Ein Interview mit Rektor Rainer Westermann über seine Wiederwahl,
Studiengebühren und die Zukunft der Universität Greifswald

moritz (m): Magnifizenz, herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl. Im Vorfeld sagten Sie, nur für eine Amtszeit würden Sie zur Verfügung stehen. Was hat Sie bewogen, erneut zu kandidieren?
Rainer Westermann (RW): Ich hatte den Plan, nach den harten vier Jahren wieder in die Wissenschaft zurück zu kehren. Von Kollegen, die ich von ihrem fachlichen wie auch hochschulpoltischen Engagement her sehr schätze, bin ich überzeugt worden. Dann kommt man in eine  Situation, wo man es sich noch einmal überlegt. Zusammen mit meiner Frau habe ich es mir sehr lange und gründlich überlegt.

m: Welche Bilanz ziehen Sie aus Ihrer bisherigen ersten Amtszeit, die im Februar 2007 enden wird?
RW: Wir hatten am Anfang eine extrem schwierige Situation. Wir mußten ganz schnell mit einer gewissen Erblast fertig werden. Das bezieht sich auf die massiven Kürzungen von Finanz- und Personalmitteln aus dem Jahre 2001. Zudem sind die weiteren Stellenkürzungen hinzugekommen. Wir haben dies nicht dadurch bewältigt, dass wir flächendeckend mit dem Rasenmäher gekürzt haben, sondern haben den Mut und die Kraft gehabt, unsere geringen Mittel etwas besser zu konzentrieren.
m: Wofür möchten Sie Ihren bisherigen Prorektoren danken?
RW: Das ist ein Team, was es in der bisherigen Zusammensetzung nicht noch einmal gibt. Es war eine ganz tolle Zusammenarbeit. Wir haben sehr viel zusammen überlegt, diskutiert und sind dabei kritisch miteinander umgegangen. Nicht immer waren wir der gleichen Meinung. Natürlich nicht. Aber wir haben immer zu einer gemeinsamen Linie gefunden.

m: Thema Studiengebühren. Wie stehen sie Ihnen gegenüber? Welche Möglichkeiten oder andere Formen der Studienfinanzierung könnten Sie sich vorstellen?
RW: Die Art wie Studiengebühren bisher eingeführt worden sind, halte ich für wenig zielführend. Einfach 500 Euro einzukassieren und irgendetwas damit zu machen, halte ich für eine primitive Lösung. Wenn man Geld zusätzlich in den Hochschulbereich bringen will, was notwendig ist, dann sollte dies lieber über eine Art Akademikersteuer geschehen.

m: Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gab kürzlich einen Vorschlag heraus. Sie vertritt das Konzept der Studiengelder. Voraussetzung dafür ist eine Zielvereinbarung zwischen Land und Universität. Was halten Sie davon?
RW: Das ist ein anderer Punkt. Dort wird darüber nachgedacht, wie man das Geld, das man noch nicht hat, konkret im Land aufteilt. Wir müssen uns erst einmal darüber Gedanken machen, wann man die Beiträge eigentlich kassiert. Ich halte es nicht für richtig, dies von den aktiven Studierenden zu verlangen. Denn man kann es hin und her wenden wie man möchte: Für viele Studierende hat dies eine abschreckende Wirkung. Damit erreichen wir genau das Gegenteil, was wir seit Jahrzehnten wollten, nämlich möglichst viele Studierende aus allen Schichten.  

m: Das Wintersemester hat begonnen. 11.007 Studierende hat jetzt die Greifswalder Alma mater. Freut es Sie, dass es so viele Studierende nach Greifswald zieht?
RW: Natürlich. Ich sehe es dennoch mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn seit Jahren stand Greifswald für eine kleine Universität. Dieser Vorteil besteht schon lange nicht mehr. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben sich die Studierendenzahlen verdoppelt. Und ich verfolge die wachsende Zahl von überfüllten Veranstaltungen mit Sorge.

m: Bleiben wir im studentischen Bereich. Vor und während Ihrer Kandidatur haben sich die hochschulpolitischen Vertreter der Studierendenschaft gegen ihren Antritt und ihre Wiederwahl ausgesprochen. Wie soll die künftige Zusammenarbeit nun aussehen?
RW: Sich gegen jemanden auszusprechen ist in einer Demokratie völlig legitim.

m: Sie sind erst im zweiten Wahlgang bestätigt worden und auch nur mit einer Zweidrittelmehrheit. Da es keinen Gegenkandidaten gab, erwartet man doch eher einen anderen Ausgang.
RW: Natürlich hätte es im ersten Wahlgang geschehen können.  Aber es waren halt nicht genug Stimmen dafür da. Das ist auch normal in einer Demokratie. Das ist gerade dann normal, wenn es nur einen Kandidaten gibt, weil man sich eigentlich sicher ist, dass der gewählt wird. Man kann dann die verschiedenen Wahlgänge für eine Meinungsäußerung nutzen. Schwieriger ist es da bei zwei Kandidaten.
m: Welche Potentiale sehen Sie für Greifswald? Welche Entwicklungsmöglichkeiten hat ihrer Meinung nach die Ernst-Moritz-Arndt-Universität?
RW: In dem, was wir tun, sind wir gut. Dennoch müssen wir besser werden, so dass man es auch von außen sieht und wir nicht immer auf den letzten Plätzen stehen.

m: Sie wollen künftig enger mit der Wirtschaft zusammen arbeiten. Inwiefern gibt es Synergieeffekte mit Siemens und Fielmann?
RW: Bei Baumspenden von Fielmann zum Universitätsjubiläum sind keine großen Synergieeffekte zu erwarten. Das ist Sponsoring. Das nehmen wir dankbar entgegen. Bei Siemens sieht es ganz anders aus. Wir sind da eine strategischen Partnerschaft eingegangen.

m: Stichwort Stettin. Wie soll der Kontakt nach Polen künftig aussehen? Wie wird sich ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit entwickeln?
RW: Der Kontakt und die Zusammenarbeit muß noch stärker aus den Fächern heraus wachsen. Es reicht nicht allein aus, als Rektor nach Stettin zu fahren und Absichten zu bekunden.  Die Zusammenarbeit in Forschung und Lehre ist steigerungsfähig.
 
m: Stichwort Internationalisierung.
RW: Hier gibt es ganz verschiedene Aspekte. Wir möchten möglichst gute Studierende aus dem Ausland für unsere Universität gewinnen. Sehr gut läuft die Zusammenarbeit mit Hanoi. Das ist nicht beliebig, sondern hat historischen Gründe. Vielleicht noch ein anderer wichtiger Aspekt. Wissenschaft ist international. In immer mehr Fächern muss man heute in internationalen Fachzeitschriften publizieren, um überhaupt wahrgenommen zu werden.

m: Der Festakt der Universität liegt hinter uns. Wie haben Sie diesen Tag erlebt?
RW: Es war anstrengend und aufregend. Einiges ist schief gegangen, was uns sehr verunsichert hat. Aber insgesamt ist er ganz toll gelaufen. Die im Anschluss geäußerten und vielen positiven Rückmeldungen freuen mich sehr.
m: Warum hielt die schwedische Königin bitte keine Rede?
RW: Das war eine Festlegung des schwedischen Königshofes, auf die wir überhaupt keinen Einfluss nehmen konnten.

m: Die gewählten Prorektoren Joecks und North gelten ja als studierendenfreundlich. Wie wird sich ihre Zusammenarbeit gestalten?
RW: Wir sind alle studierendenfreundlich, ansonsten würden wir unsere Arbeit nicht machen.

m: Der Rostocker Rektor Wendel wurde in diesem Jahr vom Senat abgewählt. Er hat sich gegen die Kürzung des Landes an seiner Universität massiv gewehrt. Fühlen Sie sich in Ihrer Politik gegenüber der Landesregierung in Schwerin bestätigt?
RW: Herr Wendel ist nicht abgewählt, sondern nicht wiedergewählt worden. Wenn man wie ich wiedergewählt wird, dann wird dadurch auch die eigene Politik bestätigt.

m: Inwieweit ist der Rektor der Landesregierung gegenüber verpflichtet?
RW: Der Rektor ist kein ausführendes Organ der Landesregierung. Der Landtag beschließt die Gesetze, die Landesregierung macht eine Reihe von Vorgaben. Der Rektor kann sich nicht darüber hinwegsetzen, er ist aber kein Erfüllungsbeamter.

m: Abschließende Frage: Freuen Sie sich immer noch auf Weihnachten? Am Anfang des Jahres bemerkten Sie dies einmal.
RW: Jetzt freue ich mich gar nicht so sehr auf Weihnachten. Damals war es eine spontane Reaktion auf die Tatsache, dass die Zeit bis Weihnachten eine anstrengende sein würde. Jetzt bin ich froh, dass wir das Jubiläum mit der Hilfe von ganz vielen Leuten so gut gemeistert haben.

m: Vielen Dank für das Gespräch.
Das vollständige Interview findet Ihr beim Internetauftritt von Moritz TV.

Geschrieben von Uwe Roßner, Ulrike Ide