Alle Jahre wieder weihnachtet es auch beim webmoritz.! Hier wird Weihnachtsmusik gedudelt, werden Plätzchen gebacken und Geschichten der vergangenen, diesjährigen und zukünftigen Weihnacht unter flackernden Lichterketten geraunt. Einen Teil dieser besinnlichen Stimmung möchten wir wieder in unserem Adweb.kalender mit euch teilen. Hinter dem 5. Türchen erwartet euch: das erste Abenteuer des abenteurigen Streifenhörnchens Cornelius von Nussingen.

Durch das löchrige Blätterdach fiel ein Tropfen schmelzenden Schnees auf Cornelius’ spitze Nase. Er schüttelte den pelzigen Kopf, sah wütend nach oben, dann wieder voller Enttäuschung hinab auf die Papiere, über denen er gerade gebrütet hatte. Natürlich nur metaphorisch gesprochen, Streifenhörnchen brüten immerhin nicht – und selbst wenn sie es täten, wäre er der letzte, der sich um eine solche Aufgabe kümmern würde. Zum einen, da er sich als glücklichen glücklichen Single und erfolgreichen Herzensbrecher verstand, zum anderen, da das Kümmern um ein fiepsendes, nerviges Hörnchenbalg definitiv nichts für ihn war. Vernusst, er konnte ja ohnehin nicht einmal genug Geld aufbringen, um für sich selbst zu sorgen!

Cornelius’ Blick legte sich auf den billigen Stift in seiner Pfote, mit der er in den Rechnungen herum gestrichen hatte, bis die Zahlen halbwegs passten. Nein, überlegte er, der Stift ist doch nicht billig! Billig! Als würde das zu einem bedeutenden Abenteurer und Abenteuerautoren wie ihm passen! Nein, die abblätternde Spitze war natürlich aus echtem Gold, von Zwergkaninchen abgebaut in den Tiefen des Blauen Berges, und das Holz war von unzähligen Ameisen in unterirdischen Grotten auf ihrer Reise zum Mittelpunkt der Erde gewonnen worden. Für ein solches Schmuckstück konnte er sicherlich 200 Goldeicheln von der Steuer absetzen! Er machte eine entsprechende Notiz am Rand des letzten Papiers und lehnte sich danach ein wenig entspannter in seinem Hängesessel zurück. Das sah natürlich schon etwas besser aus in der Gesamtrechnung, aber seine Probleme löste das alles noch lange nicht. Was wollten diese Steuer-Klameraffen überhaupt von ihm! Als wäre Geld eine angemessene Entlohnung für echte Kunst! Denn wen interessierte schon, wie viele Abenteuer er erlebt hatte, durch wie viele Länder er gereist war und was für hochkarätige Romane daraus entstanden waren – wenn die Leute so ungebildet und respektlos waren, blieb der verdiente Lohn für seine atemberaubenden Werke aus. 

Etwas anderes musste her, ein neues Abenteuer, dem sich niemand entziehen konnte! Ein Abenteuer, bei dem ihm jedes andere Streifenhörnchen nur so zu Füßen läge. Mit tragischen Liebesgeschichten, die jede Hörnchendame in Tränen ausbrechen ließen, und wackeren Kämpfen, um die ihn jeder Hörnchenmann beneidete. Oder anders herum, Cornelius war das gleich, Hauptsache sie feierten ihn für seine Heldentaten. Es musste das Abenteuer seiner Ära werden, das man sich an kalten Winterabenden noch in hunderten und hunderten von Jahren ehrfürchtig am Kaminfeuer zuraunte. Nur was?

Wieder tropfte es ihm auf die Nase. Cornelius hob den Blick und merkte, dass es heftiger zu schneien begonnen hatte. Großartig, ausgerechnet jetzt begannen die eisigen Schneestürme. Aber es nüsst ja nix, sagte er sich, und warf seine wichtigsten Sachen in die Umhängetasche: ein nagelneues Notizbuch, mehrere Pakete Proviant (zum Großteil bestehend aus den hervorragenden Nussecken seiner Großtante), eine kleine Einwegkamera aus Plastik (die anderen wurden auf Dauer zu schwer), und seinen Federhut (sein unverzichtbares Markenzeichen). Cornelius atmete noch einmal tief durch und verließ schließlich seinen Kobel. Schritt für Schritt stapfte er tiefer in das Schneegestöber, doch sein Ziel blieb klar: Er musste die âventiure seines Lebens finden.

Beitragsbild: Julia Schlichtkrull