?

In dieser Hinsicht habe ich, wie viele andere mir bekannte Frauen in Führungspositionen, meine Meinung geändert. Ich habe lange Zeit geglaubt, dass wir das auch so schaffen und dafür nicht unbedingt eine Quote brauchen. Immerhin hat sich beispielsweise die Anzahl der promovierenden Frauen deutlich erhöht. Auf der anderen Seite finde ich den internationalen Vergleich alarmierend. In anderen Ländern sind bereits deutlich mehr Frauen in der Führungsebene vertreten als in Deutschland. Den Glauben, dass wir schon irgendwann dort ankommen werden, habe ich leider verloren. Deshalb denke ich schon, dass wir eine Frauenquote brauchen, vor allem in der Wirtschaft.

Aber trifft das auch für den universitären Bereich zu?

Bei Professuren macht Quote keinen Sinn, weil die Auswahl durch die Qualifikation bestimmt wird. Ich würde jedoch zumindest erwarten, dass sich nach dem sogenannten „Kaskadenmodell“ der Anteil an Frauen an den Professuren in dem Maße erhöht, wie sich auch der Anteil der Frauen mit der dazu nötigen Qualifikation erhöht, entweder durch eine Juniorprofessur oder eine Habilitation.

Wie wichtig ist für Sie eine familienfreundlichere Universität?

Eine familienfreundliche Universität ist ein wichtiger Faktor, dass sich Frauen und Männer für eine Karriere an der Universität entscheiden. Auch für einen Mann ist der Job reizvoller, wenn er in einer familienfreundlichen Umgebung arbeiten kann. Es ist ein wichtiger Standortfaktor, da andere Universitäten bei Berufungen mit ihrer Familienfreundlichkeit werben, zum Beispiel mit guter Kinderbetreuung oder Arbeitsplätzen für den Partner, mit Double-Career-Angeboten. Es gibt zahlreiche Universitäten, die viel Geld in solche Angebote stecken; hier schlägt einmal wieder unsere kritische finanzielle Situation zu Buche, sodass uns die Mittel, die wir eigentlich für solche Maßnahmen bräuchten, fehlen.

Was halten sie von einem Kinderraum für die Bibliothek?

Das Hauptgebäude - der Arbeitsplatz der Rektorin

Das Hauptgebäude – der Arbeitsplatz der Rektorin

Solche Kinderzimmer sind sicher eine sehr interessante Maßnahme.

Hat eine andere Universität in diesem Bereich Vorbildwirkung?

Es gibt Universitäten, die sind im Hinblick auf die Möglichkeiten einer familienfreundlichen Universität vorbildlich, beispielsweise in der Kinderbetreuung oder mit umfangreichen Familienserviceangeboten. Das ist häufig dort der Fall, wo Universitäten, zum Beispiel im Rahmen der Exzellenzinitiative, sehr viel Geld bekommen haben.

Denken Sie, dass Universitätskarrieren auf dem Weg zur Professur familienfreundlicher werden müssten?

Die Voraussetzungen für eine Universitätskarriere sind ein großes Problem im Hinblick auf Familienfreundlichkeit. Die Karriere verlangt hohe Mobilität, meist auch Auslandsaufenthalte. Das ist wissenschaftsfreundlich, da es im Rahmen einer globalisierten Forschung wichtig ist, mehrere Universitäten zu kennen, aber das ist nicht unbedingt familienfreundlich. Es ist ein Dilemma. Hier stehen sich zwei Forderungen gegenüber, und es ist sehr schwierig, dort eine Lösung zu finden.

Wie wichtig finden Sie das Landschaftsökologiestudium für die Universität?

Das ist ein absolut attraktiver Studiengang für die Universität Greifswald und wir tun alles, um diesen Studiengang zu fördern und zu erhalten.

Die Ausschreibung der Umweltphilosophie Professur ist aber zuletzt zweimal im Fakultätsrat gescheitert.

Die Stelle wird jetzt ausgeschrieben.

Die Universität Greifswald bietet noch Diplomstudiengänge an, obwohl es diese nicht mehr geben sollte. Wie wird es mit diesen Studiengängen weitergehen?

Das kann ich nicht beurteilen. Bis jetzt gibt es keine Anzeichen, hier irgendetwas zu ändern.

Also wird auch Psychologie weiter auf Diplom angeboten?

Nein, die Umstellung der Psychologie steht zum Wintersemester an. Wir werden den Diplomstudiengang auf einen Bachelor Studiengang mit acht Semestern Regelstudienzeit und einen zwei semestrigen Master umstellen.

Falls das Haushaltsdefizit in den nächsten Jahren weiter ansteigt und nicht durch das Land ausgeglichen wird, halten Sie dann Kürzungen nach dem Rasenmäher-Prinzip oder eine weitere Fokussierung der Universität für sinnvoller?

Wenn wir überleben wollen, dann können wir nicht nach dem Rasenmäher-Prinzip kürzen. Wir werden in einem Wettbewerb stehen, in dem wir funktionstüchtige einzelne Einheiten erhalten müssen. Das heißt, wir werden dann noch einmal in eine Strukturdiskussion einsteigen müssen.

Das heißt, es kann dann auch wieder zu Institutsschließungen kommen?

Wenn es Strukturdiskussionen geben muss, dann wird sich sicherlich noch einmal die Frage von Institutsschließungen stellen.

 Aus den Reihen der Geisteswissenschaftler kommen Klagen, dass es ihnen schlecht gehen würde. Muss die Situation der Geisteswissenschaftler verbessert werden?

Den Geisteswissenschaftlern geht es nicht schlechter als den anderen. Wenn man auf die Ebene der Institute runter geht, gibt es größere und kleinere Institute auch an anderen Fakultäten. Die Strukturen, die gegenwärtig existieren, sind finanziert, wenn auch mit den Einschränkungen, über die wir anfangs gesprochen haben. Wir bekommen jetzt generell Probleme, weil es Kostensteigerungen in bestimmten Bereichen gibt, die nicht aufgefangen werden.

Wenn man sich die Spitzenforschungsprojekte der DFG anschaut, sieht man da bundesweit zahlreiche Geisteswissenschaftliche Projekte. Die Greifswalder Geisteswissenschaften sind hier unterrepräsentiert, hier gibt es nur ein geisteswissenschaftliches Graduiertenkolleg.

Aber immerhin es gibt ein Graduiertenkolleg! Das ist die gute Nachricht und nicht selbstverständlich: Hochschulen wie die Freie Universität in Berlin, die für einzelne Fachgebiete wirklich große Institute haben, fällt es natürlich leichter, große Forschungsverbünde einzuwerben. Aber die DFG fördert auch kleinere Projektverbünde, wie Forschergruppen mit beispielsweise sechs oder sieben Wissenschaftlern, oder auch Forschungsvorhaben einzelner Wissenschaftler. Man kann also auch mit kleinen Strukturen erfolgreich sein.

In den Naturwissenschaften haben sich ja mehrere kleine Institute für größere Forschungsverbünde zusammengeschlossen.

Hier wurde auch die Zusammenarbeit mit anderen Universitäten stärker genutzt, beispielsweise wurden in der Physik Sonderforschungsbereiche mit Rostock oder Kiel eingeworben. Der verstärkte Zusammenschluss mit anderen Universitäten ist die andere Alternative, wenn man zu klein ist. Das ist auch ein Konzept für die Zukunft. Wir werden stärker darauf achten müssen, andere Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in gemeinsame Projekte mit einzubeziehen.

Professor Westermann sah als größten Misserfolg seiner Amtszeit, dass die Universität in der Exzellenzinitiative keinen Erfolg hatte. Für wie wichtig halten sie die Beteiligung der Universität Greifswald an eventuellen Nachfolgeprojekten?

Ich gehe davon aus, dass die Exzellenzinitiative in der bisherigen Form nicht weitergeführt wird. Sie hat einzelne Standorte begünstigt, die in der Lage sind sehr große Forschungsverbünde zusammenzustellen. Das können wir in Greifswald nicht leisten, da wir immer vergleichsweise klein bleiben werden, auch wenn wir alles zusammenlegen, was wir haben. Ich erwarte aber, Entwicklung, dass der Bund in anderer Form wieder in die Hochschulfinanzierung einsteigt, und hier müssen wir uns beteiligen. Ein Beispiel, das gerade im Gespräch ist, sind Bundesprofessuren, also Professoren, die vom Bund bezahlt werden. Dort können sich auch Universitäten mit kleineren Schwerpunkten bewerben.

Wie wichtig ist für Sie das Ziel einer umweltfreundlicheren Universität mit dem Ziel der CO2-Neutralität?

Da sind wir auf einem guten Weg, nicht nur mit den Initiativen der Kollegen aus der Landschaftsökologie, sondern auch mit Initiativen aus anderen Bereichen der Universität, vor allem auch aus der Verwaltung. Hier stelle ich mit großer Freude fest, dass auf allen Ebenen der Universität ein großes Engagement da ist, eine nachhaltige Bewirtschaftung zu schaffen. Wir werden das bei einem Umweltaktionstag im Juni vorstellen können.

Wie steht es um die Neueröffnung des C9?

Das Studentenwerk prüft im Moment das alte Heizhaus auf dem Gelände der alten Frauenklinik. Dabei hat sich aber herausgestellt, dass es aufgrund einer Havarie zumindest in Teilen schadstoffbelastet ist. Es wird jetzt mit einem Gutachten abgeschätzt, wie hoch der Sanierungsbedarf ist. Ansonsten halten wir das für einen guten Standort für den Club 9.

Wie wichtig sind die Studentenclubs für die Universität als weiche Standortfaktoren?

Alle studentischen Engagements in diesem Bereich sind wichtig, da wir eine kleine Stadt sind und kommerzielle Anbieter fehlen. Von daher sind die Studentenclubs für den Standort Greifswald enorm wichtig.

Der Hochschulsport hat trotz der jüngsten Investitionen noch mehrere marode Sportstätten. Was wollen sie tun, um die Situation des Hochschulsports zu verbessern?

Hochschulsport steht natürlich auf der Liste. Ich freue mich, dass ein Teil der zurückgezahlten Gebühren für Sportstätten ausgegeben wird, das ist sehr gut angelegtes Geld. Ansonsten ist es wie überall die Frage, wie viel Geld wir bekommen, um die lange Liste unserer Sanierungswünschen abzuarbeiten.

Wo sehen Sie die Universität in zehn Jahren?

In zehn Jahren sehe ich einen Wissenschaftsstandort Greifswald, in dem sich die Universität noch stärker mit den außeruniversitären Einrichtungen vernetzt. Ich sehe auch, dass wir das gewonnene Wissen aus der Universität noch stärker in Anwendung bringen müssen, das heißt noch mehr kleine Firmen ansiedeln, die das Wissen in die Wirtschaft bringen. Stärkere Vernetzung und Transfer sind meine Wünsche.

Wollen Sie auch für verstärkte Industrieinvestitionen an die Universität sorgen. Im Moment kommt ein Großteil der Drittmittel aus Projekten des Bundes.

Wir müssen stärker werden, was Mittel aus der EU-Wirtschaftsförderung angeht, da stehen wir im Vergleich zu der Universität Rostock recht bescheiden da. Aber auch durch Ausgründungen von Unternehmen müssen wir für mehr Investitionen sorgen.

Wie wollen Sie die Universität in ihrer ersten Amtszeit als Rektorin verändern?

Verändern? Wenn es zunächst um etwas geht, dann ist das Erhalten. Kein Rückbau, kein Abbau, Strukturen so erhalten, wie sie jetzt sind. Und zu dieser Erhaltungsstrategie gehört auch, dass wir starke Partner gewinnen: Außeruniversitäre Einrichtungen, Industrie und Vernetzung mit anderen Universitäten.

 Das Interview führten Florian Bonn und Friederike Haiser, das Portraitfoto schoss Florian Bonn.