von moritz.magazin | 18.06.2013
MOOCs werden immer bekannter und Professoren machen YouTube zu ihrem neuen Vorlesungssaal. moritz hat geprüft, wie gut ein Onlinestudium an der Universität Greifswald funktionieren könnte.
Seitdem die ersten Vorlesungen von Elite-Universitäten öffentlich auf YouTube zu sehen sind, entwickelten sich immer mehr Angebote für Studierende, an Kursen verschiedenster Universitäten online teilzunehmen. Lehrmaterial wird über einen Server bereitgestellt, Aufgaben werden online abgegeben und bewertet. Diese Möglichkeiten haben sich vor allem an amerikanischen Universitäten verbreitet. Es gibt keine Aufnahmeprüfungen, keine Stundenpläne, man kann sich die Vorlesung zu jedem Zeitpunkt als Video ansehen und jeder kann in seinem individuellen Lerntempo den Stoff bearbeiten. Diese Kurse heißen MOOCs: Massive Open Online Courses. Das Lehrangebot boomt, tausende von Studierenden nehmen das neue Lernen an. Die Universitätsumwelt wird komplett umgekrempelt. Wie wird sie in 20 Jahren aussehen? Wird es dann überhaupt noch das Studium , wie wir es kennen, geben?
Aller Anfang ist schwer
Das computerunterstützte Lernen ist genauso alt wie die Erfindung der Großraumcomputer. Damals nahmen sie noch ganze Räume ein und erbrachten, verglichen mit heutigen Geräten, extrem wenig Leistung. Schon immer gab es Programmierer, die kleine Anwendungen gestaltet haben, mit denen es möglich war, Vokabeln oder mathematische Formeln zu lernen. Bis jedoch diese Programme in die Haushalte kamen und somit für jedermann anwendbar waren, vergingen einige Jahre. Erst in den 90er Jahren konnten Privatpersonen Lernprogramme an ihren heimischen PCs benutzten. 1995 wurden die ersten Lernprogramme an der Universität Greifswald eingeführt, damals noch auf Laserdisks oder CD-Roms. „Das waren statische Programme, die man in einem winzigen PC-Pool, der aus nur sechs Computern bestand, einsetzen konnte. Isoliert eingesetzt konnte das nie zu produktiven Leistungen führen. Das waren die Anfänge vom computergestützten Lernen“, sagt die Privatdozentin Doktor Heidrun Peters zu den ersten Computerprogrammen der Universität. Es gab eine schnelle Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten, nicht nur an der Universität Greifswald, sondern auch an allen anderen Universitäten. Heute, meint Peters, ist die Greifswalder Universität etwa zehn Jahre zurück in der Benutzung von Lernplattformen beziehungsweise Onlineplattformen. Die wenigsten Dozenten benutzen „moodle“ oder „Gryps Cast“, um ihre Lernveranstaltung zu unterstützen oder den Studierenden eine bessere Möglichkeit zu geben, den Stoff für die Prüfungen zu wiederholen. Wie kommt es, dass die technischen Möglichkeiten nicht ausgenutzt werden? Professor Patrick Donges, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft, sieht die Gründe für das geringe Onlineangebot vor allem in der Gestaltung der Vorlesungen: „Ich glaube, dass der Dozent vor allem die Sorge hat, dass der Vorlesung dadurch Spontanität genommen wird. Ich mache auch mal einen Witz zwischendurch, der nur in diese Situation passt.“ Außerdem haben viele Dozierende Angst davor, gefilmt zu werden und damit für immer auf ihr gesagtes Wort festgenagelt zu sein. Den positiven Mehrwert erkennt er durchaus. Die Studierenden könnten sich besser auf ihre Prüfungen vorbereiten und ein Studium mit Kind ist viel besser zu organisieren, da jeder die Vorlesungen hören kann, wann er will. Jedoch ist es Donges sehr wichtig, in seinen Vorlesungen Feedback von den Studierenden zu bekommen. Im Rahmen eines herkömmlichen Seminars kann direkt auf Fragen eingegangen und thematische Aspekte vertieft werden. Interpersonale Kommunikation ist für ein erfolgreiches Studium überlebenswichtig. Es wäre jedoch gut möglich sehr einheitliche Vorlesungen aufzeichnen zu lassen. Auch wenn es zu Überschneidungen mit anderen Lehrveranstaltungen kommt, sind Vorlesungsmitschnitte eine gute Ausweichmöglichkeit. Ein reines Online-Studium jedoch lehnt er ab. Zu wichtig sind die Aspekte neben dem Studium. Michael Mach, der sich für die Verbesserung der Studierbarkeit im Ein-Fach-Bachelorstudium an der Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät einsetzt, gibt zudem noch zu bedenken, dass es Studiengänge gibt, die wohl nie nur rein online abgehandelt werden können. Medizin, Pharmazie, Physik, Chemie haben alle praxisbezogene Elemente, die nicht ersetzt werden können.
Potentiale werden erkannt
Die eigentliche Frage ist, wie sich das Studium in den nächsten 20 Jahren verändern wird. Die Meinung darüber ist größtenteils gleich: Gar nicht. Die technische Komponente wird sich im Laufe der Jahre noch verbessern. Peters plädiert dafür, dass mehr auf die Potentiale des E-Learnings geachtet und diese auch ausgenutzt werden sollten. Mach kann sich gut vorstellen, dass sich die Prüfungssituationen ändern werden und Prüfungen nicht mehr auf dem Papier, sondern auf Tablets abgehalten werden. Eine vollkommene Entwicklung zum Onlinestudium kann sich keiner vorstellen und würde sich auch keiner wünschen. Die Vorteile der räumlichen und zeitlichen Unabhängigkeit sind jedem bewusst, aber zu schwer liegen die Nachteile im Gewicht, die vor allem das herkömmliche Studentenleben umfassen. Persönlicher Kontakt mit anderen Studierenden, mit Dozierenden, Lerngruppen, Feierabendbier – all das würde wegfallen und die Qualität des Studiums sehr mindern. Gerade an einer kleinen Universität wie in Greifswald findet Donges ein Onlinestudium alles andere als wünschenswert. „In Greifswald ist der Pluspunkt, dass es überschaubar ist und es einen engen Kontakt zwischen Studierenden und Dozierenden gibt. Wenn alle Institute online wären, warum sollten Studierende in Greifswald online studieren? Wieso nicht bei einer großen Universität? Wir haben dann kein Argument mehr. Der enge Kontakt mit den Dozierenden, das sind ja die Vorteile, nach denen man seinen Studienort auswählt.“
Obwohl sich die Technik immer weiter entwickelt und Kinder von klein auf an den Umgang mit ihr lernen, werden sich vielleicht nur die Mittel ändern, mit denen gelehrt wird. Kein Papier mehr, sondern Tablets, keine Tafeln mehr, sondern interaktive Tapeten. Das Studium mit Anwesenheit wird nicht durch ein reines Onlinestudium abgelöst, aber mit Onlineanteilen unterstützt werden. In den kommenden Jahren werden sich die technischen Vorteile durchsetzen und die Lehrpotentiale sich noch mehr etablieren. Den persönlichen Kontakt jedoch kann man nicht ersetzen.
Ein Feature von Luise Schiller mit Fotos von Corinna Schlun (Wiese) und Katrin Haubold (Kamera)
von moritz.magazin | 18.06.2013
Wie kommt man eigentlich auf die Idee, eine Kochserie in einem Studentenmagazin zu veröffentlichen? Man nehme zehn Redakteure, etwas Bier und Wein und selbst eingelegtes Grillgut – voila, fertig ist die Idee. Nur noch fix ein paar leckere Gerichte gezaubert und schon habt ihr euer kleines moritz-Kochbuch.
Jetzt ist endlich wieder Grillsaison und somit der richtige Zeitpunkt, um euch ein paar leckere Ideen mitzugeben. Diesmal gibt es gleich drei Rezepte, die einfach vorzubereiten sind.
Für alle, die ihr Fleisch mal selber marinieren wollen, gibt es zwei Vorschläge für jeweils 300 g Fleisch. Die Chili-Ingwer-Marinade kann recht scharf werden, harmoniert aber gut mit saftig gegrilltem Geflügel. Am besten ist es, ihr bereitet sie morgens vor, denn die Marinade muss mindestens drei Stunden einziehen. Einfach Reiswein, Ingwer- und Sesamöl und Sojasauce in einer gut verschließbaren Dose mischen, dann die kleingeschnittene Chili und etwas Pfeffer dazugeben. Legt das Fleisch in die Dose, macht den Deckel drauf und schüttelt gut, damit das Fleisch komplett von der Marinade bedeckt ist. Bis zum Grillen kalt stellen und stündlich schütteln.
Die Alternative ist eine Marinade mit Honig, Senf und Thymian, mit der sowohl Geflügel als auch Schweinefilet süß und saftig werden. Auch hier braucht ihr Reiswein, dazu kommen Olivenöl, Honig (am besten Thymianhonig) und Senf. Alles gut durchmischen und mit Thymian würzen. Das Fleisch einlegen und wie oben verfahren.
Die Schafskäsepäckchen könnt ihr auch direkt vor dem Grillen vorbereiten. Die Zwiebel wird kleingehackt, die Pilze geputzt und in dünne Stifte geschnitten. Bröselt den Käse in eine Schüssel, gebt das Olivenöl, die Zwiebel und die Pilze dazu. Mit den Kräutern und Pfeffer würzen und gut durchmischen. Reißt von der Alufolie quadratische Stücke ab und gebt auf jedes zwei bis drei Esslöffel der Schafskäsemischung. Die Ecken hochklappen, oben etwas zusammendrehen und ab auf den Grill damit. Der Käse braucht eine Weile, bis er gar ist.
Dazu passt am besten ein kühles Bierchen, Sonne und 20 Grad Celsius im Schatten. Lasst es euch schmecken und genießt den Sommer.
Reicht für 2, wenn es noch Salat oder Brot gibt:
Chili-Ingwer-Marinade:
50 ml Reiswein (oder Kochsherry)
3 EL Ingweröl oder Sonnenblumenöl
1 EL geriebener Ingwer
3 EL Sesamöl
1 Chilischote
5 EL helle Sojasauce
Pfeffer
Honig-Senf-Thymian-Marinade:
50 ml Reiswein (oder Kochsherry)
5 EL Olivenöl
2 EL flüssiger Honig
2 TL mittelscharfer Senf
1 TL Thymian, kleingeschnitten
Schafskäsepäckchen:
250 g Schafskäse
50 g Champignons
½ rote Zwiebel
1 EL Olivenöl
Pfeffer
Italienische Kräuter
Alufolie zum Einpacken
Grillrezepte von Erik Lohmann, mit Fotos von Milan Salje
von moritz.magazin | 16.05.2013
Der Anteil der jungen Menschen, die einen Führerschein besitzen, sinkt stetig. Gerade in den großen Städten kommt man problemlos ohne Auto aus. Nur was ist, wenn man große Einkäufe transportieren will? Eine Alternative, die sich auszuprobieren lohnt: ein Lastenfahrrad.
Andere Kerle schwärmen für Motorräder oder Autos, ich hingegen lasse mir von Fahrrädern den Kopf verdrehen. Erst neulich wieder habe ich mich verführen lassen, von einer Schönheit, die der ganzen Stadt bereitwillig zur Verfügung steht. Schlank, schwarz und kräftig ist es, das Lastenfahrrad des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Einfach zum Verlieben. Seit Mitte März hat man die Möglichkeit, das vom Landesverband bereitgestellte Rad auf Spendenbasis auszuleihen und im Alltag auszuprobieren.
„Wie sieht denn ein Lastenfahrrad aus?“, wurde ich gefragt, als ich Freunden begeistert davon berichtete, „hat das einen extra großen Gepäckträger?“ Nein, ein Lastenfahrrad ist in der Regel deutlich länger als ein normales Fahrrad und bietet – meist zwischen Lenker und Vorderrad – eine Menge Stauraum. Einige Modelle haben eine große Alukiste montiert, andere eine flache, offene Ladefläche und einige einen Holzkasten, nicht ganz unähnlich einer Schubkarre. Das Lastenrad des ADFC gehört zur letzten Kategorie. Robust, einfach zu beladen, flexibel, mit ausreichend Platz, allerdings ohne Schutz der Ladung vor Witterung oder Diebstahl. Die Einsteigervariante als praktikable Alltagslösung.
Zulandung wie ein Kleinwagen…
„Wofür brauchst du denn so ein Rad?“ war noch eine Frage, die mir gestellt wurde. Ganz einfach: Für alles Alltägliche, was man mit dem Auto erledigen würde. Einkaufen, die Fahrt zum Grillen, Leergut wegbringen, die Weltherrschaft an mich reißen. Für mich stand fest, dass ich so ein Lastenrad zumindest mal ausprobieren muss.
Gesagt, getan. Die Ausleihprozedur ist unglaublich unkompliziert: Anfragen, vorbeifahren, ausleihen. Bei der Ausleihe kooperiert der ADFC mit der lokalen Pfadfindergruppe, die einen überdachten Stellplatz bereitstellt und den Schlüssel für das Lastenrad verwahrt. Nach einer kurzen Einweisung steige ich aufs Rad. Zumindest nachdem ich die Funktionsweise des Ständers begriffen habe: Einfach das Lastenrad nach vorne schieben und er klappt hoch. Denkbar einfach, fast schon zu einfach für studierte Menschen. Die ersten paar Meter sind recht wackelig. Durch das kleine Vorderrad ist die Lenkung direkter als bei einem normalen Fahrrad. Auch der Wendekreis ist größer, denn das Lastenrad ist ziemlich lang. Man gewöhnt sich aber schnell daran.
Die ersten drei Gänge der Acht-Gang-Schaltung sind dafür ausgelegt, mit einem voll beladenen Rad anzufahren. Ohne Zuladung ist man hier quasi im Leerlauf. Aber als ich beim Allgemeinen Studierendenausschuss rund 40 Kilogramm Drucksachen für den moritz einlade, bin ich sehr dankbar für die niedrige Übersetzung. Langsam krieche ich die Friedrich-Loeffler-Straße runter, da das zusätzliche Gewicht eine Menge Anlauf braucht. An der Europa-Kreuzung bin ich so weit, dass ich mich nicht mehr komplett auf das Rad konzentrieren muss und lasse den Blick schweifen. Sofort bemerke ich, dass ich auffalle. Viele Passanten und Radfahrer drehen sich nach mir um – oder eher nach dem Lastenrad. Was in anderen Ländern zum Alltag gehört, ist bei uns noch ein Hingucker – leider, denn das Potential von Lastenrädern im urbanen Verkehr ist hoch und sollte mehr genutzt werden.
An der Zentralen Universitätsbibliothek angekommen, habe ich endlich mal eine Ausrede, die Rampe hinaufzufahren und direkt vor dem Eingang zu parken. Auch hier zieht das Rad Blicke auf sich, nur auf die Idee, etwas Platz zu machen, kommen manche Schaulustige am oberen Ende der Rampe nicht. Ausladen, einladen, weiter geht die Probefahrt. Es ist wirklich angenehm, die ganzen Magazine nicht mit dem Rucksack verteilen zu müssen, sondern sie bequem vor mir her zu kutschieren. Selbst mit dem Auto wäre es nicht einfacher gewesen, denn wer kann schon sagen, dass er mit seinem Auto direkt vor der Eingangstür der Bibliothek parken darf?
…aber weniger Platzbedarf
Als ich fertig bin, nutze ich die Gunst der Stunde und fahre noch mal los, ein paar Sachen einkaufen, die ich schon lange vor mir her geschoben hatte: Ein Grill und Erde für die Balkonpflanzen. Alles lässt sich problemlos im Rad verstauen. Selbst ein Wocheneinkauf für eine vierköpfige Familie ließe sich transportieren. Und die maximale Zuladung von 60 Kilogramm stellt eine Grenze dar, die man wohl nie wirklich ausreizen möchte.
Als ich am späten Nachmittag mit meinen Erledigungen fertig bin und keine Entschuldigung mehr finden kann, das Rad länger zu behalten, gebe ich es schweren Herzens zurück und werfe fünf Euro in die Spendenbox. Wie gerne hätte ich selbst so einen Drahtesel. Auch mein Mitbewohner und die Redaktion des moritz sind begeistert. Aber wo sollten wir so ein Rad unterstellen, und wie oft bräuchten wir es wirklich?
Ein Text von Erik Lohmann; Fotos von Milan Salje
von moritz.magazin | 16.05.2013
Die Psychologin Professor Hannelore Weber ist seit Februar 2013 Rektorin unserer Universität. Mit moritz sprach sie über ihre Arbeit, finanzielle Probleme der Universität und Frauenförderung.
Ist Ihnen das Ausscheiden aus dem regulären Lehr und Forschungsbetrieb des Psychologischen Instituts schwergefallen?
Sehr schwer. Ich habe um die Entscheidung gerungen, ob ich mich zur Wahl als Rektorin stellen und damit mein altes, akademisches Leben hinter mir lassen sollte. Das waren wie zwei Seelen in meiner Brust. Ich bin mit großer Leidenschaft Hochschullehrerin gewesen. Momentan betreue ich noch Diplomarbeiten am Institut für Psychologie und habe meine Arbeitsgruppe dort. Es überfällt mich ein wenig Wehmut, wenn ich ab und an ins Institutsleben eintauche. Mal wieder die Zeit für Forschung haben, das wäre schon schön.
Was waren die ersten Herausforderungen in Ihrem Amt?
Wenn ich mich früher für Vorlesungen vorbereitet habe, dann habe ich mir Zeit genommen und auch nehmen können. Stundenlang. Nun bin ich mit einer Vielfalt von neuen Aufgaben konfrontiert, sowohl was die internen Vorgänge an der Universität betrifft als auch die vielen Außentermine, die sich aus der Zusammenarbeit mit der Politik, mit anderen Hochschulen und Institutionen ergeben. Die schiere Menge an Fragestellungen und Aufgaben lässt mir nicht mehr die Zeit wie früher, sich intensiv mit einer Sache auseinanderzusetzen. Dieses v
eränderte Zeitmanagement ist eine neue Herausforderung für mich.
Wie sieht ihr Alltag als Rektorin aus?
Wenn ich Auszüge aus einem Arbeitstag durchgehe, wird das schnell deutlich. Nun ist es 11 Uhr. Gleich im Anschluss folgt ein Berufungsgespräch, wobei es darum geht, eine junge Kollegin für eine Professur an der Universität für den Bereich Gender Studies zu gewinnen. Danach fahre ich zur Universitätsmedizin zu einem Treffen mit Vertretern der Euroregion Pomerania. Dort geht es um grenzüberschreitende Projekte zwischen Polen, Schweden und Deutschland. Letzte Woche war ich in diesem Zusammenhang in Stettin und habe die Medizinische Universität besucht, die großes Interesse an einer Kooperation mit Greifswald hat. Später am Nachmittag steht die Suche nach privaten Förderern an, die wir gewinnen wollen, um möglichst viele Deutschlandstipendien für engagierte und begabte Studierende verteilen zu können. Im Anschluss werde ich im Institut für Psychologie an den Vorbereitungen einer Tagung mitarbeiten. Heute Abend treffe ich mich noch mit einer Gutachtergruppe des Verbundes der Norddeutschen Universitäten, die morgen die Universität besuchen wird und sich unser Qualitätsmanagement hinsichtlich der Lehre ansieht.
Eines Ihrer Forschungsgebiete umfasst die Regulation von Stress und Emotionen. Hilft Ihnen Ihr Fachwissen sich zu entspannen?
Es hilft schon. Allerdings ist es häufig so, dass man zwar die Theorie und relevante Forschungsergebnisse kennt, sie aber vergisst, wenn man mitten im Alltag gefangen ist. Dann fehlt bisweilen die Zeit, die nötige Distanz zu bekommen und sich zu sortieren. Wenn eine Anforderung sehr schnell auf die Nächste folgt, muss man lernen, diese Reflexionsphasen einzubauen, um dann wieder effizient und angemessen handeln zu können.
Der Nordkurier hat vor wenigen Tagen geschrieben, dass das Defizit der Universität im laufenden Haushaltsjahre 6, 8 Millionen Euro beträgt. Stimmt das?
Wir haben ein strukturelles Defizit. Wie groß das Defizit jedoch letztlich wird, hängt davon ab, inwieweit wir zusätzliche Kosten, zum Beispiel durch Tarifsteigerungen für Mitarbeiter oder steigende Energiepreise, v
om Land erstattet bekommen.
Welche Lösungsansätze sehen Sie, wenn das Land das Defizit nicht in voller Höhe ausgleicht?
Wenn das Land nicht ausgleicht, werden wir nicht umhin kommen, im Personalhaushalt zu sparen, indem wir beispielsweise freiwerdende Stellen nicht sofort neu besetzen können, sondern erst nach einigen Monaten. Die mangelnde finanzielle Ausstattung wird sich verschärft in den kommenden Jahren stellen. Wir hoffen, dass unser Bildungsminister in den Gesprächen zum Doppelhaushalt 2014/2015 möglichst viel bei der Finanzministerin für die Hochschulen herausholen kann. Wenn das nicht gelingt, werden wir uns überlegen müssen, wie wir die Öffentlichkeit auf die die drängenden Probleme der Universitäten aufmerksam machen. Dann müssen wir eventuell auch auf die Straße gehen. Mit Ihnen.
Werden Sie sich für eine weitere Erhöhung der Professorinnen-Quote an der Universität starkmachen?
Das ist für mich ein großes Anliegen, weil sich Greifswald im bundesdeutschen Vergleich hinsichtlich des Anteils von Hochschullehrerinnen an den Professuren deutlich unter dem Durchschnitt befindet. Deshalb haben wir uns auch entschieden, an dem „Professorinnen-Programm“ teilzunehmen. Dabei werden vom Bund zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt, wenn eine
ausgeschriebene Professorenstelle durch eine Frau besetzt wird. Als eine Art Eintrittskarte für die Teilnahme an diesem Programm haben wir ein Gleichstellungskonzept eingereicht. Dieses wird momentan begutachtet.
Wie beurteilen Sie die aktuelle, politische Debatte um die Frauenquote?
In dieser Hinsicht habe ich, wie viele andere mir bekannte Frauen in Führungspositionen, meine Meinung geändert. Ich habe lange Zeit geglaubt, dass wir das auch so schaffen und dafür nicht unbedingt eine Quote brauchen. Immerhin hat sich beispielsweise die Anzahl der promovierenden Frauen deutlich erhöht. Auf der anderen Seite finde ich den internationalen Vergleich alarmierend. In anderen Ländern sind bereits deutlich mehr Frauen in der Führungsebene vertreten als in Deutschland. Den Glauben, dass wir schon irgendwann dort ankommen werden, habe ich leider verloren. Deshalb denke ich schon, dass wir eine Frauenquote brauchen, vor allem in der Wirtschaft.
Aber trifft das auch für den universitären Bereich zu?
Bei Professuren macht Quote keinen Sinn, weil die Auswahl durch die Qualifikation bestimmt wird. Ich würde jedoch zumindest erwarten, dass sich nach dem sogenannten „Kaskadenmodell“ der Anteil an Frauen an den Professuren in dem Maße erhöht, wie sich auch der Anteil der Frauen mit der dazu nötigen Qualifikation erhöht, entweder durch eine Juniorprofessur oder eine Habilitation.
Wie wichtig ist für Sie eine familienfreundlichere Universität?
Eine familienfreundliche Universität ist ein wichtiger Faktor, dass sich Frauen und Männer für eine Karriere an der Universität entscheiden. Auch für einen Mann ist der Job reizvoller, wenn er in einer familienfreundlichen Umgebung arbeiten kann. Es ist ein wichtiger Standortfaktor, da andere Universitäten bei Berufungen mit ihrer Familienfreundlichkeit werben, zum Beispiel mit guter Kinderbetreuung oder Arbeitsplätzen für den Partner, mit Double-Career-Angeboten. Es gibt zahlreiche Universitäten, die viel Geld in solche Angebote stecken; hier schlägt einmal wieder unsere kritische finanzielle Situation zu Buche, sodass uns die Mittel, die wir eigentlich für solche Maßnahmen bräuchten, fehlen.
Was halten sie von einem Kinderraum für die Bibliothek?
Das Hauptgebäude – der Arbeitsplatz der Rektorin
Solche Kinderzimmer sind sicher eine sehr interessante Maßnahme.
Hat eine andere Universität in diesem Bereich Vorbildwirkung?
Es gibt Universitäten, die sind im Hinblick auf die Möglichkeiten einer familienfreundlichen Universität vorbildlich, beispielsweise in der Kinderbetreuung oder mit umfangreichen Familienserviceangeboten. Das ist häufig dort der Fall, wo Universitäten, zum Beispiel im Rahmen der Exzellenzinitiative, sehr viel Geld bekommen haben.
Denken Sie, dass Universitätskarrieren auf dem Weg zur Professur familienfreundlicher werden müssten?
Die Voraussetzungen für eine Universitätskarriere sind ein großes Problem im Hinblick auf Familienfreundlichkeit. Die Karriere verlangt hohe Mobilität, meist auch Auslandsaufenthalte. Das ist wissenschaftsfreundlich, da es im Rahmen einer globalisierten Forschung wichtig ist, mehrere Universitäten zu kennen, aber das ist nicht unbedingt familienfreundlich. Es ist ein Dilemma. Hier stehen sich zwei Forderungen gegenüber, und es ist sehr schwierig, dort eine Lösung zu finden.
Wie wichtig finden Sie das Landschaftsökologiestudium für die Universität?
Das ist ein absolut attraktiver Studiengang für die Universität Greifswald und wir tun alles, um diesen Studiengang zu fördern und zu erhalten.
Die Ausschreibung der Umweltphilosophie Professur ist aber zuletzt zweimal im Fakultätsrat gescheitert.
Die Stelle wird jetzt ausgeschrieben.
Die Universität Greifswald bietet noch Diplomstudiengänge an, obwohl es diese nicht mehr geben sollte. Wie wird es mit diesen Studiengängen weitergehen?
Das kann ich nicht beurteilen. Bis jetzt gibt es keine Anzeichen, hier irgendetwas zu ändern.
Also wird auch Psychologie weiter auf Diplom angeboten?
Nein, die Umstellung der Psychologie steht zum Wintersemester an. Wir werden den Diplomstudiengang auf einen Bachelor Studiengang mit acht Semestern Regelstudienzeit und einen zwei semestrigen Master umstellen.
Falls das Haushaltsdefizit in den nächsten Jahren weiter ansteigt und nicht durch das Land ausgeglichen wird, halten Sie dann Kürzungen nach dem Rasenmäher-Prinzip oder eine weitere Fokussierung der Universität für sinnvoller?
Wenn wir überleben wollen, dann können wir nicht nach dem Rasenmäher-Prinzip kürzen. Wir werden in einem Wettbewerb stehen, in dem wir funktionstüchtige einzelne Einheiten erhalten müssen. Das heißt, wir werden dann noch einmal in eine Strukturdiskussion einsteigen müssen.
Das heißt, es kann dann auch wieder zu Institutsschließungen kommen?
Wenn es Strukturdiskussionen geben muss, dann wird sich sicherlich noch einmal die Frage von Institutsschließungen stellen.
Aus den Reihen der Geisteswissenschaftler kommen Klagen, dass es ihnen schlecht gehen würde. Muss die Situation der Geisteswissenschaftler verbessert werden?
Den Geisteswissenschaftlern geht es nicht schlechter als den anderen. Wenn man auf die Ebene der Institute runter geht, gibt es größere und kleinere Institute auch an anderen Fakultäten. Die Strukturen, die gegenwärtig existieren, sind finanziert, wenn auch mit den Einschränkungen, über die wir anfangs gesprochen haben. Wir bekommen jetzt generell Probleme, weil es Kostensteigerungen in bestimmten Bereichen gibt, die nicht aufgefangen werden.
Wenn man sich die Spitzenforschungsprojekte der DFG anschaut, sieht man da bundesweit zahlreiche Geisteswissenschaftliche Projekte. Die Greifswalder Geisteswissenschaften sind hier unterrepräsentiert, hier gibt es nur ein geisteswissenschaftliches Graduiertenkolleg.
Aber immerhin es gibt ein Graduiertenkolleg! Das ist die gute Nachricht und nicht selbstverständlich: Hochschulen wie die Freie Universität in Berlin, die für einzelne Fachgebiete wirklich große Institute haben, fällt es natürlich leichter, große Forschungsverbünde einzuwerben. Aber die DFG fördert auch kleinere Projektverbünde, wie Forschergruppen mit beispielsweise sechs oder sieben Wissenschaftlern, oder auch Forschungsvorhaben einzelner Wissenschaftler. Man kann also auch mit kleinen Strukturen erfolgreich sein.
In den Naturwissenschaften haben sich ja mehrere kleine Institute für größere Forschungsverbünde zusammengeschlossen.
Hier wurde auch die Zusammenarbeit mit anderen Universitäten stärker genutzt, beispielsweise wurden in der Physik Sonderforschungsbereiche mit Rostock oder Kiel eingeworben. Der verstärkte Zusammenschluss mit anderen Universitäten ist die andere Alternative, wenn man zu klein ist. Das ist auch ein Konzept für die Zukunft. Wir werden stärker darauf achten müssen, andere Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in gemeinsame Projekte mit einzubeziehen.
Professor Westermann sah als größten Misserfolg seiner Amtszeit, dass die Universität in der Exzellenzinitiative keinen Erfolg hatte. Für wie wichtig halten sie die Beteiligung der Universität Greifswald an eventuellen Nachfolgeprojekten?
Ich gehe davon aus, dass die Exzellenzinitiative in der bisherigen Form nicht weitergeführt wird. Sie hat einzelne Standorte begünstigt, die in der Lage sind sehr große Forschungsverbünde zusammenzustellen. Das können wir in Greifswald nicht leisten, da wir immer vergleichsweise klein bleiben werden, auch wenn wir alles zusammenlegen, was wir haben. Ich erwarte aber, Entwicklung, dass der Bund in anderer Form wieder in die Hochschulfinanzierung einsteigt, und hier müssen wir uns beteiligen. Ein Beispiel, das gerade im Gespräch ist, sind Bundesprofessuren, also Professoren, die vom Bund bezahlt werden. Dort können sich auch Universitäten mit kleineren Schwerpunkten bewerben.
Wie wichtig ist für Sie das Ziel einer umweltfreundlicheren Universität mit dem Ziel der CO2-Neutralität?
Da sind wir auf einem guten Weg, nicht nur mit den Initiativen der Kollegen aus der Landschaftsökologie, sondern auch mit Initiativen aus anderen Bereichen der Universität, vor allem auch aus der Verwaltung. Hier stelle ich mit großer Freude fest, dass auf allen Ebenen der Universität ein großes Engagement da ist, eine nachhaltige Bewirtschaftung zu schaffen. Wir werden das bei einem Umweltaktionstag im Juni vorstellen können.
Wie steht es um die Neueröffnung des C9?
Das Studentenwerk prüft im Moment das alte Heizhaus auf dem Gelände der alten Frauenklinik. Dabei hat sich aber herausgestellt, dass es aufgrund einer Havarie zumindest in Teilen schadstoffbelastet ist. Es wird jetzt mit einem Gutachten abgeschätzt, wie hoch der Sanierungsbedarf ist. Ansonsten halten wir das für einen guten Standort für den Club 9.
Wie wichtig sind die Studentenclubs für die Universität als weiche Standortfaktoren?
Alle studentischen Engagements in diesem Bereich sind wichtig, da wir eine kleine Stadt sind und kommerzielle Anbieter fehlen. Von daher sind die Studentenclubs für den Standort Greifswald enorm wichtig.
Der Hochschulsport hat trotz der jüngsten Investitionen noch mehrere marode Sportstätten. Was wollen sie tun, um die Situation des Hochschulsports zu verbessern?
Hochschulsport steht natürlich auf der Liste. Ich freue mich, dass ein Teil der zurückgezahlten Gebühren für Sportstätten ausgegeben wird, das ist sehr gut angelegtes Geld. Ansonsten ist es wie überall die Frage, wie viel Geld wir bekommen, um die lange Liste unserer Sanierungswünschen abzuarbeiten.
Wo sehen Sie die Universität in zehn Jahren?
In zehn Jahren sehe ich einen Wissenschaftsstandort Greifswald, in dem sich die Universität noch stärker mit den außeruniversitären Einrichtungen vernetzt. Ich sehe auch, dass wir das gewonnene Wissen aus der Universität noch stärker in Anwendung bringen müssen, das heißt noch mehr kleine Firmen ansiedeln, die das Wissen in die Wirtschaft bringen. Stärkere Vernetzung und Transfer sind meine Wünsche.
Wollen Sie auch für verstärkte Industrieinvestitionen an die Universität sorgen. Im Moment kommt ein Großteil der Drittmittel aus Projekten des Bundes.
Wir müssen stärker werden, was Mittel aus der EU-Wirtschaftsförderung angeht, da stehen wir im Vergleich zu der Universität Rostock recht bescheiden da. Aber auch durch Ausgründungen von Unternehmen müssen wir für mehr Investitionen sorgen.
Wie wollen Sie die Universität in ihrer ersten Amtszeit als Rektorin verändern?
Verändern? Wenn es zunächst um etwas geht, dann ist das Erhalten. Kein Rückbau, kein Abbau, Strukturen so erhalten, wie sie jetzt sind. Und zu dieser Erhaltungsstrategie gehört auch, dass wir starke Partner gewinnen: Außeruniversitäre Einrichtungen, Industrie und Vernetzung mit anderen Universitäten.
Das Interview führten Florian Bonn und Friederike Haiser, das Portraitfoto schoss Florian Bonn.
von moritz.magazin | 16.05.2013
Des Studenten treuster Freund: sein Fahrrad. Schnell zur Uni gedüst, Platz gesucht und angeschlossen. Aber was ist mit denen, die ihre Räder nicht einfach zurücklassen können? moritz-Redakteure auf einer Entdeckungstour zwischen Rampen und Hürden.
Dienstagnachmittag, 17 Uhr und Sonnenschein. Am Hafen riecht es jetzt sicherlich schon nach Grillanzünder und Sonnencreme. Hier nicht. Im Hörsaal 5 des Audimax ist es stickig, das einzige, was raucht, sind unsere Köpfe. Mein Blick wandert nach draußen. Ich entdecke einen jungen Mann im Rollstuhl, der über den Plattenweg holpert. Ob der wohl auch Student ist? Plötzlich bin ich wieder hellwach. Ich tippe meine Sitznachbarin an. Noch nach der Vorlesung unterhalten wir uns darüber, während wir die Treppen hinuntersteigen. Es sind 28 Stufen bis ins Erdgeschoss. Wie würde er hier eigentlich raufkommen? Laut §54 im Sozialgesetzbuch XII ist der Besuch einer Hochschule in den Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen aufgeführt. Den gesetzlichen Anspruch auf ein Studium hätte er also – aber ließe sich dieser auch umsetzen? Hier im Audimax entdecken wir immerhin eine behindertengerechte Toilette sowie ein Piktogramm an der Eingangstür, mit einem Pfeil in Richtung Innenhof. Dort befindet sich an der Rückseite des Gebäudes ein Aufzug ins Erdgeschoss. Und schon beginnen die Probleme. Für die Bedienung benötigt man nämlich einen Schlüssel. Ob man am späten Nachmittag allerdings noch jemanden in der Verwaltung erreicht, ist fraglich.
Rolling über Stones
Zuhause informieren wir uns über das Thema im Internet. Der Suchbegriff ‚barrierefreies Studieren‘ führt zu etlichen Seiten von Bund, Ländern und sozialen Projekten, die sich mit den Studienbedingungen für chronisch Kranke und Menschen mit Behinderung auseinandersetzen. Auf www.behinderung-und-studium.de werden die besondere Studienplatzvergabe, die Finanzierungsmöglichkeiten sowie die gesetzlich geregelten Unterstützungsleistungen während des Studiums für Betroffene erläutert. Die Homepage unserer Universität liefert auf den ersten Blick keine Informationen dazu. Erst nach längerem Suchen stoßen wir auf den Beauftragten für behinderte Studierende an der Uni Greifswald, Professor Michael Herbst. Dieser befindet sich derzeit in einem Forschungsfreisemester in Schweden und ist daher nicht erreichbar. Die Zuständigkeit auf Seiten der Studierendenschaft liegt bei dem Referat für Soziales, Wohnen und Studienfinanzierung des Allgemeinen Studierendenausschusses. Doch auch diese Stelle ist momentan nicht besetzt und muss im Bedarfsfall von einem der anderen Referenten vertreten werden. Über den Grad der Barrierefreiheit an unserer Uni und die Schwierigkeiten im Alltag für Rollstuhlfahrer haben wir also nichts erfahren. Am folgenden Tag wollen wir uns daher selbst ein Bild machen. Auf dem Prüfstand: wichtige Anlaufstellen im Studienalltag. An der Universitätsbibliothek am Beitz-Platz finden wir direkt eine Rampe, die zur Eingangstür führt, welche elektrisch geöffnet werden kann. Innen sehen wir eine weitere Rampe, die ausgewiesene Behindertentoilette sowie einen Aufzug für alle Stockwerke. Moderne Technik in modernem Gebäude. Die einzige Hürde bestünde wohl aus einem Buch im obersten Regalfach. Wir fahren nun weiter zur Mensa am Schießwall. Auch hier sieht es gut aus: Rampe, Toilette, Aufzug. Auch wenn uns kein Rollstuhlfahrer begegnet, sehen wir eine Mutter mit Kinderwagen, die die Alternative zur Treppe nutzt. Die Vorteile barrierefreier Gebäude kommen vielen zugute. Anschließend besuchen wir den Copyshop in der Kuhstraße. Ab hier wird es schwierig. Neun Stufen bis zum Kopierer. Die Mitarbeiter versichern uns zwar ihre Hilfsbereitschaft, wer allerdings gerne selbst ein Auge auf den Druckvorgang haben möchte, muss bis zur großen Filiale in der Walther-Rathenau-Straße fahren.
Bestandsaufnahme mit Rollstuhl
Ohne Alternative stehen die Institute da. Dabei spielt sich doch gerade hier der Großteil unserer Vorlesungszeit ab. Wie aber soll man an einem Seminar teilnehmen, das man nicht erreichen kann? Genau diese Frage haben sich im Mai 2011 die Beauftragten der Schwerbehindertenvertretung für Mitarbeiter an der Universität Greifwald gestellt und eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Unter der Leitung von Mike Naujok vom Hochschul-Referat für Zentrale Dienste führten studentische Hilfskräfte eine umfangreiche Bestandsaufnahme der Beschaffenheit universitärer Gebäude durch. Über 60 Häuser wurden dabei mit dem Rollstuhl besucht, protokolliert und in drei Kategorien eingestuft: als „voll barrierefrei beziehungsweise leicht eingeschränkt“ gelten 19 Prozent, „eingeschränkt barrierefrei“ sind 28 Prozent und „nicht barrierefrei“ 53 Prozent. Zur ersten Kategorie werden unter anderem das Rechenzentrum, die Universitätsbibliothek oder das Institut für Biochemie gezählt. Als „eingeschränkt barrierefrei“ gelten laut Projektbericht auch solche Gebäude, die durch kleinere Umbaumaßnahmen wie das Anbringen von Piktogrammen oder die Installation von Rampen zugänglich gemacht werden könnten. Hierunter fallen das Audimax, das zentrale Prüfungsamt und die Fachbibliothek am Schießwall. Mit dem Prädikat „nicht barrierefrei“ wurden über die Hälfte der universitären Gebäude versehen, was hauptsächlich ihrem Alter geschuldet ist. Ende des 19. Jahrhunderts wurden beim Bau andere Prioritäten gesetzt. Hinzu kommt, dass viele Institutsgebäude ursprünglich als Wohnhäuser geplant waren und daher nicht den Ansprüchen heutiger Nutzung entsprechen, wie im Bericht zu lesen ist. Abgesehen von finanziellen Fragen kann auch nicht jedes Gebäude zugunsten der Barrierefreiheit saniert werden. Ein geplanter Aufzug für die obere Etage des Audimax musste aus Gründen des Denkmalschutzes verworfen werden.
Dennoch erkannte die Universitätsleitung den Bericht der Arbeitsgruppe einschließlich der Verbesserungsvorschläge als sehr hilfreich an und veranlasste sogleich die „Umsetzung im Rahmen ihrer Möglichkeiten“, so Naujok. Daraufhin sind zum Beispiel behindertengerechte Parkplätze eingerichtet worden. Am Ende unseres Rundgangs schauen wir noch einmal im Zentralen Prüfungsamt vorbei und nehmen Anlauf für zwei alte, verwitterte Stufen. Doreen Hallex, die kommissarische Leiterin, weiß um das Problem und erzählt, dass eine portable Rampe seit Längerem geplant ist. Sie kann sich allerdings an keinen Fall erinnern, in dem ein Student um Hilfe bat, da er die Stufen nicht bewerkstelligen konnte.
Blick in die Zukunft
Es scheint, als würde der Bedarf nach rollstuhlgerechten Universitätsgebäuden eher gering sein. Nichtsdestotrotz ist es erforderlich, derartige Baumaßnahmen voranzutreiben. Selbst wenn kein Student unserer Uni auf die barrierefreien Zugänge angewiesen wäre, so gilt es doch, an die verschiedensten Nutzer der Gebäude zu denken, so wie körperlich eingeschränkte Gastredner und Gasthörer oder Studenten, die einen Unfall hatten und zeitweilig „schlecht zu Fuß“ sind. Denn wer will schon seinen Studienort wechseln, nur weil er einige Monate lang im Erdgeschoss gefangen ist? Mittlerweile stehen nicht nur Neubauten im Zeichen der Inklusion unserer Universität, sondern auch die Sanierungen der historischen Gebäude. Doch selbst wenn alle baulichen Maßnahmen für eine rollstuhlgerechte Uni umgesetzt würden, könnte sie längst noch nicht als behindertengerecht eingestuft werden. Vollständige Barrierefreiheit bedeutet, auch hör- und sehbehinderten Menschen das Studium zu ermöglichen, etwa durch technische Lernhilfen oder einen Gebärdendolmetscher.
Bis es soweit ist, werden wir wohl nicht mehr hier studieren. Trotzdem ist es gut zu wissen, dass langsam etwas ins Rollen kommt. Wir zwei bewegen uns jetzt erst einmal an den Hafen. Auf der Wiese gibt es keine lästigen Schwellen – ob zu Fuß oder auf Rädern, jeder kann sich dort frei bewegen und den Feierabend genießen.
Ein Text von Laura Hassinger und Laura Ann Treffenfeld; Fotos: Lisa Klauke-Kerstan (angeschlossener Rollstuhl), Laura Ann Treffenfeld (umgekippter Rollstuhl)