Am 21. Oktober wurde Frau Prof. Dr. Katharina Riedel vom erweiterten Senat zur neuen Rektorin der Universität Greifswald gewählt. Damit löst sie im kommenden Frühjahr Frau Prof. Dr. Johanna Eleonore Weber ab. Bisher war die Lehrstuhlinhaberin der Mikrobiologie schon als Prorektorin an der Uni aktiv. Die moritz.medien haben Frau Riedel zum Interview gebeten und mit ihr über Greifswald, die Herausforderungen und Ziele im neuen Amt und Frauen in höheren Positionen an der Uni gesprochen. Das Interview findet ihr übrigens auch im Videoformat bei moritz.tv.

moritz.medien: Also erst mal danke, dass das geklappt hat. Vielleicht als kleine Frage zum Einstieg: Wie lange leben Sie schon in Greifswald und wie sind Sie dazu gekommen hierher zu ziehen?

Riedel: Ich bin jetzt seit 2017 hier an der Universität Greifswald. Ich habe mich in dem Gebiet „Microbial Proteomics“ qualifiziert, und es wurde in Greifswald dann genau in diesem Fachgebiet eine Stelle frei, eine W3-Professur. Ich war lange Zeit in der Schweiz, bin dann von dort aus als W2-Professorin nach Braunschweig gekommen und dann gab’s quasi nach einem halben Jahr diese Ausschreibung hier, die mich einfach gereizt hat, weil es sowohl von der Infrastruktur sehr sehr spannend war als auch thematisch – ja, das hat mich nach Greifswald geführt (lacht).

moritz.medien: Wie würden Sie Greifswald einer Person beschreiben, die noch nie hier war? Was macht Greifswald für Sie aus?

Riedel: Es ist eine kleine und überschaubare Stadt, mit viel Historie. Was mich sehr begeistert, ist, dass es eine sehr junge Stadt ist. Also durch die vielen Studierenden, durch die vielen jungen Eltern, die man auch im Stadtbild sieht, ist das eine Stadt, die lebt und insofern für mich genau die richtige Größe. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, hab auch lang in Großstädten gewohnt, aber merke, dass mir dieses Kleinstädtische durchaus sehr gut gefällt.

moritz.medien: Was hat Sie dazu bewegt, für das Amt als Rektorin zu kandidieren?

Riedel: Ich bin ja nun seit dreieinhalb Jahren Prorektorin und hab da gemerkt, dass man einfach viel bewegen kann in der Hochschulpolitik. Als Wissenschaftlerin hat man einen ganz begrenzten Bereich; das ist natürlich auch sehr spannend und ich werde das, glaub ich, auch ein bisschen vermissen, aber durch dieses Amt als Prorektorin hab ich meinen Horizont nochmal erweitern können. Ich hab auch andere Fächerkulturen kennengelernt, hab einfach gesehen, wie viel man in dieser Position bewegen kann und daran hab ich so viel Freude gewonnen, dass ich dann überlegt habe, den Weg weiterzugehen. Es gab einige Anfragen von außerhalb; andere Universitäten suchen ja auch nach potentiellen Kandidat*innen, vor allem für Rektorate und Präsidien. Dann gab’s einige Head-Hunting-Firmen, die auch mich angefragt hatten, und da fing ich dann an, drüber nachzudenken, ob ich mir das nicht für längere Zeit vorstellen könne und dachte, ich will eigentlich nicht weggehen. Nachdem Frau Weber ja nun im April ausscheidet, war das dann die Motivation, mich auf dieses Amt als Rektorin zu bewerben.

moritz.medien: Sie hatten es gerade kurz angeschnitten, wir würden da gerne noch mal ein bisschen näher drauf eingehen: Was, glauben Sie, wird Ihnen am meisten und was am wenigsten aus der Lehre fehlen?

Riedel: Einfach der Kontakt zu den Studierenden, der Austausch. Ich meine, ich werde auch als Rektorin hoffentlich Kontakt zu Studierenden haben (lacht), aber der fachliche Kontakt zu Studierenden, das ist etwas, was mir schon abgehen wird. Auch die direkte Möglichkeit, den Nachwuchs im Bereich der Wissenschaft zu fördern. Also zum einen natürlich einfach die Ausbildung, die Leute für die Mikrobiologie zu begeistern, was ja nun mal mein Fachgebiet ist. Aber zum anderen auch im Bereich Promotionszeit, dass man da eben Leute auf eine gute akademische Laufbahn vorbereitet. Das sind natürlich Dinge, die kann ich im Rektorat in der Form dann nicht mehr tun.

moritz.medien: Und welcher Teil aus dem Lehrbereich würde Ihnen am wenigsten fehlen?

Riedel: Dieses ganze Administrative, muss ich ganz ehrlich sagen (lacht). Also, ich mein, da wird sich spätestens auch mit der Digitalisierung viel ändern, aber dieses Eintragen von Noten oder der Prüfungsergebnisse – also das sind alles Dinge, das macht glaube ich keiner besonders gerne, das wird mir sicher nicht fehlen.

moritz.medien: Frauen sind sowohl in der medizinischen als auch in der naturwissenschaftlichen Forschung sowie auch in der Leitung von Universitäten noch unterrepräsentiert. In Deutschland haben wir ungefähr 107 Universitäten, davon sind gerade einmal 22 Frauen im Rektorat. Wie stehen Sie dazu?

Riedel: Ja, das ist eine Tatsache, die wir ändern müssen. Ich war früher eigentlich kein Fan von der Quote, aber ich hab gesehen, dass wir, wenn irgendwas passieren soll, tatsächlich mehr dahinter sein müssen, dass eben Frauen von unten nachwachsen können. Das Problem ist ja nicht, dass wir nicht genügend Frauen hätten, die mit dem Studium beginnen oder dann noch eine Promotion beginnen und abschließen – dann kommt der Bruch und das heißt, an der Stelle müssen wir eigentlich dafür sorgen, dass unser wissenschaftlicher Nachwuchs nicht auf der halben Strecke aufgibt, sondern weitermacht. Und ich denke, je mehr Frauen dann auch als Professorinnen an Universitäten tätig sind, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch die Funktion als Rektorin einnehmen. Klar würde ich jetzt nicht explizit eine Quote einführen, das soll eine Person sein, die gewählt wird. Aber wenn sich einfach die Basis verbreitert, dann kommt das ganz automatisch, dass mehr Frauen in solche Ämter gewählt werden.

moritz.medien: Haben Sie für Ihre Amtszeit bereits Strategien, um den Frauenanteil in Professuren oder Schlüsselpositionen zu erhöhen?

Riedel: Das eine ist die ganz gezielte Rekrutierung von Frauen. Das wird ja jetzt schon angestrebt, es wird nur zum Teil nicht so wirklich konsequent umgesetzt. Das heißt, dass man da einfach drauf achtet, dass bei jedem Berufungsverfahren auch geeignete Frauen persönlich angesprochen werden, dass man das auch dokumentieren muss, dass man das getan hat. Wenn man dann keine findet, kann man natürlich nichts erzwingen, aber das ist auf jeden Fall schon mal eine Möglichkeit, wirklich konsequenter bei den Besetzungen drauf zu achten, dass Frauen zum Zug kommen können.

Das andere ist natürlich einfach auch, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Frauen Familie und den Beruf vereinbaren können. Wobei, das gilt nicht nur für junge Frauen, sondern natürlich auch für junge Männer, die beispielsweise in Elternzeit gehen. Das heißt also, das Thema Familienfreundlichkeit ist, glaube ich, ein ganz großes Thema, was wir hier an der Universität konsequent weiterführen müssen. Dass man auf familienfreundliche Veranstaltungszeiten achtet, dass die Gremien eben nicht abends tagen, sondern tagsüber, dass wir für Entlastung im Bereich der Kinderbetreuung sorgen. Es sind viele kleine Maßnahmen, die dazu beitragen.

moritz.medien: Wollen Sie eigentlich das Türschild austauschen lassen?

Riedel: Sie nehmen Bezug auf das „Rektor“…? Das wird wahrscheinlich noch Frau Weber tun (lacht). Also wir haben schon darüber gesprochen, und Sie meinte „Rektorin“ wäre schwierig, es wird dann wohl „Rektorat“ dort stehen, was dann einfach übertragen ist, glaube ich. Sonst wird’s mühsam, wenn wir das jedes Mal, wenn jemand gewählt wird, der ein anderes Geschlecht hat, dann wieder umändern müssen. Aber das ist sicherlich etwas, was Frau Weber lange machen wollte und jetzt noch umsetzten wird (lacht).

moritz.medien: Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Aufgabe als Rektorin der Universität Greifswald?

Riedel: Das eine ist natürlich, die Universität nach außen entsprechend zu vertreten. Also die Interessen der Universität zum Beispiel gegenüber dem Land, gegenüber der Politik durchzusetzen. Und das andere ist, die Universität in eine – auch unter diesen jetzt im Moment ja verschärften Rahmenbedingungen – gute Zukunft zu führen. Also dafür zu sorgen, dass wir uns im Bereich Digitalisierung weiterentwickeln. Ein Bereich, der mir auch sehr wichtig ist, ist Kommunikation und Partizipation. Also, dass wir Entscheidungsprozesse gemeinsam gestalten. Irgendjemand muss zum Schluss entscheiden, aber dass man von Anfang an die verschiedenen Statusgruppen, die verschiedenen Fachbereiche mit ins Boot holt. Das sind so die Baustellen, die ich im Moment sehe, die ich jetzt in dieser ersten Amtsperiode ganz gezielt angehen möchte.

moritz.medien: Was, glauben Sie, was wird davon Ihre größte Herausforderung sein?

Riedel: Es gibt sicherlich Widerstände, beispielsweise bei der Umsetzung des studentischen Prorektorats, weil einfach noch keine Erfahrungen mit dieser Konstellation gemacht worden sind. Ich hab jetzt in vielen Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen gemerkt, dass da eine gewisse Skepsis vorherrscht. Und die Überzeugungsarbeit zu leisten, dass eben alle Statusgruppen auch mit in der universitären Führung vertreten sein sollen, das gilt für die Studierenden, das gilt aber auch für die Mitarbeitenden, die wissenschaftlichen Mitarbeitenden. Ich glaube, das wird zunächst einmal eine Herausforderung sein, die noch vor meinem Amtsantritt auf mich zukommt. Und ich hoffe sehr, dass wir dann im April soweit sind, dass wir mit dem von mir präferierten Team wirklich loslegen können.

moritz.medien: Worauf freuen Sie sich am meisten?

Riedel: Auf die Gestaltungsspielräume, die ich dann habe. Ich denke, das ist einfach nochmal ungleich mehr als jetzt als Prorektorin. Auf den Austausch mit allen Statusgruppen. Ja, und – Repräsentation ist ja auch ein Teil dieses Jobs – auch auf die Kontakte zur Stadt, zur Politik, zum Umland. Das sind Dinge, worauf ich mich wirklich freue, weil ich glaube, dass wir da auch noch viel bewegen können.

moritz.medien: Konkret in Bezug auf die Studierendenschaft: Welche Ziele verfolgen Sie da?

Riedel: Wie gesagt, das erste ist, das studentische Prorektorat zu etablieren. Hier geht es mir eigentlich vor allem darum, dass wir die Perspektiven der Studierenden eben von Anfang an in die Entscheidungsprozesse miteinbeziehen, dass die Studierenden sich wirklich von Beginn an auch in den Bereichen engagieren können, die für sie wichtig sind. Das ist natürlich zum einen der Input in die Lehre, dann gibt’s aber auch die ganzen sozialpolitischen Bereiche, ob es jetzt Personalentwicklung, Internationalisierung, Kommunikation ist. Ich glaube, da gibt’s viele interessante Ideen, die aus der Studierendenschaft kommen.

Insgesamt liegt mir am Herzen, die Kommunikation zu verbessern. Mein Eindruck ist, dass es auch bei den Studierenden vielleicht nicht immer ganz optimal läuft und dass es auch da natürlich unterschiedliche Gruppen gibt, die vielleicht nicht immer so im Austausch miteinander stehen, wie sie es tun sollten. Und da ist eben die Hoffnung, dass über dieses Prorektorat, wenn eine Person die Aufgabe bekommt, Dinge auch aus der Universitätsleitung wirklich an alle weiterzugeben, das dann besser funktioniert.

moritz.medien: Die Pandemie hat unser Campusleben ja drastisch verändert. Wie stehen Sie zur digitalen Lehre? Und wie zufrieden sind Sie mit der digitalen Lehre aus dem letzten Semester?

Riedel: Grundsätzlich ist digitale Lehre ja etwas Spannendes und Gutes. Im ersten Semester hat es natürlich eine Weile gedauert, bis sich alles eingespielt hat, aber wir haben ja dann gesehen, dass gerade zum Beispiel digitale Vorlesungen durchaus auf Gegenliebe bei den Studierenden stoßen. Ich habe von vielen gehört, dass sogar mehr Leute an den Vorlesungen digital teilnehmen, als wenn sie in Präsenz stattfinden würden.

Wir haben aber dann auch gelernt, dass viele Veranstaltungen in digitaler Form nicht umsetzbar sind. Wenn man zum Beispiel an Seminare oder an Praktika denkt – da müssen wir Lösungen finden und ich glaube, da sind wir jetzt auch bereits dabei, Lösungsansätze zu etablieren, die eben dann auch erlauben, diese Präsenzveranstaltungen durchzuführen.

Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass wir diese ganzen positiven Aspekte der digitalen Lehre mitnehmen, dass wir zukünftig eben zu einer gesunden Mischung aus beidem kommen. Ich glaube, das ist für die Studierenden attraktiv, einerseits die Präsenzlehre zu haben und zum anderen aber auch die Möglichkeit zu haben, beispielsweise mal von Zuhause aus an Veranstaltungen teilzunehmen. Also, ich sag mal, das beste aus beiden Welten einfach mit in die Zukunft zu tragen.

moritz.medien: Und als abschließende Frage: Gibt es etwas, was Sie den Studierenden mit auf den Weg geben wollen?

Riedel: Ja, im Moment einfach zu akzeptieren, dass die Situation ist, wie sie ist. Das ist für alle, glaube ich, sehr sehr schwer, aber wir werden natürlich alles tun, um den Studierenden zu ermöglichen, ihre Abschlüsse rechtzeitig zu machen und auch ein halbwegs normales Studium durchzuführen. Aber man muss sich einfach im Klaren sein, dass wir im Moment weitab von der Normalität sind. Und ich glaube, wenn man so ein bisschen versucht, seinen Frieden mit der Situation zu schließen, können wir das auch alle gemeinsam ganz gut durchstehen.

moritz.medien: Dankeschön, das war‘s auch schon!

Riedel: Na, das war ja kurz und schmerzlos (lacht).

Beitragsbilder: Lilli Lipka, Charlene Krüger, Annica Brommann