von Archiv | 15.11.2006
moritz sprach mit Prof. Barbara Unger über ihre Kandidatur für den Posten der Rektorin an der Greifswalder Hochschule, die neue Landesregierung in Schwerin und die Zukunft der Alma Mater
moritz (m): Wie geht es Ihnen?
Barbara Unger (BU):
m: Warum traten Sie gegen den bisherigen Rektor Prof. Rainer Westermann an?
BU:
m: Wie bewerten Sie das Wahlprozedere?
BU:
m: Wenn es mit Ihrer Person keine Kürzungen in der Lehre gegeben hätte, wie sähe dann die Politik von Prof. med. habil. Dr. rer. nat. Barbara Unger aus?
BU:
m: …Sie möchten also niemals Bildungsministerin werden?
BU:
m: Befürchten Sie die Einführung von Studiengebühren für das Erststudium, obwohl im Koalitionsvertrag der beiden Regierungsparteien gegenteiliges festgehalten wurde?
BU:
m: Zurück zur Wahl: Haben Sie mit solch einer knappen Abstimmung bei der Rektorenwahl am 18. Oktober gerechnet?
BU:
m: Sie sind traurig nicht gewählt worden zu sein?
BU:
m: …also haben Sie trotz der Befürwortung geisteswissenschaftlicher Forschung und Lehre an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität auch Stimmen aus der Mathematik-Naturwissenschaftlichen und Ihrer eigenen Fakultät erhalten?
BU:
m: Auf den Wahlausgang besaß Ihr biologisches Geschlecht keinen Einfluss?
BU:
m: Wie hätte Ihre Zusammenarbeit mit der Studierendenschaft als Rektorin ausgesehen?
BU:
m: Rechnen Sie in der nahen Zukunft mit einer Frau an der Spitze der Hochschule?
BU:
m: Kann die Greifswalder Universität den politischen Interessen in Schwerin Paroli bieten und ihre Interessen von Wissenschaft und Forschung adäquat artikulieren?
BU:
m: Was erwarten Sie von Herrn Westermanns zweiter Amtszeit?
BU:
m: Freuen Sie sich auf Weihnachten?
BU:
m: Frau Unger, vielen Dank für das Gespräch.
Geschrieben von Anne Regling, Blörn Buß
von Archiv | 15.11.2006
Das frisch gewählte Rektorat Rainer Westermann, Michael North und Wolfgang Joecks am Rande der Senatssitzung am 18. Oktober 2006.
Quelle: ring
Geschrieben von Kai Doering
von Archiv | 15.11.2006
Die Ukraine ist ein Land, das sich an der Gabelung des europäischen und russischen Weges befindet. Einerseits sind in den letzten Jahren grundlegende Schritte zur Herausbildung einer demokratischen Struktur unternommen worden, andererseits ist der russische Einfluß auf die Politik und Wirtschaft des Landes nach wie vor wesentlich.
Als Nachfolgestaat der Sowjetunion wurde die Ukraine 1991 unabhängig.
Es hatte bis dahin noch nie ein ukrainischer Staat in diesen Grenzen existiert.
Eine Nationalbewegung wurde in der Geschichte immer wieder durch diverse Fremdherrschaften unterdrückt.
Auch durch den Fakt, dass es erst 1996 gelang, eine Verfassung zu verabschieden die ein sehr präsidentielles System vorsah, gestaltete sich der Transformationsprozess durchaus länger und schwieriger, als in den meisten anderen post-kommunistischen Ländern. Die wirtschaftliche Rückständigkeit ist nach wie vor immens, da das Land 2004 nur etwa 60 Prozent des Bruttosozialproduktes von 1989 verzeichnen konnte. Das Bruttoinlandsprodukt der gesamten Ukraine ist etwa so groß wie das der Hansestadt Hamburg.
Ländlicher Raum
Diese Unterschiede wurden deutlich, als wir die Grenze von Polen in die Ukraine mit unserem Kleinbus passierten. Der Mercedes Sprinter wurde durch die etlichen Schlaglöcher in den Landstraßen durcheinander geschüttelt. Im Übrigen gibt es in der Ukraine keine Autobahnen. Die ständigen teilweise heftigen Erschütterungen und das dröhnende Geräusch des vibrierenden Busses machten die Fahrt zu einer anstrengenden Angelegenheit.
Die Dörfer, durch die uns unsere Reise bis Kiew führte, waren malerisch und archaisch.
Die Grundstücke an den Wegesrändern waren meistens von landwirtschaftlichen Elementen geprägt. Obstbäume, Gemüsebeete, Hühner oder Rinder – alles war in so unterschiedlichen Formen zu finden. Die Häuser hatten einen alten, aber nicht heruntergekommenden Charakter. An diesem warmen Juliabend erblickten wir ebenfalls viele ältere Menschen an diesen Straßenrändern, die sich mit ihren Nachbarn unterhielten oder ihre Kühe ausführten.
Den größten Teil der Busfahrt durchquerten wir jedoch die ewigen Weiten der Wolynischen Tiefebene. Die Abendsonne ließ die an sich unspektakuläre Landschaft trotzdem in einem anziehenden Licht erscheinen.
Die Ukraine ist aber nicht nur ein Land von Bauern. Wie in fast allen Ländern der Erde war der Unterschied zwischen Land und Stadt gewaltig.
Goldenes Antlitz
Die Haupstadt der Ukraine ist Kiew. Obwohl es keine Wolkenkratzer in der Stadt gibt, glänzt das 2,5 Mio. Einwohner Zentrum am Dnjepr durchaus mit einem einzigartigen Metropolcharakter. Das imposante Bahnhofsgebäude strahlte nachts mit einem runden grünen Schriftzug „вокзал“ („Bahnhof“) eine sommerliche Wärme aus. Das Gebäude ist über 200 Meter lang und beeindruckt durch seine Ockerfarben.
Die unzähligen Kirchen der Stadt sind weder von gotischen noch barocken Zügen geprägt. Die in Osteuropa weit verbreiteten Kirchen verfügen über ein spektakuläres Antlitz.
Die Grundmauern sind meistens in hellblauen Farben gehalten, wobei monumentale weiße Säulen mit eingearbeitet sind. Die Kuppeln erheben sich in metal-lischem Gold und sind einfach einzigartig und schön.
Im Osten was Neues ?
Der Maidan („Revolutionsplatz“) in Kiew war zu dieser Zeit besonders eindrucksvoll. Gegen Ende des Jahres 2004 hatten auf diesem Platz zehntausende für freie Präsidentschaftswahlen in der Ukraine demonstriert. Die EU und die OECD erkannten die Wahl am 22. November 2004 als nicht demokratisch an. Der russische Präsident Putin deckte und unterstützte den vermeintlichen Wahlsieger Wiktor Janukowitsch. Jedoch wurde durch das Oberste Gericht der Ukraine eine Wiederholung der Wahl für den 26. Dezember 2004 angesetzt. Aus dieser ging der pro-westliche Kandidat Wiktor Juschtschenko als Sieger hervor. Dieser fiel im Vorfeld der Wahlen einem Giftanschlag zum Opfer. Seinen Siegeszug konnte der Reformer nur mit einem vernarbten und sichtlich gezeichneten Gesicht feiern. Juschtschenko verkündete das Ziel einer NATO- und EU-Mitgliedschaft und steuerte, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Leonid Kutschma, einen radikaleren, westlichen außenpolitschen Kurs an.
Doch nicht mal ein Jahr nach dem Erfolg der „Orangenen Revolution“ zerbrach die Koalition im Spätsommer 2005 und die schöne Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, welche als Markenzeichen einen geflochtenen Rosenkranzzopf trug, schied wegen Differenzen mit dem Präsidenten aus der Exekutive aus.
Die Parlamentswahlen im März 2006 brachten keine Bestätigung mehr für das „Orangene Lager“. Die Partei des Präsidenten „Unsere Ukraine“ verzeichnete rapide Stimmenverluste und konnte mit aller Mühe nur noch etwa zwölf Prozent auf sich vereinen. Die stärkste Fraktion stellte nun der pro-russische Block der „Partei der Regionen“, welchem der alte Widersacher Juschtschenkos, Janukowitsch, als Parteivorsitzender vorstand. Dieser war somit zurück im politischen Geschäft.
Bis zu unserer Reise im Juli war immer noch keine Regierung gebildet worden. Eine mögliche Koalition des Blocks Julia Timoschenkos, „Unsere Ukraine“, und den Sozialisten war Mitte Juni schon vereinbart. Plötzlich sprengten die Sozialisten jedoch dieses Bündnis. Die letzten Alternativen waren eine Neuwahl oder eine Koaltion der alten Reformer und der Partei der Regionen, wobei Juschtschenko seinen alten Widersacher Janukowitsch hätte ins Amt des Ministerpräsidenten verhelfen müssen. Mitte Juli störte Julia Timoschenko eine Parlamentssitzung mit einem Megaphon und protestierte gegen eine „Große Koaliton“.
In dieser unklaren Situation besuchten wir nun Kiew und den Platz, der eine freie und gleiche Wahl überhaupt erst möglich machte.
Der „Maidan“ ist ein quadratförmiger, etwa zwei Hektar großer Platz. Unzählige Zelte und Informationsstände der unterschiedlichsten Parteien säumten diesen Platz. Europaflaggen und Russlandfahnen wehten im Schatten einer über 100 Meter hohen Säule. Die Spitze dieser Säule krönte eine große weibliche Statue, die einen goldenen Zweig über ihren Kopf hält, der die beiden nach oben ausgestreckte Arme verbindet. Der „Maidan“ ist ein historischer und symbolischer Ort. Die politische Polarisierung der Gesellschaft zwischen dem europäischen und dem russischen Weg trat hier einmal mehr offensiv zu Tage.
Trotzdem gibt es eine Region, in der die Spaltung der Gesellschaft zwischen Traditionalismus und Moderne noch deutlicher wird: Die Krim.
Bier, Islam, Gebirge
Die Schwarzmeerhalbinsel Krim hat etwa zwei Millionen Einwohner und ist größer als Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zusammen. Im Norden breitet sich eine große Tiefebene aus, die eine unspektakuläre Steppenlandschaft beherbergt. An der südlichen Spitze zieht sich das Krimgebirge direkt an der Küste entlang. Als Teil der kaukasischen Gebirgsbildung erreichen die Berge über 1200 Meter Höhe und gönnten uns einen wunderschönen Blick vom höchsten Gipfel nahezu direkt hinab zum Meer, das sich in ewigen Weiten verliert.
Bis heute steht die Krim unter islamischem Einfluß. Die Krimtataren wurden 1944 durch Stalin nach Sibirien deportiert. Seit den 1980er Jahren pilgert diese muslimische Minderheit wieder zurück zu ihrer alten Wirkungsstätte.
Heute sind – mit steigender Tendenz – über zehn Prozent der Einwohner auf der Krim muslimisch. Das Zentrum für diese ist der sehr alte Ort Bachthisaraij.
Unsere Unterkunft war ebenfalls in dieser Stadt, die sehr provinziell wirkte. Die sengende Hitze und die flachen und spartanischen Gebäude erinnerten uns bei unserer Ankunft an ein mediterranes Dorf. Es gab keine Supermärkte, sondern nur immer kleinere „Tante-Emma-Läden“. Der osteuropäische Charakter zeigt sich am deutlichsten darin, dass das Straßenbild zur Hälfte von alten Ladas geprägt ist. Auch Taxis und Polizeiautos rekrutierten sich aus diesen, welche sicherlich noch aus Sowjetzeiten stammen.
In Bachthisaraij sollte der Hauptteil der Reise beginnen, auch weil wir zu diesem Zeitpunkt mit russischen Studenten aus St. Petersburg zusammentrafen. Sie wohnten größtenteils in unserem „Hotel“. Nahezu jeden Abend saßen wir im interkulturellen Austausch zusammen, tranken Bier oder spielten Gitarre.
Gemeinsam unternahmen wir diverse Wanderungen und informierten uns über die wichtigsten Industrieprodukte der Krim, – Wein und Lavendel- in Produktionsfabriken.
Mit dem Bus fuhren wir entlang der gebirgigen Südküste. Die steilen Straßen und Serpentinen hinauf und hinab der Berge führten uns durch eine wunderschöne Landschaft, die teilweise völlig unberührt wirkte. Nach mehreren Stops erreichten wir unser Tagesziel: Jalta.
Mediterranes Feeling
Im Livadija Palast, westlich des Stadtkerns, hatten die Allierten im Februar 1945 die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen beschlossen. Der Garten dieses Palastes war äußerst gepflegt. Unzählige Blumenbeete beherbergten eine Farbenvielfalt, die sehr exotisch wirkte. Der erhöhte Blick über das Schwarze Meer, die präzise angeordneten Palmen und die andauernde Hitze verursachten eine Assoziation mit der Karibik an diesem historischen Ort. Das Krimgebirge verhindert den Einfluss von kalten Luftmassen aus dem Norden, so dass in Jalta ein sehr mittelmeertypisches Klima herrscht.
Eine Leninstatue durfte auch in Jalta natürlich nicht fehlen, da es in jeder Kleinstadt eine Statue des alten Revolutionärs gibt. Mit der rechten Hand nach unten gerichtet, eine Papierolle haltend und mit dem linken Arm seinen Mantel fassend, posiert das eindrucksvolle Denkmal. Die sich erhebenden Berge im Hintergrund hinterließen einen denkwürdigen Eindruck. Unweit davon befindet sich eine McDonalds Filiale direkt in der Hafenbucht. Es war die erste, die wir seit Kiew ausmachen konnten. Irgendwie passte dieser Kontrast zwischen Moderne und Geschichte zusammen. Auch deswegen weil viele Touristen entlang der Hafenmole flanierten, um dem Ausblick auf das Meer zu fröhnen.
Gespaltene Gesellschaft
Der traditionelle Einfluß wurde am deutlichsten, als wir in der Hafenstadt Sewastopol die russische Militärparade beobachteten, die einmal im Jahr stattfindet. Die Stadt war überflutet von russischen Bürgern und Militärangehörigen, so dass wir dachten, wir wären in Russland und nicht in der Ukraine. Russland hat in Sewastopol nämlich immer noch einen wichtigen Flottenstützpunkt etabliert, der einer ukrainischen NATO-Mitgliedschaft im Weg stehen könnte.
Wir standen inmitten von Menschen, die allesamt auf die Bucht der Stadt schauten. Im Hafen lagen vier große Panzerkreuzer direkt in einer Reihe hintereinander. Auf der anderen Seite des Ufers wurden regelmäßig Gewehrsalven abgefeuert. Eine beeindruckende Tribüne zog sich an der Küste über 200 Meter entlang und beherbergte unzählig viele Menschen. Ein U-Boot fuhr durch den Hafen und Flugzeuge warfen Fallschirmspringer in das Szenario. Diese zeigten ukrainische, vor allem aber auch russische Fahnen, die an ihren Füßen angebracht waren. Unser Sichtpunkt war eine dichtgedrängte, abschüssige Grasebene. Eine alte füllige Babuschka mit Kopftuch brüllte unverständliche Parolen und verteilte ein Propagandablatt. Auf der Titelseite waren zwei Karikaturen, die eindeutig eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine demagogisierten. Die erste Karikatur verglich das westliche Militärbündnis mit einer Hitlerfigur. Die zweite zeigte einen NATO-Soldaten, der in sehr aggressiver Art und Weise mit einem Messer bewaffnet einen russischen Jüngling mit patriotischer Fahne in der Hand angriff. Diese Zeitschrift war natürlich eine radikale Stimmungsmache, jedoch spiegelte es die Ablehnung der meisten Ukrainer gegen eine westliche Einbindung des Landes wider. Sewastopol bildet hierbei die Schnittstelle für die Konfliktlinien zwischen russischen und westlichen Interessen. Daher bleibt die Situation angespannt.
Europa oder Russland?
In den Medien und auch zur Wahl 2004 wurde die allgemeine politische und wirtschaftliche Teilung der Ukraine in Ost und West propagiert. Es ist richtig, dass sich der östliche Teil traditionell zum russischen Nachbarn hingezogen fühlt. Ebenso richtig ist, dass sich der Westen tendenziell europäisch orientiert. Die Wahlergebnisse sprechen hier deutlich dafür. Jedoch ist die Situation wesentlich komplexer: zum einen ist das von manchen Geographen definierte Mitteleuropa (Deutschland, Österreich, Schweiz, die Benelux Länder und Dänemark) noch nicht einmal so groß wie die Ukraine. Folglich ist dieses weit zersiedelte 44 Millionen-Volk nicht so leicht kategorisierbar. Zum anderen ist die Krim eine Art ukrainischer Mikrokosmos. Über 70 Prozent der Einwohner sind Russen. Die sonst in den Werbetafeln und in den Menschen verwurzelte ukrainische Sprache und Kultur findet sich auf der Schwarzmeerhalbinsel kaum wieder.
Nur ein paar Tage nach unserer Abreise ereignete sich eine größere gewalttätige Auseinandersetzung zwischen muslimischen Tataren und russischen Händlern auf einem Markt in Bachthisaraij. Dies zeigt, dass die ethnischen Konflikte keineswegs gelöst sind.
Am Tag unserer Ankunft in Deutschland wurde der pro-russische Wiktor Janukowitsch zum Ministerpräsidenten gewählt. Der immer noch amtierende pro-westliche Präsident Juschtschenko war nach langen Auseinandersetzungen dazu gezwungen, dies zu akzeptieren.
Damit befindet sich das Land in einem politschen Patt, das in den nächsten Jahren eine deutliche Festlegung auf einen Weg, Europa oder Russland, verhindern wird.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Kultur- und Wissensaustausch auf der Krim und vor allem auch mit den russischen Studenten für uns Deutsche eine große Bereicherung war.
Die Kultur dieses jungen Nationalstaates ist eine einzigartige Mischung aus muslimischen, europäischen und russischen Einflüssen.
Ob die Ukraine nun zu Europa gehört oder nicht lässt sich nicht präzise feststellen. Einerseits sind die historischen Gemeinsamkeiten nicht negierbar. Andererseits wacht Russland immer noch wie ein großer Bruder über das Land (siehe Militärstandort Sewastopol). Wenn man aber berücksichtigt, dass die Türkei in die EU aufgenommen werden soll, dann darf man der Ukraine mittelfristig nicht die Tür vor der Nase zuschlagen.
Die Ukraine hat auf jeden Fall noch einen weiten Weg vor sich, bis man wirtschaftlich und politisch zu Europa gehört. Trotzdem gibt es seit 2004 endlich freie Wahlen, was eine große Errungenschaft darstellt. Die Ukraine ist unterwegs, aber der Zug hat Verspätung.
Geschrieben von Christian Willy Bülow
von Archiv | 15.11.2006
Ein Interview mit Rektor Rainer Westermann über seine Wiederwahl,
Studiengebühren und die Zukunft der Universität Greifswald
moritz (m): Magnifizenz, herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl. Im Vorfeld sagten Sie, nur für eine Amtszeit würden Sie zur Verfügung stehen. Was hat Sie bewogen, erneut zu kandidieren?
Rainer Westermann (RW): Ich hatte den Plan, nach den harten vier Jahren wieder in die Wissenschaft zurück zu kehren. Von Kollegen, die ich von ihrem fachlichen wie auch hochschulpoltischen Engagement her sehr schätze, bin ich überzeugt worden. Dann kommt man in eine Situation, wo man es sich noch einmal überlegt. Zusammen mit meiner Frau habe ich es mir sehr lange und gründlich überlegt.
m: Welche Bilanz ziehen Sie aus Ihrer bisherigen ersten Amtszeit, die im Februar 2007 enden wird?
RW: Wir hatten am Anfang eine extrem schwierige Situation. Wir mußten ganz schnell mit einer gewissen Erblast fertig werden. Das bezieht sich auf die massiven Kürzungen von Finanz- und Personalmitteln aus dem Jahre 2001. Zudem sind die weiteren Stellenkürzungen hinzugekommen. Wir haben dies nicht dadurch bewältigt, dass wir flächendeckend mit dem Rasenmäher gekürzt haben, sondern haben den Mut und die Kraft gehabt, unsere geringen Mittel etwas besser zu konzentrieren.
m: Wofür möchten Sie Ihren bisherigen Prorektoren danken?
RW: Das ist ein Team, was es in der bisherigen Zusammensetzung nicht noch einmal gibt. Es war eine ganz tolle Zusammenarbeit. Wir haben sehr viel zusammen überlegt, diskutiert und sind dabei kritisch miteinander umgegangen. Nicht immer waren wir der gleichen Meinung. Natürlich nicht. Aber wir haben immer zu einer gemeinsamen Linie gefunden.
m: Thema Studiengebühren. Wie stehen sie Ihnen gegenüber? Welche Möglichkeiten oder andere Formen der Studienfinanzierung könnten Sie sich vorstellen?
RW: Die Art wie Studiengebühren bisher eingeführt worden sind, halte ich für wenig zielführend. Einfach 500 Euro einzukassieren und irgendetwas damit zu machen, halte ich für eine primitive Lösung. Wenn man Geld zusätzlich in den Hochschulbereich bringen will, was notwendig ist, dann sollte dies lieber über eine Art Akademikersteuer geschehen.
m: Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gab kürzlich einen Vorschlag heraus. Sie vertritt das Konzept der Studiengelder. Voraussetzung dafür ist eine Zielvereinbarung zwischen Land und Universität. Was halten Sie davon?
RW: Das ist ein anderer Punkt. Dort wird darüber nachgedacht, wie man das Geld, das man noch nicht hat, konkret im Land aufteilt. Wir müssen uns erst einmal darüber Gedanken machen, wann man die Beiträge eigentlich kassiert. Ich halte es nicht für richtig, dies von den aktiven Studierenden zu verlangen. Denn man kann es hin und her wenden wie man möchte: Für viele Studierende hat dies eine abschreckende Wirkung. Damit erreichen wir genau das Gegenteil, was wir seit Jahrzehnten wollten, nämlich möglichst viele Studierende aus allen Schichten.
m: Das Wintersemester hat begonnen. 11.007 Studierende hat jetzt die Greifswalder Alma mater. Freut es Sie, dass es so viele Studierende nach Greifswald zieht?
RW: Natürlich. Ich sehe es dennoch mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn seit Jahren stand Greifswald für eine kleine Universität. Dieser Vorteil besteht schon lange nicht mehr. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben sich die Studierendenzahlen verdoppelt. Und ich verfolge die wachsende Zahl von überfüllten Veranstaltungen mit Sorge.
m: Bleiben wir im studentischen Bereich. Vor und während Ihrer Kandidatur haben sich die hochschulpolitischen Vertreter der Studierendenschaft gegen ihren Antritt und ihre Wiederwahl ausgesprochen. Wie soll die künftige Zusammenarbeit nun aussehen?
RW: Sich gegen jemanden auszusprechen ist in einer Demokratie völlig legitim.
m: Sie sind erst im zweiten Wahlgang bestätigt worden und auch nur mit einer Zweidrittelmehrheit. Da es keinen Gegenkandidaten gab, erwartet man doch eher einen anderen Ausgang.
RW: Natürlich hätte es im ersten Wahlgang geschehen können. Aber es waren halt nicht genug Stimmen dafür da. Das ist auch normal in einer Demokratie. Das ist gerade dann normal, wenn es nur einen Kandidaten gibt, weil man sich eigentlich sicher ist, dass der gewählt wird. Man kann dann die verschiedenen Wahlgänge für eine Meinungsäußerung nutzen. Schwieriger ist es da bei zwei Kandidaten.
m: Welche Potentiale sehen Sie für Greifswald? Welche Entwicklungsmöglichkeiten hat ihrer Meinung nach die Ernst-Moritz-Arndt-Universität?
RW: In dem, was wir tun, sind wir gut. Dennoch müssen wir besser werden, so dass man es auch von außen sieht und wir nicht immer auf den letzten Plätzen stehen.
m: Sie wollen künftig enger mit der Wirtschaft zusammen arbeiten. Inwiefern gibt es Synergieeffekte mit Siemens und Fielmann?
RW: Bei Baumspenden von Fielmann zum Universitätsjubiläum sind keine großen Synergieeffekte zu erwarten. Das ist Sponsoring. Das nehmen wir dankbar entgegen. Bei Siemens sieht es ganz anders aus. Wir sind da eine strategischen Partnerschaft eingegangen.
m: Stichwort Stettin. Wie soll der Kontakt nach Polen künftig aussehen? Wie wird sich ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit entwickeln?
RW: Der Kontakt und die Zusammenarbeit muß noch stärker aus den Fächern heraus wachsen. Es reicht nicht allein aus, als Rektor nach Stettin zu fahren und Absichten zu bekunden. Die Zusammenarbeit in Forschung und Lehre ist steigerungsfähig.
m: Stichwort Internationalisierung.
RW: Hier gibt es ganz verschiedene Aspekte. Wir möchten möglichst gute Studierende aus dem Ausland für unsere Universität gewinnen. Sehr gut läuft die Zusammenarbeit mit Hanoi. Das ist nicht beliebig, sondern hat historischen Gründe. Vielleicht noch ein anderer wichtiger Aspekt. Wissenschaft ist international. In immer mehr Fächern muss man heute in internationalen Fachzeitschriften publizieren, um überhaupt wahrgenommen zu werden.
m: Der Festakt der Universität liegt hinter uns. Wie haben Sie diesen Tag erlebt?
RW: Es war anstrengend und aufregend. Einiges ist schief gegangen, was uns sehr verunsichert hat. Aber insgesamt ist er ganz toll gelaufen. Die im Anschluss geäußerten und vielen positiven Rückmeldungen freuen mich sehr.
m: Warum hielt die schwedische Königin bitte keine Rede?
RW: Das war eine Festlegung des schwedischen Königshofes, auf die wir überhaupt keinen Einfluss nehmen konnten.
m: Die gewählten Prorektoren Joecks und North gelten ja als studierendenfreundlich. Wie wird sich ihre Zusammenarbeit gestalten?
RW: Wir sind alle studierendenfreundlich, ansonsten würden wir unsere Arbeit nicht machen.
m: Der Rostocker Rektor Wendel wurde in diesem Jahr vom Senat abgewählt. Er hat sich gegen die Kürzung des Landes an seiner Universität massiv gewehrt. Fühlen Sie sich in Ihrer Politik gegenüber der Landesregierung in Schwerin bestätigt?
RW: Herr Wendel ist nicht abgewählt, sondern nicht wiedergewählt worden. Wenn man wie ich wiedergewählt wird, dann wird dadurch auch die eigene Politik bestätigt.
m: Inwieweit ist der Rektor der Landesregierung gegenüber verpflichtet?
RW: Der Rektor ist kein ausführendes Organ der Landesregierung. Der Landtag beschließt die Gesetze, die Landesregierung macht eine Reihe von Vorgaben. Der Rektor kann sich nicht darüber hinwegsetzen, er ist aber kein Erfüllungsbeamter.
m: Abschließende Frage: Freuen Sie sich immer noch auf Weihnachten? Am Anfang des Jahres bemerkten Sie dies einmal.
RW: Jetzt freue ich mich gar nicht so sehr auf Weihnachten. Damals war es eine spontane Reaktion auf die Tatsache, dass die Zeit bis Weihnachten eine anstrengende sein würde. Jetzt bin ich froh, dass wir das Jubiläum mit der Hilfe von ganz vielen Leuten so gut gemeistert haben.
m: Vielen Dank für das Gespräch.
Das vollständige Interview findet Ihr beim Internetauftritt von Moritz TV.
Geschrieben von Uwe Roßner, Ulrike Ide
von Archiv | 15.11.2006
polenmARkT: 17. – 27. November in Greifswald
Zehn Tage weht in der Stadt die weiß-rote-Flagge. 22 Veranstaltungen bieten die Möglichkeit, Polen kulturell und politisch kennenzulernen. moritz sprach mit dem Vorstandsmitglied des polenmARkT e.V., Dr. Ulrich Rose.
moritz: Erstsemester fragen sich sicher, was der polenmARkT ist.
Dr. Ulrich Rose: Der Verein polenmARkT e.V. veranstaltet in Greifswald ein polnisches Kulturfestival für Deutsche. Zum nunmehr neunten Mal wird die Kultur des östlichen Nachbarn durch den anarchischen Charakter eines Marktes wiedergegeben. Der polenmARkT besitzt kein starres Konzept, denn jeder Veranstaltungsort zielt als „Marktstand“ auf sein eigenes Publikum ab. In den verschiedenen Angeboten, seien es die Lesungen, Filmvorführungen oder Konzerte spiegelt sich dies wieder. Somit kann sich jede Altersgruppe angesprochen fühlen.
Stechen Programmperlen hervor?
Zum einen ist die Podiumsdiskussion zwischen deutschen und polnischen Journalisten zu nennen. Sehr verschiedene und kritische Beiträge gegenüber dem Verhältnis zwischen den beiden Staaten sind zu erwarten. Zum anderen beehrt uns der polnische Schriftsteller Andrzej Stasiuk. In seinen Büchern nimmt dieser eine kritische Distanz gegenüber seinem Heimatland ein. Stasiuk ist in seinem Land so bekannt und viel diskutiert wie jeweils Paul Auster oder Günter Grass. Auch in diesem Jahr wird wieder im Rahmen des polenmARkTs der „Förderpreis für deutsch-polnische Zusammenarbeit an der Universität Greifswald“ verliehen. Die Preisträgerin ist Franziska Tanneberg vom Botanischen Institut. Sie untersuchte grenzübergreifend die Vogelart des Seggenrohrsängers.
Wer unterstützt den polenmARkT?
Erstmalig steht das Kulturfestival unter der Schirmherrschaft der Polnischen Botschaft. Sobald die Botschaft in Berlin endgültig reorganisiert ist, wird wahrscheinlich der Botschafter persönlich Schirmherr. Wie in den letzten Jahren werden wir außerdem durch die Stadtverwaltung der Hansestadt, der Universität Greifswald, der Sparkasse Vorpommern, dem AStA, anderen Institutionen und privaten Sponsoren gefördert.
Wie verläuft die Zusammenarbeit des polenmARkTs mit der Universität?
Personelle Unterstützung erhalten wir von Lehrenden und Studenten. Diese kommen vor allem aus dem Historischen Institut, vor allem natürlich vom Lehrstuhl für osteuropäische Geschichte, aber auch aus der Slawistik.
Welchen Einfluß haben mögliche Kürzungen in der Hochschule?
Reduziert sich die Universität auf ihre medizinischen und juristischen Fächer, leidet das kulturelle Leben in der Hansestadt. Der polenmARkT lebt von der Geisteswissenschaft. Vor allem von den sprach-, literatur- und geschichtswissenschaftlichen Studiengängen.
Mit welcher Zuschauerresonanz rechnen Sie in diesem Jahr?
Um die 1000 Zuschauer kamen in den letzten Jahren zu den verschiedenen Veranstaltungen. Das Ziel in diesem Jahr sind 1100.
Wo sind die Karten erhältlich und gibt es einen Festivalpass?
An den jeweiligen Veranstaltungs-orten. Auf einen Pass verzichten wir, da dies dem Marktcharakter widerspricht und die Veranstaltungen sehr unterschiedliche Zuschauer-gruppen ansprechen.
Geschrieben von Björn Buß