Wenn Mauern unumgänglich sind

Eine Straße, ein kleiner Wald und dann: eine versteckte Jugendanstalt, hinter sechs Meter hohen Mauern. Gewaltverbrecher, Drogendealer, Wiederholungstäter – aber alles junge Menschen. moritz berichtet vom Leben hinter den Gittern.

Der erste Eindruck von Neustrelitz ist ein ruhiger, nahezu friedvoll. Ein gepflegter Bahnhofsplatz umgeben von restaurierten Häusern und ersten grünenden Bäumen. Als der Begriff „Jugendanstalt“ fällt, weiß die Angestellte der Ortsinformation, die direkt neben dem Bahnhof ist, erst nicht, was gemeint ist. Mit dem Wort Gefängnis allerdings verweist sie an den Taxiverband. Rund drei Kilometer Entfernung liegen zwischen Neustrelitz und der Jugendanstalt, wo momentan 220 Insassen, davon neun Mädchen, inhaftiert sind. „Natürlich bringe ich auch Verwandte zu Besuchszeiten in die Einrichtung“, erzählt der Taxifahrer aufgeschlossen während der Fahrt. „Erst letzten Sonntag hatte ich eine Mutter, die mir viel von ihrem Sohn erzählte, der dort einsitzt.“

Am Neustrelitzer Ortsende erstreckt sich ein Wald, in welchen das Schild „Jugendanstalt“ den Weg weist. Das Gespräch mit dem Taxifahrer endet als ein wuchtiger, weißer Gebäudekoloss zu Tage tritt. Ein Parkplatz mit zahlreichen Autos der Bediensteten und Schranken, welche die zwei Welten voneinander trennen – die eine hinter der Mauer, die andere davor. Dieser weiße Koloss ist eine der beiden Jugendanstalten in Mecklenburg-Vorpommern und hat Platz für 297 Menschen. Separiert wird das Gelände von einer sechs Meter hohen weißen, glatten Mauer, die mit Hochsicherheitsdraht und mehreren Sicherheitsschleusen versehen wurde. Eine graue, schalldichte Stahltür versperrt den Weg nach drinnen zu dem großen modernen Gelände. Seit nunmehr zehn Jahren läuft die Arbeit mit straffälligen Jugendlichen auf den 155.000 Quadratmetern. (mehr …)

„Demokratischer Erziehungsstil ist der beste“

Seit fast 20 Jahren ist Frieder Dünkel Lehrstuhlinhaber für Kriminologie an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät sowie einer der Prorektoren der Universität. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Jugendstrafrechtspflege.

Mecklenburg-Vorpommern ist ein Bundesland mit einer relativ hohen Quote an Jugendlichen im Strafvollzug. Welche Faktoren spielen dafür eine Rolle?
In MV ist eine restriktive Entlassungspraxis dafür mitverantwortlich, das heißt, dass 70 Prozent der Jugendlichen hier ihre Strafe voll verbüßen. Das ist nicht gut, denn in diesem Fall gibt es nach der Entlassung keine Nachbetreuung durch die Bewährungshilfe, die im Allgemeinen günstiger für die Wiedereingliederung der Jugendlichen wäre. Allerdings haben wir schon seit Mitte der 90er Jahre einen Rückgang an 14 bis 25-Jährigen, das heißt, der Belegungsdruck in den Jugendanstalten geht zurück und die Anstalten sind demgemäß nicht mehr überbelegt. In MV haben wir einen erhöhten Anteil von Gewalttätern aus der rechtsextremen Szene und andere Jugendliche aus der gewaltbereiten Szene, die in den Vollzug kommen.

Welche Präventionsarbeit muss Ihrer Meinung nach geleistet werden, um Delikten bei Jugendlichen vorzubeugen?
Es gibt unzählige Programme mit guten Ansätzen, zum Beispiel „Pro Kind“. Aus eigenen Studien im Rahmen von Schülerbefragungen in Greifswald sowie auf der Insel Usedom ist erkennbar, dass Jugendliche, die von ihren Eltern Gewalt erfahren haben wie schwere Züchtigungen oder körperliche Misshandlungen, ein dreimal höheres Risiko besteht, dass sie später selbst gewalttätig werden. Das heißt natürlich nicht zwangsweise, dass sie straffällig werden, aber es ist ein Risikofaktor. Auch der unkontrollierte Konsum von Gewaltvideos, -filmen oder -spielen zählt dazu. Ein demokratischer Erziehungsstil ist immer noch der beste.

Welche Maßnahmen müssten bei straffälligen Jugendlichen ergriffen werden, damit diese nicht rückfällig werden?
Letztendlich gibt es eine Rückfallquote von 40 Prozent im Sinne einer erneuten Verurteilung zu Jugend- oder Freiheitsstrafe. Die Jugendlichen brauchen eine Schulausbildung, eine feste berufliche Stellung, Erfolgserlebnisse. Das kann im Vollzug natürlich nur begrenzt vermittelt werden. Bei vielen setzen auch spontane Reifungsprozesse ein, sogenannte „turning points“.

Wo sehen Sie zukünftig die Politik und Gesellschaft in der Verantwortung im Umgang mit Straftätern?
Ich bin gegen eine harte Law and Order-Politik. Es müssen kreative Lösungen gefunden werden, keine stupiden rein repressiven Maßnahmen. Ziel des Jugendstrafrechts ist die Erziehung zu einem strafffreien Leben. Sinnvoll ist es, die Sanktion möglichst zeitnah auszusprechen, damit der Jugendliche noch den Zusammenhang mit seinem Fehlverhalten erkennt. Dementsprechend gilt es, das Verfahren zu beschleunigen. Im Übrigen sollten früh Hilfestellungen und sozialpädagogische Maßnahmen ergriffen werden. Falls im Jugend- oder Heranwachsendenalter Strafvollzug als „ultima ratio“ unausweichlich erscheint, muss dieser intelligent geplant werden. Die Gesetzgebung ist nicht mehr gefordert, denn seit 2008 gibt es überall moderne und den Förderaspekt betonende Jugendstrafvollzugsgesetze.

Was berührt Sie bei Ihrer Arbeit am meisten?
Die Gefängnisse in Russland waren zum Beispiel wirklich trostlos. Aber es gibt bei mir viele positive Dinge, vor allem wenn ich junge Menschen erfolgreich zum Examen oder zur Promotion begleiten kann. Auch das Schreiben von Regeln zum Umgang mit jugendlichen Straftätern für den Europarat war ein erhebendes Gefühl, zumal sie von den 47 Mitgliedstaaten weitgehend unverändert akzeptiert wurden. Und es ist schön zu sehen, dass die Mitgliedsstaaten diese Regeln beachten und in ihre Gesetzgebung integrieren.

Professor Dünkel, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Luisa Pischtschan, die auch das Foto machte.

„Der Politik nicht huldigen“

Am 4. September sind Landtagswahlen und zwei Greifswalder (Ex-)Studenten als Direktkandidaten mittendrin. moritz sprach mit Patrick Dahlemann (SPD) und David Wulff (FDP) über kommunale Partizipation, politische tweeds und das Streben nach Prominenz.

David, aktuell ist man ja vermutlich eher ungern in der FDP, oder?
Nach außen hin ist das Bild natürlich äußerst katastrophal. Interne Querelen, die es ja gerade bei uns in Mecklenburg-Vorpommern gab, sorgen dann immer für Zündstoff. Und dann kommen die aktuellen, bundespolitischen Umfragewerte dazu und das Landtagsmandat rückt geistig in weite Ferne. Ich sag mal, in den verschiedenen Gremien sind wir uns alle einig.

Patrick, wie erklärst du die immer noch andauernde Selbstsuche der Bundes-SPD an der Basis?
Ich glaube nicht, dass die SPD sich in einer Selbstsuche gegenüber der Basis befindet. Die Basis ist geschlossen und trägt auch den Kurs der Bundes-SPD mit. Diese soll sich mal noch ein bisschen Zeit zur Selbstsuche nehmen. (mehr …)

TITEL Schlaflos in Greifswald

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten konnte auch dieses Jahr vom 08. bis zum 26. Juni zum elften Mal die „Insomnale“ in Greifswald stattfinden. moritz blickte hinter die Kulissen der Größten Schau junger Kunst Mecklenburg-Vorpommerns.

Die Tatsache, dass die „Insomnale“ auch in diesem Jahr wieder stattfinden konnte, stand zu Beginn des Jahres noch in den Sternen. Wir berichteten im April (moritz 90) über den Wust von Problemen, der sich im Zusammenhang mit der studentischen Kunstausstellung zunächst anhäufte. So gab es am 16. März beispielsweise eine Krisensitzung, um die „Insomnale“ in letzter Sekunde zu retten und Studierende des Caspar-David-Friedrich-Instituts zur Organisation zu motivieren. Die Rettungsaktion des Fachschaftsrates hat tatsächlich Früchte getragen, die „Insomnale“ präsentierte sich zur Sommersonnenwende in vollem Glanz dem Greifswalder Publikum.

Doch der Weg zur fulminanten Eröffnungsfeier am 08. Juni mit über 600 Besuchern war nicht nicht leicht zu händeln für die studentischen Organisatoren. Karolin Schwab war selbst aktiver Teil des Insomnale-Teams und erlebte den Stress am eigenen Leib mit. „Ich habe versucht alles unter einen Hut zu bringen während dieser Zeit und das hat auch fast geklappt. Ich bin trotz des Schlafdefizits nach nur zwei Stunden Schlaf zur Uni gegangen, habe Vorträge gehalten und bin auch noch meinem Nebenjob nachgegangen“, so die Kunststudentin. Die „Insomnale“ machte ihrer lateinischen Übersetzung, der Schlaflosigkeit, tatsächlich alle Ehre. Nachdem das Projekt Ende März in PR-Arbeit, Programmplanung, Führungskonzeption, Finanzierung und Raumteam aufgesplittet wurde, ging die Arbeit erst so richtig los. (mehr …)

Geht nicht, gibt´s nicht – Vollzeitjob Studimutter

Geht nicht, gibt´s nicht – Vollzeitjob Studimutter

Studentin und gleichzeitig (werdende) Mutter zu sein, ist eine komplizierte Mischung. Wie man Schwangerschaft, Kind und Studium unter einen Hut bekommen kann – moritz hat bei Kommilitoninnen nachgefragt. Der Artikel erscheint im kommenden moritz-Magazin, das ab dem 24. Juni in der Mensa, der Universitätsbibliothek und den Instituten ausliegen wird.

 

Ein Bericht von Anja Rau und Luise Röpke

 

Sieben Prozent aller Hochschüler in Deutschland haben laut einer Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von 2008 bereits ein Kind. Für Greifswald gibt es allerdings keine eigene Erhebung, nur warum?

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