Filmrezension: The Zone of Interest

Filmrezension: The Zone of Interest

Triggerwarnung: In diesem Artikel wird über die schweren Kriegsverbrechen im Konzentrationslager Auschwitz während des zweiten Weltkrieges gesprochen.

Die Schrecken hinter den Mauern der Konzentrationslager während des Zweiten Weltkrieges sind jedem bekannt. Der Horror, den die Gefangenen dort tagtäglich durch die Hand der Nazis durchleben mussten. Der oscarprämierte Film “The Zone of Interest” spielt direkt vor den Mauern des Konzentrationslagers in Auschwitz und zeigt den Alltag der Familie des KZ-Kommandanten Höß.

Der Film des britischen Regisseurs Jonathan Glazer, welcher auch das Drehbuch geschrieben, hat, wurde bereits 2023 bei den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt. Im deutschsprachigen Raum startete der Film am 29. Februar 2024 in den Kinos. Es handelt sich bei dem Projekt um eine internationale Koproduktion zwischen dem Vereinigten Königreich, den USA und Polen. Die Hauptrollen übernahmen die beiden deutschen Schauspieler*innen Christian Friedel und Sandra Hüller.
Gedreht wurde an den Originalschauplätzen in Auschwitz. Das Haus der Familie Höß wurde für den Dreh nachgebildet und innerhalb des Hauses wurden mehrere versteckte Kameras eingebaut, was es ermöglichte, dass die Schauspieler*innen sich ohne Filmteam frei in den Räumen bewegen konnten. Es wurde außerdem während der Dreharbeiten kein künstliches Licht verwendet, damit die Szenerie nicht zu ästhetisch wirkt. 

Trailer

Die Familie Höß

Der Film begleitet die Familie Höß in ihrem alltäglichen Leben direkt neben dem Konzentrationslager Auschwitz, wie es auch wirklich stattgefunden haben könnte, denn die Charaktere im Film basieren auf historischen Personen. Der Familienvater Rudolf Höß baute 1940 im Auftrag Heinrich Himmlers das Konzentrationslager Auschwitz auf, welches aufgrund der vielen Gefangenen, die dorthin gebracht wurden, immer wieder vergrößert wurde. Täglich kamen Züge mit neuen Gefangenen aus ganz Europa. In den folgenden Jahren organisierte Höß den Massenmord der Gefangenen in den Gaskammern. Bis 1943 war er Kommandant des Konzentrationslagers. Dann wurde er abberufen und als Leiter der für die Konzentrationslager zuständigen Amtsgruppe D im SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt eingesetzt. Bereits ein Jahr später wurde er wieder nach Auschwitz zurückbeordert, um die Leitung der Massenermordung der ungarischen Juden zu übernehmen. Insgesamt starben in Auschwitz und den dazugehörigen Außenlagern mindestens 1,1 Millionen Menschen. 

Das Grundstück der Familie Höß grenzte an die Außenmauer des Konzentrationslagers. Eine künstlich geschaffene Idylle mit Blumenbeeten, einem Gartenhaus und Pool direkt neben dem Horror. Während ihr Mann tagsüber im Lager arbeitete, kümmerte sich Hedwig Höß um den Garten der Familie, befehligte ihre Bediensteten und die Gefangenen, die für die Familie arbeiteten, und zog ihre fünf Kinder auf. Machten die Gefangenen, die für die Familie arbeiteten, einen Fehler, mussten sie den Tod befürchten. In der filmischen Umsetzung droht Hedwig einem Mädchen beispielsweise damit, dass, wenn sie es wollte, ihr Mann Rudolf die Asche des Mädchen über die Felder von Babice verteilen würde. Tatsächlich wurde die Asche aus den Krematorien als Dünger für die Pflanzen im Garten der Familie benutzt.

„Rudolf nennt mich die Königin von Auschwitz.”

Hedwig Höß (gespielt von Sandra Hüller) zu ihrer Mutter (gespielt von Imogen Kogge)

Bereits zu Beginn des Films überreicht ein Häftling der Hausherrin einen Beutel mit Kleidung, darin befinden sich mehrere Stücke von denen sich die Mädchen im Hause jeweils eines aussuchen dürfen. Währenddessen geht Hedwig in das elterliche Schlafzimmer und probiert dort einen Pelzmantel an. In dessen Tasche findet sie außerdem einen Lippenstift, den sie ausprobiert, aber dann sofort wieder abwischt. Bei all dieser Kleidung handelt es sich um die ehemaligen Besitztümer von Gefangenen.

„Die Kinder der Familie und die Ehefrau trugen Kleider von Menschen, die ihr Mann und Vater vergast hatte.”

Historikerin Raphaela Schmitz (2019)

Die Familie lebte bis 1944 neben dem Lager, bis Rudolf Höß endgültig von seinem Posten dort entbunden wurde. 1945 floh die Familie nach Flensburg und Rudolf Höß verschaffte sich dort unter falschem Namen Arbeit, bis er ein Jahr später verhaftet wurde. Aufgrund seiner Kriegsverbrechen wurde Höß 1947 auf dem Gelände des Stammlagers in Auschwitz hingerichtet. Hedwig sagte als Zeugin bei den Frankfurter Auschwitzprozessen aus und gab sich dabei vor allem unwissend.

Die Idylle vor Augen, den Schrecken im Ohr

Durch die besondere Drehweise mit versteckten Kameras gibt es keinen Charakter, der besonders im Vordergrund steht oder dem die Kamera folgt. Die Zuschauenden versetzt dies in eine unbeteiligte Beobachtungsperspektive einer besonderen Art. Es ist, als würde man vom Nachbarhaus aus das Geschehen auf dem Grundstück der Familie Höß beobachten. Dadurch wird eine Distanz zu den Familienmitgliedern aufgebaut und eine persönliche Bindung könnte gar nicht erst entstehen. 

Es gibt im gesamten Film nur sehr wenige Szenen, die im Lager direkt spielen. Die Gewalt und der Horror, die sich innerhalb der Mauern des Konzentrationslagers in Auschwitz abspielen, werden nie direkt gezeigt, aber man kann sie den ganzen Film über hören. Man hört die Schüsse hinter der Mauer, während Hedwig ihrem Baby die Blumen im Garten zeigt. Man hört die Schreie der Insassen, während Hedwig sich im Gartenstuhl sonnt. Man hört das Brüllen der Wärter, während die Kinder im Garten spielen. Der Film spielt mit der Vorstellungskraft der Zuschauer*innen. Ohne den Horror direkt auf der Leinwand zu verbildlichen, werden durch die Sounds und die Filmmusik die Schrecken hinter der Mauer verdeutlicht. Diese kontrastreiche Umsetzung, in der Kinderlachen und Schüsse zeitgleich aus den Lautsprechern kommen, erschafft eine sehr bedrückende Atmosphäre. Man kann gar nicht glauben, dass das wirklich Realität war. Dass Menschen wirklich eine solch grauenhafte Ignoranz an den Tag gelegt haben und Augen und Ohren vor dem verschlossen haben, was neben ihnen geschah. 

Und plötzlich wird die Leinwand rot. Ein maschineller Sound erfüllt den Saal. Das Dröhnen wird immer lauter. Schreie vermengen sich mit den industriellen Klängen. Und dann Ruhe… Die Macher*innen des Films schaffen es auch hier durch den bloßen Einsatz von Klängen, die Schrecken von Auschwitz in den Köpfen der Zuschauer*innen hervorzurufen. Die Hintergrundgeräusche haben die wohl größte Macht im Film, denn vor allem in ihnen steckt der geschichtliche Hintergrund des Filmes. Die Geschichte, die hinter den Mauern passiert ist, die Hedwig mit Wein zuwachsen lassen will, damit man sie nicht mehr so sieht. 

Hinter der Mauer

Auch wenn sich das Gezeigte zum Großteil vor den Mauern des Konzentrationslagers abspielt, wird dennoch auch bildlich offenbart, was vor sich geht. So sieht man den Dampf der ankommenden Züge, die neue Gefangene ins Lager bringen. Man sieht die Rauchschwaden der Verbrennungsöfen. Sieht wie die Asche aus den Krematorien von einem Häftling als Dünger über die Erdbeerpflanzen verteilt wird und wie ein anderer das Blut von den Schuhen von Rudolf Höß abwäscht, nachdem dieser aus dem Lager nach Hause kommt.
In einer Szene wird Höß von anderen Männern die Funktionsweise eines Verbrennungsofens erklärt. Dabei wird von eben jenen Vertretern hervorgehoben, dass dieser besonders gut sei, da er im Dauerbetrieb eingesetzt werden könne. 
Als er einmal mit seinen Kindern im Fluss schwimmen ist, bemerkt er ein Knochenstück im Wasser, welches von den Krematorien stammt. Daraufhin sieht man, wie die Kinder von Hedwig und den Bediensteten schnell sauber gemacht werden.
Doch für Hedwig ist es ihr Traumzuhause, welches sie nicht einmal verlassen will, als ihr Mann für einige Zeit nach Oranienburg versetzt wird. 

Der Film macht deutlich, dass die Anwohner rund um die Lager gewusst haben müssen, was dort vor sich ging. Es wird gezeigt, wie Frauen die Fenster schließen und die Wäsche reinholen, wenn die Brennöfen im Krematorium laufen. Hedwigs Mutter, die zu Besuch ist, verlässt abrupt und ohne Verabschiedung das Haus, als sie scheinbar realisiert, was dort vor sich geht. Sie hinterlässt Hedwig einen Brief, den diese wütend verbrennt und daraufhin einer jungen Gefangenen mit der Einäscherung droht. 

Am Ende des Films wird das Konzentrationslager in der heutigen Zeit von innen gezeigt. Putzfrauen reinigen die Scheiben hinter, denen sich die Schuhe der Häftlinge türmen. Sie reinigen die Fußböden, und man sieht das erste und einzige Mal das Krematorium von innen. Danach springt der Film wieder in der Zeit zurück und zeigt Rudolf Höß; der Familienvater, der seinen Töchtern zum Einschlafen Gute-Nacht-Geschichten vorliest, und der Mann, der verantwortlich ist für all die Morde in Auschwitz. 

„Monster existieren, aber sie sind zu wenige, um wirklich gefährlich zu sein. Gefährlicher sind die einfachen Männer, die bereit sind zu glauben und zu handeln, ohne Fragen zu stellen.”

Primo Levi, Holocaust-Überlebender

Das Licht im Schatten

Zwischendurch taucht im Film immer wieder ein polnisches Mädchen auf, welches nachts auf den Feldern in der Nähe des Lagers für die dort arbeitenden Insassen Obst verteilt. Sie ist im Gegensatz zu der dunklen Nacht hell erleuchtet. Ihre Figur basiert auf einer polnischen Frau namens Alexandria, die der Regisseur Jonathan Glazer getroffen hat. Sie arbeitete im Alter von 12 Jahren für den polnischen Widerstand und fuhr mit ihrem Fahrrad zum Lager, um dort Äpfel zu verteilen. Glazer hat ihr diesen Film gewidmet.

„It was her bike we used, and the dress the actor wears was her dress. Sadly, she died a few weeks after we spoke.” 

Jonathan Glazer im Interview mit The Guardian (2023)

Mein Eindruck

Der Film ist definitiv durch die Art und Weise wie gedreht wurde, von einzigartiger Natur. Ebenso möchte ich auch die schauspielerische Leistung von Sandra Hüller (Hedwig) und Christian Friedel (Rudolf) hervorheben, die die Ignoranz, Empathielosigkeit und Gefühlsarmut ihrer Charaktere absolut überzeugend dargestellt haben. Der Film ist ein Kunstwerk, das mit Farben und Klängen erschaffen wurde und das Schreckliche abbildet.

Es ist auch gleichzeitig einer der schlimmsten Filme, die ich je gesehen habe. Ich meine damit nicht schlimm im Sinne von schlecht, sondern dass dieser Film für mich vor allem emotional sehr belastend war. Ich wurde, während ich den Film geschaut habe, sehr wütend. Am liebsten hätte ich all diesen grauenhaft ignoranten Charakteren zugerufen, dass sie aufwachen und hinhören sollen und sehen, was um sie herum geschieht. Es hat außerdem ein Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit bei mir eingesetzt, während ich vor der Leinwand saß. Das dringende Bedürfnis, den Menschen hinter der Mauer helfen zu wollen, kam auf, obwohl ich weiß, dass das gar nicht mehr geht. 

Der Film hat mich auch nachdem ich das Kino verlassen habe, nicht losgelassen, und auch während ich diesen Artikel hier schreibe, habe ich immer noch die Schüsse und Schreie im Ohr. Es ist einer dieser Filme, über den man mit anderen reden muss, nachdem man ihn gesehen hat, und ich bin sehr dankbar, dass mir das möglich war. 
Für mich hat sich im Zuge der Recherche für diesen Artikel die Wirkung des Films noch mehr intensiviert, da sich die Bedeutung einiger Szenen erst dann für mich offenbart haben. Dementsprechend nehme ich an, dass mit dem entsprechenden Hintergrundwissen die Wirkung des Filmes noch viel härter ist.

„The Zone of Interest“ ist meiner Meinung nach einer der wichtigsten Filme dieser Zeit, denn er zeigt, wie grauenhaft es ist, das Leid um sich herum zu ignorieren. Er zeigt, dass man die Augen offen halten muss, damit man das Schlimmste verhindern kann. Und vor allem durch die Szenen mit dem polnischen Mädchen wird verdeutlicht, dass auch kleine Dinge große Auswirkungen haben können. Also haltet die Augen offen, helft wo ihr helfen könnt und engagiert euch, damit Dinge wie sie im Film gezeigt werden, nie wieder passieren. Wir können die Vergangenheit nicht mehr ändern, aber die Zukunft liegt in unseren Händen.

Beitragsbild: Carlotta Silvestrini auf Pixabay

Buchrezension: Khaled Hosseini – Tausend strahlende Sonnen

Buchrezension: Khaled Hosseini – Tausend strahlende Sonnen

In der Literaturwelt gibt es Bücher, die weit über das Erzählen von Geschichten hinausgehen – sie entfesseln ganze Emotionen. Khaled Hosseinis “Tausend strahlende Sonnen” (2014) gehört zweifellos zu dieser einzigartigen Kategorie. Hier wird nicht nur erzählt, sondern die Leser*innen werden auf eine tiefgreifende emotionale Reise durch das zerrissene Afghanistan mitgenommen.

Stell dir vor, du öffnest die ersten Seiten eines Buches und spürst augenblicklich, dass dich eine Geschichte erwartet, die dich nicht mehr loslassen wird. Genau dieses Gefühl vermittelt “Tausend strahlende Sonnen” von Khaled Hosseini. Zwei Frauen, Mariam und Laila, finden ihre Schicksale auf unerwartete Weise miteinander verflochten, während das Land Afghanistan von politischem Wandel und Gewalt erschüttert wird. In einer atemberaubenden Erzählung von Liebe, Freundschaft und Überlebenskraft entfaltet der Autor Hosseini eine Welt, in der Hoffnung selbst in den dunkelsten Stunden erstrahlt. Hosseini ist bereits durch seinen Bestseller “Drachenläufer” weltbekannt, die Rezension dazu findet ihr ebenfalls hier beim webmoritz. Der Autor entführt uns nun erneut in die faszinierende, aber oft erschütternde Welt Afghanistans. Mach dich bereit für eine Reise voller Emotionen und Entdeckungen, die lange nachklingen wird…

Um was geht es in dem Buch?

Das Buch entfaltet sich vor dem Hintergrund der politischen Wirren in Afghanistan und erzählt die ergreifende Geschichte zweier Frauen, Mariam und Laila, deren Leben auf tragische Weise miteinander verflochten sind. Die Erzählung beginnt in den 1960er Jahren und führt uns in den ärmlichen Stadtrand von Herat, wo die junge Mariam als uneheliche Tochter eines Dienstmädchens und eines wohlhabenden Geschäftsmannes aufwächst. Ihr Leben ist von Anfang an von Vorurteilen und Ablehnung geprägt, da sie in der Gesellschaft als harami, als ein uneheliches Kind, gilt. Ihre Mutter Nana nimmt sich eines Tages das Leben, was für Mariam ein einschneidendes Ereignis ist und ihre Beziehung zu ihrem Vater weiter belastet. Die Geschichte nimmt eine dramatische Wendung, als Mariam in eine arrangierte Ehe mit dem wesentlich älteren und tyrannischen Raschid gezwungen wird und mit ihm nach Kabul zieht. Raschid ist Mariam gegenüber mit der Zeit gewalttätig und kontrollierend, da sie ihm keinen Sohn gebären kann und eine Fehlgeburt nach der anderen durchmacht. Mariams Ehe ist von Unterdrückung und Misshandlung geprägt.

Gleichzeitig erfahren wir von Laila, einer Nachbarin Mariams, wie sie eine andere Seite der Stadt erlebt. Laila stammt aus einer wohlhabenderen Familie in Kabul und führt ein vergleichsweise privilegiertes Leben. Im Gegensatz zu Mariam genießt Laila eine gute Ausbildung, darf zur Schule gehen und wird von ihrem Vater sehr gefördert. Laila ist eine intelligente und lebensfrohe junge Frau, die sich in Tarik, einem Freund aus ihrer Jugend, verliebt. Beide führen eine innige Freundschaft miteinander, die sich mit der Zeit zu einer heimlichen Romanze entwickelt. Doch die politischen Unruhen in Afghanistan ändern alles. Als Lailas Familie bei einem Bombenangriff ums Leben kommt, wird sie im Haus Raschids aufgenommen. Nach diesem tragischen Vorfall in Lailas Leben nimmt sie den Heiratsantrag von Raschid an und wird seine zweite Frau.

Mariam und Laila finden sich in einer von Gewalt und Unterdrückung geprägten Ehe gemeinsam wieder, die von ihrem Ehemann Raschid dominiert wird. Die beiden Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, werden durch widrige Umstände zu Verbündeten in ihrer gemeinsamen Leidensgeschichte. Mariam, die sich anfangs durch die zweite Frau gedemütigt gefühlt hat, begreift irgendwann, dass Lailas Leben ebenso hart ist wie ihr eigenes und sie sich nicht freiwillig in ihr Leben gedrängt hat. Trotz der schwierigen Umstände entwickelt sich zwischen Mariam und Laila eine tiefe Freundschaft und Solidarität. Die tiefe Freundschaft zwischen den beiden Frauen wird zu einem Lichtblick in ihrer düsteren Realität. Gemeinsam versuchen sie, sich gegen die Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen und planen die Flucht aus Raschids Tyrannenhaushalt. Dabei wird ihre Geschichte zu einem eindringlichen Plädoyer für die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes und die Kraft der weiblichen Solidarität.

Hosseini schildert einfühlsam die psychologischen, physischen und emotionalen Herausforderungen, mit denen Mariam und Laila konfrontiert sind. Die grausame Realität von häuslicher Gewalt und gesellschaftlicher Unterdrückung wird in einer Weise präsentiert, die den Leser*innen keine Möglichkeit lässt, sich ihrer emotionalen Wirkung zu entziehen. Die Handlung erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte und bietet einen tiefen Einblick in die wechselvolle Geschichte Afghanistans von den 1970er Jahren bis zur Zeit der Taliban-Herrschaft. Die strahlenden Sonnen im Titel, die sich auf einen poetischen Vers aus dem Buch beziehen, symbolisieren die Hoffnung und das Durchhaltevermögen der Frauen inmitten von Dunkelheit und Schmerz.

“Lass dir das eine Lehre sein, meine Tochter”, sagte Nana. “So wie eine Kompassnadel immer nach Norden zeigt, wird der anklagende Finger eines Mannes immer eine Frau finden. Immer. Denk daran, Mariam.”

Khaled Hosseini: Tausend strahlende Sonnen (3. Auflage, 2015)

Mein persönlicher Eindruck

Mein persönlicher Eindruck von “Tausend strahlende Sonnen” ist schlichtweg überwältigend. Hosseinis Erzählung über das Leben von Mariam und Laila in Afghanistan hat mich zutiefst berührt. Ich weine sehr selten, wenn ich ein Buch lese. Dafür muss es mich schon wirklich emotional treffen. Und genau das hat Hosseini mit seinem Werk geschafft. Ich habe wirkliche mehrere Male Tränen vergießen müssen und mehrmals das Buch weglegen, um runterzukommen. Die Geschichte ist so intensiv und einfühlsam, dass ich mich von Anfang bis Ende mit den Charakteren verbunden fühlte. Dieses Buch ist nicht nur eine Leseempfehlung, sondern ein beeindruckendes Werk, das ich jedem ans Herz lege – besonders denjenigen, die nach einer bewegenden Geschichte voller Emotionen suchen.

Hosseinis Sprache ist von einer poetischen Schönheit, die die Leser*innen in die Straßen von Kabul versetzt und gleichzeitig die universellen Themen von Liebe, Verlust und Überlebenskampf berührt. Die Beschreibungen sind so lebhaft, dass ich jede Seite wirklich verschlungen habe. Ich wollte das Buch am liebsten gar nicht mehr aus der Hand legen.

“Tausend strahlende Sonnen” ist nicht nur ein Buch, sondern eine Erfahrung. Es ist eine Reise durch die menschliche Seele, eingebettet in die politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen Afghanistans. Die fesselnde Erzählung, die poetische Sprache und die tiefen Charaktere machen dieses Buch zu einem Meisterwerk, das lange nach dem Lesen nachhallt. Für jede Person, die auf der Suche nach einer bewegenden Geschichte ist, die den Glauben an die Kraft der Menschlichkeit wiederherstellt, ist dieses Buch ein absolutes Muss!

Beitragsbild: Lenstravelier auf Unsplash

Adventskalender Türchen 21: Eine Liebeserklärung an SimsalaGrimm

Adventskalender Türchen 21: Eine Liebeserklärung an SimsalaGrimm

Wir alle haben Kinderserien, die uns auch später noch begeistern oder uns einfach geprägt haben. Für mich war eine dieser Serien auf KIKA beheimatet und hat mir besonders die Vorweihnachtszeit nicht nur in diesem Jahr versüßt. Also kommt mit an einen Ort, an dem nur Liebe und Freundschaft zählen und Märchen unerlässlich sind: SimsalaGrimm.

Nüchtern betrachtet passiert in der Serie folgendes: Yoyo und Doc Croc reisen in die Märchenwelt der jeweiligen Märchen und tragen meist signifikant dazu bei, dass die Märchen so ablaufen, wie wir sie kennen. Die Märchen werden also in leicht abgewandelter Form erzählt. Insgesamt erstreckt sich die Serie über 52 Folgen in drei Staffeln. Die ersten beiden Staffeln erzählen ausschließlich Märchen der Gebrüder Grimm, während in der dritten Staffel auch Märchen von Hans Christian Andersen, Wilhelm Hauff und Joseph Jacobs erzählt werden.

Wenn man mich aber fragen würde, wie ich die Serie sehe, würde es zu folgender Kurzbeschreibung kommen. Neben einem absolut legendären Introsong, von dem es mittlerweile auch einen Remix gibt, hat diese Serie alles, was man für eine Serie braucht, die einem die Kindheit prägen soll. Die genialen Geschichten der Märchen, die man nicht nur als Kind liebt, sondern auch die beiden Protagonisten Yoyo und Doc Croc (die wahren Fans kennen ihn als “Crocy”) machen die Serie zu dem, was sie für mich ist. Kindheitsprägend.

Kleiner Nostalgietrip

Gerade die Erzählweise der Märchen war es, die mir sehr gefallen hat, gab es doch immer genügend Witz und vor allem immer ein Happy-End zu bestaunen. Wie oft habe ich abends auf dem Sofa diese Serie geschaut, auch wenn man eigentlich schon “zu cool” für KIKA war. Wie oft habe ich mich mit meiner Schwester um den besseren Platz gestritten, wie oft mussten meine Eltern schlichten? Es gibt so viele schöne Erinnerungen, die ich mit dieser Serie verbinde. Was mir besonders in Erinnerung bleibt, sind die Momente der Freude, wenn die Intromelodie spielte oder auch die ersten Szenen der Folge liefen. Gerade der wunderschöne Zeichentrickstil der späten 1990er/ Anfang 2000er setzte dem Ganzen noch die Kirsche auf die Torte. Diese Serie habe ich damals als Meisterwerk betrachtet und tue es auch heute noch.

Auch wenn man sagen muss, dass ich an der Re-Version etwas auszusetzen habe. Ich bin unfassbar dankbar gewesen, dass man nicht den Zeichenstil verändert hat, allerdings hat man den Introsong grundlegend verändert (zumindest der Text ist noch geblieben). Eines der Dinge, die ich besonders an der Serie zu schätzen wusste, wurde also geändert. Das musste ich erstmal verdauen. Aber gerade beim Schauen der Serie wurde mir klar, dass es nicht nur an meinem kindlichen Ich lag, sondern ich als erwachsener Mensch auch sehr viel Gefallen an dieser Serie fand und sofort an die schönen Erinnerungen der Kindheit zurückerinnert wurde. Auch mein erwachsenes Ich (sofern es das geben sollte) fand also sehr großen Gefallen an der Serie. Besonders an den diesjährigen ersten Advent denke ich dabei gerne zurück, weil dies der Tag war, an welchem ich die Serie wieder für mich entdeckte.

Aber nicht nur, dass ich an die Kindheit zurückerinnert worden bin, hat es für mich besonders gemacht. Auch der Fakt, dass ich Menschen in meinem Umfeld glücklich gemacht habe, als ich sie an diese Serie erinnerte oder auch, dass diese Artikelidee auf sehr positive Resonanz in der Redaktion stieß, überraschte mich ein wenig. Schließlich war mir nie klar, wie sehr Kinderserien einen Menschen prägen können. Aber auch besonders diese Vorweihnachtszeit (vor allem den ersten Advent) hat mir diese Serie, wie so viele Vorweihnachtszeiten davor, versüßt. Schließlich habe ich durch diese Serie das innere Kind wiedergefunden.

Meine Lieblinge

An dieser Stelle möchte ich euch noch meine persönlichen Lieblingsepisoden mit auf den Weg geben:

1. König Drosselbart (soll auch in der Variante von 1965 als Film ganz nett sein)
2. Die Bremer Stadtmusikanten
3. Von einem, der auszog, um das Fürchten zu lernen
4. Hans und die Bohnenranke
5. Der Meisterdieb

Ein letztes Wort noch

Abschließend möchte ich euch noch eines raten: Verbringt die restliche Vorweihnachtszeit mit Menschen, die euch wichtig sind. Schafft Erinnerungen, an die ihr euch gerne zurückerinnert und sei es nur, sich dabei auf die Reise in die eigene Kindheit zu begeben und alte Kinderserien zu schauen. Ich für meinen Teil kann euch bestätigen, dass dies nicht nur leere Worte sind, sondern gerade die Zeit, die ich mit Menschen verbrachte, die mir wichtig sind, mir die Vorweihnachtszeit versüßt hat. (Schöne Grüße an alle!)

Falls ihr euch jetzt denkt, dass SimsalaGrimm (warum auch immer) nichts für euch ist, haben wir bereits im letzten Adventskalender eine Liebeserklärung an Weihnachtsmann & Co. KG veröffentlicht. Vielleicht ist diese Serie ja etwas für euch.

Eine kleine Zusatzinfo: SimsalaGrimm kann man auf RTL Plus streamen. Allerdings (leider) kostenpflichtig.

Beitragsbild: Laura Schirrmeister

Adventskalender Türchen 10 – Alfred Nobel – Der Kaufmann des Todes und der Pazifist

Adventskalender Türchen 10 – Alfred Nobel – Der Kaufmann des Todes und der Pazifist

Am 10. Dezember jeden Jahres versammeln sich im Stockholmer Rathaus 1300 Vertreter*innen der schwedischen High Society, inklusive der Königsfamilie und den anerkanntesten Wissenschaftler*innen der Welt, zu einem Bankett und der Verleihung der Nobelpreise in Physik, Chemie, Physiologie/Medizin, Ökonomie und Literatur. Aber warum gibt es diesen Preis?

Der Name Alfred Nobel mag heutzutage zwar synonym mit bahnbrechenden wissenschaftlichen Entdeckungen, atemberaubender Literatur und weltbewegenden Bemühungen um Frieden bekannt sein, aber zu seinen Lebzeiten hatte der Schwede einen ganz anderen Spitznamen: “dynamitkungen”, der Dynamitkönig. Seine Erfindung veränderte die Kriegsführung nachhaltig, dabei war der Entdecker eigentlich ein Pazifist.

Kindheit in Stockholm und Sankt Petersburg

Alfred Nobel wurde am 21. Oktober 1833 in Stockholm geboren. Sein Vater, Immanuel Nobel der Jüngere, war Ingenieur und Industrialist, dessen Abstammung sich auf Olof Rudbeck, das wichtigste Universalgenie im Schweden des 18. Jahrhunderts, zurückverfolgen lässt. Allerdings kam es im Jahr von Klein-Alfreds Geburt zu einem Feuer in einer der Fabriken des Vaters, was diesen in den Konkurs und ins Exil zwang. Während der Vater erst in Åbo/Turku, im heutigen Finnland, und dann in Sankt Petersburg sein Glück suchte, blieb Alfred mit seinen zwei älteren Brüdern und der Mutter zurück in Stockholm, wo sie sich mit einem Tante-Emma-Laden über die Runden bringen konnten. 1842 zogen Alfred, seine älteren Brüder Ludvig und Robert und die Mutter dann zum Vater nach Russland.

Immanuel Nobel konnte in Sankt Petersburg vom Krimkrieg profitieren: Er entwickelte Seeminen und Schnellschussgewehre. Dafür erhielt er eine Ehrenmedaille vom Zaren und das Geschäft lief so gut, dass er seine Schulden in Schweden bezahlen und nach zwanzig Jahren endlich aus dem Exil ins schwedische Heimatland zurückkehren konnte. Auch konnte Immanuel es sich leisten, seinen vier Söhnen (1843 wurde der kleine Emil Oscar geboren) eine erstklassige Ausbildung zu bieten. So schickte er seinen Sohn Alfred ins Ausland, damit dieser ein Chemieingenieur werden würde. Während dessen ältere Brüder bereits in der Fabrik des Vaters arbeiteten, reiste Alfred 1850, nur 17 Jahre alt, nach Paris und weiter nach Amerika, wo er von den großen Chemikern seiner Zeit lernte.

Nitroglycerin – Spaß für die ganze Familie

Bei dieser Reise kam er auch in Kontakt mit Ascanio Sobrero, der nur wenige Jahre zuvor das Nitrogylcerin entdeckt hatte. Immanuel Nobel hatte bereits das Potenzial des Sprengstoffes entdeckt, allerdings scheiterten seine laienhaften Versuche, kontrollierte Explosionen hervorzurufen und er gab schließlich auf. Seinem Sohn Alfred gelang es jedoch, wenn auch erst einige Jahre später. 1862 zündetet er die erste kontrollierte Explosion, und das sogar unter Wasser.

Mit dem Ende des Krimkriegs und dem Ausbleiben von Waffenbestellungen geriet die Fabrik des Vaters wiedermal in finanzielle Schwierigkeiten. Immanuel zog mit seiner Frau und den jüngeren Söhnen Alfred und Emil 1859 zurück nach Stockholm, während der älteste Sohn, Robert, eine Nitroglycerinfabrik in der Nähe von Helsinki führte und anschließend den zweitältesten Sohn, Ludvig, in der ehemaligen Familienfabrik unterstützte. Der investierte früh in die Ölförderung, in der Nähe von Baku, und startete mit seinem Bruder das Mineralölunternehmen “Branobel”, das bis zur Verstaatlichung im Zuge der russischen Revolution das größte des Reiches und nach Rockefellers Standard Oil das zweitgrößte der Welt war. Auch Alfred investierte in Branobel; zwölf Prozent seines Vermögens stammten allein aus dem Ölunternehmen.

Immanuel baute in der Nähe von Stockholm eine Fabrik, wo er mit seinen Söhnen Alfred und Emil ab 1862 Nitroglycerin für den Bergbau produzierte. Im Rahmen ihrer weiteren Experimente kam es am 3. September 1864, gegen halb elf, zu einer Explosion, bei der sechs Menschen umkamen, darunter ein dreizehnjähriger Junge, ein neunzehnjähriges Dienstmädchen, wie auch der einundzwanzigjährige Emil Oscar Nobel selbst.

Eine zündende Idee

Weder der Tod von Alfreds kleinem Bruder (dem übrigens die Schuld für die Explosion gegeben wurde), noch das Verbot, in der Fabrik weiter zu experimentieren, konnten Alfred und seinen Vater aufhalten. Es lässt sich sogar spekulieren, dass die Explosion weitere Aufmerksamkeit auf die Versuche lenkte, was der Firma die Möglichkeit bot, ihr Vorhaben öffentlichkeitswirksam zu bewerben. Am 28. November des gleichen Jahres konnte Alfred Nobel “Nitroglycerin Aktiebolaget” gründen, und das Verbot der Nitroglycerinproduktion innerhalb der Stadtgrenze Stockholms, durch die Verlagerung der Fabrik – zunächst auf ein altes Schiff und dann ins abgelegene Vinterviken -, umgehen.

Auf Einladung der deutschen Geschäftsmänner Wilhelm und Theodor Winkler konnte Alfred Nobel auch ins Ausland expandieren und so 1865 eine Fabrik in Krümmel bei Hamburg erbauen. Dort gab es eine natürliche Quelle an Kieselgur, einer pulverartigen Substanz, die sich als die fehlende Zutat für das “Zämen” der enormen explosiven Kraft von Nitroglycerin herausstellte. Die Kombination aus Nitroglycerin und Kieselgur wird zu einer knetbaren Masse, die Nobel 1867 unter dem Namen “Dynamit” patentierte. Er war zu diesem Zeitpunkt 34 Jahre alt.

Insgesamt hat er bis zu seinem Tod am 10. Dezember 1896 355 Patente auf der ganzen Welt für verschiedene Erfindungen angemeldet. Es gibt auch die Behauptung, er hätte 30% aller schwedischen Patente zu dieser Zeit innegehabt. Viele davon haben mit Dynamit und anderen explosiven Stoffen zu tun, aber es gibt auch ein (schwedisches) Patent (Patentnummer 5671) für die Produktion von Kautschuk-Substituten und ein (englisches) Patent für “artificial rubber”.

Vom Kaufmann des Todes zum Pazifisten

Alfred Nobel baute Fabriken überall in Europa und in Nordamerika. Die vielen Reisen, die diese zahlreichen Standorte von ihm erforderten, verliehen ihm auch die Bezeichnung “Europas reichster Landstreicher”. Seine Firmen waren nicht nur der Dynamitproduktion gewidmet, sondern umschlossen auch das bereits genannte Ölunternehmen “Branobel”. Zum Zeitpunkt seines Todes besaß Alfred Nobel 93 Fabriken in 20 Ländern. Obwohl dieser Zeitpunkt erst am 10. Dezember 1896 eintrat, publizierte eine französische Zeitung bereits 1888 fälschlicherweise seine Todesannonce:

Der Kaufmann des Todes ist tot. Dr. Alfred Nobel, der ein Vermögen damit machte, dass er einen Weg fand, mehr Menschen schneller als je zuvor zu töten, ist gestern gestorben.

Original: Le marchand de la mort est mort. Le Dr Alfred Nobel, qui fit fortune en trouvant le moyen de tuer plus de personnes plus rapidement que jamais auparavant, est mort hier.

Laut Erzählung habe ihn das Lesen dieser Zeilen so geschockt, dass er die verheerenden Folgen seiner Erfindungen einsah und gelobte, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Als er nämlich 1895 sein Testament verfasste, gab er die Anweisung für die Etablierung einer Stiftung, deren Zinsen als “Preis denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben”.

Andere sehen Nobels Pazifismus als etwas, das ihn schon immer ausgezeichnet hätte. Hier wird auch sein großes literarisches und poetisches Interesse angeführt. Ihm wird nachgesagt, er hätte Dynamit erfunden, um die schrecklichen Möglichkeiten des Krieges zu demonstrieren und damit abzuschrecken.

“Perhaps my factories will put an end to war sooner than your congresses: on the day that two army corps can mutually annihilate each other in a second, all civilised nations will surely recoil with horror and disband their troops.”

Alfred Nobel zu Bertha von Suttner, 1891

Noch andere wiederum begründen Nobels Umorientierung zum Frieden mit seiner Freundschaft mit Bertha von Suttner, der berühmten Pazifistin und Autorin von “Die Waffen nieder!”, die 1905 auch als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis prämiert wurde.

Nachdem Alfred 1896 im italienischen San Remo verstorben war, kam es durch die Testamentseröffnung und die Offenbarung der Stiftung zu einem großem Schock. Er hinterließ ca. 32 Millionen schwedische Kronen, allerdings weder Frau noch Kinder. Die restlichen Verwandten mussten sich mit nur 6% des Erbes zufriedengeben, die anderen 94% gingen an die Stiftung. Jährlich wird der daraus geschöpfte Gewinn in fünf gleiche Teile geteilt und vier verschiedenen Institutionen, zur Verteilung der Preise, anvertraut.

Die Preise in Physik und Chemie werden beide von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften (Kungliga Vetenskapsakademien) ausgeteilt. Den Preis für Physiologie oder Medizin verteilt ein Kommittee von 50 Professor*innen am Karolinska Institut, dem Institut für Medizin in Stockholm. Den Preis für Literatur verteilt die Schwedische Akademie (Svenska Akademien), allerdings nur, wenn sie nicht zu sehr im Zwist sind, wie es 2018 der Fall war. Den Friedenspreis verteilt interessanterweise kein schwedisches, sondern ein norwegisches Kommitee. In seinem Testament hatte Nobel festgelegt, dass das Kommitee aus fünf Personen bestehen und vom norwegischen Parlament gewählt werden soll. Allerdings dürfen keine Mitglieder des Folketings Teil des Nobelkomitees sein. Warum genau Alfred diese Aufgabe dem norwegischen, und nicht dem schwedischen Parlament anvertraut hat, ist unklar. Tatsächlich war Norwegen zu Nobels Lebzeiten noch in Personalunion mit Schweden verbunden, sodass Alfred möglicherweise zur Stärkung des Zusammenhalts einen Teil des Preises auch in der anderen Hauptstadt verteilen wollte. Vielleicht hielt er die Norweger auch für friedlicher – immerhin konnten sie 1905 die Union auflösen, ohne einen einzigen Tropfen Blut zu vergießen. Aber wohlmöglich war es auch seiner Begeisterung für norwegische Literatur geschuldet: Insbesondere die Werke Bjørnstjerne Bjørnsons sollen es ihm angetan haben, der später Teil des Kommitees wurde.

Die Medaille für den Nobelpreis in Chemie

Der Nobelpreis heute

Dieses Jahr bekommen elf Personen, darunter drei Frauen, den Preis. In Physik und Chemie teilen sich jeweils drei Personen den Preis, für ihre Arbeit in bildgebenden Verfahren auf atomarem und molekularem Niveau sowie die Entdeckung von sogenannten Quantenpunkten. Den Preis für Medizin oder Physiologie teilen sich ebenfalls zwei Forschende, die die Grundlagen zur Entwicklung der mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 gelegt haben. Den Preis für Literatur bekommt der Autor und Dramatiker Jon Fosse, dafür, dass er dem “Unsagbaren eine Stimme verleiht”. Jene Auszeichnung ist für uns Skandinavist*innen besonders interessant, weil der Norweger auf “nynorsk”, der weniger verbreiteten Schriftsprache Norwegens, schreibt. Den Friedensnobelpreis bekommt die iranische Frauenrechtsaktivistin Narges Mohammadi, die allerdings immer noch im Gefängnis im Iran sitzt. Weiterhin gibt es den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Nationalbank, der dieses Jahr Claudia Goldins Arbeit zur Rolle der Frau auf dem Arbeitsmarkt ehrt.

In der Woche vor Nobeldagen gibt es sowohl in Stockholm als auch Oslo vielerlei Events im Rahmen der Preisverleihungen. Die Preisträger halten Reden und/oder Vorlesungen, außerdem gibt es Konzerte und natürlich die Preisverleihungen selbst, die man alle streamen kann.

Referenzen/Empfehlungen:
Fakten über die Preise, inklusive Frauenanteile und Familienpreise
Witziger Podcast über Alfred Nobel (allerding: på skånska)
Jon Fosses Rede (allerdings spricht er einen äußerst starken Dialekt)

Beitragsbild: Laura Schirrmeister
Bild: Adam Baker, CC BY 2.0, CC BY 2.0 Deed | Attribution 2.0 Generic | Creative Commons, via Wikimedia Commons

Adventskalender Türchen 9: Weihnachtslieder, die wir lieben

Adventskalender Türchen 9: Weihnachtslieder, die wir lieben

Weihnachtslieder. Eigentlich nur eine Ansammlung von ein paar Noten und Worten. In uns Menschen lösen sie aber die verschiedensten Emotionen aus. Gerade zur Weihnachtszeit stellt man sich deshalb die Frage, welche Weihnachtslieder denn am beliebtesten sind. Also haben wir uns in der Redaktion umgehört und präsentieren euch nun die Antworten. Viel Spaß!

Meine Antwort auf die Frage nach den besten Weihnachtsliedern ist, wie meine Antworten auf eigentlich alles, kompliziert. Da es für mich kein Weihnachten ohne Familie gibt, spielen deren Lieblingslieder natürlich auch eine Rolle. Da kommt immer von Mama das Weihnachtsoratorium. Als ich 2019 mit der Bahn von Schweden nach Hause ins Münsterland gefahren bin, habe ich die ganzen 12 Stunden nichts anderes als das Weihnachtsoratorium gehört. “Jauchzet, frohlocket” ist einfach ein Banger!

Weniger hochkulturell geht es dann mit Sidos “Weihnachtszeit” weiter – Brüder sind schon was Tolles.

Ebenfalls gehört “White Christmas” dazu, in der Version der Neuenkirchener Feuerwehrkapelle, die uns jeden Heiligabend mit dem lauten Zusammenklappen der Notenständer auf der Orgeltribüne das Signal gibt, jetzt schnell die Kirche zu verlassen, bevor die katholischen Gottesdienstbesucher einströmen und unser eigenes Fest zu beginnen.

In meiner eigenen Tradition spielen die Lieder, die ich in Schweden kennengelernt habe, eine große Rolle – die ganzen Lucia-Lieder, aber vor allem auch “O Helga Natt”, natürlich in der Version von Nils Bech. Das Lied ist an sich schon wunderschön, aber durch seine Einbindung in SKAM sowie Torka Aldrig Tårar Utan Handskar und Jonas Gardells Trilogie über den AIDS-Ausbruch in Stockholm (die immer noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde!!!!), kann ich es inzwischen kaum hören, ohne ein paar Tränen zu vergießen.

Ise

Perfekt, um peinlich mit meinen Geschwistern für Weihnachts-Vibes durchs Haus zu singen: Baby It’s Cold Outside; Shake up Christmas – Train; Driving Home for Christmas – Chris Rea; Thank God it’s Christmas – Queen; Feliz Navidad – José Feliciano; Last Christmas – Wham; Jingle Bell Bock; All I want for Christmas – Mariah Carey; Frosty The Snowman – The Beach Boys; Rudolph The Red-Nosed Reindeer – Dean Martin

Natürlich gibt es die Klassiker: White Christmas – Frank Sinatra; Have yourself a merry little christmas – Frank S.; Let it Snow! – Frank S.; 

Es gibt aber auch geniale neue Weihnachtslieder: Snowman – Sia 

Hannah

Richtig gute Weihnachtslieder sollten ein Gefühl von Behaglichkeit, Wärme und (Vor-)Freude geben. Sie sollten auf Weihnachten einstimmen. Oft verbinde ich die Musik aber auch mit Erinnerungen und werde so in die Situationen und Stimmungen zurückversetzt.

Aus der Kindheit erinnert vor allem eine CD mit Weihnachtsliedern von Rolf Zuckowski, zu der meine Schwester und ich in aller vorweihnachtlicher Aufregung um den Esstisch getanzt oder wohl eher getobt sind. Die hab ich damals geliebt. Heute ist das nicht mehr so mein Geschmack, auch wenn die Erinnerung schön ist.

Auch das Weihnachtsoratorium verbinde ich mit einer ganz bestimmten Situation. Das (und auch nur eine bestimmte Aufnahme) höre ich nämlich nur an Heiligabend und an den Weihnachtstagen. Wenn das gespielt wird, ist wirklich Weihnachten. 

Bis dahin (und erst ab dem ersten Dezember) höre ich die weniger kitschigen Interpretationen von Weihnachtsliedern verschiedener Genres.

Sehr schön gemütlich finde ich das Album “Bethlehem” von Quadro Nuevo mit jazzigen Interpretationen von mehr oder weniger bekannten Weihnachtsklassikern. Das kann man einfach sehr schön nebenbei hören und gleichzeitig in Weihnachtsstimmung kommen.

Die poppigeren Weihnachtslieder brauchen oft mehr Aufmerksamkeit und sind sehr schnell sehr kitschig – oft nicht so meins. Trotzdem muss ich gestehen, dass ich aus unerfindlichen Gründen “Last Christmas” von Wham! schon immer gerne mochte – obwohl ich das immer wieder zu leugnen versuche.

Juli

Schön sind jedes Jahr aufs neue die Kirchenlieder in der Weihnachtszeit und vor allem im Advent, zum Beispiel “O Du Fröhliche” oder “Macht Hoch die Tür, die Tor Macht Weit”. Aber auch das Weihnachtsalbum von Johnny Cash, das meine Eltern als CD haben, ist sehr schön.

Allan

Wir wünschen viel Spaß beim Hören der Weihnachtslieder!

Ein Hoch auf die Nachbarschaft – der PolenmARkT geht in die nächste Runde

Ein Hoch auf die Nachbarschaft – der PolenmARkT geht in die nächste Runde

Angefangen hat alles mit einem polnischen Kulturabend im Keller der Slawistik. 26 Jahre später hat sich daraus längst ein viel größeres Kulturereignis entwickelt – der PolenmARkT, ein Festival, das mit einem vielfältigen Programm einen Einblick in die polnische Kultur bietet, so fern wie möglich von Mainstream und Klischeés.

Greifswalder*innen jeden Alters können sich also freuen, wenn graue Novembertage ab dem 16.11. wieder einem bunten Nachbarschaftsfest weichen. Bereits an diesem Abend gibt es bei der feierlichen Eröffnung um 18 Uhr im Alfried-Krupp-Kolleg neben der Verleihung eines Förderpreises für deutsch-polnische Zusammenarbeit und musikalischer Begleitung die erste Lesung zu hören. Joanna Bator liest aus ihrem Buch “Gorzko, Gorzko” (2022, dt. Bitternis), in dem die Protagonistin ihrer düsteren Familiengeschichte auf den Grund geht.

Literarisch ist aber noch einiges mehr geboten in den nächsten zwei Wochen, etwa mit “Das späte Leben” von Inga Iwasiów oder “Teraz tu jest nasz dom. Hier ist jetzt unser Zuhause” von Barbara Gawryluk, das auch in einer eigenen Kinderlesung in der Stadtbibliothek vorgestellt wird. Neben Lesungen gibt es auch Konzerte unterschiedlichster Genres, von einem Punk-Abend im Klex über die Songwriterin Kathia zum Jazzpianisten Alex Marek.

Wer nicht bis Donnerstag warten will, kann bereits am 15.11. mit “The Landscape of fear” in der STRAZE den ersten Film sehen, der außer einem Kurzfilmabend der Kunstakademie Krakau auf dem Programm steht.

Zusätzlich gibt es Vorträge sowohl zur polnischen Geschichte als auch zur aktuellen politischen Situation, zum Beispiel zu den Wahlen im Oktober.

Begleitend zum Festival werden drei Ausstellungen gezeigt: Im Kulturschaufenster ausgewählte Fotografien von Michał Żak, dessen Kunstinstallation “Good luck” gerade im Kunstkubus zu sehen ist. Im Foyer des Ernst-Lohmeyer-Platzes 6 werden mit “Ukraine 2022-2023” Szenen und Orte gezeigt, die der freiwillige Helfer Marcin Staniewski aus dem Auto heraus bei Fahrten durch die Ukraine festgehalten hat. Und wer nicht nur Fotografien sehen will, kann sich stattdessen die Kunstwerke von Małgorzata Ragan im PKB Kunstladen anschauen.

Das Wichtigste im Überblick:
Was? PolenmARkT
Wann? 16. – 30. November
Wo? Übersicht der Veranstaltungen im Programmheft

Beitragsbild: polenmARkT e.V.