Filmdrama „1:1“ der dänischen Regisseurin Annette K. Olesen

In Kopenhagen ist Mohamed der verbreiteteste Vorname unter den männlichen Neugeborenen. Immigranten bringen halt auch in Deutschlands nördlichem Nachbarn überdurchschnittlich viele Kinder zur Welt und geben ihrem Fleisch und Blut keinen dänischen Vornamen.

Neugeborene dienen allgemein der Verjüngung einer Gesellschaft – aber nur wenn deren Zahl die der Sterbenden übertrifft. Wenn wenigstens genügend Babys geboren werden um den  Schrumpfungsprozess der Bevölkerung zu verhindern, freuen sich die Anhänger eines Überalterungswahnes. Nicht nur in Dänemark.

Doch sind die „Einheimischen“ auf einmal in der Unterzahl, ziehen sie sogar freiwillig aus ihren angestammten Wohngebieten weg und setzen somit einen Dominoeffekt in Bewegung, hört alle Friedliebigkeit und Toleranz für die kulturelle Andersartigkeit der nun in der Überzahl Befindlichen auf. Tritt nun ein Problem auf, bespielsweise ein zusammengeschlagener Junge: Einfach auf die Nachbarn mit den „fremd“ klingenden Namen zeigen. Oder wenigstens Vermutungen anstellen. Doch leider bleiben solche Verdächtigungen selten folgenlos, führen sogar zu einer unaufhaltsamen, immer größer werdenden Lawine aus Missverständnissen, die durch ihre negative Energie nachbarschaftliches, familiäres und emotionales Leben irritiert. Diese Geschehnisse in einem Mikrokosmos eines Stadtviertels der dänischen Kapitale inszeniert die junge Regisseurin Annette K. Olesen gefühlsecht, realitätsnah, aber auch vorhersehbar. Montage zweier Szenen in der „richtigen“ Reihenfolge soll das Mittel zum An-der-Nase-herumführen des Zuschauers sein.

Mie liebt Shadi, ganz ohne kulturelle Berührungsängste. Szene eins: Mies Bruder liegt auf dem Boden. Szene zwei: Shadis Bruder und dessen Freund sind blutverschmiert. Kombiniert ergibt sich ein Zusammenhang. Doch dieser Fehlschluss beeinflusst den Zuschauenden nicht, macht neugierig auf den Weg zum Ausgang des Dramas. So entbrannt Streit nicht nur zwischen den Liebenden, auch zwischen den Brüdern kriselt es trotz der vielen kulturellen Gemeinsamkeiten. Die unausgesprochene Wahrheit wirkt wie ein soziales Moor. Alle sind dem Tod geweiht, merken es, aber können sich nicht helfen. Erst der unnötige Ausgleich zwischen den Bevölkerungsteilen befriedet. Hoffentlich langfristig.

Geschrieben von Björn Buß