Ein hochschulpolitischer Jahresrückblick

Als ein an Lehre und Forschung interessierter Mensch in M-V hatte man es im Jahr 2005 nicht leicht. Denn scheinbar innovative Visionen wurden in diesem Jahr vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, genauer gesagt von Minister Hans-Robert Metelmann, beschlossen.

Der Höhepunkt des regen Treibens war bis jetzt der 29. November. An diesem Tag trug der Bildungsminister sein endgültiges Hochschulkonzept im Landeskabinett vor. Dieses stimmte dem Papier zu, das nach Beschneidung der Hochschulautonomie die Neuordnung der Hochschullandschaft organisieren soll. Der Inhalt muss alle von den Kürzungen betroffenen Lehramtsstudenten sowie angehende Altertumswissenschaftler, Theologen, Anglisten/Amerikanisten und Erziehungswissenschaftler, aber auch alle anderen Studierenden und Mitarbeiter der Greifswalder Universität aufrütteln, denn kein Fachbereich wird aller Voraussicht nach ab 2006 an den Kürzungen vorbei kommen.
Doch Metelmann begann bereits am 14. Januar 2005 seine Vision einer qualitativ hochwertigen und international konkurrenzfähigen Hochschullandschaft in M-V zu verkünden. Zwei Wochen später teilte er mit, dass seine „gute“ Vision mit der weniger visionären Kürzung von 652 Stellen an den Hochschulen einhergehen wird. Im Schloss Hasenwinkel bei Schwerin veröffentlichte er dann, dass 199 Stellen allein an der Universität Greifswald gekürzt werden sollen. Das zähe Ringen um Hochschulautonomie begann.
So wurde durch die Universitätsrektoren Wendel und Westermann Mitte Februar auf den visionären Kürzungsplan der Landesregierung geantwortet. Beide folgten den deutlichen Appellen aus dem Bildungsministerium und legten eine weitreichende Liste von Kürzungen und Zusammenführungen von Instituten und Fakultäten vor. An sich keine Besonderheit, wenn man die Kompetenzen der Hochschulsenate außen vorlässt. Der Greifswalder Senat lehnte die westermann-wendelschen Visionen nach heftigen Protesten im März ab. Der Rostocker Rektor zog die plötzlich nicht mehr visionäre Vision wieder zurück.
Als Nebenkriegsschauplatz trat sich im März dieses Jahres die Änderung des Landeshochschulgesetztes (LHG) hervor. Das Bildungsministerium arbeitete hinter verschlossenen Türen an einer Modifizierung des LHG mit dem Ziel, gemeinsame Fachbereiche zwischen Hochschulen einzurichten, Studierende von einem Hochschulstandort zum anderen verschicken zu können und selbst als Ministerium Studiengänge eröffnen und schließen zu können.
Währenddessen lud Bildungsminister Metelmann Mitte März die Hochschul-rektoren auf das idyllische Schloss Hasenwinkel. Grund war eine schriftliche Vision: Eine Liste von Kompetenzfeldern sollte den Hochschulen eröffnen, was das Land in den nächsten Jahren für sinnvolle Arbeitsschwerpunkte der Hochschulen wünscht.
Das Kompetenzfelderpapier löste Proteste aus, so dass am 20. April 2005 ein bis dato einmaliger studentischer Staffellauf durch das gesamte Bundesland, der alle Hochschulstandorte verband, stattfand. Er fand am 21. April 2005 sein Ziel vor dem Schweriner Landtag, wo eine Großdemonstration aller Hochschulen mit über 4.500 Teilnehmern durchgeführt wurde.
Exakt eine Woche später präsentierte ein sichtbar unberührter und von Visionen – pardon: Halluzinationen – getriebener Hans-Robert Metelmann im Schloss Hasenwinkel ein weiteres Kompetenzfeldpapier, dass konkret für jede Hochschule bestimmte, was dort noch als Studiengang oder Servicefunktion vorhanden bleiben soll.
Als Reaktion darauf befasste sich der Greifswalder Senat mit der künftigen Universitätsstruktur. Minister Metelmann hatte bereits auf der vergangenen Sitzung als Gast versprochen, dass die Hochschule, sollte sie ein sinnvolles Gesamtkonzept zur Hochschulentwicklung vorlegen, weniger Stellen kürzen müsste.
Dies nahm der Senat zur Grundlage und beschloss ein Konzept, das bei 150 wegfallenden Stellen, wenige Fachbereiche schließen und sinnvolle Synergien freigeben würde. Im Juni wurden mit teils knappen Mehrheiten 32 Studiengänge eingestellt und sich an die Umsetzung des Konzeptes gemacht.
Am 29. Juni wurde dann erneut in Hasenwinkel über die Vorschläge der Hochschulen nachgedacht und das Bildungsministerium legte „überraschend“ eine fertige Gesetzesänderung des Landeshochschulgesetzes vor, dass die Hochschulautonomie beschneiden und Hochschulstrukturveränderungen auch dem Bildungsministerium ermöglichen soll. Damit brach der öffentliche Dialog zwischen Bildungsministerium und Rektoren ab und es folgten zähe Einzelverhandlungen.
Anfang Oktober muss Metelmann wieder einer politischen Vision erlegen sein. Denn er verkündete, dass Greifswald nunmehr statt 199 Stellen 213 Personalstellen streichen soll. Damit führte er sein Versprechen einer verringerten Stellenkürzung in Greifswald und damit das Senatskonzept ad absurdum.
Und wo bleiben nun Forschung und Lehre an der Greifswalder Universität? Fakt ist, dass durch die Schließung von 32 Studiengänge im Juni diesen Jahres das Studium in Greifswald extrem eingeschränkt wurde und so mancher potentielle Student sich für einen anderen Studienort entschied. Fakt ist auch, dass viele Studiengänge jetzt schon überlaufen sind und dass Sitzen auf den Stufen eines überfüllten Hörsaales für viele Studierenden zum Alltag gehört. Fakt ist, dass sich durch die Streichung von 213 Personalstellen an der Universität bis 2017 diese Lehrsituation weiter verschlechtern wird und viele zukünftige Studierende davon abgeschreckt werden hier zu studieren. Ein Teufelskreis also.
Doch nun entstehen noch diabolischere Visionen ganz anderer Art. Der Greifswalder Senatsvorsitzende Wolfgang Joecks denkt laut über die Einführung von Studiengebühren nach, um die bei der Stellenstreichung ausfallenden Gelder abzufangen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern geht jetzt schon finanziell und demographisch am Krückstock. Doch wie soll man dies ändern, wenn man einer Region einen wirtschaftlich wichtigen Motor, die Universität, nimmt? Das Jahr 2006 wird neben dem Jubiläumsjahr wohl ein weiteres Jahr der grauenhaften Visionen werden. Bleibt nur noch die Frage: Was denken Sie sich bei Ihren Visionen, Herr Minister Metelmann?

Geschrieben von Thomas Schattschneider, AStA-Vorsitzender