Nordischer Klang: Jazzklänge in Greifswald

Nordische Musik zur Copenhagen Jazz Night

Der Nordische Klang, da darf Jazz auch nicht fehlen. Ohrengenuss und Stimulierung des Geistes. Mittendrin die Nordic Jazz Night, welches vor allem durch das Ola Kvernberg Trio besticht.

 Dann ist Freitag, der 11. Mai, ein weiterer Tag mit Jazz im Theater Vorpommern Greifswald. Die Künstler stehen sich in Extrovertiertheit und einprägsamen  Klangwelten in nichts nach. Der ganze Abend geht aufs Herz und durch die Beine, auch im Sitzen. Und mit einem Funken Esprit auch in den Kopf.

„Apple Pie“

Den Anfang macht „Attaboy plus“. Die schwangere Frontfrau aus Schweden hat außer ihrem schönen runden, stolzen Bauch, der gelben klobigen Uhr und den knallroten Socken auch noch eine schöne Stimme zu bieten, einen Hauch von Björk. „Allmost  everybody is here“: Danish, Finish, French“ ruft  sie, die Schwedin. Cello, Trompete, Kontrabass, Schlagzeug und Violine: „Happy Ectasy“ spielen die jungen Interpreten des Genres. Soli wechseln einen wundersamen Chor ab. Sie singen abwechselnd in Schwedisch und Englisch. Texte, die von der Liebe und vom Witz des Lebens zu erzählen wissen, werden gesungen: „Appelpie“.

„Schrei für mich ein letztes Mal“ sollte der Titel zum Ende des Auftritts heißen. Die berechtigt gewünschte Zugabe scheint zu viel verlangt von der hochschwangeren, expressiven Frau. Doch befreiend schreit sie das Ende ihres Auftrittes heran, inklusive einer extra Portion hysterischen Lachens. Das Ende vom Lied: Gute Unterhaltung, Spaß.

Hard striking yet tender: Marius Neset

Es folgen die erfolgreichen Newcomer „Jazz Kamikaze“, die Best Group der „Get to Festival Competetion 2006“ war schon letztes Jahr beim Nordischen Klang dabei. Eine Lightshow  und  eine dröhnende Stimme à la Rock kündigt die Band an. Es rockt? Soll es einen Boxkampf geben, fragt man sich, als Unmengen von Wasser und Handtüchern verteilt werden. Jazz Kamikaze: Klavier, Saxophon, Schlagzeug, E-Gitarre und ein einfühlsamer Kontrabass erscheinen auf der Bühne des Greifswalder Theaters.

Was sich zuerst wie Ohrenschmerz mit Klavierunterstützung anhört, entpuppt sich als starker, beeindruckender bis liebevoller Auftritt. Sie können  mal leise und mal laut sein: Es trifft ins Herz. Jeder Interpret hat sein Solo und der junge Saxophonist Marius Neset ist zu Recht, durch sein Improvisationstalent und seine Ausdrucksstärke mit dem Preis „Best Solist“ belohnt worden. Stolzierend und schwitzend  präsentiert sich Jazz in einer Teils sehr rockigen Art. Kein typischer Jazz, nichts zum Einschlafen, Jazz Fusion. Und mit Nirvana nach Hause geschickt. Ende eines schönen Abends.

Es gibt aber auch den einen oder anderen, der sich unter diesem Abend etwas Anderes vorgestellt zu haben scheint. Irritiert, vielleicht gelangweilt saßen diese Gäste in einem ansonsten wippenden und jubelnden Publikum. Ob das nächste Jahr Jazz beim Nordischen Klang auch so viel Spaß macht? Wünschenswert wäre es und hoffentlich gibt es dann keine technischen Probleme, so dass ein hervorragender Saxophonist, wie der des „Anderskov Accident Oktett“ auch eine Chance hat, den Gast gehörig zu bannen.

Geschrieben von Martina Pape

Knorke Hightech-Lesung

Am Anfang war das Am

Am 1. Juni lud der Studentenclub Kiste zu einer besonderen Lesung ein. Alf Ator, Stumpen und Buzz Dee, besser bekannt als die Band Knorkator wurden angekündigt aus ihrem Buch „Am Anfang war das Am“ zu lesen.

Das hört sich jetzt nicht nur spektakulär an, sondern das war es auch. Nachdem Harry Rowohlt schon in Greifswald vor einigen Wochen für Furore sorgte, stehen dem Knorkator nichts nach. Die Kiste war bis oben hin voll. Über 100 gespannte Zuhörer saßen und standen, um der spätestens seit dem einstigen Grand Prix – Versuch mit dem Titel „Ick werd zun Schwein“  bekannten Band, zu lauschen.

Doch es kam alles anders. Keine Lesung im klassischen Sinne: Hinsetzen, Wein, Zuhören, Schluss, sondern viel mehr passierte. Stumpen, der eigentliche Sänger, war verhindert und wurde von einem Plüschprimaten vertreten. Alf Ator war der „Lesator“ und Buzz Dee der Lakai, also das Mädchen für alles. Auf der Bühne ein Tisch mit einem Früchteteller, Rotwein und Kerzenschein: Alf Ator im Cäsar-Outfit und Buzz Dee im Kartoffelsack mit hervorblitzendem roten Schlüpper. Das Outfit ist ja bei Knorkator essentieller Bestandteil ihrer Perfomance. Show war auch die Lesung, denn es war in erster Linie eine Playbackshow.  Es wurden Texte der Kategorie „Ergüsse“ und  „unvollendete Geschichten“ gelesen, besser gesagt, zu Gehör gebracht. Alf Ator  hat sich als begnadeter Lippenartist herausgestellt, denn kaum begann die Lesung, schob Alf das Mikrofon bei Seite und der Text lief weiter.

Dass das Ganze eine Art Hörbuchinszenierung mit visueller Komponente wurde, hatte nun keiner wirklich gedacht, aber die Idee funktionierte. Zwischen den wirklich sehr skurril-komischen Geschichtchen wurden natürlich auch Live-Kommentare wie „die Rutsche wär` jetzt auch jemeistert“ abgegeben. Das bereits 2004 erschienene Werk der Band ist ein Potpourri aus witzigen Karikaturen und amüsanten Storys, das Besondere ist der vorherrschende Wortwitz: Hund und Putz sind Gegenteile, denn der eine ist eben müde und der andere munter, bleibt natürlich die Frage, was ein Putz sei. Der Nonsense der „Deutschlands meiste Band der Welt“ funktioniert und macht Spaß. Nach der visuellen Hörbuchlesung gaben die beiden Berliner Chaosherren noch einige Songs zum Besten. „Ich muss es sicher betonen, wir sind Popstars“ ließ Alf Ator verhören, um dann Coversongs und natürlich auch für eingefleischte Fans Knorkator-Songs zu performen. Knorke Abend und ein Blick ins Buch ist es allein der  Karikaturen wegen ein Einblick wert.

Geschrieben von Maria-Silva Villbrandt

Nordischer Klang: Bewährtes Konzept

Junge Literatur aus Nordeuropa wird übersetzt

Die diesjährige Auszeichnung des Nordischen Klang seitens des bundesweiten Wettbewerbs „Deutschland – Land der Ideen“ nahm das Nordische Institut als einen gebührend Anlass für einen bereichernden Literaturnachmittag im Koppenhaus.

EIgeninitiative von Studenten

Weniger die Buchpräsentation über Skandinavische Literaturgeschichte als die von Studierenden des Nordischen Instituts frisch übersetzten Kurzgeschichten aus der Feder junger, größtenteils skandinavischer Debütanten zog in den Bann der Zuhörenden. Vor wenigen Jahren präsentierte die Lesung  „Out of the Cool“ erstmals Literatur aus Nordeuropa. Die Skandinavistikstudentin Rebekka Herberg belebt die Idee des Übersetzungsprojektes und fand engagierte Mitstreiter. „Wir haben uns zusammengesetzt und Leute gesucht, die mit uns ein neues Projekt zusammen machen“, sagt Mitorganisatorin Anne Breuer. Nicht geplant sei die Beteiligung aus dem Institut für Baltistik gewesen. „Dies war aber dennoch total schön.“

Aus dem gesichteten Material der angefragten Verlage und Autoren wählten die nach Landessprachen organisierten Kleingruppen ihre Texte aus. Als übergreifendes Themas verständigten sie sich auf Identität. Ganz gemäß ihres jugendlichen Anspruches. Doch aus der einstigen Idee eines Buches entstand die Einladung zum Festival. „Die Dozenten unseres Institutes fanden die Idee total gut“, so Anne Breuer. „Sie haben uns unterstützt und auch den Vorschlag gemacht, das Projekt beim Nordischen Klang zu präsentieren.“

Jeweils ein Land des Ostseeraumes wurde mit einer Kurzgeschichte vorgestellt. Die literarische Reise führte durch Dänemark, Norwegen, Finnland, Schweden, Estland und Litauen. Ein überfüllter Veranstaltungsraum und reichhaltigen Applaus erhielten die Studierenden vorerst als Dank für ihr Debüt als lesende Übersetzer. Denn die Suche nach einem interessierten Verlag steht immer noch im Raum.

Geschrieben von Uwe Roßner

Nordischer Klang: Was Menschen sehen möchten

Filmdrama „1:1“ der dänischen Regisseurin Annette K. Olesen

In Kopenhagen ist Mohamed der verbreiteteste Vorname unter den männlichen Neugeborenen. Immigranten bringen halt auch in Deutschlands nördlichem Nachbarn überdurchschnittlich viele Kinder zur Welt und geben ihrem Fleisch und Blut keinen dänischen Vornamen.

Neugeborene dienen allgemein der Verjüngung einer Gesellschaft – aber nur wenn deren Zahl die der Sterbenden übertrifft. Wenn wenigstens genügend Babys geboren werden um den  Schrumpfungsprozess der Bevölkerung zu verhindern, freuen sich die Anhänger eines Überalterungswahnes. Nicht nur in Dänemark.

Doch sind die „Einheimischen“ auf einmal in der Unterzahl, ziehen sie sogar freiwillig aus ihren angestammten Wohngebieten weg und setzen somit einen Dominoeffekt in Bewegung, hört alle Friedliebigkeit und Toleranz für die kulturelle Andersartigkeit der nun in der Überzahl Befindlichen auf. Tritt nun ein Problem auf, bespielsweise ein zusammengeschlagener Junge: Einfach auf die Nachbarn mit den „fremd“ klingenden Namen zeigen. Oder wenigstens Vermutungen anstellen. Doch leider bleiben solche Verdächtigungen selten folgenlos, führen sogar zu einer unaufhaltsamen, immer größer werdenden Lawine aus Missverständnissen, die durch ihre negative Energie nachbarschaftliches, familiäres und emotionales Leben irritiert. Diese Geschehnisse in einem Mikrokosmos eines Stadtviertels der dänischen Kapitale inszeniert die junge Regisseurin Annette K. Olesen gefühlsecht, realitätsnah, aber auch vorhersehbar. Montage zweier Szenen in der „richtigen“ Reihenfolge soll das Mittel zum An-der-Nase-herumführen des Zuschauers sein.

Mie liebt Shadi, ganz ohne kulturelle Berührungsängste. Szene eins: Mies Bruder liegt auf dem Boden. Szene zwei: Shadis Bruder und dessen Freund sind blutverschmiert. Kombiniert ergibt sich ein Zusammenhang. Doch dieser Fehlschluss beeinflusst den Zuschauenden nicht, macht neugierig auf den Weg zum Ausgang des Dramas. So entbrannt Streit nicht nur zwischen den Liebenden, auch zwischen den Brüdern kriselt es trotz der vielen kulturellen Gemeinsamkeiten. Die unausgesprochene Wahrheit wirkt wie ein soziales Moor. Alle sind dem Tod geweiht, merken es, aber können sich nicht helfen. Erst der unnötige Ausgleich zwischen den Bevölkerungsteilen befriedet. Hoffentlich langfristig.

Geschrieben von Björn Buß

Kino: Die Weltbühne

?Resist? von Karin Kaper und Dirk Szuszies

Als Anti-Theater spielt das „Living Theatre“ seit über 50 Jahren politische Stücke. Ohne eigene Bühne stellen die Schauspieler mal während einer Demonstration gegen das Wirken der acht wirtschaftlich stärksten Staaten – Sind China und Indien weniger stark als Italien? – oder den Ruinen des World Trade Centers gesellschaftliche Probleme dar.

Ethnische Diskriminierungen, Despotimsus, Kapitalismus und Gewalt werden durch die Stücke kritisiert. Das The-aterensemble ist Teil der Zivilgesellschaft.
Der Dokumentarfilm „Resist“ zeichnet die Entstehung der Gruppe nach. 1947 von Julian Beck und Judith Malina gegründet, kämpfte das „Living Theatre“ immer gegen das Etablishment. Auch für den eigenen Erhalt. Der Film ist nah an den Menschen. Auf einen erklärenden Sprecher wird verzichtet. Ebenso auf eine lineare Erzählstruktur.

Immer wieder wird auf die Gründer hingewiesen, entweder durch Orginalaufnahmen alter Aufführungen oder wenn auf deren Erbe hingewiesen wird. Seltsam mutet der gespannte Bogen des Films an: Kein paradigmatischer Höhepunkt entsteht. Die Welt hat sich halt nicht verbessert. „Living Theatre“ mühte sich und errang nur kleine Erfolge. Die Dokumentation besitzt ebenfalls nur geringen Einfluss auf den Lauf der Dinge, wirkt aber beim Publikum des Filmclub Casablanca.

Geschrieben von Björn Buß