Einfach mal abheben in ein anderes Universum, auch dafür ist der webmoritz. da! Ihr könnt jeden Freitag ein anderes Redaktionsmitglied auf einem neuen Teil der intergalaktischen Reise unserer unendlichen Geschichte begleiten. Die Rahmenbedingungen haben wir in einer gemeinsamen Sitzung aus unseren Ideen zufällig ausgewürfelt, danach haben wir die Geschichte jedoch der individuellen Kreativität und Gnade unserer Redakteur*innen überlassen. Wohin die unendliche Geschichte führen wird, ist für uns also auch noch ungewiss, aber wir bieten Corona-Craziness, Ärger und Spaß ohne Ende – garantiert!

Was bisher geschah …
Es war einmal in einer anderen Galaxis, aber gar nicht so anderen Zeit. Galapagos-Schildkröte, Entenfotograf und seines Zeichens investigativster Investigativjournalist Gerhard Schmitt hatte auf dem Raumschiff Große Kosmische Ente investigiert, bis dieses schließlich etwas unsanft auf dem Planeten Meridia landete (Teil 1). Auf der Suche nach den inzwischen gefangenen Enten und mit Justus dem kleinen Schnabeltier im Schlepptau traf er auf den galaxiebekannten Abenteurer Cornelius von Nussingen (Teil 5). Nachdem er der Entführung von Justus beschuldigt wurde (Teil 8), kommt es zu einem schweren Unglück im Urwald (Teil 9).

Teil 10 – Retter in der (eigenen) Not

Das zu erkennen, war für ihn kein Hindernis. Der Wind hatte den ganzen Tag über nicht gedreht. Wenn das Feuer natürlichen Ursprungs gewesen wäre, hätte es nur von einer Seite kommen können. Nein – da das Feuer ihn umzingelte und rings um ihn heftig knisterte und fauchte, wusste er sofort, dass das Feuer nicht nur gelegt wurde. Es wurde hier, genau an dieser Stelle, um ihn herum entfacht.

Und das, das war das große Hindernis. Galapagos-Schildkröten sind nicht die schnellsten. Doch selbst wenn, das würde ihm auch nicht mehr viel nützen. Der Rauch wurde immer dichter, die Luft immer knapper. Lange würde er nicht mehr leben, das stand fest. Selbst der schnellste Sprinter würde diesem Flammenmeer nicht entkommen.

Gerhard zog den Kopf zurück in seinen Panzer. Das würde ihn auch nicht retten, aber das Flackern des Feuers machte ihn nur noch nervöser. Er wollte nicht daran denken, bald nur noch ein kleines Häufchen Asche im abgebrannten Urwald von Meridia zu sein. Gerhard stellte sich vor, wie er in der Bäckerei gestanden hatte, um sein selbstgemachtes Sauerteigbrot zu verkaufen; wie stolz seine Mutter immer auf ihn war, wenn ihre Freundinnen von seinen leckeren Kreationen schwärmten und noch stolzer wurde, als er ihr von seiner neuen Chance erzählt hatte.

Jetzt wäre sie bestimmt nicht mehr stolz auf ihn. Er, der das Spurenlesen von ihr gelernt hatte, bekam erst mit, dass er von Flammen umzingelt war, als er in seinem Panzer zu einer Suppenschildkröte gekocht wurde und dann endgültig verbrannte. Nein, davon würde sie einfach nur enttäuscht sein. Gerhard spürte, wie sich eine Träne aus seinem Auge löste, über seine Wange lief und von seinem Kinn tropfte. Und noch eine. Und noch eine. Er hatte noch nie geweint. Schildkröten können doch gar nicht weinen. Aber jetzt weinte er und er spürte gleichzeitig, wie die Wärme der Flammen immer näherkam und seine Sicht immer trüber wurde. Lange würde es nicht mehr dauern. Bald würde er tot sein und brauchte nicht mehr über die schmachvollen letzten Minuten seines Lebens nachdenken.

Ein leiser Schrei störte das gleichmäßige Prasseln der Flammen. Doch das konnte nicht sein. Wer sollte denn noch hier sein? Er war ganz allein. Vielleicht vergibt meine Mutter mir, dachte Gerhard noch, bevor ihm schwarz vor Augen wurde.

***

Dunkelheit. Wasser. Überall um Gerhard herum war Wasser. Tiefschwarzes Wasser. Aber Galapagos-Schildkröten sind Landschildkröten. Er konnte nicht schwimmen. Er bekam keine Luft.

‚Ich muss an die Oberfläche, aber es ist so dunkel. Wo ist die Oberfläche? Ich muss atmen. Ich ersticke. Da ist ein Licht. Es kommt näher. Da ist endlich die Oberfläche. Da ist endlich frische Luft. Das Licht kommt näher. Jemand ruft meinen Namen. Mama? Ich muss Luft holen. Mama, wo bist du? Ich brauche deine Hilfe. Hilfe! Mama, Hilfe!‘

Gerhard lag auf einer grünen Wiese, im Schatten eines großen Baumes, und die beiden Faultiere Lila und Julica beugten sich über ihn. „Oh mein Gott! Lila, ich habe ihn umgebracht“, rief Julica voller Verzweiflung. Lila versuchte ihre Freundin zu beruhigen: „Julica, hör bitte auf dich so in die ganze Sache hineinzusteigern. Schau doch. Er atmet noch. Du hast doch außerdem keine Schuld an dem Feuer. Wir wären selbst fast in die Flammen geraten.“ Doch Julica beugte sich wieder über Gerhard, um zu überprüfen, ob er irgendein Lebenszeichen von sich gab. Gerade wollte sie sich wieder zu ihrer Freundin umdrehen, da hörte sie ein ganz leises Murmeln von dem ohnmächtigen Gerhard. „Lila! Lila, schau doch! Er scheint aufzuwachen!“

Gerhard hörte immer lauter werdende Rufe. Das war nicht seine Mutter. Und er war auch nicht unter Wasser. Mit einem tiefen Luftzug öffnete er seine Augen und kniff sie gleich wieder fest zu. Selbst der schmale Lichtstrahl, der in seinen Panzer fiel, brannte fürchterlich in seinen Augen. Insgesamt fühlte er sich sehr durchgeschüttelt an. Dann fiel ihm das Feuer wieder ein und er riss schlagartig die Augen auf, ungeachtet des gleißenden Sonnenlichts, und sah sich um. Neben ihm saßen die beiden Faultiere. Hinter ihm war ein breiter Fluss und auf der anderen Seite stand der Wald in dichten Flammen. Wie um alles in der Welt war er dem Inferno entkommen?

„Gerhard! Du lebst! Ich hatte mir solche Vorwürfe gemacht!“ Das eine Faultier kam plötzlich sehr schnell auf ihn zu, so schnell ein Faultier eben laufen konnte. „Wir alle haben das Feuer erst in letzter Sekunde bemerkt und ich habe dir noch zugerufen, dass du uns folgen sollst. Und dann warst du plötzlich nicht mehr bei uns. Wir haben alle gedacht, du wärst in den Flammen …“ Gerhard versuchte dem Faultier, Julica hieß es, glaubte er sich zu erinnern, zu folgen. Er konnte sich immer noch nicht daran erinnern, wie er aus dem Wald herausgekommen sein sollte. „Julica, mir geht es ja offensichtlich gut“, unterbrach Gerhard die nicht enden wollenden Erklärungen von Julica, „aber könnte mir irgendjemand erklären, wie ich hierhergekommen bin?“

Julica wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, da zerriss wieder ein Schrei die Stille. „Ich, ich habe euch gerettet. Ich, Retter der Welten, Heilsbringer in Katastrophen, Helfer in jeglicher Not. Ich, Cornelius von Nussingen!“ Das kleine Streifenhörnchen baute sich vor Gerhard auf und pikste bei jeder weiteren Bezeichnung in Gerhards Gesicht. „Ich habe dieses schreckliche Feuer von weitem gesehen und wusste sofort: Cornelius, da wird deine Hilfe benötigt! Ich erkenne sowas natürlich. Bei den vielen Abenteuern, die ich bereits erlebt habe, entwickelt man da so ein Gespür dafür. Ich dachte mir: Cornelius, da wartet wieder eine Heldentat auf dich. Also habe ich meinen Freunden Bescheid gesagt und wir sind sofort losgedüst, um dich zu retten.“ Dabei zeigte Cornelius nach oben in die Baumkrone, in der vier riesige Papageien saßen. Gerhard hatte diese bunten Vögel zwar schon einmal gesehen, aber in dieser Größe waren sie ihm noch nie untergekommen. „Die Meraras sind zum Glück so groß und kräftig, dass sie dich an deinem Panzer greifen und aus dem Feuer retten konnten. Ich habe sie dabei natürlich dirigiert. Für mich ist keine Gefahr zu groß, wenn Unschuldige um ihr Leben fürchten müssen. Der großartige Cornelius …“ Gerhard hatte aufgehört der Selbstbeweihräucherung von dem übermäßig lauten Streifenhörnchen zuzuhören. Natürlich war er Cornelius unendlich dankbar. Immerhin hatte er sein Leben gerettet. Aber da er immer weiterredete und nicht zu unterbrechen war, mussten seine Dankesworte noch etwas warten.

Cornelius redete immer noch von seinen Heldentaten. Gerade erzählte er, wie er mal einen ganzen Schwarm Meraras vor dem Verhungern gerettet hatte. Gerhard hatte den Anfang der Geschichte verpasst, aber Cornelius erinnerte ihn an irgendjemanden. Nach einigem Nachdenken fiel Gerhard ein, dass er vor vielen Jahren mal eine sehr alberne Buchreihe zu lesen angefangen hatte. Darin ging es um irgendwelche komischen magischen Kinder, die mit Holzstöcken um sich wedelten. Da kam auch diese Figur vor, die immer allen erzählte, wie toll sie doch war und welche Heldengeschichten sie schon erlebt hatte. Wie hieß der Typ denn gleich noch mal? Schweikhard? Bernhard? Ah, Lockhart! Der hatte auch immer so angegeben.

Er schaute zurück in Richtung des brennenden Waldes. Hierher konnten die Flammen zum Glück nicht gelangen, da der Fluss breit genug war, und auf der anderen Seite gab es eine tiefe Klippe. Da konnten die Flammen also auch nicht weiter vordringen – durch das Feuer ging keine weitere Gefahr mehr aus. Hoffentlich gab es keine Opfer, denen niemand mehr zu Hilfe hatte eilen können, dachte Gerhard trübsinnig.

Da kam ihm erneut der Gedanke, den er kurz vor seiner Ohnmacht hatte. Irgendjemand musste den Wald angezündet haben. Er war nicht umsonst Investigativjournalist. Vielleicht schaffte er es neben seiner eigentlichen Mission auch aufzudecken, wer für den Brand verantwortlich war. Aber dafür brauchte er Hilfe, so gut kannte Gerhard sich auf Meridia schließlich noch nicht aus. Und er wusste auch schon ganz genau, wen er fragen wollte. Justus. Der kleine schlaue Kerl konnte ihm bestimmt behilflich sein. Außerdem hatte er Justus versprochen, mit ihm zusammen nach seinem Vater zu suchen. Und die Enten musste er auch noch finden.

Sein Blick fiel wieder auf die Szene vor ihm. Cornelius stand inzwischen auf einem großen Stein und erzählte der staunenden Runde immer noch von seinen Abenteuergeschichten. Gerhard schnaubte. So einen selbstverliebten Kerl hatte er noch nie gesehen. Erneut kam die Erinnerung an Lockhart zurück. Gerhard hatte den Großteil der Geschichte schon wieder vergessen, aber dass der Typ nicht ganz sauber war, wusste er noch. Sein Blick fiel wieder auf das laute, viel gestikulierende Streifenhörnchen.

Was wäre, wenn der Retter der Welten mal wieder eine Welt brauchte, die er retten konnte, es aber gerade keine gab?

Kann Gerhard herausfinden, wer wirklich für das Feuer verantwortlich war? Und schafft er es mit Justus‘ Hilfe zu den Gefängnissen von Meridia, um Justus‘ Vater und die Enten zu befreien? Wo steckt das kleine Schnabeltier überhaupt? Freut euch auf viele neue Fragen und Antworten im nächsten Teil der unendlichen Geschichte!

Illustration: Elisa Schwertner