von Archiv | 12.12.2005
Warum der Pressesprecher der Universität seit Februar arbeitslos ist – und bleibt
Wenn eine Universität ihren „Pressesprecher“ entläßt, dann muss sie ihn gleich gründlich rausschmeißen. Um 12.10 Uhr am 16. Februar dieses Jahres erfuhr Edmund von Pechmann, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Ernst Moritz Arndt-Universität beendet sei. Schon am selben Tag war das Telefon in seinem Büro in der Baderstraße tot, sein Uni-E-Mail-Account gesperrt. Auf der nachmittäglichen Senatssitzung hieß es dann, von Pechmann sei „verhaltensbedingt“ gekündigt worden. Rektor Rainer Westermann wünschte dem Entlassenen noch zum Abschied, er möge mit der schwierigen Situation gut umgehen.
Vier Er- und Abmahnungen, 61 „Uni-Journale“ und vier „Universitätszeitungen“, unzählige Pressemitteilungen sowie einige Skandälchen und Skandale früher kam von Pechmann 1994 nach Greifswald. „In ein Provinznest am Rande Deutschlands“, wie er heute sagt, „das nicht mal telefonisch vernünftig erreichbar war.“ Das einzige, was die deutschlandweite Öffentlichkeit aus Greifswald vernahm, war der gute Ruf der Medizin.
Das sollte sich ändern. Von Pechmann übernahm die Pressestelle und fing an zu schreiben, mit spitzer Feder und feiner Beobachtungsgabe. In den Uni-Journalen und diversen Pressemitteilungen lief er zu Hochform auf. Die „Zeit“ titulierte den Sprachkünstler 1996 als „Vater der frechsten Unizeitung Deutschlands“. Sein feinsinniger, bisweilen auch ironischer Stil lese sich „wie Simplicissimus, FAZ und Titanic zugleich“. Von Pechmann hatte, was er für die Uni Greifswald wollte: deutschlandweite Aufmerksamkeit.
Auch in der Universität war ihm Aufmerksamkeit gewiss. „Man hat viel hineingedeutet in meine Texte“, wundert er sich bis heute. Wer wollte, der konnte immer so einiges aus ihnen herauslesen. Uni-interne Intrigen und Herabsetzungen tolerierte von Pechmann nicht und streute die eine oder andere Andeutung in seine Texte. Während die eine Hälfte der Uni über Sprachphantasie, Stil und mutigen Journalismus jubelte, moserte die andere Hälfte über falsch verstandene Öffentlichkeitsarbeit und Insider-Geschreibsel.
2001 rutschte von Pechmann bei der Beschreibung der abgerissenen Duschbaracken im Studentenwohnheim Fleischerwiese das Wort „auschwitzartig“ heraus. Die Uni-Öffentlichkeit erbebte, es gab persönliche Angriffe und Morddrohungen. Der damalige Rektor Hans-Robert Metelmann stellte sich hinter ihn, nachdem er ihm bis zur Aufklärung kurzzeitig sein Amtes entzogen hatte. Nicht so Rainer Westermann, damals Dekan der Philosophischen Fakultät.
Mit der Investitur Westermanns zum Rektor im Winter 2003 wurde das Eis dünn für von Pechmann. Als Ende 2003 der langjährige Kanzler Carl Heinz Jacob in Pension ging, tauchte die erste Abmahnung aus der Schublade auf. Gleichzeitig wurde die Personalchefin Christiane Müller versetzt. Sie entging der Entscheidung mehr oder weniger, indem sie in Speyer zur Kanzlerin ernannt wurde.
Von Pechmann berichtete sowohl über Müllers Ab- und dann Weggang als auch über Jacobs Verabschiedung – und handelte sich prompt eine Abmahnung von Rektor Westermann ein. Im Christiane-Müller-Artikel verwies von Pechmann auf deren hervorragende Zeugnisse und Beurteilungen, von denen Müller ihm selbst berichtet hatte. Westermann monierte, von Pechmann habe Dienstgeheimnisse ausgeplaudert. Im Carl-Heinz-Jacob-Artikel konnte sich von Pechmann eine kleine Charakteristik der Redner nicht verkneifen. Westermann beschwerte sich, von Pechmann habe „ihn in seinem Bemühen, eine würdige Veranstaltung hinzubekommen, desavouiert“, zu deutsch: bloßgestellt.
Das mehrere Tausend Euro teure Uni-Homepage-Projekt, das Mitte 2004 in der Kommunikationsunfähigkeit zwischen Rektorat und von Pechmann als Verantwortlichen versandete und schließlich eingestampft wurde, ließ das Eis nochmals dünner werden. „Ich war gegenüber Rektor Westermann immer gesprächsbereit“, beteuert von Pechmann heute, „aber bei ihm war von Anfang an kaum guter Wille da.“ Westermann selber wollte sich gegenüber dem moritz dazu nicht äußern.
Überhaupt gibt sich der Rektor wortkarg. Was denn der Kernvorwurf gegen von Pechmann sei, wollte moritz von ihm wissen. Kein Kommentar, solange die Urteilsbegründung der jüngsten Gerichtsentscheidung noch nicht vorliege. Gesprächsbereiter gab sich Uni-Kanzler Thomas Behrens, der von Pechmann illoyales Verhalten gegenüber dem Rektorat vorwirft.
Als von Pechmann Ende 2004 auch noch dazu verdonnert wurde, das Uni-Journal fortan selber zu layouten, fing das Eis an zu brechen. Mitte Februar 2005 hatte er dann gleich zwei Kündigungen auf dem Tisch liegen: Eine fristgemäße und eine fristlose, letztere auf den insgesamt vier vorangegangenen Er- und Abmahnungen beruhend.
Er zog vor das Arbeitsgericht Stralsund, das am 8. November urteilte und erst die Abmahnungen als nicht justiziabel verwarf und dann die Kündigungen abschmetterte. Die fristgemäße Kündigung war wohl zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig. Laut dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung, den die Gewerkschaft im Zuge der Kürzungswellen mit dem Land aushandelte, dürfen nichtwissenschaftliche Uni-Mitarbeiter nicht betriebsbedingt gekündigt werden.
Die Uni hatte aber schon während des Verfahrens deutlich gemacht, dass eine Wiedereinstellung von Pechmanns den Uni-Oberen nicht zuzumuten sei, und stellte einen Auflösungsantrag nach §9 Kündigungsschutzgesetz. Diesem gab das Gericht statt, löste das Arbeitsverhältnis zum 30. September auf, legte eine Abfindung in Höhe von knapp 30.000 Euro fest und entließ von Pechmann mit 55 Jahren in die Arbeitslosigkeit.
Altrektor Jürgen Kohler blickt kritisch auf die getroffene Entscheidung. „Ich habe zwar als Außenstehender, der nicht alle Hintergründe kennen kann, eine einseitige Sicht auf die Dinge, aber die Gründe für den Rausschmiß scheinen mir fadenscheinig“, so der Professor für Zivilrecht. „Außerdem: Wenn man einen Kündigungsprozeß verliert, dann sollte man nicht durch die Hintertür doch noch den Rausschmiß vollziehen.“ Überhaupt sei das Kündigungsschutzgesetz generell bedenklich, weil auf solch eine Weise jedermann im Ergebnis doch gekündigt werden könne, obwohl Kündigungsgründe fehlten.
„Ein gewähltes Organ sollte eine so weitreichende Entscheidung wie den Rausschmiß von Pechmanns nicht aus persönlichen Gründen treffen“, kritisiert auch Altkanzler Carl Heinz Jacob das Zumutbarkeitsargument. Objektive Gründe hätten schließlich nicht vorgelegen, das habe die Gerichtsverhandlung gezeigt.
Von Pechmanns Zukunft sieht zur Zeit schlecht aus. Nicht nur die miserable Lage der deutschen Zeitungsverleger spricht gegen eine Neueinstellung, sondern auch eine miserable Beurteilung über von Pechmann aus dem Jahre 2004. Gegen die geht er inzwischen gerichtlich vor. „Dass man ihn in die Arbeitslosigkeit entläßt, hätte nicht sein müssen“, meint Altrektor Kohler, „stattdessen hätte man sich im Rektorat zusammenraufen und auf eine gemeinsame Arbeitsebene verständigen können.“
Ob das Gerichtsverfahren in die zweite Instanz geht, ist genauso offen wie die Frage, ob es jemals mit dem Uni-Journal weitergeht. Während Uni-Leitung und von Pechmann auf die schriftliche Urteilsbegründung lauern, mag sich zur Zukunft des Journals keiner äußern. Man munkelt, eine neue Uni-Zeitung sei geplant.
Eine erste Solidaritäts-E-Mail begeisterter Uni-Journal-Leser kursierte gleich nach der Entlassung im März auf Uni-Verteilern. Letzter Coup der von-Pechmann-Sympathisanten Ende Oktober 2005: Ein Protestblatt im Uni-Journal-Layout mit über 60 Unterzeichnern, die sich für die „ungehinderte Weiterbeschäftigung Herrn von Pechmanns als Pressestellenleiter“ stark machen.
„Das ist nicht nur herzanregend, das ist wirklich toll“, gibt sich von Pechmann über die Sympathiebekundungen gerührt, „selbst nach so langer Zeit gibt es noch Menschen mit Rückgrat, bei denen die Karriere nicht an erster Stelle steht.“ Was von Pechmann nur ahnt, stimmt tatsächlich: Nach der ersten Rundmail im März zitierte ein Dekan einen Mitarbeiter zu sich, was er sich denn beim Unterzeichnen gedacht habe, wie moritz aus Uni-Kreisen erfuhr.
Sehr selbstbewußt äußerte sich dagegen einer der aktuellen Unterzeichner. Er sei sich dieser Tragweite nicht bewußt und wolle es auch nicht sein. Er habe schon gar nicht an seine Karriere gedacht. „Wenn Entscheidungsträger aufgrund einer solchen Unterschrift eine Karriere verbauen, dann tut es mir auch Leid“, so der von-Pechmann-Sympathisant.
Geschrieben von Ulrich Kötter
von Archiv | 12.12.2005
Die Novellierung des Landeshochschulgesetzes (LHG) wird die bestehende Hochschulautonomie stark beschränken, so sie in der zweiten Lesung im Schweriner Landtag angenommen wird. Anlässlich der Aktualität dieser Novellierung fragte moritz bei den Landtagsfraktionen SPD (Regierung), Linkspartei.PDS (Regierung) und CDU (Opposition) nach den individuellen Standpunkten zu der Diskussion.
Wie steht Ihre Fraktion zum Gesetzesentwurf zur Novellierung des Landeshochschulgesetzes des Bildungsministeriums?
Andreas Bluhm (hochschulpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Linkspartei.PDS):
Die Fraktion stimmte der Überweisung des Gesetzentwurfes in die Ausschüsse in 1. Lesung mehrheitlich zu. Die End-abstimmung kann jedoch erst nach der Behandlung im Bildungsausschuss auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses und einer 2. Lesung im Landtag – voraussichtlich im Januar 2006 – erfolgen. Somit sind noch Änderungen oder Ergänzungen des vorliegenden Ge-setzentwurfs möglich.
Ilka Lochner-Borst (bildungspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion):
Die CDU-Land-tagsfraktion lehnt diesen Gesetzentwurf ab. Er stellt eine Ein-schränkung der Hochschulautonomie dar, die 2001/2002 in einem mühsamen Gesetzgebungsverfahren durch die Hochschulen auf eine konstruktive Art und Weise erstritten wurde. Nach Ansicht der CDU-Fraktion geht im gegenwärtig gültigen LHG die Hochschulautonomie nicht weit genug. Die Haushaltspolitik der Landesregierung greift durch ständige Einsparungen, Kürzungs- und Schließungspläne massiv in die ohnehin beschränkte Autonomie der Hochschulen ein.
Mathias Brodkorb (hochschulpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion):
Die SPD-Fraktion hat bisher noch nicht über die LHG-Änderung beraten.
Ist diese Position einheitlich oder gibt es auch Gegenstimmen innerhalb der Fraktion?
Andreas Blum:
Es gab bei der Abstimmung auch Gegenstimmen und Stimmenthaltungen in der Fraktion der Linkspartei.PDS.
Ilka Lochner-Borst:
Diese Position ist einheitlich, weil die CDU die Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern als einen der nachhaltigsten Entwicklungsfaktoren des Landes betrachtet.
Mathias Brodkorb:
Siehe Antwort zu Frage 1.
Wie steht es um Ihre persönliche Meinung zu diesem Vorhaben?
Andreas Bluhm:
Ich sehe die Notwendigkeit des Gesetzentwurfes, um vor dem Hintergrund der vielschichtigen und komplizierten Rahmenbedingungen eine zukunfts-, leistungs- und konkurrenzfähige Hochschullandschaft unter der Prämisse der Erhaltung aller Hochschulen zu sichern. Dabei gehe ich immer noch davon aus, dass es gelingt, einen Konsens zwischen allen Beteiligten zu erreichen und damit die geplanten Eingriffsmöglichkeiten des Gesetzentwurfs nicht anwenden zu müssen.
Ilka Lochner-Borst:
Die Antwort auf Frage 1 stellt meine persönliche und meine parteipolitische Meinung dar. Als Mitglied der CDU und als hochschulpolitische Sprecherin werbe ich dafür, dass meine persönliche Meinung auch Meinung meiner Fraktion und Partei wird.
Mathias Brodkorb:
Eine abschließende Meinung zur Änderung des LHG werde ich mir erst nach der geplanten Anhörung bilden.
Sind Landespolitiker im Bildungsministerium das qualifizierteste Personal, um Entscheidungen über die universitäre Verwaltung zu fällen?
Andreas Bluhm:
Nach dem LHG hat das zuständige Ministerium einen gesetzlichen Auftrag zur Gestaltung und Mitwirkung im Hochschulbereich, der Gesetzeskraft hat. Da sich die Frage auf die universitäre Verwaltung bezieht, ist von qualifizierten Entscheidungen auszugehen. Die Eingriffsmöglichkeiten in die Prozesse der Lehre und Forschung sind nach dem Grundgesetz, der Landesverfassung und dem LHG des Landes der Autonomie wegen berechtigterweise sehr beschränkt.
Ilka Lochner-Borst:
Die Frage stellt sich mir anders: Wie versetzen wir als Politiker die Univerwaltungen in die Lage, Hochschul-autonomie im Interesse der Hochschule und des Landes mit Leben zu erfüllen? Ich will, dass sich Hochschulen auch dem Interesse des Landes verpflichtet fühlen. Daher ist das angestrebte Prozedere beim Abschluss von Zielvereinbarungen im gültigen LHG der richtige Weg. Ich sehe es kritisch, dass Bildungsbürokraten für sich in Anspruch nehmen, die Breite und Tiefe von Hochschulstrukturen treffsicher zu beurteilen.
Mathias Brodkorb:
Soweit ich weiß, wurde in der Hochschulreformdebatte nicht über „universitäre Verwaltung“ beraten. Auch arbeiten aus Gründen der Gewaltenteilung keine Abgeordneten in Ministerien mit. Abstimmungsprozesse in besonders wichtigen politischen Fragen zwischen Regierung und Fraktionen sind jedoch nicht ungewöhnlich.
Geschrieben von Stephan Kosa
von Archiv | 12.12.2005
Ein hochschulpolitischer Jahresrückblick
Als ein an Lehre und Forschung interessierter Mensch in M-V hatte man es im Jahr 2005 nicht leicht. Denn scheinbar innovative Visionen wurden in diesem Jahr vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, genauer gesagt von Minister Hans-Robert Metelmann, beschlossen.
Der Höhepunkt des regen Treibens war bis jetzt der 29. November. An diesem Tag trug der Bildungsminister sein endgültiges Hochschulkonzept im Landeskabinett vor. Dieses stimmte dem Papier zu, das nach Beschneidung der Hochschulautonomie die Neuordnung der Hochschullandschaft organisieren soll. Der Inhalt muss alle von den Kürzungen betroffenen Lehramtsstudenten sowie angehende Altertumswissenschaftler, Theologen, Anglisten/Amerikanisten und Erziehungswissenschaftler, aber auch alle anderen Studierenden und Mitarbeiter der Greifswalder Universität aufrütteln, denn kein Fachbereich wird aller Voraussicht nach ab 2006 an den Kürzungen vorbei kommen.
Doch Metelmann begann bereits am 14. Januar 2005 seine Vision einer qualitativ hochwertigen und international konkurrenzfähigen Hochschullandschaft in M-V zu verkünden. Zwei Wochen später teilte er mit, dass seine „gute“ Vision mit der weniger visionären Kürzung von 652 Stellen an den Hochschulen einhergehen wird. Im Schloss Hasenwinkel bei Schwerin veröffentlichte er dann, dass 199 Stellen allein an der Universität Greifswald gekürzt werden sollen. Das zähe Ringen um Hochschulautonomie begann.
So wurde durch die Universitätsrektoren Wendel und Westermann Mitte Februar auf den visionären Kürzungsplan der Landesregierung geantwortet. Beide folgten den deutlichen Appellen aus dem Bildungsministerium und legten eine weitreichende Liste von Kürzungen und Zusammenführungen von Instituten und Fakultäten vor. An sich keine Besonderheit, wenn man die Kompetenzen der Hochschulsenate außen vorlässt. Der Greifswalder Senat lehnte die westermann-wendelschen Visionen nach heftigen Protesten im März ab. Der Rostocker Rektor zog die plötzlich nicht mehr visionäre Vision wieder zurück.
Als Nebenkriegsschauplatz trat sich im März dieses Jahres die Änderung des Landeshochschulgesetztes (LHG) hervor. Das Bildungsministerium arbeitete hinter verschlossenen Türen an einer Modifizierung des LHG mit dem Ziel, gemeinsame Fachbereiche zwischen Hochschulen einzurichten, Studierende von einem Hochschulstandort zum anderen verschicken zu können und selbst als Ministerium Studiengänge eröffnen und schließen zu können.
Währenddessen lud Bildungsminister Metelmann Mitte März die Hochschul-rektoren auf das idyllische Schloss Hasenwinkel. Grund war eine schriftliche Vision: Eine Liste von Kompetenzfeldern sollte den Hochschulen eröffnen, was das Land in den nächsten Jahren für sinnvolle Arbeitsschwerpunkte der Hochschulen wünscht.
Das Kompetenzfelderpapier löste Proteste aus, so dass am 20. April 2005 ein bis dato einmaliger studentischer Staffellauf durch das gesamte Bundesland, der alle Hochschulstandorte verband, stattfand. Er fand am 21. April 2005 sein Ziel vor dem Schweriner Landtag, wo eine Großdemonstration aller Hochschulen mit über 4.500 Teilnehmern durchgeführt wurde.
Exakt eine Woche später präsentierte ein sichtbar unberührter und von Visionen – pardon: Halluzinationen – getriebener Hans-Robert Metelmann im Schloss Hasenwinkel ein weiteres Kompetenzfeldpapier, dass konkret für jede Hochschule bestimmte, was dort noch als Studiengang oder Servicefunktion vorhanden bleiben soll.
Als Reaktion darauf befasste sich der Greifswalder Senat mit der künftigen Universitätsstruktur. Minister Metelmann hatte bereits auf der vergangenen Sitzung als Gast versprochen, dass die Hochschule, sollte sie ein sinnvolles Gesamtkonzept zur Hochschulentwicklung vorlegen, weniger Stellen kürzen müsste.
Dies nahm der Senat zur Grundlage und beschloss ein Konzept, das bei 150 wegfallenden Stellen, wenige Fachbereiche schließen und sinnvolle Synergien freigeben würde. Im Juni wurden mit teils knappen Mehrheiten 32 Studiengänge eingestellt und sich an die Umsetzung des Konzeptes gemacht.
Am 29. Juni wurde dann erneut in Hasenwinkel über die Vorschläge der Hochschulen nachgedacht und das Bildungsministerium legte „überraschend“ eine fertige Gesetzesänderung des Landeshochschulgesetzes vor, dass die Hochschulautonomie beschneiden und Hochschulstrukturveränderungen auch dem Bildungsministerium ermöglichen soll. Damit brach der öffentliche Dialog zwischen Bildungsministerium und Rektoren ab und es folgten zähe Einzelverhandlungen.
Anfang Oktober muss Metelmann wieder einer politischen Vision erlegen sein. Denn er verkündete, dass Greifswald nunmehr statt 199 Stellen 213 Personalstellen streichen soll. Damit führte er sein Versprechen einer verringerten Stellenkürzung in Greifswald und damit das Senatskonzept ad absurdum.
Und wo bleiben nun Forschung und Lehre an der Greifswalder Universität? Fakt ist, dass durch die Schließung von 32 Studiengänge im Juni diesen Jahres das Studium in Greifswald extrem eingeschränkt wurde und so mancher potentielle Student sich für einen anderen Studienort entschied. Fakt ist auch, dass viele Studiengänge jetzt schon überlaufen sind und dass Sitzen auf den Stufen eines überfüllten Hörsaales für viele Studierenden zum Alltag gehört. Fakt ist, dass sich durch die Streichung von 213 Personalstellen an der Universität bis 2017 diese Lehrsituation weiter verschlechtern wird und viele zukünftige Studierende davon abgeschreckt werden hier zu studieren. Ein Teufelskreis also.
Doch nun entstehen noch diabolischere Visionen ganz anderer Art. Der Greifswalder Senatsvorsitzende Wolfgang Joecks denkt laut über die Einführung von Studiengebühren nach, um die bei der Stellenstreichung ausfallenden Gelder abzufangen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern geht jetzt schon finanziell und demographisch am Krückstock. Doch wie soll man dies ändern, wenn man einer Region einen wirtschaftlich wichtigen Motor, die Universität, nimmt? Das Jahr 2006 wird neben dem Jubiläumsjahr wohl ein weiteres Jahr der grauenhaften Visionen werden. Bleibt nur noch die Frage: Was denken Sie sich bei Ihren Visionen, Herr Minister Metelmann?
Geschrieben von Thomas Schattschneider, AStA-Vorsitzender
von Archiv | 12.12.2005
Ein Lagebericht
Mit dem Wort „Hochschulpolitik“ löst man an dieser Universität meist eine von zwei möglichen Reaktionen aus. Zum einen gibt es da die hochschulpolitisch Interessierten. Meist handelt es sich bei dieser Spezies um die engagierten Gremienmitglieder selbst, die sich freiwillig der Aufgabe stellen, mit den Verantwortlichen zu debattieren. Zum anderen gibt es da die Muffelfraktion, die Hochschulpolitik, Proteste und Demos vermeintlich überhaupt nichts angeht. Sie vertreten die Mach-ich-nich-mit-bringt-ja-eh-nix-Mentalität. Wahlquoten unter 10 Prozent und An-wesenheitszahlen bei Vollversammlungen, die keine Beschlussfähigkeit zulassen, beweisen, dass die zweite Gruppe augenscheinlich die absolute Mehrheit an der Greifswalder Universität hat.
Doch sind nicht im April diesen Jahres so einige hundert Studierende mit zur Großdemonstration nach Schwerin gekommen? Das können doch nicht alles Kunstgeschichtsstudierende gewesen sein, die sich das Schweriner Schloss anschauen wollten? Wohl eher nicht: Alle freuten sich, einen Tag unifrei zu haben. Oder political correct: Das brisante Thema der Hochschulreform im Land geht schließlich jeden von uns an.
Im Frühjahr gab es kaum ein wichtigeres Thema. Vorlesungen wurden mit der aktuellen Situation eingeleitet und wo man hinsah, waren Protestlisten ausgehängt und Spruchbänder angebracht nach dem Motto „Stirbt die Uni, stirbt das Land“. Kritiker könnten jetzt fragen, was das alles gebracht hat. Denn die Diskussion hat sich dahingehend verlagert, dass nur noch verhandelt wird, welche Studiengänge als nächstes geschlossen werden.
Ein weiteres Problem ist, dass die Dis-kussion im Sande verlief. Aber ist sie das wirklich? Keiner weiß so recht, welche Entscheidungen als nächstes anstehen. Aber würde eine gründliche Aufklärung der Studierenden überhaupt etwas bringen? Ist es nicht eher so, dass sich wieder nur die Beteiligten mit sich selbst beschäftigen würden?
Und schließlich kann sich doch jeder selbst informieren. Politische Transparenz ist zumindest zu einem großen Teil gegeben. Die Sitzungen der Ausschüsse sind offen, doch leider ist der Einblick in die aktuelle hochschulpolitische Lage mit einem erheblichen Aufwand verbunden. An dieser Stelle kann schnell alle Motivation schwinden.
Trotz aller Diskussionen um die Hochschulpolitik, Einigkeit besteht zumindest darin, dass eine Vertretung der Studierenden wichtig und unerlässlich ist. Selbst kandieren wollen trotzdem die wenigsten. Das Wort „Hochschulpolitik“ bürgt ein riesiges Konfliktpotenzial – Desinteresse vorwerfen lassen will sich schließlich auch keiner.
Geschrieben von Cornelia Leinhos
von Archiv | 12.12.2005
Verwaltungsratsmitglieder des Studentenwerks werden neu gewählt
Im Januar 2006 wählt das Studierendenparlament die sechs studentischen Vertreter für den Verwaltungsrat des Studentenwerks. moritz sprach mit zwei Mitgliedern der zuende gehenden Legislatur.
Eric Kibler,
Mitglied seit Juni 2002
Was hat sich in den letzten zwei Jahren durch die Arbeit des Verwaltungsrates für die Studenten verbessert?
Genau gesagt: keine Ahnung. Wir haben Kriterien für die Wohnheimplatzvergabe verabschiedet. Außerdem wurde die Transparenz in der Mittelver-wendung für soziale und kulturelle Projekte erhöht.
Welche Themen muss der Verwaltungsrat in Zukunft dringend anpacken?
Die Wohnsituation in den Wohnheimen muss verbessert werden und die geringe Versorgungsquote erhöht werden. Ein ganz aktuelles ist die Kita für Studierende. Außerdem wird gerade ein Leitbild des Studentenwerks entworfen. Auch steht derzeit der Weiterbetrieb der Cafeteria im Klinikum in Frage.
Warum sollte sich jemand in den Verwaltungsrat wählen lassen?
Auf jeden Fall nicht, um die Pommes-Sorte zu ändern! Wer sich sozial engagieren und Erfahrungen in Gremien sammeln möchte, ist hier goldrichtig.
Tobias Linke,
Mitglied seit eineinhalb Jahren
Was hat sich in den letzten zwei Jahren durch die Arbeit des Verwaltungsrates für die Studenten verbessert?
Ich bin mit den Ergebnissen der Arbeit selbst eher unzufrieden. Die Entscheidung über die Sanierung und den Ausbau der Beimlerstraße, welche sich ja positiv auf den gesamten Wohnungsmarkt auswirkt, war richtig. Auch wenn dafür die Mieten zum ersten Mal seit vielen Jahren um 15 Euro erhöht werden mussten.
Was war dein spezielles Thema, für das du dich eingesetzt hast?
Das sind die drei wesentlichen Themen: Wohnen, Essen und Kinderbetreuung. Bei der Kinderbetreuung und beim Wohnen sind wir auf dem richtigen Weg. Beim Thema Essen war mir persönlich wichtig, dass wir eine höhere Kostendeckung erreichen und dass der Verkauf an Nicht-Studierende nicht durch unsere Semesterbeiträge subventioniert wird.
Welche Themen muss der Verwaltungsrat in Zukunft dringend anpacken?
Die Kinderbetreuung ist für die Attraktivität Greifswalds als Hochschulstandort aber auch für die Gleichberech-tigung extrem relevant. Wir werden entscheiden müssen, ob und wie stark wir diesen Bereich auch finanziell unterstützen.
Geschrieben von Ulrich Kötter