von Gastautor*in | 05.04.2011
Eine Rezension von Arvid Hansmann
Gigantische Luftschiffe über einem zerbombten Labyrinth von Schützengräben, feuerspeiende Drachen im Schlachtgetümmel, futuristische Städte mit High-Tech-Waffen – und fünf leicht bekleidete junge Damen, die auf alles schießen, hauen oder stechen, was sich bewegt – vermeintliche Zuckerpuppen, die sich mit dem Mut der Verzweiflung gegen die Demütigungen ihrer martialisch-patriarchalen Umwelt zur Wehr setzen –und das Ganze vorangetrieben von manisch-wilder Musik. Dies scheinen doch genügend Zutaten zu sein, um einen großen Hollywoodfilm zu schaffen. Und doch bleibt da eine Leere zurück, wenn man die rund 110 Minuten von „Sucker Punch“ (z. dt. etwa „Boxhieb ohne Vorwarnung“) als Kinobesucher durchflossen hat; das trainierte jugendliche Auge benötigt, um die Bildfolge nicht zum psychedelischen Rausch jener Jahre werden zu lassen, auf die der adaptierte Jefferson-Airplane-Klassiker „White Rabbit“ verweist.
Wie Alice im Wunderland?
Wie „Alice im Wunderland mit Maschinengewehren“, so beschreibt Regisseur Zack Snyder sein neuestes Werk. Referenzobjekt wird hier sogleich die jüngste Verfilmung der Geschichte (2010) durch Tim Burton, jenes Meisters des grotesk überzeichneten Leinwandspektakels, der hier durch die Disney-Produzenten zur Mäßigung gedrängt worden war. Jedoch äußerte sich diese Mäßigung nicht in den Bildern: Die Welt die sich für die junge Alice im Kaninchenbau auftat, steht den Szenarien in Snyders Film in ihrer visuellen Fantasie kaum nach. Das, woran es beiden Filmen mangelt, ist der Mut zu einer innovativen, beziehungsweise konsequenten Geschichte.
Es ist das große Dilemma Hollywoods, das man dort nur äußerst selten bereit ist, ein intelligentes Narrativ mit einem entsprechenden audiovisuellen Horizont zu vereinen. Die Bilder besitzen mitunter eine so subtile Mehrschichtigkeit und eine so reiche Semantik, dass man sich immer wieder fragt, warum dies nicht auch auf die Ausgestaltung der Charaktere und den Handlungsverlauf übertragbar ist.
The Dormouse never said „Feed your head.“
In der Irrenanstalt steht Babydoll eine Lobotomie bevor. Wenn sie ihre eingängige Version von "Sweet Dreams" vorträgt, erhält man hier den Quellennachweis.
In „Sucker Punch“ ist die Protagonistin ein junges Mädchen (Emily Browning), das nach dem Tod seiner Mutter vom bösen Stiefvater in eine Irrenanstalt gebracht wird, wo ihr nach wenigen Tagen eine Lobotomie, also die Auslöschung ihrer Persönlichkeit, bevorsteht. In dieser scheinbar ausweglosen Situation lernt sie in der Theatergruppe einer ebenso hilfsbereit, wie hilflosen Therapeutin (Clara Gugino) vier weitere Mädchen kennen. Diese imaginieren die trostlosen Gefängnisräume als Szenerie eines Revuetheaters, in dem der sadistische Anstaltsleiter (Oscar Isaac) zum schmierigen Nachtclubbesitzer wird. Zwischen den Schwestern „Sweet Pea“ (Abbie Cornish) und „Rocket“ (Jena Malone), der dunkelhaarigen „Blondie“ (Vanessa Hudgens) und der Asiatin „Amber“ (Jamie Chung) wird nun der Neuankömmling als „Baby Doll“ zum eigentlichen Star. Zum einen vermag sie durch ihre Tänze die anwesende Männerwelt zu betören und hegt zum anderen konkrete Pläne, aus diesem Verlies auszubrechen, wozu sie auch ihre Freundinnen animiert.
Der eigentliche Reiz des Filmes besteht nun darin, dass sie sich mit jedem Tanz im Geiste in ein gigantisches Kampfszenario begibt. Hier wird nun sowohl im Narrativ, als auch in der Ästhetik in direkter Weise zu einem anderen Medium Bezug genommen: dem Computerspiel. Jeder Kampf bildet ein „Level“, in dem zunächst durch einen Auftraggeber das zu erreichende Ziel vorgegeben wird. Diese Aufgabe übernimmt hier Scott Glenn, der im Betrachter Assoziationen zum mittlerweile zwanzig Jahre alten „Das Schweigen der Lämmer“ weckt, wo er als väterlich-besorgter FBI-Agent die junge Clarice Starling zu Hannibal Lecter schickte.
Nach einem „Einführungslevel“, in dem „Baby Doll“ ihre Ikonographie als „Schulmädchen mit Samuraischwert“ erhält, wobei die blondierten Zöpfe, die melancholischen Augen und der Schmollmund das utopische Schönheitsideal der Mangawelt noch steigern, erwarten die fünf Mädchen gemeinsam drei weitere Level, die sich quasi paradigmatisch in die Genreklassifizierung des „Cyberspace“ einfügen. Dabei ist es diesem Film durchaus positiv anzurechen, wenn er die Kategorien „History“, „Fantasy“ und „Science Fiction“ zunächst in ihrer Fassadenhaftigkeit offen legt: das Prinzip „alles abknallen, was sich bewegt“, ist stets das gleiche. Spannend ist jedoch, zu sehen, wie auf einer zweiten Ebene das Bewusstein für „Geschichte“ ikonographisch kanonisiert wird.
Es mag zumindest den „gebildeten Europäer“ freuen, wenn im Szenario „Erster Weltkrieg“ neben den Schlaglichtern „Schützengraben“, „Zeppelin“ und „Doppeldecker“, sowie der Lokalisierung „Frankreich“ durch die skelettierte Kathedrale (wobei es unsicher ist, ob es sich um die wirklich im Krieg beschädigte in Reims oder die plakativere in Paris handeln soll), die „bösen Deutschen“ auch Pickelhauben und nicht nur Stahlhelme tragen und dass hier höchsten ein Ritter- aber kein Hakenkreuz etwas verloren hat und so vielleicht ein Hauch von einem „didaktischen Erfolg“ die amerikanischen Rezipienten erreicht.
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Im Szenario „mittelalterliche Drachenburg“, in dem geharnischte Ritter auf Orks treffen (die vermutlich Peter Jackson kostengünstig abzugeben hatte), dient den fünf Kämpferinnen ein B-25-Bomber als Transportmittel und im dritten Szenario, durch das ein futuristischer Zug rast, der von technokratisch-sterilen Cyborgs bewacht wird, kommt ein Bell-UH-1-Hubschrauber zum Einsatz. Damit wird auf die beiden weiteren prägenden amerikanischen Kriegsschauplätze des 20. Jh. verwiesen. Ob nun die „Vernichtung des menschenverbrennenden Monsters“ auf Hitler und das „Scheitern der Mission“ auf Vietnam verweist, bleibt Interpretation. Festzuhalten bleib jedoch das diese Akzentuierung in der Geschichtsrezeption, oder besser –konstruktion durch den Film weiter unterstrichen wird.
„Da brauch’n ma Maschinengewehre und Stinger-Raketen, sonst wird das nischt!“
Das Bewusstsein dafür, dass man spätestens jenseits des kommunikativen Gedächtnisses, das mit dem letzten „persönlichen Zeugen“ (der auch alles andere als „objektiv“ ist) stirbt, so etwas wie eine „geschichtliche Wahrheit“ vergeblich sucht, hat Regisseur Zack Snyder bereits 2006 mit „300“ exemplarisch aufgezeigt. Der selbstaufopfernde Kampf der Spartaner gegen die persische Übermacht an den Thermopylen hatte sicher schon in der antiken Überlieferung die Funktion, patriotische Kampfestreue zu beschwören, wurde also aus einer späteren Zeit sinnstiftend interpretiert. Das zynische Grinsen, mit dem Gerald Butler dem König Leonidas ein äußerst einprägsames Gesicht verlieh, gab der Bildfreude am Gemetzel eine Ambivalenz, die zwischen der absoluten Hingabe für eine „höhere Sache“ und blankem Fatalismus schwankte. Die Popularität, die der Film gerade durch seine Parodien erhielt (von denen hier die Synchronisation des Mansfelder Anarcho-Duos „Elsterglanz“ besonders lobend hervorgehoben sein soll), wird auch die Feldlager im Irak und in Afghanistan erreicht haben. Ob dies die Opferbereitschaft für „Heim und Weib“ gesteigert hat, bleibt zu hinterfragen.
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Abbie Cornish bei der Berlinale 2006, wo sie mit Heath Ledger das Drogendrama „Candy“ präsentierte.
Bei „Sucker Punch“, das nicht wie „300“ oder „Watchmen“ (2009) auf einer Comic-Vorlage basiert, sondern von Snyder zusammen mit seiner Frau Deborah ausgearbeitet wurde, wird jene zynische Ambivalenz durch das moralisierend gerechte Finale verwässert. Wenn sich die Heldin dieser Passionsgeschichte als Opferlamm mit Tigerkrallen zur Wehr setzt und sich ihr am Ende das Lobotomiewerkzeug gleich einem Kreuzesnagel nähert, fragt man sich, was denn hier das „Evangelium“ sein soll. Ist die amerikanische Moral von der „Erlösung des Individuums aus dem eigenen Willen heraus“ wirklich tragfähig? Hätte nicht die Konsequenz eines resignativen Szenarios, wie es Frank Miller ja bereits in „Sin City“ (2005) vorgegeben hatte, animierender auf den Zuschauer gewirkt?
Sicher erscheint es völlig am Ziel der Produzenten und wohl auch am Gros der Rezipienten vorbeigeschossen, hier wenigstens einige Züge von Brechts „epischem Theater“ einzufordern (oder zumindest das Rachelied seiner „Seeräuber-Jenny“). Doch hätte Snyder nicht die in ihren Ansätzen und in ihrer ästhetischen Gestaltung dafür prädestinierten Figuren mehr parabelhaft wirken lassen sollen? In den Level-Sequenzen hat er den Zuschauer ja zum passiven „Gegenüber“ gemacht – was den Reiz eines Computerspiels schnell abtötet.
Resümierend bleibt festzuhalten, dass „Sucker Punch“ als „Bildorgie“ durchaus innovatives Potential besitzt, dieses aber durch die inkonsequente Dramaturgie wieder verspielt. Man braucht hier nicht den Vergleich zu Julie Taymors Shakespeare-Verfilmung „Der Sturm“ (2010, in Deutschland leider noch nicht erschienen) zu unternehmen, bei dem die Geschichte auf einer nackten Theaterbühne ebenso gut wirken würde – eben deshalb, weil sie für die Theaterbühne geschaffen wurde. Die Möglichkeiten des Kinos und gerade der digitalen Technik sollten aber auch Dramaturgen animieren, über konventionelle Grenzen hinwegzudenken.
Ob nun – gerade in unseren Tagen – das Thema Krieg unbedingt die Hauptquelle für die phantastische Ausgestaltung sein muss, könnte man anprangern. Gerade hier wäre die Abstraktion das zu ersehnende Ziel. Der Staufer-Kaiser Friedrich II. hatte einst im 13. Jahrhundert auf einem Schachbrett um Jerusalem gekämpft – so erzählt es uns Guido Knopp. Sollten wir ihn bei seiner Welterklärung zumindest in diesem Punkt einmal unterstützen, anstatt aus unserem Elfenbeinturm auf tönernem Fundament verächtlich auf ihn herabzublicken
Fotos: Warner Bros (keine CC-Lizenz), Arvid Hansmann (Abbie Cornish, moritz-Archiv)
von radio 98eins | 04.04.2011
Pünktlich zu den Semesterferien sind wir wieder zurück – und checken gleich mal die Kultur in Greifswald. Stefan Fassbinder, der Leiter des Bereiches Landesgeschichte, wird uns viel über das Pommersche Landesmuseum erzählen. Wer denkt, dass das Museum nur verstaubte Exponate zu bieten hat, der irrt. Interaktiv Entdecken heißt das Zauberwort. Am Dienstag, den 5. April klären wir dann von 22 bis 23 Uhr wie man auf die Idee einer Ausstellung kommt, wie viel man dafür recherchieren muss und wie man an die ganzen Exponate rankommt. Also, schaltet ein auf Radio 98eins!
Stefan Fassbinder
Kurz und prägnant: Einschalten am 5. April um 22 Uhr, Sendung über das Pommersche Landesmuseum genießen und dann ins Museum gehen
Und hier kann man das alles über den Livestream hören.
von Marco Wagner | 31.03.2011
Oberbürgermeister Dr. Arthur König hofft, an den Erfolg von vor zehn Jahren anknüpfen zu können.
Der Bürgerschaftssaal war am vergangenen Dienstag, den 29. März bis auf den letzten Platz gefüllt. Ein geplanter Marsch von vermutlich 500 Neonazis gab Anlass zur Bürgerversammlung. Von Beginn an sind sich alle Beteiligten darin einig, dass Neonazis in Greifswald nichts zu suchen haben und dass man an den antifaschistischen Protest aus dem Jahre 2001 anknüpfen wolle. „Ich erinnere mich heute noch gerne an den Protest von vor zehn Jahren“ – mit diesen Worten eröffnete Oberbürgermeister Dr. Arthur König (CDU) die Versammlung. Auch die übrigen Teilnehmer, die die Proteste von vor zehn Jahren mitorganisierten, schwelgten immer wieder in Erinnerungen an den großen Bürgerprotest gegen die Wiederkehr der Braunhemden.
NPD-Demo einzige Großveranstaltung im Nordosten
Christine Dembski (SPD), Präventionsbeauftragte der Stadt Greifswald, hob zu Beginn der Veranstaltung hervor, dass es die einzige Großveranstaltung der NPD im Nordosten sein werde und sie für den Wahlkampf der NPD ein wichtiger Meilenstein sei. Bereits zu Beginn der Veranstaltung stand fest, den Protest gegen die Neonazis mit dem Demokratiefest des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) verknüpfen zu wollen. Engagiert wurde darüber diskutiert, wie eine solche Verknüpfung stattfinden könne. Die einen schlugen vor, der Demonstrationszug solle vom Markt nach Schönwalde I verlaufen, Christine Dembski regte die umgekehrte Richtung an. Mignon Schwenke (Die Linke.) machte sich in der Diskussion dafür stark, die gesamten Protestaktionen in Schönwalde konzentrieren zu wollen. „Wenn ein Demokratiefest, dann nicht auf dem Markt, sondern näher am Geschehen“, hob Schwenke in der Debatte hervor. Ihr Parteigenosse Dr. Gerhard Bartels entgegnete, dass der Markt aus Prinzip nicht hergegeben werden sollte. „Wir sollten überlegen, dass Friedensfest des DGB als Finale anzusehen“, so Bartels weiter und plädierte für die umgekehrte Route.
StuPa-Präsident Erik von Malottki wünscht sich eine Verlegung der Aktionen nach Schönwalde.
Neben Vertretern der Greifswalder Schulen und Sportvereine, waren auch Unikanzler Dr. Wolfgang Flieger und Erik von Malottki, Präsident des Studierendenparlamentes anwesend. „Wenn wir Schönwalde den Nazis überlassen würden, wäre das ein schlechtes Zeichen. Mir wäre es am liebsten, wenn das Demokratiefest in Schönwalde stattfinden würde“, schlug von Malottki vor. Ebenfalls vorgeschlagen wurden von Versammlungsteilnehmern das Abhalten öffentlicher Fraktionssitzungen, die Bildung von Menschenketten sowie großflächiges Plakatieren von öffentlichen Gebäuden, wie es in Anklam und Neustrelitz bei Neonaziaufmärschen getan wurde. Insgesamt solle der Protest möglichst bunt gestaltet werden, um so einen Kontrast zu den uniformierten Neonazis darzustellen.
Greifswald ist bunt – Kein Ort für Neonazis
Am Ende der Bürgerversammlung wurde sich auf das Protestmotto „Greifswald ist bunt – Kein Ort für Neonazis“ geeinigt. Zudem soll es zu einer Reaktivierung der Freitagsrunden kommen. Die Freitagsrunden sind nach den Demonstrationen gegen den Neonaziaufmarsch im Jahre 2001 entstanden, das Initiativen zur Förderung von Demokratie und Toleranz in Greifswald unterstützte und forcierte. Das nächste Treffen des breiten Bürgerbündnisses gegen die Neonazis soll am 5. April um 17 Uhr im Rathaus stattfinden.
Alternative antifaschistische Initiativen kündigen ebenfalls Protestaktionen an. Wie aus einer Pressemitteilung der Antifaschistischen Aktion Greifswald hervor geht, soll der Aufmarsch behindert „und am besten sogar verhindert“ werden. Claudia Schneider, Sprecherin der Greifswalder Antifa, hofft, „dass sich die Bevölkerung, ähnlich wie in anderen Städten dazu aufrafft, dem Aufmarsch mit Blockaden entgegen zu treten.“ Wie aus der Pressemitteilung hervor geht, plane die Greifswalder Antifa ebenfalls, ein Aktionsbündnis ins Leben zu rufen. Nach Informationen des webMoritz werden sich neben dem städtischen Bürgerbündnis und der Greifswalder Antifa auch der Arbeitskreis Kritischer Juristinnen (AKJ), Jungsozialisten (Jusos), Grüne Hochschulgruppe, linksjugend [’solid]/ SDS Greifswald sowie die Greifswalder Sektion der Hedonistinnen und Hedonisten an Protesten gegen den Neonaziaufmarsch beteiligen.
Fotos: Gabriel Kords (Arthur König), Christine Fratzke (Erik von Malottki), Oliver Cruzcampo/Endstation Rechts (Artikelbilder, ohne CC-Lizenz)
Anmerkung der Redaktion: An dem Beitrag wurden geringfügige Korrekturen vorgenommen.
von Marco Wagner | 22.03.2011
Dieses Jahr will Udo Pastörs durch Greifswald marschieren.
Nazis wollen erneut versuchen, in Greifswald Fuß zu fassen. Nachdem im vergangenen Jahr die NPD damit scheiterte, einen Stand auf dem Greifswalder Fischmarkt aufzubauen, will sie am 1. Mai erneut den Versuch starten, in Greifswald auf sich aufmerksam zu machen.
Wie aus einer Mitteilung des Informationsdienstes Nena.MV hervor geht, planen die neuen Nationalsozialisten einen Aufmarsch durch die Universitäts- und Hansestadt. Angemeldet wurde die Versammlung von Michael Grewe, Landesorganisationsleiter der NPD. Geht es nach dem Willen und Wünschen der Rechtsextremisten, sollen bis zu 500 Neonazis am ersten Mai in die Hansestadt kommen.
Aufmarschgebiet ist Schönwalde I und II
Vom Südbahnhof beginnend, wollen die Neonazis über den Ernst-Thälmann-Ring durch die Stadtteile Schönwalde I und II marschieren. Als prominentester Teilnehmer wird Udo Pastörs, Fraktionsvorsitzender der NPD im Mecklenburg-Vorpommerschen Landtag, erwartet. Darüber hinaus hat der Landtagsabgeordnete Tino Müller seine Anwesenheit angekündigt. Nach Informationen der Universitäts- und Hansestadt Greifswald wollte die Stadt im Vorfeld der Demo ein Koordinationsgespräch mit den Rechtsextremisten führen, was diese jedoch ablehnten.
Oberbürgermeister Dr. Arthur König kündigte einer Pressemitteilung der Stadt Greifswald zufolge an, in enger Abstimmung mit der Polizei versammlungsrechtliche Schritte gegen die angemeldete Versammlung unternehmen zu wollen. „Dabei wird auch entschieden, ob Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot vorliegen. Sollte die Chance bestehen, die Demo zu verbieten, werden wir diese natürlich nutzen. Parallel dazu sind alle Greifswalder aufgerufen, sich gemeinsam der NPD entgegenzustellen. Wir wollen den menschenverachtenden Parolen mit bunten und vielfältigen Aktionen antworten. Dazu sind die Ideen aller Demokraten gefragt“, so König abschließend.
Bürgerschaft will über Gegenwehr beraten
Wie Andrea Reimann, Pressesprecherin der Stadt Greifswald, mitteilt, wird am kommenden Montag das erweiterte Präsidium der Bürgerschaft zusammentreten, um über eine gemeinsame Strategie gegen die Neonazis zu diskutieren. In der kommenden Woche möchte der Oberbürgermeister Vereine, Verbände und Initiativen ins Rathaus einladen, um gemeinsam Pläne für eine Gegenaktion zu schmieden. Bei den Vorbereitungen wolle man auch auf die Erfahrungen der Gegendemonstration von vor zehn Jahren zurückgreifen. Institutionen und Vereine, die Aktionen gegen den Aufmarsch der neuen Nazis unterstützen wollen, können sich an die Koordinatorin des Präventionsrates Dr. Christine Dembski wenden.
NPD möglicherweise nicht im kommenden Landtag vertreten
Ob die NPD erneut im Schweriner Landtag residieren wird, ist bislang fraglich.
In den vergangenen Monaten sind Neonazis in Greifswald vorwiegend durch Graffitis in der Innenstadt aufgefallen, mit denen sie gegen Homosexuelle hetzten und für die Mitgliedschaft in einer angeblich existierenden Nationalsozialistischen Hochschulgruppe warben. Zudem beschädigten Greifswalder Rechtsextremisten in der Vergangenheit Banner des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Universität Greifswald und besprühten oder beklebten an mehreren Orten und Gebäuden der Stadt die Adresse ihres Internetportals.
Die NPD, welche am 1. Mai mit möglichst vielen ihrer Kameraden durch die Stadt Greifswald marschieren will, zog vor vier Jahren erstmals in den Mecklenburg-Vorpommerschen Landtag ein. Neuere Umfragen sehen die NPD jedoch nicht mehr im kommenden Landtag vertreten. Nach einer Spiegel-Online Befragung liegt die rechtsextreme Partei gegenwärtig bei 4 Prozent. In Greifswald holte die NPD bei der vergangenen Landtagswahl fünf Prozent der Stimmen, während im angrenzenden Landkreis Ostvorpommern die NPD mehr als doppelt so viele Stimmenanteile (zirka 12 Prozent) holte. An den vergangenen Bürgerschaftswahlen beteiligte sich die rechtsextremistische Partei nicht.
Foto: Torsten Heil (Udo Pastörs, Aufmacher), Erik Jalowy/ jugendfotos.de (Schweriner Schloss)
von Marco Wagner | 16.03.2011
Kinder gedenken mit Kerzen den Opfern der Fukushima-Katastrophe.
„Fukushima ist überall“ war das Motto von bundesweit über 450 Mahnwachen und spontanen Versammlungen, zu denen Vertreter der Anti-Atom-Bewegung aufgerufen hatten. Auch in Greifswald fand eine Mahnwache unter diesem Motto statt. Zwischen 150 und 200 Teilnehmer versammelten sich auf dem Marktplatz und gedachten „eine Minute, nicht in Trauer, sondern in Liebe“ den Opfern der mit dem Erdbeben in Japan einhergehenden Zerstörungen im Kernkraftwerk in Fukushima.
Explosionen und Brände im Kraftwerk
Nach Angaben der ARD fanden in drei von sechs Reaktoren des Kernkraftwerkes in Fukushima Explosionen statt, die jüngste ereignete sich am 15. März im Block zwei. In allen von Explosionen betroffenen Reaktorblöcken wird eine Kernschmelze befürchtet. Wie die Nachrichtenagentur dapd berichtet, liegen in den betroffenen Einheiten die Kernbrennstäbe zum Teil frei, in Reaktor 1 sind 70 Prozent der Brennstäbe beschädigt. Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz teilte in der Tagesschau mit, dass von einer Kernschmelze ausgegangen werden müsse. Die zuletzt 50 verbliebenen Techniker haben inzwischen das Kraftwerk aus Sicherheitsgründen verlassen.
Während Bundeskanzlerin Angela Merkel vor zwei Tagen noch vor „Panikmache“ warnte und zu beschwichtigen versuchte, reagiert sie mittlerweile auf die jüngsten Mahnungen und Proteste der Anti-Atom-Bewegung. Auf einer Pressekonferenz sagte die Bundeskanzlerin, dass die Regierung „angesichts der Lage eine Sicherheitsüberprüfung aller Kernkraftwerke“ durchführen wolle. „Und zwar dergestalt, dass die Kernkraftwerke, die vor 1980 in Betrieb gegangen sind, für die Zeit des Moratoriums außer Betrieb sind“, so Merkel weiter. Zudem wolle man das Moratorium nutzen, die Energiewende zu beschleunigen. Außenminister Guido Westerwelle wollte bis vor einigen Tagen eine Abschaltung der ältesten Deutschen Reaktoren Biblis A und B nicht ausschließen.
„Bundesregierung spielt auf Zeit“
Florian Geyder
Florian Geyder von der Grünen Hochschulgruppe Greifswalds begegnet den Äußerungen der Bundesregierung mit Skepsis. „Die Regierungsparteien spielen mit dem Moratorium nur auf Zeit und wollen sich damit über die Landtagswahlen retten. Wenn Sicherheit oberste Priorität hätte, wie es Angela Merkel sagt, dann würden die Kernkraftwerke nicht mehr am Netz sein“, meinte Geyder gegenüber dem webMoritz.
„Sie müssen handeln, werden aber nur minimal einlenken, um Luft raus zu nehmen“, bewertet der Hochschulpolitiker das Verhalten der Bundesregierung. „Mit dieser Regierung wird es keine großen Veränderungen in diesem Bereich geben“, erklärte Geyder abschließend.
Merkel will Frage der Endlagerung erneut diskutieren
Zudem wolle die Regierung, so Merkel, im Rahmen des Moratoriums auch die Frage der Endlagerung neu diskutieren. Bereits im Dezember vergangenen Jahres sowie im Februar demonstrierten in Greifswald, Lubmin und Umgebung mehrere hundert Menschen gegen die Einlagerung von Castoren im Zwischenlager Lubmin. Als Grund wurden Sicherheitsbedenken sowie eine Befürwortung des Ausstiegs aus der Atomenergie genannt. In einem im Februar mit Stefanie Lemke (Bundesgeschäftsführerin von Bündnis 90/ Die Grünen) geführtem Interview erklärte sie: „Was wir brauchen ist eine ehrliche und offene Suche nach einem Endlager, dass allein wird schon schwierig genug. Vielleicht muss man auch noch hinterfragen, ob der Begriff Endlager überhaupt verwendbar oder nutzbar ist, weil keine Bundesregierung und keine Partei, keine öffentliche Institution wirklich Verantwortung dafür übernehmen kann, dass dieser Müll für Millionen von Jahren sicher gelagert werden kann. Von daher muss man generell eher sagen, dass der Müll eher zwischengelagert wird.“
Endgültige Abschaltung der Atommeiler gefordert
Jochen Stay vom Aktionsbündnis .ausgestrahlt-Gemeinsam gegen Atomenergie hält die dreimonatige Pause in einer Pressemitteilung für Wählertäuschung. „Wir verlangen von der Bundesregierung noch vor den Landtagswahlen die endgültige Stilllegung der Atomkraftwerke. Alles andere ist unglaubwürdig. Angesichts der Ereignisse in Japan ist es nicht nachvollziehbar, wieso nur sieben Reaktoren abgeschaltet werden. Auch die anderen Kraftwerke sind 25 bis 30 Jahre alt und nicht geschützt vor einer Kernschmelze“, erläutert der Pressesprecher der Kampagne. Zudem werden weitere Proteste für die sofortige Abschaltung von Atommeilern am 26. März in Köln, Hamburg und Berlin angekündigt.
Wie von Sara Schlühr, Mitorganisatorin der Mahnwache, zu erfahren war, soll eine weitere am kommenden Montag, den 21. März um 18 Uhr auf dem Marktplatz stattfinden. Sie hebt dem webMoritz gegenüber hervor, dass die Mahnwachen nicht benutzt werden sollten, „um die schrecklichen Ereignisse in Japan für die eigene Atompolitik zu instrumentalisieren. Die Mahnwachen sollten immer im Zeichen des Gedenkens an die Katastrophe stattfinden.“ Damit widerspricht sie den Vorwürfen von Kritikern der Mahnwache, die im Kommentarbereich des webMoritz den Organisatoren Eigennutz unterstellten. Angesichts der derzeitigen Ereignisse in Japan soll nun jeden Montag eine Mahnwache auf dem Greifswalder Marktplatz stattfinden.
Fotos: Christine Fratzke (Kinder mit Kerzen), Florian Geyder (Florian Geyder), KEI/ ja.wikipedia (Kraftwerk Fukushima)
von David Vössing | 15.03.2011
Die Wahl zum Senat wird nicht wiederholt, entschied der Wahlprüfungsausschusses in einer nichtöffentlichen Sitzung. „Die am 11. Januar vom Dekanat der Medizinischen Fakultät an alle Medizinstudenten versendete Wahlwerbemail ist rechtswidrig, der Wahleinspruch wird aber zurückgewiesen“, bestätigte Mike Naujok, Referatsleiter der Allgemeinen Verwaltung dem webMoritz. Aus der 14-seitigen juristischen Begründung geht hervor, dass der Ausschuss keinen direkten Zusammenhang zwischen Wahlergebnis und dem Aufruf der Medizinischen Fakultät sieht. In der Konsequenz bleibt erst einmal alles wie gehabt. Die Kosten für eine Wiederwahl taxierte Naujok auf circa 10.000 Euro.
Kein direkter Zusammenhang zwischen Wahlergebnis und Aufruf der Mediziner
Das Ergebnis wurde erst jetzt bekannt, weil im Wahlprüfungsausschuss auf der Sitzung letzte Woche Donnerstag darüber Stillschweigen vereinbart wurde. Der Ausschussvorsitzende Professor Heinrich Lang fertigte über das Wochenende eine schriftliche Stellungnahme an, über die die Ausschussmitglieder am Montag vor der öffentlichen Bekanntgabe noch einmal einen Blick werfen sollten.
Korbinian Geiger
Die Studenten Solvejg Jenssen, Pedro Sithoe, Thomas Schattschneider und Korbinian Geiger, Alexander Schulz-Klingauf und Frederic Beeskow hatten die Wahl angefochten, weil sie eine unzulässige Wahlbeeinflussung seitens der Medizinischen Fakultät sahen. Dort wurde vor der Senatswahl eine Email aus dem Studiendekanat an alle Medizinstudenten geschickt, in der den Studierenden die Wahlliste „Offene Volluniversität“ zur Wahl nahegelegt wurde. Seitens der Medizinischen Fakultät übernahm dessen Dekan Heyo Kroemer die Verantwortung für den Vorfall, wollte den Vorgang aber rechtlich nicht bewerten.
Wahlanfechter ziehen vielleicht vor Gericht
Damit ist die Anfechtung der Senatswahl aber noch nicht vom Tisch. „Wir Einspruchsführer müssen nach Prüfung der umfangreichen Begründung entscheiden, ob wir das Verwaltungsgericht die Entscheidung der Wahlprüfungskommission überprüfen lassen werden. Ein paar der Wahlanfechter können sich aber wohl vorstellen, vielleicht gegen die Entscheidung zu klagen“, äußerte Korbinian Geiger sich gegenüber dem webMoritz und fügte hinzu: „Der Umfang der Begründung, die mir noch nicht vorliegt, zeigt, dass der Begründungsaufwand für diese Entscheidung des Wahlprüfungsausschusses sehr hoch war.“
Fotos: Gabriel Kords (Geiger), ridcully via flickr (Wahlzettel), sebastian2 via jugendfotos.de (Wahlzettel ausfüllen)