Und schon wieder irgendwo im Nirgendwo stecken geblieben. Dabei hat Marie doch dieses Mal extra nicht die Bahn genommen. Nach knapp einer halben Stunde Busfahrt im Halbschlaf muss Marie erstmal wieder zu sich kommen. Noch circa 3 Stunden übrig. Marie seufzt: „Wenn das so weiter geht, komm ich dieses Jahr nicht mehr in Berlin an.“ Und so sitzt Marie da, in einem Reisebus voller Fremder, in der stockdunklen Wildnis Ostvorpommerns mit nichts, außer ihrem Rucksack und ihren Gedanken. Bei dem Gedanken läuft Marie ein kalter Schauer über den Rücken. Minuten vergehen. Nach und nach verlassen einzeln Menschen den Bus, um sich etwas die Beine zu vertreten. „Bei der Kälte bringen mich keine 10 Pferde nach draußen“, geht es Marie inzwischen leicht genervt durch den Kopf. „Daran kann auch dieses komische Blonde Mädchen nichts ändern“. Den Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, schweift Maries Blick nach rechts, wo das blonde Mädchen gesessen hat, doch sie war nirgends zu sehen. „Sie wird wohl auch einfach kurz nach Draußen sein“ denkt sich Marie, auch wenn der Gedanke sie nicht ganz zufriedenstellt.
Marie bemerkt ein Lichtschein, der durch die Heckscheibe in den Bus leuchtet – als würde ein Auto ganz dicht hinter ihnen stehen. „Vielleicht ja der Pannendienst. Dann kann es hoffentlich bald weitergehen“. Aus dem einen Lichtkegel werden dann aber auf einmal zwei, drei, fünf oder sechs verschiedene Lichter, die alle durch die Heckscheibe in den Bus scheinen und sich wild hin und her bewegen. Jetzt muss Marie doch einen Blick riskieren. Sie richten sich langsam auf, stranguliert sich dabei fast selbst mit ihren Kopfhörerkabeln und kniet sich auf ihren Sitz, um durch die Heckscheibe zu blicken. Hinter dem Bus befindet sich gut ein dutzend Menschen, die sich alle um die geöffnete Klappe am hinteren Ende des Busses versammelt haben. Einige richten ihre Handytaschenlampen in Richtung der Klappe. Mitten in der Traube erkennt Marie Stefan. Immer noch nur in der typischen Busfahreruniform – ein hellblaues Hemd mit einem dunkelgrauen Strickpullover obendrüber – gekleidet und mit beiden Händen tief in der Klappe. Sein irritierter Blick lässt vermuten, dass es demnächst wohl doch nicht weitergeht. Marie lässt sich wieder auf ihren Sitz fallen. Nach Musik hören und durch das Fenster die Zeit totstarren ist ihr jetzt auch nicht mehr zumute.
Wieder fällt ihr der Pfefferminztee mit Schuss in ihrem Rucksack ein. „Was hat dich da eigentlich geritten, ausgerechnet Pfefferminztee mit Alkohol zu mischen?“, vergräbt Marie ihr Gesicht in den Händen. Aber desto länger sie drüber nachdenkt, desto kleiner wird ihre Hemmschwelle gegenüber dem Gedanken vielleicht doch wenigstens einen Schluck zu probieren. Kurzerhand zückt Marie die Thermoskanne aus dem Rucksack und schneller als ihr Schatten war das Teemischgetränk eingeschenkt. Mit Blick in die dunkle, nach Menthol duftende Flüssigkeit kommt ihr der Gedanke zuhause anzurufen. „Kein Empfang“, fällt ihr wieder ein. „Was mach ich jetzt?“ ertönt eine aufgelöste Stimme etwas weiter vorne aus dem Bus. „WAS MACH ICH JEEEETZT?“ schallt es nochmal durch den Bus. Marie streckt ihren Hals und lässt ihren Blick über die Kopfstützen hinweg durch den Reisebus schweifen. Doch jetzt ist alles wieder still. Nur noch ein schnelles Ein- und Ausatmen ist zu vernehmen. Niemand rührt sich. Eigentlich hasst Marie es, wenn Leute in der Bahn oder im Bus herumschreien – das hat sie in Berlin schon oft genug. Doch ihre Neugier überwiegt. Marie nimmt all ihren Mut zusammen, steht langsam auf und setzt zögerlich einen Fuß vor den anderen, immer weiter in Richtung des leisen Winselns. Ihr Herz schlägt immer schneller und lauter.
Alle Jahre wieder weihnachtet es auch beim webmoritz.! Hier wird Weihnachtsmusik gedudelt, werden Plätzchen gebacken und Geschichten der vergangenen, diesjährigen und zukünftigen Weihnacht unter flackernden Lichterketten geraunt. Einen Teil dieser besinnlichen Stimmung möchten wir wieder in unserem Adweb.kalender mit euch teilen. Hinter dem 24. Türchen erwartet euch: das vierte Abenteuer des abenteurigen Streifenhörnchens Cornelius von Nussingen.
Hier gelangt ihr zum dritten Abschnitt von Cornelius‘ Abenteuerreise.
Eine Tanne musste also her, aber: woher nehmen, wenn nicht stehlen? Als Streifenhörnchen hatte er eine Art sechsten Sinn, wenn es darum ging, Nussbäume ausfindig zu machen, aber Nadelbäume… die waren nun überhaupt nicht sein Metier, so abenteuerlich und gefährlich sie mit ihren Stacheln auch anmuten mochten. Er sah sich um und schon ganz benebelt von der Kälte hielt er einen Moment inne, um zu überlegen, wo er sich auf die Suche begeben könnte. Eigentlich war es wirklich schön hier draußen, wenn es bloß nicht so kalt wäre. Der Mond war mittlerweile aufgegangen und schien hell durch die dunkle Winternacht. Sein Licht wurde millionenfach und funkelnd von der schneebedeckten grünen Flur reflektiert.
Da wurde es auf einmal laut in der Stille der Einöde. Etwas prallte gegen Cornelius‘ Rücken und er verlor das Gleichgewicht, schlug hart auf dem Boden auf und blieb verdattert liegen. Als er aufsah, stand ein Hase über ihm, Schlittschuhe an den Pfoten und besorgt guckend. „Bitte entschuldigen Sie!“, sagte er zu ihm gewandt, bevor er sich hektisch umsah. „Ich wollte Sie wirklich nicht anfahren, aber man hat versucht, mich zu erschießen! Bitte helfen Sie mir!“ Cornelius jedoch war nach dem ersten Schrecken nun doch sehr ungehalten. „Jetzt hören Sie mir mal zu, Häschen! Sie fahren mich hier um und bitten mich jetzt auch noch um Hilfe? Ich bin ein vielbeschäftigter Abenteurer und versuche gerade, eine heroische gute Tat zu begehen, ich kann mich jetzt nun wirklich nicht auch noch um Ihr Anliegen kümmern! Guten Abend!“ Mit diesen Worten rückte er sich seinen Hut zurecht und stapfte los. Hinter sich hörte er einen erneuten Knall, blickte sich kurz um und sah, wie der totgeschossene Hase auf einer Sandbank Schlittschuh lief. Er blinzelte mehrmals schnell hintereinander und das Bild war wieder verschwunden. Was war das denn gewesen, ein Kältewahn? Egal, Cornelius verfasste eine gedankliche Notiz, irgendwann einmal ein Gedicht darüber zu schreiben. Jetzt aber hatte er keine Zeit für Poesie, wenn Weihnachten im Bauernhaus nicht zur Tannen-Panne werden sollte…
Oh heilige Nuss, bitte gib mir ein Zeichen, dachte er verzweifelt. Und plötzlich war da eins: „Vorsicht, Wildwechsel“ konnte Cornelius gerade noch lesen, bevor es von rechts laut tönte: „Aus dem Weg, ich habe Vo-ho-ho-horfahrt!“ Cornelius drehte den Kopf und sah ein rotes strahlendes Licht immer näher kommen, doch er konnte sich nicht wegbewegen, er war wie gelähmt. Mit quietschenden Kufen und fliegendem Schnee kam das Gefährt vor ihm zu stehen und da standen sie nun, Nase an Nase, das Streifenhörnchen und das Rentier, das ihm frech ins Gesicht leuchtete. Ein bärtiger alter Mann stieg von dem Vehikel und zog sich eine rot-weiße Warnweste über. Er ging zu dem Rentier und schaltete die Nase auf Warnblinklicht um — schließlich standen sie mitten auf der Straße. „Das war knapp, ich hätte Sie fast to-ho-ho-hotgefahren! Haben Sie das Schild nicht gesehen?“, fragte der Mann und deutete mit einem dicken behandschuhten Finger auf das Schild.
Cornelius baute sich so hoch auf, wie er nur konnte vor dem Fremden auf — das nackte, haarige Geschöpf war um einiges größer als er, aber das machte ihm keine Angst — und setzte sein störrischstes Abenteurergesicht auf. „Na hören Sie mal, mit so etwas kann ja niemand rechnen! Und mit was für einer Geschwindigkeit waren Sie überhaupt unterwegs? Haben Sie einen Führerschein für das Ding?“ Der Mann legte eine beschützende Hand auf sein Rentier. „Das Ding heißt Rudolph, und er mag ein bisschen eigen sein, aber das macht nichts, man kann ihn immer noch sehr gut ausno-ho-ho-hutzen.“ Das Rentier schnaufte entrüstet, sagte aber nichts, und Cornelius konnte nicht abstreiten, dass die Idee gar nicht so schlecht war, ein Tier für die eigenen Ziele zu missbrauchen, das sich nicht wehren konnte. „Außerdem sind Sie der erste Beinahe-Unfall, den wir heute hatten. Davon abgesehen war da nur der Frontalzusammenstoß mit der No-ho-ho-hordmanntanne.“ Cornelius wurde sofort hellhörig. „Was ist mit dieser Tanne passiert?“ Der seltsame Mann zuckte die Schultern. „Nichts Besonderes, sie liegt da hinten rum.“
„Gro-ho-ho-hoßartig!“, stieß Cornelius noch aus, dann war er auch schon davon gestürmt, in die Richtung, aus der der Typ gekommen war. Tatsächlich war die Verwüstung weit größer, als der alte Rowdy es hatte scheinen lassen: Der umgestürzte Baum musste auf eine Reihe von anderen Bäumen getroffen sein, die dann in einem Dominoeffekt eine ganze Schneise in den Wald geschlagen hatten. Jetzt wurde Cornelius bei der Sache doch etwas skeptisch. Ansässige Hasen, die verfolgt wurden, ominöse Schilder und korrupte Kerle mit Warnwesten? Das klang ihm doch sehr nach einem Komplott! Nun, wenn er etwas mehr Abenteurer als Autor gewesen wäre, wäre er der Sache vielleicht weiter auf den Grund gegangen, aber das war gerade wirklich nicht sein Problem — in erster Linie brauchte er Geld und dafür brauchte er eine Geschichte. Und vielleicht war da auch noch ein kleiner Wunsch in seinem Hinterkopf, einmal etwas Gutes zu tun.
Der Zusammenstoß hatte die Tanne komplett zerfetzt, also konnte sich Cornelius problemlos die kleine Spitze schnappen, die etwa zu seiner Größe und der des Hauses passte. Mit ein bisschen Anstrengung schleifte er sie wieder zurück zu der bescheidenen Hütte auf der Lichtung, atmete einmal tief ein, klopfte. Es dauerte nur eine Weile, dann wurde die Tür mit Schwung aufgerissen und eine junge, hübsche Eichhörnchendame funkelte ihn mit wütendem Blick an. „Wir haben schon einmal gesagt, wir bleiben noch bis nach der Sonnenwendsfeier!“ Stolz stellte Cornelius die Tannenspitze vor sich auf. „Na, das hoffe ich doch, ich habe Ihnen nämlich extra einen Strauch dafür besorgt.“ Die schwarzen Knopfaugen des Eichhörnchens weiteten sich überrascht. „Oh, verzeihen Sie, ich dachte, Sie wären schon wieder dieser dicke Kerl von der Straßenbaugesellschaft. Der war jetzt schon drei Mal mit seinem teuren Schlitten hier. Wollte uns Angst machen, damit wir unser Haus schneller räumen.“
Cornelius klappte verdutzt der Mund auf. Hatte ihn sein Abtenteurerspürsinn also nicht getäuscht! Hier ging tatsächlich etwas vor sich, und von wegen U-ho-ho-honfall, eine Straße wollten die bauen, direkt durch Hasen- und Eichhörnchengebiet! So eine Frechheit konnte Cornelius nicht unbeachtet lassen. „Wer steckt denn noch alles mit diesem Rentierausbeuter unter einer Decke?“ Das Eichhörnchen überlegte eine Weile. „Nun, da gibt es noch den Bürgermeister, einen Hasen, den sie mit goldenen Eiern bestochen haben, damit er das Gebiet verkauft.“ Cornelius nickte. Das genügte doch schon einmal für eine tiefgehende Ermittlung. Für geschickte Einbrüche, Diebstähle von geheimen Dokumenten, Gassenprügeleien mit zwielichtigen Handlangern von Schlittenkerl und Eierhase. Cornelius rümpfte die kleine Nase. „Machen Sie sich keine Sorgen, meine Teuerste. Ihrer Familie wird nichts geschehen, das verspreche ich, so wahr ich ein Abenteuerautor bin! Und nun lassen Sie uns den Tannenstrauch aufstellen und ein paar Lichter anzünden. Wir werden uns die Sonnenwendsfeier doch nicht von diesen Schurken verderben lassen!“ Und sobald die Feierlichkeiten vorüber wären, würde Cornelius die Spurensuche dieses großen Straßenkomplotts aufnehmen. Doch das war eine Geschichte für einen anderen Tag. „Frohes Fest!“
Alle Jahre wieder weihnachtet es auch beim webmoritz.! Hier wird Weihnachtsmusik gedudelt, werden Plätzchen gebacken und Geschichten der vergangenen, diesjährigen und zukünftigen Weihnacht unter flackernden Lichterketten geraunt. Einen Teil dieser besinnlichen Stimmung möchten wir wieder in unserem Adweb.kalender mit euch teilen. Hinter dem 19. Türchen erwartet euch: das dritte Abenteuer des abenteurigen Streifenhörnchens Cornelius von Nussingen.
Hier gelangt ihr zum zweiten Abschnitt von Cornelius‘ Abenteuerreise.
Wie gebannt beobachtete Cornelius das rote Lichtlein, das hoch oben in der Luft mit den Schneeflocken um die Wette tanzte. Das wird meine Rettung sein, dachte sich Cornelius, der nun fest davon überzeugt war, sein Abenteuer doch noch zu bekommen. „Hallo, hier bin ich!“, rief er dem roten Licht entgegen und hüpfte ungestüm auf und ab, während er wild mit den Armen fuchtelte. Fast verlor er dabei das Gleichgewicht und das Lichtlein wieder aus den Augen. Doch die rote Lampe tanzte und tanzte einfach unbeirrt weiter über ihm und kam stetig ein klein wenig näher. Dichter zu Cornelius, der nun aufgehört hatte zu hüpfen und auf einmal für ihn ganz untypisch still da stand. Auf keinen Fall wollte er das Lichtlein wieder verlieren und ganz allein im Schneesturm zurückbleiben. Vernusst, warum braucht das denn so lange? Ich will endlich wissen, was es ist!, dachte Cornelius und wurde nun doch wieder ungeduldig.
Plötzlich aber konnte er nichts mehr sehen. Cornelius spürte eine eisige Kälte im Gesicht. Eine Böe hatte ihm Schnee auf den Kopf geweht. Brr. Wütend schnaubend schüttelte er sich und rieb sich die Augen. Kaum, dass er wieder etwas erkennen konnte, hielt er Ausschau nach dem roten Lichtlein, doch es war verschwunden. Er drehte sich in alle Richtungen, blickte nach oben, blickte nach unten, doch es war nichts zu machen, das Lichtlein war weg. Die Böe musste es mit sich gerissen haben. Aber wenn die Nuss nicht zum Streifenhörnchen kommt, muss das Streifenhörnchen die Nuss eben selber suchen. Der Wind kommt mir entgegen, also wird das Lichtlein wohl in die andere Richtung geweht worden sein, dachte sich Cornelius. Stolz über seine Klugheit drehte er sich unverzüglich um und nahm die Verfolgung auf. Er rannte so schnell ihn seine Beinchen tragen konnten.
Bibbernd aber voller Tatendrang kämpfte sich Cornelius durch den hohen Schnee. Er wollte das rote Licht unter keinen Umständen verlieren. Lange Augenblicke vergingen, in denen er wieder nichts sehen konnte außer dem kalten Weiß, das ihn von allen Seiten umschloss. Er spürte seine Füße kaum mehr und auf der Knopfnase klebte Eis, doch zurück konnte er nicht, denn der Schnee wehte seine Fußstapfen sofort wieder zu, er hätte den Weg unmöglich gefunden. Außerdem war das hier vielleicht endlich sein Abenteuer. Das Licht würde ihn zu einem Schatz führen oder zu einem gähnenden Abgrund, in den er um Haaresbreite hinab stürzte, aber welche Rolle spielte das schon? Aus beidem ließ sich eine wunderbare Geschichte machen.
Da endlich entdeckte er das Lichtlein wieder. Es war etwas höher gestiegen, schwebte zwischen den Baumspitzen entlang, die es mit einem unheimlichen roten Schimmer benetzte. Und es blieb nicht stehen. Gut, dachte sich Cornelius, wenn das Ende deiner Reise noch nicht gekommen ist, dann ist es auch noch nicht das Ende von meiner.
Zielstrebig führte ihn das Lichtlein weiter durch die Kälte und den Schnee. Irgendwann erreichten sie so den Rand des Waldes, und mit den Bäumen lichtete sich hier auch der Schnee ein wenig. Cornelius bemerkte, dass das Licht langsamer wurde, bis es schließlich stehen blieb, und als er seinen Blick von dem roten Schimmer nach unten wandern ließ, erblickte er ein kleines, bescheidenes, alt anmutendes Bauernhaus mitten auf dem leeren Feld. Das musste er sich aus der Nähe ansehen! Einen Sekundenbruchteil später fand sich Cornelius am Fenster des Hauses wieder. Tatsächlich nahm er in dem schwach beleuchteten und ärmlich eingerichteten Inneren die Silhouette einer Familie wahr. Zaghaft drückte er sein Ohr ans Fenster.
Die Stimmen, die er neben dem Knistern eines Kamins ausmachen konnte, waren jedoch alles andere als wehmütig über die bescheidenen Verhältnisse in ihrem Haus. Im Gegenteil. Die Laune schien heiter und ausgelassen zu sein. Vielleicht wegen dem Fest, überlegte Cornelius, immerhin ist ja bald Wintersonnenwende, das feiert sogar die schäbigste Küchenschabe. Allerdings gehörte zu einer guten Sonnenwendsfeier ein Tannenstrauch dazu, doch als Cornelius sich in dem kleinen Zimmer umblickte, konnte er keinen entdecken. Dies stimmte ihn voller Trauer und Entsetzen. Er nahm sich vor, seine eigenen Abenteuerpläne vorerst zu verschieben, um einmal etwas von Herzen Gutes zu tun. Ja, das war ein Plan!
Alle Jahre wieder weihnachtet es auch beim webmoritz.! Hier wird Weihnachtsmusik gedudelt, werden Plätzchen gebacken und Geschichten der vergangenen, diesjährigen und zukünftigen Weihnacht unter flackernden Lichterketten geraunt. Einen Teil dieser besinnlichen Stimmung möchten wir wieder in unserem Adweb.kalender mit euch teilen. Hinter dem 5. Türchen erwartet euch: das erste Abenteuer des abenteurigen Streifenhörnchens Cornelius von Nussingen.
Durch das löchrige Blätterdach fiel ein Tropfen schmelzenden Schnees auf Cornelius‘ spitze Nase. Er schüttelte den pelzigen Kopf, sah wütend nach oben, dann wieder voller Enttäuschung hinab auf die Papiere, über denen er gerade gebrütet hatte. Natürlich nur metaphorisch gesprochen, Streifenhörnchen brüten immerhin nicht – und selbst wenn sie es täten, wäre er der letzte, der sich um eine solche Aufgabe kümmern würde. Zum einen, da er sich als glücklichen glücklichen Single und erfolgreichen Herzensbrecher verstand, zum anderen, da das Kümmern um ein fiepsendes, nerviges Hörnchenbalg definitiv nichts für ihn war. Vernusst, er konnte ja ohnehin nicht einmal genug Geld aufbringen, um für sich selbst zu sorgen!
Cornelius‘ Blick legte sich auf den billigen Stift in seiner Pfote, mit der er in den Rechnungen herum gestrichen hatte, bis die Zahlen halbwegs passten. Nein, überlegte er, der Stift ist doch nicht billig! Billig! Als würde das zu einem bedeutenden Abenteurer und Abenteuerautoren wie ihm passen! Nein, die abblätternde Spitze war natürlich aus echtem Gold, von Zwergkaninchen abgebaut in den Tiefen des Blauen Berges, und das Holz war von unzähligen Ameisen in unterirdischen Grotten auf ihrer Reise zum Mittelpunkt der Erde gewonnen worden. Für ein solches Schmuckstück konnte er sicherlich 200 Goldeicheln von der Steuer absetzen! Er machte eine entsprechende Notiz am Rand des letzten Papiers und lehnte sich danach ein wenig entspannter in seinem Hängesessel zurück. Das sah natürlich schon etwas besser aus in der Gesamtrechnung, aber seine Probleme löste das alles noch lange nicht. Was wollten diese Steuer-Klameraffen überhaupt von ihm! Als wäre Geld eine angemessene Entlohnung für echte Kunst! Denn wen interessierte schon, wie viele Abenteuer er erlebt hatte, durch wie viele Länder er gereist war und was für hochkarätige Romane daraus entstanden waren – wenn die Leute so ungebildet und respektlos waren, blieb der verdiente Lohn für seine atemberaubenden Werke aus.
Etwas anderes musste her, ein neues Abenteuer, dem sich niemand entziehen konnte! Ein Abenteuer, bei dem ihm jedes andere Streifenhörnchen nur so zu Füßen läge. Mit tragischen Liebesgeschichten, die jede Hörnchendame in Tränen ausbrechen ließen, und wackeren Kämpfen, um die ihn jeder Hörnchenmann beneidete. Oder anders herum, Cornelius war das gleich, Hauptsache sie feierten ihn für seine Heldentaten. Es musste das Abenteuer seiner Ära werden, das man sich an kalten Winterabenden noch in hunderten und hunderten von Jahren ehrfürchtig am Kaminfeuer zuraunte. Nur was?
Wieder tropfte es ihm auf die Nase. Cornelius hob den Blick und merkte, dass es heftiger zu schneien begonnen hatte. Großartig, ausgerechnet jetzt begannen die eisigen Schneestürme. Aber es nüsst ja nix, sagte er sich, und warf seine wichtigsten Sachen in die Umhängetasche: ein nagelneues Notizbuch, mehrere Pakete Proviant (zum Großteil bestehend aus den hervorragenden Nussecken seiner Großtante), eine kleine Einwegkamera aus Plastik (die anderen wurden auf Dauer zu schwer), und seinen Federhut (sein unverzichtbares Markenzeichen). Cornelius atmete noch einmal tief durch und verließ schließlich seinen Kobel. Schritt für Schritt stapfte er tiefer in das Schneegestöber, doch sein Ziel blieb klar: Er musste die âventiure seines Lebens finden.
Einfach mal abheben in ein anderes Universum, auch dafür ist der webmoritz. da! Ihr könnt jeden Freitag ein anderes Redaktionsmitglied auf einem neuen Teil der intergalaktischen Reise unserer unendlichen Geschichte begleiten. Die Rahmenbedingungen haben wir in einer gemeinsamen Sitzung aus unseren Ideen zufällig ausgewürfelt, danach haben wir die Geschichte jedoch der individuellen Kreativität und Gnade unserer Redakteur*innen überlassen. Wohin die unendliche Geschichte führen wird, ist für uns also auch noch ungewiss, aber wir bieten Corona-Craziness, Ärger und Spaß ohne Ende – garantiert!
Was bisher geschah … Gerhard Schmitt — Galapagos-Schildkröte, Investigativjournalist, Entenfotograf, ehemaliger Bäcker und Schweineagent, Schnabeltierflüsterer und Brandaufklärer — landet als blinder Passagier des Enten-Raumschiffs Große Kosmische Ente unsanft auf dem Planeten Meridia (Teil 1). Hier beginnt ein großes Abenteuer für den mutigen Schildkröterich. Irgendwann brennt auch mal was nieder, es wird in ein unendliches Loch gesprungen, eine Rebellion wird gestartet und dann gibt es einen Knall (Teil 13). Es spielen: die Schnabeltiere Justus, seine Mutter Monika und sein Biker-Papa, eine Horde Enten, der Hobby-Abenteurer und vollberufliche Nerventöter Cornelius von Nussingen, die Faultiere Lila und Julica und ein mysteriöses Meritär. Genres: Action, Thriller, Krimi, Sauerteig-Romantik. Länge: Eine Geschichte in 14 Akten. Das hier ist also das Finale! Don’t miss out!
Teil 14 –Ente gut, alles gut
Alle drehten sich in die Richtung, aus der das knallende Geräusch kam. Doch es war kein Schuss, wie Gerhard zuerst angenommen hatte, sondern nur die Tür, aus der in diesem Moment zwei Schnabeltiere in Meritär-Rüstungen traten. Nebeneinander liefen sie auf die Gruppe von Enten, Schnabeltieren und einer Schildkröte zu und versperrten somit den gesamten Gang. Einige drehten sich schon um und wollten in die Dunkelheit flüchten, doch plötzlich hörten sie ein „Nein, wartet!“ aus dem Gang erschallen. Die Gruppe sah sich unsicher an und ein paar fingen aufgeregt an miteinander zu tuscheln, ob sie nicht trotzdem loslaufen sollten, aber schon traten in Zeitlupe zwei Meritärmitglieder in das grelle Licht. In ihrer Mitte wurde Justus mitgeführt, und sein Vater erstarrte. Alle hielten die Luft an, was jetzt passieren würde, und in die Stille hinein ertönte ein Grummeln. Moment mal, da stimmt doch was nicht, überlegte Gerhard und kniff prüfend die Augen zusammen. Justus‘ Bauch war auffällig hervorgewölbt … Gerhard schüttelte seinen langen Hals und den kleinen Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Ein Kampf drohte.
Er härtete seinen Panzer und machte sich bereit, Justus aus seiner Gefangenschaft zu befreien. Eigentlich war er durch und durch Pazifist, aber zu dem kleinen Schnabeltier hatte er inzwischen eine beinahe väterliche Bindung aufgebaut und so wollte er ihn instinktiv beschützen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie auch Justus‘ Vater seine Fäuste ballte und sich dann in Bewegung setzte. Zielstrebig rannte er mit erhobenen Händen auf die beiden Gestalten zu. „Ihr seid so blöd, A.M.A.B.!“, schrie er ihnen in die Visage, während er mit seinen Fäusten auf sie einschlug. „Wer zuletzt kommt, mahlt zuletzt. Das Leben ist kein Entenhof!“ Auch die Enten, die schon wutschnaubend mit ihren Entenfüßen scharrten, stürzten sich in das Gerangel. Gefieder flog, Blech klapperte, eine kleine Quietscheente platzte. Schwimmhäute watschelten. Plötzlich stob die Masse auseinander und ein Kreis um die beiden Meritiere tat sich auf.
Durch den Kampf war der Helm eines der Tiere zu Bruch gegangen. Und durch den Riss, der sich nun durch das Metall zog, schimmerte es lila hervor. Eine Farbe, die Gerhard allzu bekannt vorkam. „Lila?“, fragte er ungläubig, während sich das Meritier langsam – wie es sich für ein Faultier gehörte – den Helm vom Kopf zog. „Was machst du denn hier? Bist du etwa Teil des Meritärs?“ Auch das zweite vermeintliche Meritier schob das Visier seines Helmes hoch. Enttäuschung machte sich in Gerhard breit. Es fiel ihm wie Schuppen von den den kleinen schrumpeligen Augen. Solch ein Betrug war ihm selten in seiner Recherche untergekommen. Er hatte Julica und Lila vertraut. Die beiden hatten ihm in den letzten Stunden immer zur Seite gestanden und mit informativen Informationen und geheimen Geheimtipps geholfen. Und jetzt waren die beiden Journalistinnen Teil des Meritärs?
„Gerhard, Justus! Lasst mich das erklären!“, setzte Lila stammelnd an. „Der Investigativjournalismus ist auch unser Interesse, daher haben wir uns hier eingeschleust, um wilde Sachen aufzudecken!“ Sie gestikulierte aufgeregt mit den pelzigen Pranken. „Wir haben Wind davon bekommen, dass das Meritär an einem Lebenselixier brütet. Natürlich mussten wir uns dort einschleusen, um eine Enthüllungsgeschichte zu bringen.“ „Aber was soll das für ein mysteriöses Lebenselixier sein?“, fragte Gerhard, der, obwohl er in seiner langen Laufbahn als Journalist schon viel erlebt hatte, kurz davor war, die Fassung zu verlieren. „Na dieser Sauerteig, der sich einfach vermehren und ewig leben soll“, erklärte Lila. Gerhard stutzte. Dachte die ganze Bevölkerung Meridias, dass sein kleiner Sauerteig eine magische Zutat enthielt? „Aber das sind doch einfach nur Mehl und Wasser, das hätten sie doch sogar nachlesen können! Die ganze Aufregung … um diese zwei Zutaten? Da verstehen ja manche wirklich gar nichts von der guten alten Backkunst.“
Plötzlich wurde das Gespräch von Justus unterbrochen, der sich vom Getümmel losgerissen und auf den Weg zu seinem Vater gemacht hatte. Sein Bauch war mittlerweile ganz aufgebläht und waberte seltsam vor sich hin. „Was ist denn los, Justus?“, fragte der Vater das kleine Schnabeltier. Beschämt schaute Justus auf seinen aufgeblähten Bauch. „Seitdem ich von dem Klumpen Sauerteig genascht habe, den du Mama und mir geschenkt hast, grummelt es ganz komisch in meinem Bauch.“ Da machte es PENG und PUFF, und durch einen Druck, der sich in Justus‘ Bauch gebildet hatte, wurde das kleine Schnabeltier wie wild durch die Luft gewirbelt, bis es schließlich zu Boden fiel. Dabei rempelte es eine Ente an, die noch mit einem der Nägel bewaffnet war, mit dem sie zuvor A.M.A.B. in die Tische geritzt hatte, sodass ihm diese mit dem Nagel aus Versehen in die Seite stach. Vielleicht zu Justus‘ Glück, denn durch den Piks schien sich sein dickes Bäuchlein, das durch den Sauerteig anscheinend in einen Gärungsprozess verwickelt war, zu entladen. Es puffte und pfiff erneut, und wie ein Luftballon, aus dem die Luft gelassen wird, wurde Justus mit voller Ladung durch den Gang katapultiert.
Während die versammelte Gruppe völlig überfordert mit der Situation war – und jetzt auch noch völlig angetan von der Magie des Sauerteigs, der anscheinend selbst zum Fliegen verhelfen konnte! – redeten Julica und Lila aufgeregt auf die Truppe ein. Sie riefen, dass das eigentliche Meritär schon auf dem Weg zu ihnen sei (zum Glück waren sie als Meritärsmitglieder ja mit Funkgeräten ausgestattet und wurden über jeden Schritt informiert) und sie schleunigst verschwinden müssten. Glücklicherweise kannten sie durch ihre investigativen Recherchen auch die Schlupfwege durch den Untergrund, und öffneten eine unscheinbar aussehende Tür. Nach und nach stolperten alle in die Dunkelheit dahinter, bis Julica ein Feuerzeug entzündete. „Was soll das denn?“, fragte Lila genervt. „Jetzt ist wirklich nicht der richtige Augenblick, um ’ne Trompete zu rauchen! Du musst echt aufhören mit dem Scheiß.“
Doch das war nicht Julicas Intention. Aus der Tasche ihrer übriggebliebenen Meritärsrüstung holte sie plötzlich ein Axe Sweet-Cinnamon-Spice-Weihnachtsente und fuchtelte mit Deo und Feuerzeug herum. „Keinen Schritt weiter!“, schrie sie. So hatte Lila ihre sonst eher friedfertige Kollegin noch nie erlebt. „Ich gehe nicht ohne den Sauerteig“, erklärte diese entschlossen. „Was? Warum das denn?! Das Meritär muss doch bald hier sein, bist du irre?“ Lila wusste nicht, was in das Faultier gefahren war. Mit zittriger Stimme setzte sie hinterher: „Mach jetzt keinen Fehler, Julica.“ Doch Julica war nicht nach friedlicher und freundschaftlicher Stimmung. Ihr war inzwischen alles egal. Ein fast schon geisteskrank-verzerrter Ausdruck zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Sie wollte das Feuerzeug entfachen, doch ihr Daumen war zu langsam, um einen Funken zu erzeugen.
„Wir wollten doch nur recherchieren, Julica. Komm, das ist es echt nicht wert!“, versuchte Lila ihre Freundin zum Gehen zu überreden. „Ja, so hattest du dir das wohl gedacht!“, keifte Julica zurück, deren rot glühende Augen inzwischen einen bösen Blick aufgesetzt hatten. „Ich habe schnell gemerkt, dass dieser klassische Journalismus nichts für mich ist. Investigativjournalismus, Enthüllungsstorys, pipapo. Aber der Abenteuerjounalismus von meinem großen Vorbild Cornelius von Nussingen, der hat mich in den Bann gezogen! Daher erlebe ich jetzt meine ganz eigenen Abenteuer … wohl das größte überhaupt … die Suche nach dem ewigen Leben, um endlich Meridias Next Topmodel zu gewinnen! Und den Enternality-Award!“ „Meridias next Topmodel?? Sind denn jetzt alle völlig durchgedreht?“, brüllte Gerhard in die Runde. Auch Lila fiel fast vom Glauben ab. Sie hatten doch nur eine tolle Story für ihre Lokalzeitung schreiben wollen – wieso sprach Julica jetzt von der Castingshow, bei der jährlich das angeblich beste Topmodel des Planeten gekürt wurde? „Schon als ich klein war, habe ich immer Teigi Klum und ihre Määädels, nein, Chiiicks, im Fernsehen verfolgt. Ich wollte immer mitmachen! Aber nein, als Faultier bin ich noch nicht mal zum Casting zugelassen worden, das ist so diskriminierend! Nur, weil mein Sloth-Walk so langsam ist, muss das doch nicht heißen, dass ich nicht zum Modeln tauge!“
Gerhard konnte sich nur schwer das Lachen verkneifen. Zu komisch war die Vorstellung, wie das Faultier versuchte, mit den geschwinden Schnabeltieren mitzuhalten. Wahrscheinlich hätte es gerade erst den Weg zum Laufsteg geschafft und die Show wäre schon vorbei. „Da brauchst du gar nicht so zu schmunzeln, du dumme Schildkröte. Wenn du dich mit einem langweiligen Leben als Journalist zufrieden geben kannst – bitte. Aber ich habe hier meine Chance entdeckt, wie ich durch die Forschung des Meritärs aufgepimpt werden könnte, und dann zeige ich es euch allen!“, fuhr Julica ihn an. OMG, mit Mehl und Wasser!, dachte sich Gerhard, der alte Bäcker, und schloss verzweifelt seine schrumpeligen Augen.Wo sind wir hier denn nur gelandet? Wenn Julica wüsste, dass keine geheime Geheimzutat des Sauerteigs magische Fähigkeiten besitzt und schon gar kein ewiges Leben verleihen konnten.Schon für den quackmoritz. hatte er vielfältige Texte über sagenhaften Sauerteig und rundum rustikale Rezepte in reißerischen Artikeln verfasst.
In dem Moment hörten sie ein klägliches Wimmern, das von der Decke zu kommen schien. Sind das sprechende Stalaktiten?, fragte sich Gerhard. Mensch, dieser Planet hat es wirklich in sich. Er leuchtete mit dem EiPhone in die Höhe. Da ging ein Raunen durch die Menge von Enten, Schnabeltieren und Faultieren, und auch aus Gerhards Mund drang ein erstauntes „Ooooh“, während sich seine schrumpeligen Augen nach oben richteten. An der Decke klebte nämlich, in Form eines riesigen, runden Flatschen, niemand geringeres als Justus. Anscheinend hatte er nicht gerade wenig von dem verheißungsvollen Sauerteig genascht und mutierte nun selbst zu einer teigartigen Masse. Wenn das nicht der (halbwegs) lebende Beweis für Julica war, dass der Sauerteig eben nicht zu einem stählernen, agilen und gewandten Körper verhilft.
Julica schien tatsächlich leicht verschreckt. Fast schon apathisch starrte sie an die Decke und sah wahrscheinlich vor ihrem geistigen Auge den Opel Adam an sich vorbei ziehen und im Wegfahren ihr noch einmal höhnisch zuwinken. Lila kicherte. „Das sieht mir aber nicht nach den geforderten 90-60-90 aus.“ Gerhard hingegen ergänzte nüchtern: „Naja, aber das würde auf jeden Fall gut in den Cast passen, wenn die wieder Diversity fordern. Ein Teigtier hatten die bestimmt noch nie.“ Lila prustete: „Ich hätte auch schon Ideen für die nächsten Titelsongs: Eye Of The Teiger oder Teig It Away, Teig It To The Limit.“ – „Country Roads, Teig me Home …“, summte Gerhard verzweifelt mit letztem Willen. Er hatte doch eigentlich nur die Enten fotografieren wollen, wie er es immer tat, und nun stand er unter der Erde, mit einem Faultier, was sich mit einem Klumpen Teig zum Topmodel backen wollte und einem Schnaballontier an der Decke. Aber halt, die Enten! Seine eigentliche Mission war vor lauter Aufregung mal wieder völlig in Vergessenheit geraten!
Gerhard holte schnell die Kamera aus seinem Panzer hervor und knipste, dieses Mal äußerst auffällig mit dem Blitz, in den dunklen Gang hinein. Zufrieden schaute er sich das Bild auf seiner Kamera an. Doch was war das für ein dunkler Schatten, den er in der Ecke des Fotos erkennen konnte? Er zoomte näher in das Bild hinein und konnte die markanten Umrisse der Meritär-Rüstung erkennen, bestimmt eines ganzen Dutzend davon. „Sie kommen!“, wisperte er den anderen panisch zu, während bereits schwere Schritte durch den dunklen Gang hallten und sich bedrohlich schnell näherten. „Julica, das wäre der perfekte Moment für einen deiner Brandangriffe, so wie du auch schon den ganzen Wald niedergefackelt hast!“ Das Faultier riss panisch, aber quälend langsam die Augen auf. „Aber das mit dem Brand war ich nicht, das war Cornelius!“ Gerhard rutschte fast die Brille von der Schildkrötennase. „Also doch! Ich wusste es! Er wollte einen neuen Fall erschaffen!“ „Nein“, überlegte Lila, „sein Plan war es, unser Mudix-Hauptquartier niederzubrennen.“ Julica schüttelte den Kopf. „Ihr liegt beide falsch! Cornelius würde niemals einen Brand für so etwas Banales legen! Es war ganz bestimmt …“ Doch weiter kam sie nicht, denn in diesem Moment quoll ein gewaltiger Sauerteig aus dem angrenzenden Raum, der alles zu verschlingen drohte …
Ein guter Teig braucht Zeit zu gehen – und auch die unendliche Geschichte braucht Zeit und geht jetzt in eine wohlverdiente Sommerpause. Damit sagen wir: Ente gut, alles gut? Naja, wenn es nicht gut ist, dann ist es auch nicht das Ente. Und somit versprechen wir euch eine zweite Staffel der unendlichen Geschichte!
Einfach mal abheben in ein anderes Universum, auch dafür ist der webmoritz. da! Ihr könnt jeden Freitag ein anderes Redaktionsmitglied auf einem neuen Teil der intergalaktischen Reise unserer unendlichen Geschichte begleiten. Die Rahmenbedingungen haben wir in einer gemeinsamen Sitzung aus unseren Ideen zufällig ausgewürfelt, danach haben wir die Geschichte jedoch der individuellen Kreativität und Gnade unserer Redakteur*innen überlassen. Wohin die unendliche Geschichte führen wird, ist für uns also auch noch ungewiss, aber wir bieten Corona-Craziness, Ärger und Spaß ohne Ende – garantiert!
Was bisher geschah … Gerhard Schmitt, Galapagos-Schildkröte, Investigativjournalist und Entenfotograf, landet als blinder Passagier in dem Enten-Raumschiff Große Kosmische Ente ganz schön holprig auf dem Planeten Meridia (Teil 1). Hier beginnt ein großes Abenteuer für den mutigen Schildkröterich. Als er Justus, das kleine Schnabeltier, kennenlernt, dessen Vater genauso wie die Enten vom Meritär entführt wurde (Teil 6), muss er auf einmal selbst zum Helden werden. Gemeinsam suchen sie die Mudixe auf (Teil 7), die absolut mudixten Journalist*innen des Planeten, die zu wissen scheinen, wo sich das geheime Meritärlager befindet. Nach einem Waldbrand, einem Sprung in ein schier bodenloses Loch und grauenvollem Shanty-Gesang (Teil 11), landet Gerhard schließlich im Geheimlager des Meritärs, wo er nicht nur Justus‘ Vater findet, sondern auch … seinen Sauerteig (Teil 12).
Teil 13 –Gerhard auf Rettermission
Nachdenklich schaute sich Gerhard um. Sollte er es wagen und den kostbaren Sauerteig an sich reißen, bevor er auf dem Rückweg vielleicht nicht mehr die Möglichkeit dazu hatte? Aber was, wenn er sich dabei erwischen ließ? Er hielt sich ja ohnehin schon auf gefährlichem Untergrund auf. Während seine Gedanken in alle Richtungen kreisten, bewegte er sich ganz langsam auf die Tür zu. Noch kurz bevor er diese aufstoßen und auf den Schreibtisch zustürmen – beziehungsweise galapagosschnell schlendern – wollte, schoss ihm ein Geistesblitz durch seinen schildkrötenschlauen Kopf. Es waren schon viel zu viele Tage vergangen, in denen der kostbare Sauerteig nicht an einem kühlen Ort gelagert hatte. Die Chancen auf Leben schienen also sehr schlecht und selbst wenn er noch um sein Leben kämpfen wollte, müsste Gerhard ihn umgehend mit Mehl und Wasser füttern. Daran war in diesem Moment jedoch nicht zu denken. Er entschied sich also, sich lieber um diejenigen mit besseren Überlebenschancen zu kümmern, und den kleinen Justus, dessen Biker-Vater und die Enten zu retten.
Nach einer langen Sauerteig-Schweigeminute begab er sich zurück auf seine Mission. Schon zu viel Zeit hatte er verschwendet und damit das Risiko erhöht, in die Arme des Meritärs zu kriechen. Nachdem er die zweite Abbiegung links genommen hatte, war er endlich fast da. Dabei war er an auffallend wenig Türen vorbei scharwenzelt. Außer hellbraunen Betonwänden, einer kleinen Glühbirne an der Decke und ein, zwei Ratten hier und da schien er ganz alleine zu sein. Endlich angekommen suchte er nach einer Tür. „Du siehst das Büro gleich nach der zweiten Abbiegung links, nachdem du den dunklen Weg entlanggelaufen bist“, hatte Justus‘ Vater gesagt. Diese Beschreibung schien in sich schon unstimmig zu sein. Er, als Galapagos-Schildkröte, konnte nicht im Dunkeln sehen, wie sollte also das Büro des Meritär-Marshalls für ihn leicht zu erblicken sein? Er hätte seine Verwunderung und Empörung nicht herunterschlucken, sondern zu Wort bringen sollen, dann würde er jetzt nicht so dumm rumstehen. Unwissend und blind tastete er sich an der Betonwand entlang. Wenigstens ein Stück Holz aus dem Wald hätte er sich als Waffe mitnehmen sollen, dachte er wütend. Aber noch vor dem Waldbrand hatte er ja gar nicht mit solch einem schnellen Wechsel an Ereignissen rechnen können.
Plötzlich verlor er den Halt und rollte rücklings auf seinen Panzer. Vor lauter Schreck verkroch er sich in sein Häuschen, verlagerte sein Gewicht gekonnt auf eine Seite, um sich mit einer weiteren 90-Grad-Drehung zurück auf seinen Bauch zu drehen, und wartete ab. Wie kam es eigentlich, dass er derjenige war, der sich die ganze Zeit aus Furcht in seinem Panzer verstecken musste? Er war es doch, der in seinen 66 ½ Jahren so viele furchteinflößende Dinge erlebt und gesehen hatte, die aus ihm einen mutigen Investigativjournalist gemacht hatten! Peinlich berührt von sich selbst lugte er aus seinem Häuschen hervor. Doch wider Erwarten konnte er noch immer nichts sehen. Er tastete nun etwas hastiger seine Umgebung ab. Schließlich hatte er schon viel zu lange bis hierher gebraucht und nun wusste er nicht einmal, wohin er gekugelt war. In seinem Glück (oder war es doch Können?) drückte er aus Versehen auf einen Lichtschalter neben sich.
Vor ihm erhellte sich ein Raum. In diesem standen ein metallener Schreibtisch, ein hölzerner Stuhl und ganz viele Bücher wild auf dem Boden verteilt. Das war es also, das Büro des Meritär-Marshalls. Verschlossen lediglich mit einem dünnen Tuch, das an einer Vorhangstange hing und durch welchen er in das Büro gerollt war. Diese Meritärs schienen sich hier ja sehr sicher zu fühlen. Oder hatte er sich gerade in eine Falle begeben? Aber wieso sollte Justus‘ Biker-Vater ihn anlügen? „Lieber keine Gedanken verschwenden und sich dem wesentlichen Plan widmen“, redete sich Gerhard ein. Seine größte Stärke bestand nun mal nicht im Davonlaufen. Umso länger er brauchte, desto wahrscheinlicher war es, dass er am Ende auch hinter Gittern saß. Und das würde ihm womöglich noch den Beruf kosten. Fraglich, ob er jemals freikommen würde und wenn ja, würden sie ihn höchstwahrscheinlich mit diesem Narzissten Cornelius von Nussingen vergleichen. Das wäre sein größter Albtraum. Folglich suchte er den Schreibtisch ab, auf dem sich alle möglichen Zettel, Landkarten, ein Monokel und – siehe da – ein Schlüsselbund befanden. Entschlossen griff Gerhard danach, packte den Schlüsselbund in sein Häuschen und machte sich klimpernd davon.
Mit jedem Schritt stieg seine Panik. Er war so langsam und so laut, dass ihn jeder, der sich nicht allzu dumm anstellte, einfach schnappen und einsperren konnte. Zu seiner Verwunderung schien ihn jedoch niemand hören zu können. Es schien allgemein niemand da zu sein. Dies ließ die Angst in ihm nur noch mehr steigen. Sein gesamter Körper begann zu zittern, was das Klimpern des Schlüsselbundes nur noch verstärkte und infolgedessen das Zittern immer schlimmer werden ließ. Der Rückweg schien nie enden zu wollen. Hätte er gewusst, was auf Meridia auf ihn zukommen würde, wäre er nicht in dieses Raumschiff gestiegen, ging es ihm durch den Kopf. Dies war jedoch zugleich seine Chance, auf Meridia Bekanntheit zu erlangen. Dieser ach so schlaue Cornelius war schließlich nicht ansatzweise so mutig und kompetent wie er!
Endlich zurück bei den Zellen angekommen, riss er sich zusammen, um seine Angst vor den anderen zu verstecken und unerschrocken zu wirken. „Da bist du ja endlich! Wir dachten schon die Meritärs hätten dich geschnappt und ebenfalls eingesperrt“, rief ihm Justus Vater zu. Das Pokerspiel schienen sie mittlerweile beendet zu haben, denn das Brett lag auf dem Boden und sie ritzten stattdessen mit einem Nagel auf den Tisch. „Natürlich habe ich es ohne gefangen zu werden zurückgeschafft. Hier ist der Schlüssel“, erwiderte Gerhard, während er den Schlüsselbund aus seinem Haus friemelte und Justus Vater reichte. Die Enten wedelten schon ganz wild und aufgeregt mit ihren Flügeln. Welch entzückendes Schauspiel, dachte sich Gerhard und knipste unverhofft ein Bild. Das war gefundenes Fressen für den quackmoritz. und würde seine Karriere noch weiter vorantreiben.
Doch zu seiner Überraschung rannten die Enten und Justus‘ Vater nicht wie gedacht in Richtung Ausgang, sondern stellten sich als geballte Mannschaft hintereinander auf und machten gleichzeitig komische Bein- und Armbewegungen, die man sonst nur vom Militär kennt. „Was soll das? Wir müssen uns beeilen, Justus holen und dann schnell hier raus!“, rief Gerhard wütend und verwirrt. „Aber nein, Gerhard, wir sind hier, um die Meritärs zu besiegen! SEID IHR BEREIT, KAMERADEN?“, brüllte Justus‘ Vater, worauf die Enten gleichzeitig „A.M.A.B. – A.M.A.B.!“ schrien und in Richtung des Büros des Meritär-Marshalls marschierten. „Oh nein, das kann nicht gut gehen“, betrachtete Gerhard ungläubig das Geschehen. Anders als erwartet schienen sie in seiner Abwesenheit einen Plan geschmiedet zu haben, das Meritär zu überwältigen und Rache zu nehmen. Sie rechneten jedoch nicht damit, dass sie im Büro und auf dem Weg dahin niemanden vorfinden würden. Gerhard war schließlich keinem einzigen Meritär begegnet, was ihn in diesem Moment zum Nachdenken brachte: „Justus!“, schoss es ihm plötzlich in den Kopf. „ALLESAMT UMDREHEN“, schrie Gerhard so laut er konnte. Im selben Moment hörte er ein Klicken direkt hinter ihm. Er blieb wie erstarrt stehen. Die anderen hatten es wohl auch gehört, denn keiner bewegte sich mehr, bis sich Justus‘ Vater umzudrehen schien und urplötzlich ein lauter Knall ertönte. „Das Meritär hat Justus geschnappt und jetzt werden sie uns drankriegen“, darüber war sich Gerhard sicher.
Und schon wieder ist Gerhard in eine brenzlige Situation hineingeschlittert, oder eher gekugelt. Aber wird er dieses Mal auch wieder entkommen können? Ist für Justus, seinen Vater und die Enten wirklich alle Hoffnung verloren? Wird es Gerhard noch gelingen, all die ungeklärten Fragen mit seinen investigativen Fähigkeiten aufzuklären? Oder wird es am Ende vielleicht sogar für unseren Haupthelden zu spät sein? Die Antworten darauf und auf mehr erhaltet ihr nächste Woche in unserem großen (Staffel-)Finale der unendlichen Geschichte!