Mimimi-Mittwoch: Radfahrende

Mimimi-Mittwoch: Radfahrende

Wut, Hass, Zorn: all diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit seinen Mitmenschen. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über Leute auslassen, lest ihr das hier.

Heutiges Thema sind also Radfahrende. Davon gibt es in Greifswald ja genug. Umweltfreundliche und sportliche Menschen, die sich achtsam über die Straßen, Radwege und Bürgersteige bewegen.

Wenn es doch nur so wäre!

Stattdessen sausen irgendwelche Irren, mit dem Todesmut eines japanischem Kamikaze Piloten durch die Gegend. Wie von der Tarantel gestochen beschleunigen sie so schnell es geht, dabei macht so mancher nicht mal vor roten Ampeln oder Fußgängern halt. Getreu dem Motto „Wer bremst verliert“ gibt es für diese Rowdys kein Halten.

Anime Cartoon GIF - Anime Cartoon Japanese GIFs

Doch es muss nicht immer schnell zugehen

Auch langsame Radfahrende sind eine wahre Plage. Der Geschwindigkeit einer französischen Rennschnecke gleich, schleichen sie vor einem umher. Pro Minute mache ich schlafend noch mehr Atemzüge als ihr Tritte in die Pedalen eures Drahtesels. Wenn ihr schon nicht schneller als ein Fußgänger seid, dann geht doch wenigstens auch zu Fuß und nehmt einem nicht die Plätze am Fahrradständer weg!

Travelling In Slow Motion Chill GIF - TravellingInSlowMotion Chill Biking GIFs

Dann wären da noch die Abgelenkten

Sei es nun das Aufnehmen von Sprachnachrichten per Smartphone, ein fixes Telefonat oder das Einstellen der Playlist für die optimale Beschallung. Es ist mir völlig Latte, warum ihr nicht nach vorne seht. Oder auch mal zur Seite bzw. nach hinten beim Abbiegen. Furchtbar seid ihr so oder so!

Oder kennt ihr diejenigen, die euch auf der gleichen Seite entgegenkommen?

In Deutschland fährt man ja auf der rechten Straßenseite. Wenn ich also ganz entspannt einen Radweg nutze und mir jemand entgegenkommt dann halte ich mich rechts. Vielleicht bremst man auch ein wenig ab und achtet darauf, möglichst nicht an einer Engstelle aneinander vorbeizufahren. Doch leider läuft das nicht so ab. Stattdessen rauscht mein Gegenüber nur gnadenlos weiter. Wenn ich dann auf die Idee komme auszuweichen, hat mein Gegenüber ebenfalls diese Idee. Zwei Dumme ein Gedanke. Das geht dann noch ein oder zweimal so und kurz bevor wir beide zum lebenden Equivalent zweier Crashtest Dummies werden, bremst mindestens einer von uns. Ein ordentliches Herumreißen des Lenkers noch dazu und schon ist der Unfall vermieden. Freut mich immer wieder, wenn durch Rücksichtnahme alles gut laufen würde, man sich aber lieber für die weniger durchdachte Alternative entscheidet. Geht doch nichts über einen kleinen Beinaheunfall, um den Kreislauf in Schwung zu bringen.

No Left GIF - No Left Biking GIFs

Die Schlimmsten kommen erst noch…

Was mir kein bisschen einleuchtet, ist, warum es Menschen gibt, die im Dunkeln ohne Licht fahren. Es wäre mir ja auch schnurzpiepegal, wenn ihr im Dunkeln einsam und allein den Asphalt küsst. Aber ich hab halt keine Lust meine Hände einem Extrempeeling zu unterziehen, nur weil ein paar Volldeppen nicht imstande sind einen kleinen Handgriff zu tätigen. (Meine Lampe ist kaputt und solches blabla zählt nicht. Wenn euer Herd nicht funktioniert fangt ihr ja auch nicht an in der Wohnung eine Feuerstelle zu bauen.)

Lauchin Biking GIF - Lauchin Biking Wasted GIFs

Doch was tun?

Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. So steht es zumindest in der StVO. Ich weiß, das Fußgängerdiplom und die Fahrradprüfung damals in der Grundschule sind lange her. Aber wir wollen doch alle pünktlich und vor allem unfallfrei ans Ziel kommen. Deshalb denkt immer schön daran, auf eure Mitmenschen zu achten. Der oder die Klügere gibt nach. Und die klügsten Köpfen tragen sogar Helme.

Bike Mascot GIF by IUPUI

Gibt es nervige Dinge an Radfahrenden, die wir vergessen haben? Schreibt uns doch eure Ergänzungen oder Aufreger über Radler*innen in die Kommentare. Beim nächsten Mal regen wir uns über Weihnachten auf und keine Sorge, bald knöpfen wir uns auch Autofahrende vor.

Gifs von Tenor:
https://tenor.com/view/anime-cartoon-japanese-biking-gif-9404462
https://tenor.com/view/travelling-in-slow-motion-chill-biking-biking-with-friends-slow-motion-gif-14639334
https://tenor.com/view/no-left-biking-bikers-look-at-all-gif-13888516
https://tenor.com/view/lauchin-biking-wasted-gif-8833430

Gif von Giphy:
https://giphy.com/gifs/goiupui-bike-mascot-pG0bel9vcNKqYKmSfO


Beitragsbild: Felix Michau
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Umgekrempelt: Sieben Tage ohne Smartphone

Umgekrempelt: Sieben Tage ohne Smartphone

Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.

Ich muss gestehen: Ich bin abhängig. Süchtig nach meinem Smartphone. In einer festen Beziehung mit meinem Handy. Ich liebe es, dem Alltag zu entfliehen und in die Tiefen von Instagram abzutauchen; ich liebe es, jederzeit meine Freunde erreichen zu können und ich liebe die Vielfalt an Möglichkeiten, die einem die Apps bieten. Trotzdem glaube ich, dass mein Handy mir auch viel kaputt macht.

Unsere Eltern sagen doch selbst: „In eurem Alter sind wir auch ohne diese technischen Geräte ausgekommen!“ – das stimmt, selbst ich konnte vor zehn Jahren noch ohne Podcast auf den Ohren einschlafen oder mich verabreden, ohne dieses kleine elektronische Ding zu verwenden. Aber könnte ich es heute noch? In diesem ersten Teil der Selbstexperiment-Reihe möchte ich versuchen, sieben Tage auf meinen liebsten Begleiter und Helfer in der Not zu verzichten: mein Smartphone. Mich komplett von der Außenwelt abzukapseln traue ich mich aber noch nicht, deswegen habe ich ein altes Tastenhandy rausgekramt, sodass ich auch das Leben meiner Mitmenschen nicht allzu schwer mache.

Montag

Es fängt gut an. Eine Freundin soll mich aus der Heimat mit nach Greifswald nehmen. Normalerweise kriege ich kurz vorher eine WhatsApp-Nachricht mit „Fahre jetzt los“ und weiß Bescheid. Jetzt mussten wir im Vorhinein fest planen, wann sie herkommt – wie unflexibel ist das denn bitte? Die zweistündige Autofahrt kann ich nicht wie sonst damit verbringen, am Handy zu spielen. Altbackene Sachen wie aus dem Fenster zu schauen oder sich zu unterhalten sind jetzt angesagt. Aber irgendwie kann ich auch das überstehen, Mecklenburg-Vorpommern sieht ja eigentlich ganz nett aus.

Zuhause angekommen geht es mit meiner Mitbewohnerin in den Supermarkt. Normalerweise tragen wir unsere gemeinsamen Ausgaben in eine App ein, aber jetzt muss ich doch tatsächlich die Kassenbons sammeln und die Ausgaben mit einem echten Stift auf einem echten Blatt Papier festhalten … Um unsere Lebensmittel zu verbraten, würde ich jetzt normalerweise eine meiner Koch-Apps verwenden. Einfach Stichworte eingeben, durch den Feed scrollen und vor allem die Bewertungen von anderen User*innen beachten. Aber jetzt können meine eingestaubten Kochbücher zum Einsatz kommen. Und ich muss sagen, ein Buch mit vielen schönen Bildern durchzublättern ist ja auch voll inspirierend – fast so wie ein Real-Life-Koch-App-Feed!

Im Seminar am Nachmittag, in dem ich normalerweise schnell die Konzentration verliere, bin ich heute überraschend konzentriert. Ich kann nicht zwischendurch auf mein Smartphone gucken und so schneller den Faden verlieren und habe daher auch nicht die ganze Zeit die Uhr im Blick. Apropos Uhr: Ich glaube, ich muss mir für die folgende Woche angewöhnen, eine Armbanduhr zu tragen. Für mich ein Relikt aus alten Zeiten, das heute eigentlich nur noch als Accessoire dient.

Abends vorm Fernseher fällt mir auf, wie ich ganz komisch mit meinen Fingern spiele – normalerweise würde ich jetzt mein Smartphone in der Hand halten. Was sind das für unterbewusste Angewohnheiten, die mein Körper da an den Tag legt? Es tut aber irgendwie gut, meine volle Aufmerksamkeit nur einer Sache zu widmen und einen Film zu gucken ohne nebenbei Instagram zu checken.

Am meisten Angst habe ich vor dem Einschlafen. Einschlafprobleme hatte ich schon immer und ich weiß auch, dass elektronische Geräte abends ein Tabu sein sollten. Trotzdem wiege ich mich immer in den Schlaf, indem ich so lange am Handy bin, bis mir die Augen zufallen. Und dann ist trotzdem noch nicht Schluss, dann höre ich immer einen Podcast, um endgültig wegzunicken. Jetzt lese ich seit Ewigkeiten mal wieder ein Buch vorm Zubettgehen und denke einfach nach. Aber ohne diese gewohnte Dauerunterhaltung einzuschlafen kostet mich zwei Stunden.

Dienstag

Heute bin ich nach dem Weckerklingeln (ich musste mir doch tatsächlich einen analogen Wecker stellen!) sofort aufgestanden und habe nicht wie üblich eine halbe Stunde am Handy verdattelt. So viel Zeit am Morgen zu haben ist ungewohnt, was fange ich damit an?

Im Spanischunterricht würde ich eigentlich die ganze Zeit meine Übersetzer-App benutzen. Jetzt muss ich Vokabeln im Buch nachschlagen. Klar ist das auch kein Problem (mit einem Wörterbuch kann ich gerade so noch umgehen), aber es ist deutlich zeitaufwändiger.

Später sitze ich in einer Vorlesung ganz alleine da. Meine Freunde (die auch meine Motivation waren, überhaupt zu erscheinen) tauchen einfach nicht auf. Später höre ich: „Ich hab‘ dir doch ’ne SMS geschrieben!“ – die ist aber leider nie angekommen … Ich selber verschicke im Laufe des Tages auch die eine oder andere SMS. Für 20 Zeichen brauche ich circa fünf Minuten (ohne Zeichensetzung).

Mittwoch

Heute habe ich super geschlafen und bin wieder gut aus dem Bett gekommen. Ich hatte wieder ein langweiliges Seminar, aber bin durch die fehlende Versuchung der Ablenkung erneut am Ball geblieben. Und zwischen den Veranstaltungen bin ich gezwungen, mich zu unterhalten – sogar das überstehe ich ganz gut. Schon öfter ist mir vorher aufgefallen, dass es sehr schwierig ist, in den Minuten vor Beginn einer Lehrveranstaltung Gespräche anzufangen, weil sich alle in ihr Handy flüchten. Es ist schwer, Unterhaltungen aufzubauen, wenn jede*r ihren*seinen Fokus auf das Smartphone legt. Diese Möglichkeit, sich gewissen Situationen zu entziehen, kann zwar auch echt praktisch sein, aber ich glaube, dass die sozialen Kontakte im echten Leben dadurch häufig zu kurz kommen.

Später verabrede ich mich persönlich mit einer Freundin zum Mensaessen. Normalerweise hätten wir das ganz spontan per WhatsApp geklärt. Jetzt müssen die Uhrzeiten wieder genau festgelegt werden. Diese Spontanität vermisse ich ein bisschen. Und was wäre, wenn ich unzuverlässige Freund*innen hätte?

Donnerstag

Kleines Zwischenfazit: Mein Handy fehlt mir gar nicht, denn wenn die Versuchung nicht da ist, spiele ich gar nicht erst mit dem Gedanken, es zu benutzen. Allerdings erwische ich mich dabei, mein Tastenhandy öfter anzuklicken, in der Hoffnung, mal eine „Mitteilung von draußen“ zu bekommen.

Trotzdem beschäftigt mich die komische Frage, was man früher eigentlich in „Überbrückungszeiten“ gemacht hat. Zum Beispiel: Die Dusche ist besetzt, in fünf Minuten kann ich ins Badezimmer. In der Zeit kurz mal die News oder Facebook checken geht nicht. Mein Zimmer ist aufgeräumt, ein neues Kapitel im Buch möchte ich jetzt auch nicht anfangen. Was macht man jetzt? Aus dem Fenster gucken? Nachdenken? Oder einfach mal nichts tun? Ich glaube, das mache ich eigentlich viel zu wenig. Vielleicht ist das auch mal ganz gesund.

Heute erwische ich mich dabei, wie ich meine Freund*innen frage, was denn so Interessantes in den sozialen Medien abgeht. Welche Memes verpasse ich und welche*r Blogger*in hat eine neue Duschbadkollektion rausgebracht? Richtige Breaking News bekomme ich höchstens in der Tagesschau mit und bin dann super überrascht, während alle anderen in ihrer News-App schon zwölf Stunden vorher davon erfahren haben.

Freitag

Am Freitag ist eines der ersten Dinge, die ich normalerweise tue, auf Spotify die neuen Musikerscheinungen zu checken. So sehr haben mir Musik-Apps bis jetzt nicht gefehlt: Ich höre einfach die ganze Zeit CD oder ein bisschen Radio. Aber für unterwegs und zwischendurch lobe ich mir doch meine Streamingdienste.

Ich gehe einkaufen und schreibe mir eine echte Einkaufsliste. Wieder mit Papier und Stift und so. Unterwegs fällt mir ein, dass ich eine Tarte backen wollte, aber mir gar kein Rezept rausgesucht habe. Mal schnell googeln kann ich jetzt nicht, also muss ich Zutaten auf gut Glück kaufen und hoffen, dass das hinkommt. Zuhause fehlt mir dann auch noch eine Tarteform. Eigentlich würde ich schnell meine Nachbarin per WhatsApp fragen, ob sie eine hat. Jetzt muss ich doch tatsächlich persönlich klingeln.

Wenn es Dinge zu klären gibt, schreibe ich jetzt öfter Mails am Laptop oder überwinde teilweise meine Telefonierphobie. Das macht auch mehr Spaß: weniger sinnlose Kurznachrichten, sondern ein kleiner Text, der das Wichtigste enthält oder ein Telefonat von zwei Minuten, anstatt über mehrere Stunden zehnsekündige Sprachnachrichten und Emojis zu verschicken.

Später bin ich am Ryck verabredet. Ich komme ein paar Minuten zu spät und kann das nicht mal eben per WhatsApp mitteilen. „Hoffentlich glaubt sie nicht, ich hatte einen Unfall, nur weil ich nicht da bin oder mich nicht melde“, denke ich mir.

Samstag

Ich gehe mit einer Freundin Sport machen. Vorher war ich schon echt produktiv, denn dieses „Ich bleib noch kurz liegen und check Social Media“-Ding fällt weg. Deshalb stehe ich inzwischen direkt auf und überlege mir etwas Sinnvolles, was ich stattdessen tun kann.

Beim Sport stehe ich vor einem Problem: Wie tracke ich meine sportlichen Ergebnisse? Wie viele Kilometer waren das jetzt? Wie lange waren wir unterwegs und wie viele Kalorien habe ich verbrannt? Muss ich jetzt echt einfach nach Gefühl gehen und nicht darauf achten, wie eine kleine Maschine mich einschätzt?

Sonntag

Ich brauche eine Taschenlampe! Wer hat denn heutzutage in einem Studierendenhaushalt noch eine Taschenlampe? Das macht doch sonst mein Smartphone! Muss ich jetzt echt mit einer Kerze unter das Regal leuchten?

Ich muss trotzdem zugeben: Mir fehlt mein Smartphone gar nicht so sehr. Ich, die normalerweise drei bis vier Stunden Bildschirmzeit am Tag hat, bin erstaunt, wie leicht mir der Verzicht fällt. Noch erstaunter bin ich, wie einfach es sich ohne Instagram und Co. lebt. Ich hätte gedacht, dass das eine größere Hürde für mich wird. Aber eigentlich ist es ja auch nur eine Beschäftigung, die ich mir suche, wenn ich nichts Besseres zu tun habe.

Am meisten hat mich gestört, dass die Kommunikation so schwierig war. Das hat nicht nur mich selbst, sondern auch mein Umfeld genervt. Schließlich war es auch für alle anderen eine Umstellung, mich nicht auf dem gewohnten Wege erreichen zu können. Klar muss man nicht immer 24/7 am Smartphone hängen, aber es ist schön zu wissen, erreichbar zu sein. WhatsApp und Gruppenchats können die Organisation einfach ungemein erleichtern.

Außerdem haben mir Podcasts zum Einschlafen gefehlt. Ja, es ging irgendwann auch ohne. Und wenn ich länger üben würde, könnte ich mich auch daran gewöhnen, so einzuschlafen. Aber ob ich dieser Versuchung länger widerstehen kann, weiß ich nicht.
Und dann hat mir mein Handy einfach in den alltäglichsten Situationen gefehlt. Es ersetzt so viele Dinge, die man nicht mehr bei sich tragen muss: Taschenrechner, Wörterbuch, Taschenlampe, Stoppuhr, Laptop, Karten, Uhr, Tickets, Bücher etc.

Trotzdem hat mir diese Woche gezeigt: Es geht auch ohne. Wenn ich will, kann ich auf mein Smartphone verzichten. Dann hätte ich mehr Zeit, wäre konzentrierter und würde mich mehr mit dem Nichtstun und meinen eigenen Gedanken beschäftigen.

23.59 Uhr: Okay – ich bin schon ein bisschen aufgeregt, wenn ich daran denke, mein Handy wieder einzuschalten. Meine Hände zittern und meine Herzfrequenz ist erhöht. Wer hat mir geschrieben? Welche Bilder wurden geliked? Welche Trends hab ich verpasst? Ist neue Musik rausgekommen? Gibt es eine neue Challenge im World Wide Web? Und ehe ich mich versehe, bin ich wieder von meinem festem Freund, dem Smartphone verführt worden …

Photo von Марьян Блан auf Unsplash
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retro.kolumne: Sailor Moon

retro.kolumne: Sailor Moon

Retro, retro, retro yeah! Die neue Kolumne über alte Dinge. Kennt Ihr diese Spiele, Filme, Accessoires noch? Aus der Kindheit, meist noch aus den 90ern stammen sie und sind vielleicht ja doch noch ein Guilty Pleasure des einen oder anderen.

Sag das Zauberwort und du hast die Macht,
halt den Mondstein fest und spür die Kraft,
du kannst es tun, oh Sailor Moon.

Wer in den 90ern als junges Mädchen (oder Junge) groß geworden ist, der wird sich nur zu gut an das Intro von Sailor Moon erinnern. Ich selbst gehöre zu den Mädchen, die jeden Mittag RTL 2 eingeschaltet haben, um die Abenteuer von Bunny Tsukino (orig. Usagi) und ihren Mitstreiterinnen, den Sailor Kriegerinnen, zu verfolgen.

Kämpfe für den Sieg über Dunkelheit,
folge deinem Traum von Gerechtigkeit,
du kannst es tun, oh Sailor Moon.
Sailor Moon Sailor Moon Sailor Moon, oh Sailor Moon

In 5 Staffeln kämpften die Sailor Kriegerinnen immer wieder gegen das Böse, das die Erde bedrohte, an ihrer Seite nicht zu vergessen Tuxedo Mask, der Prinz der Erde (Endymion) und Usagis Freund (Ehemann), sowie die beiden Katzen Artemis und Luna.
Nicht nur, dass die Serie geballte Mädchenpower versprühte, ging es doch auch viel um Freundschaft, Vertrauen, Unsicherheiten, die überwunden werden mussten, und natürlich auch die Liebe.
Was haben wir gelacht und geweint, wenn Usagi mal wieder zu spät zur Schule kam, eine 5 im Zeugnis stehen hatte oder den Verlust ihres geliebten Tuxedo Mask zu verschmerzen hatte. Kleinere Alltagsprobleme, die wir alle doch auch kennen.
Ein typisches Erkennungsmerkmal der Serie sind wohl die unglaublich langen Beine und doch eher kurzen Oberkörper gewesen.

Am 13.10.1995 wurde die Serie das erste Mal im deutschen Raum, damals erst auf dem ZDF und ab Staffel 2 auf RTL 2, ausgestrahlt. Zusätzlich gab es 3 Kinofilme, die bei uns in Deutschland allerdings auf RTL 2 gezeigt wurden und nicht im Kino.
Seit 2014 gibt es zudem eine Neuverfilmung der Serie, Sailor Moon Crystal. Diese Neuverfilmung wurde im Rahmen des 20. Jubiläums des Sailor-Moon-Franchises produziert. Sie umfasst derzeit drei Staffeln mit 39 Episoden, und läuft seit dem 31.01.2016 auf dem Sender Animax, seit Anfang November 2019 zudem auch auf Sixx.

Mondstein flieg und sieg, es ist soweit.
Oh Sailormoon, Sailormoon, oh Sailormoon.

Schon vor dem Anime gab es den Manga, der zwischen 1992 und 1997 erschien. Ich selbst war damals mehr ein Fan der Serie, habe mir aber von vielen sagen lassen, dass sich Anime und Manga doch in mehreren Punkten unterscheiden. Gerade im Hinblick auf Identitätsbildung und Sexualität wurden hier einige Änderungen vorgenommen.
So ist Königin Perilia aus der ersten Staffel im Manga eigentlich ein Mann, der sich in Endymion verliebt hat. Zu dieser Zeit noch viel zu kontrovers im deutschen Raum, Homosexualität, also wurde aus ihm eine sie gemacht.
Ebenso sind die Männer der Band Star Light aus der letzten Staffel, eigentlich keine echten Männer, sondern richtige Frauen im Manga, die sich nur als Männer verkleiden. Und auch hier wollte man den jungen Mädchen nicht zu viel zumuten und hat sie kurzerhand zu Männern gemacht.
Da können wir uns fast freuen, dass die Beziehung zwischen Sailor Venus und Sailor Jupiter zumindest angedeutet wurde.

Man kann schon sagen, eine schöne Zeit, die man als Kind mit den Kriegerinnen verbracht hat. Und während ich diesen Artikel schreibe, habe ich auch gleich einen Ohrwurm vom Intro „Sailor Moon oh Sailor Moon“. Ihr auch?

Beitragsbild: Felix Michau; Banner: Jonathan Dehn

retro.kolumne: Dragon Ball

retro.kolumne: Dragon Ball

Retro, retro, retro yeah! Die neue Kolumne über alte Dinge. Kennt Ihr diese Spiele, Filme, Accessoires noch? Aus der Kindheit, meist noch aus den 90ern stammen sie und sind vielleicht ja doch noch ein Guilty Pleasure des einen oder anderen.

Finde deine sieben Dragon Balls und deine Wünsche werden wahr. Kennt ihr das Geheimnis der Dragon Balls? Wer bei diesen Zeilen bereits eine Melodie im Kopf hat und gleich weitersingen kann, hat früher höchstwahrscheinlich einmal Dragon Ball geschaut. Vermutlich auf RTL II, in einer Zeit, als dort noch qualitativ hochwertige Serien ausgestrahlt wurden.

Ist das überhaupt retro?

Doch auch heute ist Dragon Ball aktuell. Schließlich existieren Serien wie Dragon Ball Super oder Videospiele wie Dragon Ball Xenoverse 2 oder das bald erscheinende Dragon Ball Z: Kakarot nicht ohne Grund. Und das, obwohl der Manga bereits 1984 von Akira Toriyama gezeichnet wurde.
In diesem Artikel beziehe ich mich übrigens auf alle Dragon-Ball-Serien, Spiele usw., um einen Überblick zu geben. Eine Unterteilung würde den Rahmen des Artikels sprengen und vermutlich für viel Verwirrung sorgen.

Das Besondere an der Serie

Goku Thumbs Up GIF - Goku ThumbsUp DBZ GIFs

Stellen wir uns doch einmal die Frage, was Dragon Ball so beliebt und erfolgreich macht. Diese Frage zu beantworten, fällt mir ehrlich gesagt nicht leicht. Sind es die Kämpfe mit spektakulären Kampfszenen, bei denen die Anstrengungen und Stärke der Kombattanten beinahe direkt spürbar werden? Der Humor, egal, ob es um den Herrn der Schildkröten und Bulma oder doch um die Naivität Son Gokus geht? Vielleicht auch die tiefgehenden Botschaften, die uns die Charaktere vermitteln? Von dem Opfer, das Vegeta im Kampf gegen Majin Buu bringt, über die letzten Worte des Androiden 16, bis hin zu den motivierenden Sätzen Son Gokus. Oder doch die famose Synchro? (Und ja, ich weiß, dass Vegeta auch mal von Santiago Ziesmer gesprochen wurde, dem deutschen Synchronsprecher von SpongeBob. Später übernahm dann Oliver Siebeck.) Die ist allerdings auch umstritten, jeder hat so seinen Lieblingssprecher für die unterschiedlichen Charaktere. Und auch heute erinnern sich manche Menschen gerne an ihre Lieblingszitate, zum Beispiel Ruckzuck hängt der Kiefer tiefer! und Knick, knack, Ärmchen ab! Vermutlich macht aber doch die Mischung aus all diesen Dingen Dragon Ball so besonders.

Es war nicht alles gut

Shocked Vegeta GIF - Shocked Vegeta What GIFs

Doch bei all der Lobhudelei eines Fans, bin ich mir auch bewusst, warum Dragon Ball ebenso abschrecken kann (auf den ersten Blick). Wie viele Saiyajins braucht man z. B., um eine Glühbirne auszuwechseln? Nur einen, aber es dauert fünf Episoden lang. Dragon Ball ist ein Anime, bei dem sich die Handlung regelmäßig sehr gestreckt anfühlt. Kämpfe bestehen aus längeren Passagen, in denen viel geschrien und andauernd das verblüffte Gesicht anderer Figuren gezeigt wird. Außerdem werden Dinge oft mehrmals erklärt und beschrieben. So einprägsam manch cooler Spruch auch sein mag – manche Sprüche kann man heute einfach nicht mehr ernst nehmen, wie Ich mach dich fertig wie ’nen Rettich! Ob man die Filler-Folgen mochte oder nicht ist auch noch so eine Sache. Schließlich wurde die eigentliche Handlung dadurch extrem gestreckt. Ich persönlich fand aber z. B. Son Goku und Piccolo in der Fahrschule sehr amüsant.

Das Ende?

Trotz alledem empfehle ich Dragon Ball auch heute noch auf jeden Fall weiter, auch wenn die Faszination nicht mehr so groß ist wie damals und das Studierendenleben meine Freizeit so verschlingt wie Majin Boo Kekse. Aber allein wegen der emotionalen Momente, der Kämpfe und der allgemeinen Bekanntheit, sollte man Dragon Ball unbedingt mal geschaut haben. Und wer heute vielleicht keine Lust mehr auf die Filler-Folgen hat, kann sich beispielsweise mit Dragon Ball Z Kai behelfen.

Und, Vegeta? Was sagt dein Scouter über die Aufrufszahl des Artikels?

Vegeta Its Over9000 GIF - Vegeta ItsOver9000 GIFs


Beitragsgifs auf Tenor:
https://tenor.com/view/goku-thumbs-up-dbz-good-super-saiyan-gif-4862433
https://tenor.com/view/vegeta-its-over9000-gif-14419267
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Beitragsbild: Felix Michau; Banner: Jonathan Dehn

retro.kolumne: Schulhofspiele

retro.kolumne: Schulhofspiele

Retro, retro, retro yeah! Die neue Kolumne über alte Dinge. Kennt Ihr diese Spiele, Filme, Accessoires noch? Aus der Kindheit, meist noch aus den 90ern stammen sie und sind vielleicht ja doch noch ein Guilty Pleasure des einen oder anderen.

Den Satz „früher war alles besser“ kann ich nicht leiden. Und ich will auch nicht behaupten, dass ich eine schönere Kindheit hatte als die „Jugend von heute mit ihren Smartphones“. Aber feststeht: die Zeit haben wir uns damals anders vertrieben. Der Schulhof oder die Straße und die anderen Kinder waren das einzige Entertainingprogramm, das wir brauchten.

Wenn wir gerade nicht mit Yu-Gi-Oh!-Karten oder Diddl-Blättern gedealt haben, malten wir mit Kreide den Spielplan und die Zahlen für Himmel und Hölle auf den Asphalt und sind als Spielfiguren über die Kästchen gehüpft. Auch Seilspiele waren der absolute Renner auf dem Schulhof. Neben dem einfachen Seilspringen gab es auch noch Gummitwist – zwei Kinder haben sich das Gummiband um die Beine gespannt, die dritte Person musste im Band verschiedene Sprünge ausführen.

Kettcars, Bälle, Stelzen und Hula Hoop-Reifen waren heiß begehrt auf dem Schulhof. Nicht selten kam es zu Rangeleien. Klatschspiele hingegen konnten jederzeit und von allen gespielt werden. Zwei freie Hände allein reichten. Vielleicht sollte ich das nächste Mal, wenn ich auf meine Bahn warte einfach mal eine Runde „Bei Müllers hat’s gebrannt“ spielen; die Zeit ging früher immer so schnell vorbei.  Ein Spiel, das ich hingegen nie verstanden habe, war das Faden- oder Hexenspiel, bei dem mit einer Schnur irgendwelche – in meinen Augen super komplizierte – Muster zwischen den Händen gespannt und mit verschiedenen Techniken gewechselt wurden.

Was natürlich auch auf keinem Schulhof, keinem Kindergeburtstag oder Spielplatzbesuch fehlen durfte, waren Fangen, Steh-Geh oder Verstecken. „Eins, zwei, drei, vier Eckstein, alles muss versteckt sein!“ wurde laut geschrien, bevor mit einem „Ich koooomme“ auf die Jagd nach den Versteckten gegangen wurde.  Eines meiner absoluten Lieblingsspiele früher war die ultimative Kombination aus Verstecken und Fangen: Versteckfange – auch bekannt als Räuber und Gendarm. Hier gab es Teams, bestehend aus Räubern und Gendarmen, die Räuber wurden von den Gendarmen ins Gefängnis gebracht, konnten aber von den anderen wieder freigeschlagen werden.

Mit diesen Spielen haben wir doch früher Stunden verbracht und erst aufgehört, als die Sonne untergegangen war oder es geklingelt hat. Aber ich muss zugeben: wenn ich heute nochmal klein wäre, würde ich meine Zeit wahrscheinlich auch mit Pokemon GO verbringen.

Beitragsbild von Merio auf Pixabay

retro.kolumne: PLAYMOBIL

retro.kolumne: PLAYMOBIL

Retro, retro, retro yeah! Die neue Kolumne über alte Dinge. Kennt Ihr diese Spiele, Filme, Accessoires noch? Aus der Kindheit, meist noch aus den 90ern stammen sie und sind vielleicht ja doch noch ein Guilty Pleasure des einen oder anderen.

Eine Weltraumstation reiht sich an eine bäuerliche Farm und an eine von Meerjungfrauen und -männern bevölkerte Unterwasserwelt, alles schön ordentlich in Glaskästen verstaut, und mit einem kleinen Tisch in der Mitte, auf dem diverse Figuren und Gegenstände verteilt liegen, mit denen Kinder (und Erwachsene) spielen können. So sieht es noch bis zum 12. August auf der großen Ausstellungsfläche im Elisen Park aus, und so ähnlich hat es auch bei vielen von uns damals in den Kinderzimmern ausgesehen, nur wahrscheinlich ohne die Glaskästen und die wildfremden Kinder.

PLAYMOBIL ist heute genauso wie LEGO aus den deutschen Kinderzimmern kaum mehr wegzudenken. Und auch wenn die 7,5 cm großen Figuren seit ihren ersten Erkundungsversuchen auf dem deutschen Spielwarenmarkt 1974 gut bei den Kunden ankommen, liest sich die Geschichte der Plastikmenschen und der Firma, die hinter ihnen steckt, an einigen Stellen doch wie das Konzept einer Dramaserie à la Halt and Catch Fire. Scheiternde Ideen, plagiierende Unternehmen, harte Kritik und große Erfolge.

Die Geschichte hinter den Menschen mit dem stupiden Grinsen

1876-1954
– Andreas Brandstätter gründet die Firma, anfangs nur für Metallbeschläge von Schatullen und für Schlösser.
– 1908 übernimmt sein Sohn Georg Brandstätter das Unternehmen. Sie produzieren jetzt neben den Metallwaren vor allem Spielzeug, für Kaufmannsläden, Schaukelpferde, Spielzeugtelefone und Registrierspardosen, die das Geld gleich zählen, wenn man es einwirft.
– In der Firma hilft auch bereits Horst Brandstätter mit, beim Testen der Spardosen. Aber seine Visionen streben schon als Kind nach mehr als nur Metallkassen und Telefonen. Sicher nicht nach den Handgranaten, die geobra Brandstätter während des 2. Weltkriegs mal schnell ins Sortiment einbaut, bevor man wieder ganz gesittet zu Kinderspielzeug übergeht.

1948
– Hans Beck, gelernter Möbeltischler, soll eigentlich aus dem sowjetisch besetzten Thüringen ins Uranbergwerk eingezogen werden, will aber nicht und flieht nach Bayern. Über einen Bekannten aus dem Modellfliegerclub gelangt er 10 Jahre später an Horst Brandstätter. Der hat seit seiner Volljährigkeit 1954 die Firma übernommen und sucht jetzt einen Mustermacher – aber alle, die sich bisher vorgestellt haben, können nur Modelle nach Vorlagen bauen, nicht aber etwas ganz eigenes erschaffen. Beck ist ebenso wie Brandstätter Visionär. Die Zusammenarbeit ist erfolgreich.

1950er
– Unter der neuen Führung von Horst Brandstätter wird mehr Wert auf Spielzeug und vor allem auf den neuen Werkstoff Plastik gesetzt. Durch den amerikanischen Trend werden Hula-Hoop-Reifen entwickelt. Sie verkaufen sich gut, auch wenn sie nie richtig rund kreisen.
– Der Trend klingt bald wieder ab, eine neue Idee muss her, am besten eine, die die hohen Investitionen in die neuen Plastik-Blas-Maschinen rechtfertigen würde. Man entwickelt Porsche-Traktoren für Kinder zum Spielen, deren laute Motorengeräusche von den Eltern stark kritisiert werden. Das Produkt scheitert, die Firma auch?

1972
– Ölkrise. Horst Brandstätter fordert bei Hans Beck ein neues Produkt an, irgendetwas Kleines, das nicht so viel von dem teuren Material in Anspruch nimmt. Eine Idee von Spielzeugautos entsteht. Beck ist der Meinung, dass die sich besser machen würden, wenn kleine Figuren darin sitzen würden, doch Brandstätter hält nicht viel davon, erlaubt Beck nur neben der Arbeit daran zu basteln. Beck entwickelt die Figur trotzdem, die mit ihrem zu großen, runden Kopf vor allem an Kinderzeichnungen angelehnt ist, und bereits den charakteristischen gezackten Pony besitzt.
– Unter dem Aktenzeichen P 22 05 525.0-15 wird trotzdem schon mal das Patent eingereicht für eine „Spielzeugfigur mit einem nach unten offenen Körper, in die gegenüber dem Körper um je eine Achse bewegbare Arme und Beine eingesteckt und mittels einer von unten in den Körper eingeführten, den Kopf halternden Lagerteils festgelegt sind“. Danach verschwindet das Spielzeug aber erst mal wieder in Becks Schublade.

1973
geobra geht immer mehr ein. Kurz vor Weihnachten 1973 beschließt Horst Brandstätter, die Nürnberger Spielwarenmesse im Februar 1974 zu nutzen, um ein neues Produkt vorzustellen. Er kommt auf Hans Beck zu, fragt ihn, ob er nicht die kleinen Plastikmännchen bis zur Messe präsentabel machen könnte. Beck versucht es, arbeitet in den 6 Wochen unermüdlich daran, baut auch nachts noch an den Kulissen weiter.

1974
– Zur Messe steht endlich die fertige Figur, samt Dekoration, damit man sie ansehnlich anrichten kann. Aber der Erfolg bleibt aus, niemand scheint sich für das Produkt zu begeistern. Einer von den Händlern nimmt Brandstätter schließlich zur Seite, aber anstatt Interesse zu bekunden, sagt er nur:

„Du hast schon viel Gutes gemacht. Aber das da, das ist der größte Quatsch, den du jemals auf den Mark gebracht hast.“

– Kurz vor Ende der Messe bestellt auf einmal ein Großhändler aus den Niederlanden Figuren im Wert von 1 Million Mark bei geobra. Die Anfrage ruft weitere Interessierte heran, innerhalb kurzer Zeit liegen die Forderungen bei 3 Millionen Mark. Aber die Maschinen sind nicht für so viel ausgelegt. Horst Brandstätter besorgt sich die Liste eines Maschinenanbieters und klappert darauf in ganz Deutschland alle Käufer*innen einzeln ab, ob nicht irgendjemand alte Maschinen zu verkaufen hätte, bis sie endlich mit der Produktion beginnen können.
– Das Produkt – PLAYMOBIL – kommt auf den Markt, die Figur selbst wird sogar mit einer Gebrauchsanweisung herausgegeben, die beschreibt, welche Teile beweglich sind, was für Accessoires daran angebracht werden können. Und: „Die Figur – kurz Klicky genannt – ist 7,5 cm groß und rundum einfach sympathisch.“
– Es werden gleich negative Schlagzeilen gemacht: Auf einem Werbeprospekt haben geobra zwei Bauarbeiter dargestellt, die auf Bierkisten sitzen und selbst Bierflaschen in der Hand halten. In dem kleinen Comic sagt der eine zum anderen: „Das ist heute schon meine fünfte Flasche.“ Der zweite Bauarbeiter erwidert: „Macht nichts, es ist genug Bier da.“ Das Jugendministerium ist empört.

1975-1978
– Die Firma BIG aus dem benachbarten Dorf bringt die Spielfigur PlayBIG auf den Markt, die abge­sehen von ein paar Zentimetern mehr in der Größe und einer etwas klobigeren Form den Klickys erstaunlich ähnlich sieht. Selbst die Themenbereiche – Ritter, Bauarbeiter und Indianer – sind die gleichen. Es wird spekuliert, dass ein Mitarbeiter dafür verantwortlich ist, der früher bei geobra und jetzt bei BIG arbeitet.
– Horst Brandstätter reicht Klage ein und gewinnt. Doch BIG zieht weiter zum Bundesgerichtshof, wo ihnen Recht gegeben wird, da „PlayBIG-Figuren den Eindruck eines selbstbewussten, sportlichen, aggressiven jungen Mannes vermitteln, demgegenüber das PLAYMOBIL-Männchen die Wirkung von einem Kind, nett und noch unsicher auf den Beinen, habe“. Aber der Streit hat sich mittlerweile 3 Jahre hingezogen und in der Zwischenzeit hat ohnehin der Markt entschieden. PLAYMOBIL ist beliebt, PlayBIG eher nicht so. BIG konzentriert sich daraufhin mehr auf ihre anderen Produkte – darunter das Bobbycar.

1976
– Die erste Frauenfigur kommt dazu, mit Longshirt und mittellangen Haaren. Es dauert aber noch 13 Jahre, bis sie auch Brüste herausbildet. Außerdem trägt sie dann auch lange Röcke, was unpraktisch ist, da sie damit nicht mehr auf die Pferde passt. Damit die Kinder auch ihre eingeschränkten Frauen auf Reisen schicken können, erfindet geobra die Eisenbahn.
– Das Rollenbild ist bei PLAYMOBIL anfangs noch klar definiert: Frauen können als Lehrerin, Tierärztin oder Akrobatin arbeiten, im Saloon gibt es sie mit interessant rot geschminkten Lippen. In Werbeanzeigen fährt immer die männliche Figur das Auto, die Frau sitzt auf dem Beifahrersitz. Erst 1999 mit dem Cityflitzer darf sie selbst fahren, damit die Frau, deren Name als „Mutti Gabrielle“ angegeben wird, auch ihre Kinder zum Einkaufen mitnehmen kann.

1981
– Die ersten Kinderfiguren werden entwickelt, mit drehbaren Handgelenken, was die Großen erst ein Jahr später nachmachen. Der Werbespruch zeugt von ungebrochener Kreativität: „Kinder, jetzt gibt’s PLAYMOBIL-Kinder“.

1983
– Das kleine Schlossgespenst wird entwickelt, das im Dunkeln leuchtet. Eltern sind besorgt um die Gesundheit ihrer Kinder. Horst Brandstätter muss sich von der LGA bescheinigen lassen, dass da keine radioaktiven Stoffe mit im Spiel sind.

1984
– In Japan versucht man PLAYMOBIL als Geschenke in Kekstüten zu verbreiten, in den USA in Happymeals. Die amerikanischen Kindern reißen ihnen aber die Arme aus, Eltern halten das Produkt für unbrauchbar, es wird wieder vom Markt genommen.

1988
– Endlich ist auch die Indianerfigur nicht mehr weiß. Man entscheidet sich dem Zeitgeist entsprechend für ein sehr realistisches rot-orange als neue Hautfarbe.

1989
– Immer noch sind drei Viertel der Kinder-Kunden Jungs. Die neue „Spielwelt 1900“ wird gebaut, um diese Marktlücke zu schließen: „Spielen und erfahren, wie es damals war“, für Mädchen ab 6 Jahren. Damit man das auch sieht, ist die Packung nicht blau sondern rosa-pink.

1991
– Neben der Eröffnung des FunParks in Zirndorf steht ein erneutes Problem an: Carrera stellt „play o.k.“-Figuren her – in Playmobil-ähnlichem Look, aber mit der von Hans Beck verschmähten angefügten runden Nase. Das Konzept ist ziemlich modern: „Jede Figur kann ihre Identität ändern, aus dem Feuerwehrmann wird ein Gärtner.“ geobra gewinnt zwar das Gerichtsverfahren, aber der kostspielige Streit dauert bis 1994 an.

2001
– Durch Zufall kommt genau im September 2001 der erste PLAYMOBIL-Flughafen und das erste Flugzeug auf den Markt. Man hofft aber, dass das Spielzeug den Kindern helfen kann, das Gesehene und Erlebte zu verarbeiten.

2003
– Bei der Deutschlandtour der Radfahrer führt eine Etappe direkt am PLAYMOBIL-Werk vorbei. Man stellt die Szene mit PLAYMOBIL nach und schneidet sie bei der Fernsehausstrahlung einfach dazwischen.

2009
– Hans Beck stirbt. Auf seiner Todesanzeige ist eine PLAYMOBIL-Ritterfigur abgebildet.

2015
– Horst Brandstätter stirbt. Nach seinem Tod gibt es Streitigkeiten in der geteilten Führungsspitze, die jetzt aus drei Vorständen besteht.

Was die grinsenden Figuren sonst noch können

Auch außerhalb der Firma entsteht unter jungen und alten Spieler*innen ein richtiger Kult um die kleine Figur. Einige Sammler*innen bauen aus den Einzelteilen auch ganze Welten, vereinen durch das Klick-System die Wände verschiedener Häuser, um daraus riesige Opern und Schulen, größere Ritterwelten und ähnliches zu schaffen. Manche Geschichten werden sogar in Büchern veröffentlicht.

Harald Schmidt benutzt in der Late-Night-Show PLAYMOBIL, um antike Mythen wie Ödipus oder Herakles nachzustellen, so wie heute auch noch der Youtube-Kanal Sommers Weltliteratur to go. Vor allem angeregt von dem nie enden wollenden Grinsen der Figuren entsteht außerdem über die Jahrzehnte hinweg eine Reihe von Werken verschiedenster Künstler*innen. So stellt Kiki Ahlers zum Beispiel 10.312 gleich aussehende Figuren in Reih und Glied auf insgesamt 120 Quadratmetern auf. An die Wand des Ausstellungsraumes schreibt sie genauso viele Namen, aber ohne sie den einzelnen Figuren zuzuordnen. Die zentrale Frage bei den meisten dieser Kunstwerke ist dabei der Kontrast von Anonymität und Massenware gegenüber Individualität und Persönlichkeit.

Eine nachhaltige Plastik-Figur

PLAYMOBIL arbeiten auch nachhaltig, also so nachhaltig, wie es bei einem Plastikspielzeug eben sein kann. Wenn beim Guss etwas fehlerhaft ist oder abfällt, wird es wieder eingeschmolzen und noch mal verarbeitet. Was nicht mehr für neue Teile genutzt werden kann (z.B. weil es schon mit anderen Farben gemischt wurde), wird in Blumentöpfen, Gartenzäunen und ähnlichem recycelt. Auch die Transportverpackungen sind aus recycelter Wellpappe oder man benutzt Mehrwegverpackungen. Die blauen Kartons, in denen die Playmobil-Teile zum Kauf angeboten werden, bestehen zu 80-95 Prozent aus Altpapier, die Plastikbeutel, in denen das Spielzeug verpackt ist, sind aus Niederdruck-Polyäthelyn, das auch umweltfreundlich verbrannt werden kann. Selbst in der Firma wird die Heizenergie aus der Abwärme der Spritzmaschinen gewonnen.

Außerdem ist die Idee von Anfang an: Die Figuren sollen lange verwendet und nicht weggeschmissen werden. „Weil eins zum anderen passt.“ Man soll die verschiedenen Angebote miteinander kombinieren können, anstatt sie einfach zu ersetzen. So ist es auch vorrangiges Ziel, die Figuren möglichst wenig abzuändern und nur Accessoires und Zubehör zu variieren, damit selbst in der zweiten und dritten Generation Kinder noch mit den Figuren ihrer Eltern spielen können.

Beitragsbilder: Julia Schlichtkrull; Banner: Jonathan Dehn