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Im Oktober steht die nächste Rektorwahl an. Zwei Kandidaten wollen den Posten ausfüllen: Professor Hannelore Weber und Professor Robert Seckler. In einer öffentlichen Anhörung sprachen sie über ihre Ziele und Motivationen.

Bis Ende Januar 2013 ist Professor Rainer Westermann noch im Amt als Rektor der Universität Greifswald. Nach ihm wird es zu einem Wechsel kommen, denn er schloss eine neue Kandidatur aus.

Die beiden Rektorkandidaten nach der öffentlichen Anhörung

Seine jetzigen Aufgaben, die Universität nach außen zuvertreten und die Rechtsübersicht über andere Organe, Gremien und die Studierendenschaft, wird auch sein Nachfolger haben. Nachdem das Stellenangebot für das Amt des Rektors ausgeschrieben wurde, gingen fünf Bewerbungen von unterschiedlichen Professoren außerhalb der Universität Greifswald ein. Nach eingehender Prüfung, schlug der Rektorwahlausschuss daraufhin Professor Robert Seckler vor; den Vizepräsidenten der Universität Potsdam, als Kandidaten. Professorin Hannelore Weber wurde als zweite Kandidatin von der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät vorgeschlagen. Beide Professoren wurden am 19. September von dem engeren Senat bestätigt. Die Wahl findet nun am 17. Oktober statt. Der neue Rektor wird dann ab dem 1. Februar 2013 sein Amt im Uni-Hauptgebäude in der Domstraße 11 antreten.

Professor Robert Seckler, wurde 1954 in Baden geboren. Nach seinem Abitur begann er das Studium der Biochemie an der Universität Tübingen, wo er 1984 promovierte. Seit 1998 ist er der Professor der Physikalischen Biochemie an der Universität Potsdam. Die Motivation für seine Kandidatur für den Rektorposten in Greifswald sieht er darin, dass er neue Aufgaben suche. „Meine fünf Kinder sind jetzt bald alle flügge“, sagt Seckler. Er würde sich jetzt mit ganzer Kraft der Universität Greifswald widmen. Ebenfalls um den Rektorposten bewirbt sich Professor Hannelore Weber, 1955 geboren. Ihre Laufbahn begann mit dem Publizistikstudium 1974. Im folgenden Jahr begann sie das Studium der Psychologie in Mainz. Sechs Jahre später absolvierte sie erfolgreich mit dem Diplom der Psychologie. Ein Stipendium für ihre Promotion von der Studienstiftung des Deutschen Volkes lehnte sie ab, da sie die Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Bamberg annahm.

Es folgte die Promotion 1987 und die Habilitation 1992 mit dem Thema „Über den Ärger“. 1994 zog sie nach Greifswald, da sie am den Lehrstuhl für Differentielle und Persönlichkeitspsychologie/ Psychologische Diagnostik berufen wurde, wo sie half, dass neu gegründete Institut der Psychologie aufzubauen. Gerade durch den Aufbau des Instituts fühlt sich Weber mit der Universität verbunden. Sie lehnte aufgrund einen Ruf nach Heidelberg ab. Für die Kandidatur bestärkte sie auch ihr Umfeld, viele Kollegen meinten, dass sie die geeignete Person sei. Emotional berührt tritt sie nun die Kandidatur zum Rektor an.

Das Lehramtsstudium soll bleiben

Beide Kandidaten sprachen sich am 18. September in einer öffentlichen Anhörung für den Erhalt des Lehramtsstudiums in Greifswald aus. Den Plan, das Lehramtsstudium in Mecklenburg-Vorpommern komplett nach Rostock zu verlegen, halten beide für nicht realisierbar. Gerade die neue Zielvereinbarung zeige, dass das Lehramtsstudium sowohl nach Rostock als auch nach Greifswald gehöre. Auf die Nachfrage nach der Erweiterung des Angebotes für Lehramtsstudenten, besonders in Richtung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät, reagierten Seckler und Weber ebenfalls gleich. Beide wollen das Angebot nicht erweitern, sondern lediglich die jetzigen Fächer beibehalten. Seckler erklärte weiter, dass er in Gesprächen mit der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät keine Begeisterung für das Lehramtsstudium an dieser Fakultät vorgefunden habe.

Ein weiterer gemeinsamer Punkt der beiden Kandidaten ist die Förderung der studentische Kultur. Genauso wie Seckler steht auch Weber dahinter. Man müsse noch mehr tun um Studenten nach Greifswald zu holen. Es sei nicht selbstverständlich für die Universität das Studenten sich zum Standort Greifswald hingezogen fühlen. Gerade die nicht vorhandenen Studiengebühren seien für Studenten attraktiv. Dies ist auch der Grund, warum sich Weber klar gegen die Erhebung von Studiengebühren ausspricht. „Ich möchte nicht, dass befähigte Schülerinnen und Schüler vom Studium abgehalten werden.“

Positiv bewertet Seckler, dass die Universität es geschafft habe,20 Prozent der Stellen zu streichen und dabei noch zu funktionieren. „Die Universität hat es geschafft, sich auf Stärken zu konzentrieren, die nach außen weiterhin sichtbar sind. Wir müssen daran arbeiten, dass das weiter so bleibt.“

Werbung um ausländische Studierende

Weiters Ziel für Weber sei die Verbesserung der Internationalisierung. „Bei einem Ranking der Alexander-von-Humboldt-Stiftung hat Greifswald einen erbärmlich schlechten Platz. Wir haben zu wenige ausländische Studierende und Promovierende“, so Weber. Hier müsse man für eine stärkere Internationalisierung werben. Ebenfalls kritisiert sie die momentanen Verhältnisse in der Zusammenstellung des Personals. „Wir stehen in der Gleichstellung noch zu schlecht da“ Es müssten viel mehr Hochschullehrerinnen und Professorinnen eingestellt werden.

Kritik übt auch Seckler am Bildungssystem, besonders an der Lage der Juniorprofessoren. Nach seiner Ansicht können viele Juniorprofessoren den weiteren Karriereaufstieg nicht mehr schaffen, da sie in ihrer Position festgefahren sind. Gerade hier würde er eine bessere Förderung vorantreiben.

In der Finanzierung sieht Seckler ebenfalls Verbesserungsbedarf. Mit knapp 50 Millionen Euro Förderung vom Land für 11 500 Studenten liegt Greifswald weit unter dem Durchschnitt. Durch eine stärkere Förderung durch das Land Mecklenburg-Vorpommern könnten „intelligente und junge Leute in das Land geholt werden, von denen viele hier bleiben, weil es ihnen so gut gefällt. Das setzt man aufs Spiel, wenn man die Universitäten schlecht ausstattet.“, erklärt Seckler gegenüber dem webMoritz.

Problematisch für Seckler ist die Tatsache, dass er seit dem 1. Dezember 2012 der Vizepräsident der Universität Potsdam ist und er dieses Amt noch bis 2014 inne hat. Falls er die Stelle in Greifswald bekäme, müsste er sein jetziges Amt niederlegen. Auf die Frage, ob er sich auch in Greifswald frühzeitig nach anderen Positionen umschauen würde, wenn er der neue Rektor sei, antwortet er vehemend. „Ich stelle mich darauf ein, an der Universität Greifswald nicht nur eine Amtszeit zu arbeiten, sondern so gute Arbeit zu machen, dass mich der Senat nach den ersten vier Jahren erneut wählt.“

Kaum Unterschiede zwischen den beiden

Auf den Betrachter wirkt es, als ob beide Kandidaten keinen klaren Standpunkt festigen wollen, um jenden in der Universität von sich zuüberzeugen. Kaum ein Unterschied ist zwischen den Aussagen von Seckler und Weber zu finden.

Erst im Oktober wird die Entscheidung fallen, wer die Nachfolge von Professor Rainer Westermann antreten darf. Ob nun ein weiterer Psychologe Platz auf dem Rektorstuhl nimmt oder aber ein auswärtiger Professor, der keinen Lehrstuhl an der Universität Greifswald hat, dies tun kann, bleibt offen.

Ein Bericht von Corinna Schlun mit einem Foto von Johannes Köpcke.

Gedenken und Handeln statt Vergessen

„Das Problem heißt Rassismus“ – unter diesem Motto riefen 20 Jahre nach den Pogromen in Rostock-Lichtenhagen Verbände und Vereine zu Gedenkveranstaltungen auf. Die größte war die Demonstration, zu der 6 000 Menschen kamen.

Das Sonnenblumenhaus

Immer mehr Menschen strömen auf den Bahnsteig der Rostocker S-Bahn am Hauptbahnhof. Das vorwiegend junge Publikum kommt zum Teil schon von der ersten Kundgebung auf dem Marktplatz oder ist gerade erst aus den verschiedensten Teilen der Republik mit Zug und Bus angereist. Eine neue Gedenktafel erinnert auf dem Markt an die Pogrome vor 20 Jahren. Es ist schon die zweite Tafel an dieser Stelle; die erste blieb nicht lange an der Wand. Sie wurde damals von den Mitgliedern der Gruppe „Söhne und Töchter der deportierten Juden“ ohne Genehmigung angebracht und deshalb wieder entfernt.

Die neue Tafel ist eine Kopie von vor 20 Jahren. Noch ist nicht klar, ob die Gedenktafel hängen bleiben darf. Heute sind Bahnsteig und vor allem die Waggons der Stadtbahn vollgestopft. Die Bahn kann den Fahrplan nicht einhalten, die Passanten reagieren verwundert auf den Ansturm. Manche sind sogar verärgert. So bleibt es zwei Stunden, denn die Demonstranten steigen hier bloß um. Sie wollen nach Rostock Lütten Klein.

Von dort soll die Demonstration nach Lichtenhagen starten. Das Ziel ist das Sonnenblumenhaus. Dieser Ort geriet vor 20 Jahren in die Schlagzeilen. In dem Außenbezirk der Hansestadt gab es damals neben der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber auch ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter. Beides lag direkt nebeneinander im Sonnenblumenhaus in der Mecklenburger Allee. Dann kochte das Fass über, im August 1992. In der Republik rumorte es, die große Politik in Bonn berateten über das Asylrecht. In Rostock redete damals niemand, aber einige Menschen handelten plötzlich.

Nun sind tausende nach Rostock gereist, um dieser Ausschreitungen oder eher: dieser Pogrome zu gedenken.

Die S-Bahn ist brechend voll. An den Zwischenhalten versuchen immer mehr Leute einzusteigen, doch am Ende müssen viele am Bahnsteig stehen bleiben. Ein Surfer mit seinem Brett wird wohl noch längere Zeit warten müssen, ehe er zum Strand kommt. Trotz der Enge ist eine friedliche Stimmung im Zug. Dann ist der Bahnhof Lütten Klein erreicht. Eine Passagierin aus dem Zug ist froh, als die Leute aussteigen. Was die Leute hier wollen, kann sie nicht nachvollziehen: „Manche Dinge muss man einfach ruhen lassen. Ich habe nur Angst, dass irgendetwas passiert und Sachen zerstört werden.“

Umstrittene Demonstration zum Gedenken

: Etwa 6000 Demonstranten sammelten sich auf der Wiese hinter dem Sonnenblumenhaus – dem zentralen Gedenkplatz der Woche – für eine Kundgebung.

Auf dem Bahnhofsvorplatz stehen bereits massenweise Menschen und mit jedem Zug kommen mehr dazu. Die Demonstration scheint aber noch nicht loszugehen. Flugblätter und ganze Zeitungen werden verteilt. Es wird aufgerufen, auch zu anderen Orten zu kommen, an denen in den 90ern Übergriffe auf Ausländer stattgefunden haben. „Entlarvt die Anstifter der Brandstifter – Oktoberfest, Hoyerswerda, Lübeck, Rostock, Mölln, NSU“, prangt auf einem Transparent. Orte, deren Name plötzlich nicht mehr für sich selbst steht, sondern für Rechtsextremismus und Ausländerhass. Für viele war Rostock-Lichtenhagen der Höhepunkt der Ausländerfeindlichkeit in den 90er Jahren und vor allem ist es für viele noch heute ein Schandmal in der Geschichte der Stadt. Aber nicht alle wollen daran erinnert werden: Gerade unter den Bewohnern sind viele der Meinung: dass die Geschichte einfach ruhen sollte.

Nicht so für die über 6 000 Demonstranten. Sie stehen hier, um auf das Problem aufmerksam zu machen: „Das Problem heißt Rassismus“, lautet das Motto. Passend dazu liegen Transparente mit der Aufschrift „Rassismus tötet“ auf dem Boden. Es geht also nicht nur um eine Demonstration oder Gedenken, sondern im Mittelpunkt steht das eigentliche Problematik: der Rassismus. Dennoch hat die Veranstaltung zu Diskussionen in der Stadt geführt.

Die Politik erstellte ein buntes Programm, um der vier Tage zu gedenken. Die gesamte Woche über war etwas los in Rostock: von Filmabenden, über Diskussionen, bis hin zu Konzerten. Aber eine richtige Demonstration war nicht wirklich erwünscht. So rief am Ende zum größten Teil die linke Szene dazu auf – was allerdings zu Sorgenfalten bei Anwohnern und Sicherheitskräften führte. Der so genannte „schwarze Block“ war auch vertreten und der ein oder andere daraus wohl auch auf handgreifliche Auseinandersetzungen vorbereitet. Es blieb die Zeit über größtenteils ruhig und friedlich.

Der Demonstrationszug setzt sich in Bewegung und es geht über eine Autobahnbrücke in Richtung Stadtteil Rostock-Lichtenhagen. Lange dauert es, bis der letzte vom Bahnhofsvorplatz loslaufen kann. Von den Lautsprecherwagen schallt Musik und regelmäßig ertönen Redebeiträge gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Einige Redebeiträge sind eher belangloses Herumgerede und andere wiederum bringen die Lage auf den Punkt: Das Problem im Land wird klar benannt und es lautet Rassismus.

Zwischen Musik und Stimmengewirr tönen immer wieder verschiedenste Parolen aus den Kehlen der Tausenden von Demonstranten. „Rassismus raus aus den Köpfen!“, doch kaum ein Unbeteiligter hört es. Die große Straße führt vorbei an einem Einkaufszentrum mit Kino. Doch abgesehen von den Demonstranten und der Polizei wirkt heute alles wie ausgestorben. Die Rufe verhallen im Nichts. Erst nach etwa einer Stunde erreicht der Demonstrationszug wirklich bewohntes Gebiet und es geht durch die Straßen von Rostock-Lichtenhagen. Durch den Bezirk, wo das schreckliche Ereignis vor 20 Jahren stattgefunden hat.

Der Schrecken in Lichtenhagen

Am 22. August 1992 entlud sich die angestaute Aggression vieler Menschen in Rostock. Doch so plötzlich war es gar nicht. Zuerst gingen Warnungen an die entsprechenden Behörden und die Ostsee-Zeitung druckte unzensiert einen Aufruf zu den Gewalttaten, die sich vier Tage lang in Lichtenhagen abspielen sollten. In den ersten zwei Tagen fielen jene Menschen dem Hass zum Opfer, die vor der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber campieren mussten, weil die Stelle total überlaufen war. Etliche von ihnen schliefen auf der Wiese – teilweise unter den Balkonen des Gebäudes und manche ganz ohne jeglichen Schutz über dem Kopf. Jeden Tag aufs Neue wurden sie zurückgewiesen, da keine Plätze für eine Aufnahme vorhanden waren.

Trotz der Warnungen, die an die Behörden gerichtet worden waren, passierte nichts, bis am 22. August 1992 die ersten Angriffe stattfanden. Hunderte von Menschen strömten nach Lichtenhagen und beteiligten sich teilweise aktiv oder manche passiv an den Übergriffen. Aus der gesamten Republik reisten bekannte rechtsextreme Personen an. Gruppen mit derselben Gesinnung verteilten Flugblätter und so kamen immer mehr Bürger, die sich an den Pogromen beteiligten. Oder sie standen daneben und jubelten oder hielten die Polizei davon ab, an Ort und Stelle zu arbeiten. Die Polizei hatte neben der Behinderung durch die Bürger auch noch zu wenige Kräfte vor Ort, um einzugreifen, was ein Handeln ihrerseits immer mehr erschwerte.

Erst nach zwei Tagen schien sich die Lage etwas zu beruhigen, denn die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber wurde geräumt. Doch mit den Übergriffen war es noch nicht genug: an den darauf folgenden Tagen griffen die Bürger das Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter – nur einen Aufgang weiter – an und warfen Brandsätze durch die Fenster. Über 100 Menschen wurden in dem brennenden Haus eingeschlossen. Die beängstigenden Bilder des ZDF-Teams, das mit im Gebäude war, gingen um die Welt. Auch bei diesen Angriffen wurden die Polizei und die Feuerwehr an ihrer Arbeit gehindert. Für die eingeschlossenen war es Glück, dass sie in der Feuerfalle überlebten. Ein paar von den damals Betroffenen waren bei der diesjährigen Gedenkveranstaltungen dabei.

Krtik am Handeln der Politiker

Während der bunte Menschenzug 20 Jahre danach durch den Stadtteil zieht, wird es immer unverständlicher, wie das alles geschehen konnte. Vor allem aber bleibt die Frage stehen, wie bei solchen Taten einfach zugeschaut werden kann – damals wie heute. Die Einstellung mancher Bewohner ist an ihren Gesichtsaudrücken abzulesen, während tausende Demonstranten an ihren Häusern vorbeiziehen. „Lasst uns hier in Ruhe!“ oder „Zu diesem Thema möchte ich nichts sagen!“, hört man die Bewohner in verschiedene Kameras sagen. Das deutliche Desinteresse in dem Bezirk ist zu spüren. Hier scheint das Motto „Vergessen statt Gedenken“ vorzuherrschen. Doch die Demonstranten lassen sich nicht von ihren Gedanken abbringen, warum sie durch die Straßen ziehen. Trotz böser Blicke von den Balkonen geht es immer weiter bis auf die Wiese hinter dem Sonnenblumenhaus.

Dort ist bereits ein Zirkuszelt aufgebaut, in dem verschiedenste Veranstaltungen in der Woche stattfanden. Und auch eine Bühne steht bereit, wo einen Tag nach der Demonstration Bundespräsident Joachim Gauck eine Rede halten soll. Dies soll gleichzeitig der Abschluss der Gedenkwoche sein. Ein gepflanzter Baum soll zudem ein bleibendes Zeichen setzen. Genau genommen wurde es schon gesetzt, denn die Eiche steht bereits und wird von der Polizei bewacht. Aber warum muss dieser Baum überhaupt bewacht werden, wenn es doch ein Zeichen der Versöhnung und des Gedenkens sein soll?

Viele Menschen aus der linken Szene kritisieren, dass der ausgewählte Baum ausgerechnet eine „Deutsche Eiche“ sein muss. Hätte es nicht auch eine jede andere Baumsorte sein können, wo doch ausgerechnet Deutsche Bürger diese Übergriffe vor 20 Jahren begangen haben. Dabei lautet eine ihrer Parolen die sie den gesamten Tag schon rufen: „Nazis gehen über Leichen. Und was macht Deutschland? Es pflanzt Eichen.“

Die Demonstranten vermissen bei der Politik die eigentliche Beschäftigung mit dem Problem. Die Frage bleibt, ob es Wichtigeres gibt, als sich um eine Baumsorte zu streiten. Bei so etwas hat wohl jeder eine eigene Ansicht in dem vielen Hin und Her. Was allerdings Fakt ist: Der Baum stand nur noch wenige Tage vor dem Sonnenblumenhaus. Dann wurde er in einer Nachtaktion abgesägt.

Auf der Wiese findet eine Zwischenkundgebung statt, bevor die Demonstration auf der Mecklenburger Alle zum Ende kommt. Einige Redebeiträge mit Danksagungen an die vielen Teilnehmer folgen und es wird dazu aufgerufen, auch an den anderen Orten den Opfern zu gedenken und auf das Problem aufmerksam zu machen. Heute ist das zu Teilen gelungen – vielleicht weniger bei den Bürgern im Bezirk Rostock-Lichtenhagen, aber auf jeden Fall mit der medialen Aufmerksamkeit in der Republik. Langsam zieht es alle in Richtung Bahnhof und zu den Bussen. Die Demonstranten aus allen möglichen Regionen fahren wieder nach Hause. Aber das Motto bleibt: „Das Problem heißt Rassismus.“

Haben die Randalierer von damals gewonnen?
Auf den Tag genau 20 Jahre später stehen wir hier, unsicher, was wir empfinden sollen neben Abscheu gegenüber so viel Hass und Gewalt. Trauer, weil in einem demokratischen Land mit derart vielen Rechten für die einzelne Person immer noch das Gedankengut der damaligen Täter zu finden ist? Erleichterung, weil dieses Gedankengut langsam aber stetig auf dem Rückzug ist? Ungläubigkeit, auf Grund der zeitweiligen Kapitulation der Exekutive vor dem Pöbel? Oder doch Freude über die Lehren, die das ganze Land aus dieser Beinahe-Katastrophe gezogen hat?

Für mich bleibt die Frage: Haben die Randalierer von damals gewonnen? Wenn eine Frau vergewaltigt wird, und der Täter behauptet, das Opfer hätte es durch aufreizende Kleidung etc. herausgefordert, nimmt ihn niemand für voll. Warum aber zieht diese Masche dann, wenn ein paar Hohlraumdübel sich ihren Frust von der Seele prügeln und zündeln?

Voller Grauen schaute die Welt im Herbst 1992 auf ein neues altes Deutschland. Überhaupt schauten alle zu: Die Anwohner, die Polizei, die Medienvertreter – alle schauten zu, aber niemand schritt ein. Teilweise halfen die Medien sogar bei der Koordination der Ausschreitungen. So druckte die Ostseezeitung kommentarlos Drohungen rechtsgerichteter Jugendlicher gegen Asylsuchende ab. Die Bild hetze monatelang gegen die „Asylanten“ und auch seriösere Medien schmückten sich nicht gerade mit Ruhm. Dies war definitiv keine Sternstunde der Presse. Als Konsequenz der Ausschreitungen von Lichtenhagen, Mölln und auch Greifswald, wurde im Mai 1993 das Grundrecht auf Asyl extrem beschnitten.

Sind wirklich die Asylsuchenden schuld gewesen an dieser Eskalation? Ich denke nicht. Das Problem war – und ist immer noch – ein gesellschaftliches Problem: So lange wir als Gesellschaft nicht sicher stellen können, dass es kein zweites Lichtenhagen gibt, so lange muss der Gesetzgeber den einzigen Faktor, den er in dieser gesellschaftlichen Gleichung wirklich kontrollieren kann, streng limitieren – nämlich die Anzahl der Asylbewerber.

Somit sind wir alle gefordert, wenn es darum geht, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen. In dem Moment, in dem das kleine Grüppchen Nationalisten keine Duldung mehr erfährt von der Masse, in dem Moment verpufft seine Kraft und das Übel könnte sich in Luft auflösen. Insofern haben die Randalierer nicht gewonnen, sie haben der Welt nur ihr hässliches Gesicht gezeigt, so dass sie heutzutage umso leichter erkannt werden.

Eine Reportage von Johannes Köpcke mit einem Kommentar von Erik Lohmann

Die Frage nach den Grundrechten (1)

Die Frage nach den Grundrechten (1)

Das Landgericht Köln stellte im Mai in einem Urteil fest, dass es sich bei der religiösen Beschneidung um eine Körperverletzung handelt. moritz suchte in Greifswald nach verschiedenen Meinungen; den Anfang macht ein muslimischer Student:

 

Esam Al-Anwah (28), ist stellvertretender Vorsitzender des Islamischen Kulturzentrum Greifswald e.V.

Esam, hast Du die Debatte um das Beschneidungsurteil mitbekommen?
Ja, klar. Das kann ich nicht verstehen. Da soll eine Sache verboten werden, welche seit vielen Jahren gemacht wird. Wo ist da die Gerechtigkeit, wenn der Gesetzgeber kommt und unseren Glauben nicht mehr respektiert. Ein kleines Problem wird da groß geredet.

Habt ihr das Thema hier in der Moschee besprochen?
Nein, wir sind hier im islamischen Kulturzentrum, da machen wir uns keinen Kopf, da wir auch nur selbstorganisierte Studenten sind und keinen Imam haben. Uns interessiert das alles, aber als Thema wurde es bisher nicht angesprochen. Auch haben wir keine Familie und damit auch keine Kinder, deswegen ist es uns momentan nicht wichtig.

Wie siehst du die Diskussion?
Oft geht es bei der Beschneidung um die Sorge, dass nach der Entfernung der Vorhaut gesundheitliche Probleme auftreten. In den arabischen Ländern gibt es die Beschneidung seit über tausend Jahren. Wir haben niemals gehört, dass es nicht gut für die Kinder ist. Im Gegenteil, viele Studien haben gezeigt, dass es gut ist für die Gesundheit der Kinder und auch das HIV-Risiko ist niedriger; dies ist auch bestätigt durch die WHO, die Weltgesundheitsorganisation. Auch ist es wichtig für die Sauberkeit und Reinlichkeit. Ich sehe ein Problem darin, dass in Deutschland und auch in den westlichen Ländern von Freiheit gesprochen wird und auch von der Freiheit von Kindern. Und bei der Beschneidung soll das Kind nun gefragt werden ob es das will oder nicht. Letztendlich gibt es aber viele andere Dinge, welche die Eltern, aber auch der Staat früh bestimmen, ohne die Kinder zu fragen. (mehr …)

Lohmanns Lunch

Es wird Oktober und Halloween steht vor der Tür. Auf einmal kann man sich gar nicht mehr vor diesem komischen orangen Gemüsezeug retten, das untrennbar mit diesem importierten „Feiertag“ verbunden ist. Von Halloween kann man halten, was man will, aber aus Kürbis kann man leckere Sachen machen zum Beispiel Kürbissuppe, und … äh…. Kürbissuppe und… ja, vielleicht, Kürbissuppe?

Dabei ist Kürbis eigentlich sehr vielseitig: Ob als Beilage oder als Snack, als Vorsuppe oder als Hauptgang, Kürbissamen zum Knabbern oder Kürbisöl im Salat, sogar Kürbisschnaps gibt es. Kürbis macht einfach immer eine gute Figur, und das im doppelten Sinne, denn er hat wenig Kalorien und viele Vitamine.

Ich möchte euch einen Weg abseits der ausgetretenen Pfade der Kürbissuppe zeigen: Gebackener Kürbis in Orangensauce.

Den Ofen auf 180° vorheizen, Kürbis entkernen, schälen und würfeln. Die Kürbisstücke mehrmals mit einer Gabel einstechen. Gewürze, Orangensaft und Honig vermischen und über den Kürbis gießen. Auflaufform mit Alufolie abdecken und für circa eine Stunde im Ofen backen, bis der Kürbis weich ist. Zusätzlich könnt ihr mit frisch geschlagener Sahne garnieren. Als Getränk passt dazu einfach alles, wonach euch der Sinn steht. Merket Kinder: „Schnaps geht immer!“ (Empfehlung von Metre de cuisine) Sofern ihr nicht die Gewürze kaufen müsst, solltet ihr mit 5 Euro auskommen.

Ihr braucht (fur 4 Personen):
2,5kg Kurbis
Saft von zwei großen Orangen
Eine Prise Salz
1,5 TL Zimt
1 TL Piment (aus dem
Gewurzregal)
1 EL Honig (am besten flussig)
2 EL brauner Zucker

mit Erik Lohmann // Fotos: Milan Salje

Zerfall und Abriss einer Stadt

Im Pommerschen Landesmuseum wird von Oktober bis Ende Januar eine Ausstellung mit Architekturfotografien von Robert Conrad gezeigt. Er dokumentiert eine bewegende und traurige Zeit für die Greifswalder Bürger in den 80er Jahren.

Blick von der Fleischerstraße zur Bachstraße um 1987

Der Schulweg des Fotografen Robert Conrad veränderte sich zunehmend und bald stand für ihn fest, dass das nicht mehr sein Greifswald ist, wie er es kennt. In den 70er Jahren begannen die Abrissarbeiten, die er live erlebte und bald musste Conrad feststellen: „Von der Hafenstraße aus über die Bachstraße hinweg, entlang der Roßmühlenstraße und die Knopfstraße hinauf war die Stadt verschwunden.

Auch dahinter fehlten inzwischen ganze Blöcke, so dass meine alte Schule mit ihrer Turnhalle und ein einzelnes Giebelhaus nun wie Inseln inmitten der von schweren Baumaschinen planierten Freiflächen standen.“ Im Laufe der Nachkriegszeit wurde größtenteils nicht mehr in die Instandhaltung von Häusern investiert. Ganze Städte zerfielen nach und nach. Oftmals sollten die Innenstädte sich einfach selbst überlassen werden und es wurde günstig und effektiver neu gebaut. Dazu gab es verschiedene und utopische Großprojekte aus den 70er Jahren. (mehr …)