Zeit ist relativ, so sagt man. Aber wenn Zeit relativ ist, was ist dann die Zeitumstellung zwei Mal im Jahr?


Seit einigen Jahren und eigentlich schon seit Beginn der Umstellung der Zeit wird diese Praxis auch scharf kritisiert. Die Kritiker führen an, dass sie den Tagesrhythmus durcheinander bringe, ineffizient sei und ihren Nutzen vollkommen verloren habe.

Aber was hat es dann damit eigentlich auf sich? Was bringt uns dazu, jährlich die Uhr einmal vor und einmal zurück zu stellen?
Zuerst sei darauf hingewiesen, dass die „Normalzeit“ die Winterzeit ist und die Sommerzeit den eigentlichen Eingriff darstellt. Wie vieles andere, was uns heute noch umgibt, fand die Einführung der Sommerzeit ihren Beginn im Krieg, zumindest was ihre Verwirklichung anbelangt. Am 30. April 1916 wurde sie durch das Deutsche Kaiserreich sowie Österreich-Ungarn initiiert. Der eigentliche Grund war, Energie zu sparen und damit den Kriegsanstrengungen Vorschub zu verleihen.
Die Resultate waren wohl so überzeugend, dass auch die deutschen Kriegsgegner, in Form von Frankreich und Großbritannien, nachzogen und ebenfalls diese Kriegsmaßnahme einführten.
Bekanntlich verloren die Deutschen und ihre Verbündeten den Krieg, was man nicht zuletzt damit quittierte, diese nie wirklich akzeptierte Maßnahme der Zeitumstellung 1919 wieder abzuschaffen.
Trotz des gewonnenen Krieges tat es Frankreich seinem damaligen noch Erzfeind gleich und schaffte ebenfalls diese Kriegsmaßnahme nach Protesten von Bauern 1922 ab. Großbritannien hingegen blieb bei der Aufrechterhaltung eben jenes teutonischen Entwurfs standhaft.
Zwischen den Weltkriegen experimentierten verschiedenste Staaten mit einer Sommerzeit. So verschob beispielweise die Sowjetunion 1930 die Zeit zwar um eine Stunde nach vorn, aber nicht mehr zurück.
Während des 2. Weltkriegs griffen die Deutschen auf das bewährte Mittel der Zeitumstellung zurück und erhofften sich damit, endlich mal einen Krieg zu gewinnen.
Ein weiterer Krieg ging verloren. Nun war es ja Tradition, wieder in den zeitlichen Normalablauf zu schalten und von den Maßnahmen zweier gescheiterter Kriege abzusehen. Trotz des bevorstehenden Kalten Krieges einigten sich die beiden gerade gegründeten deutschen Staaten darauf, auf das Zeitballett zu verzichten. Viele Staaten taten es ihnen nach.
1973 erschütterte die Ölkrise die Europäische Gemeinschaft und löste eine Rezession aus. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Vorteile und dem Zwang, sparen zu müssen, entschloss sich erst Frankreich und dann immer weitere Staaten, die so verhasste Erweiterung der Normalzeit wieder einzuführen. Die BRD blieb aber im Hinblick darauf skeptisch, da die DDR sich lange nicht zu diesem Thema äußerte und man verhindern wollte, Deutschland auch noch zeitlich zu trennen. Schließlich jedoch führten beide Staaten 1980 die Zeitumstellung wieder ein.

Seitdem ist sie ein fester Bestandteil der Deutschen. Auch nach der Wiedervereinigung. Geliebt wurde sie nie. Schon immer wurde ihr Nutzen in Frage gestellt. Schon immer wurde diskutiert und zwar nicht nur in Deutschland.
Gerade heute ist das Thema aber wieder sehr aktuell, denn die Europäische Union startete am 4. Juli eine große Umfrage zu diesem Thema. Es sollte evaluiert werden, wie denn die Europäer zum Thema Zeitumstellung stehen. Die Ergebnisse der Onlinebefragung, die seit dem 16.08. um 23 Uhr abgeschlossen ist, sind leider bisher nicht veröffentlicht worden. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Mehrheit der Teilnehmer, und das sind immerhin 4,6 Millionen, sich gegen eine Fortführung der aktuellen Praxis ausgesprochen haben. Was das dann ganz konkret für uns bedeutet, wird dann aber das weitere Prozedere entscheiden, denn die Umfrage ist zwar interessant, aber vor allem ist sie nicht bindend. Allerdings kann die zuständige Kommission durchaus ihre Schlüsse daraus ziehen und eine Vorlage einreichen, um dem Zeithopping ein weiteres Mal ein Ende zu setzen.

Aus Sicht der Krankenkassen scheint das lange überfällig. Laut einer Umfrage der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) gaben rund 25% der Befragten an, schon einmal gesundheitlich unter der Umstellung gelitten zu haben. Das deckt sich mit vielen weiteren wissenschaftlichen Studien. In denen werden schon seit einiger Zeit auf Verbindungen zwischen gesundheitlichen Problemen und der Sommerzeit hingewiesen. Besonders Ältere und Kinder, sowie Menschen mit Vorerkrankungen, leiden unter dem “Mini-Jetlag”. Schlafstörungen, Depressionen und Schwankungen der Herzfrequenz können die Folge sein.
Ein Argument der Befürworter, an der gängigen Praxis festzuhalten, sei die Wirtschaftlichkeit. Das gleiche Argument, welches Deutschland diese Maßnahmen schon zwei Mal einführen ließ, soll es nun vor dem Verschwinden retten. Tatsächlich sinkt der Energieverbrauch während der Sommerzeit. Allerdings lediglich um 0,21 Prozent.
Im Bundesstaat Indiana hat eine US-amerikanische Studie ergeben, dass es seit der Einführung jährlicher Zeitumstellungen sogar zu einem Anstieg des Energieverbrauchs kam.
Dabei sollte jedoch nicht verschwiegen werden, dass einige Branchen sehr wohl von der Umstellung profitieren. Gerade die Tourismusindustrie weiß die zusätzliche Stunde Licht sehr wohl zu nutzen. Interessanterweise sind auch Verkehrsunfälle und Kriminalität während der Sommerzeit Zeit rückläufig.

Es bleibt also weiter spannend wie sich die Lage entwickelt. Vor allem weil die nächste Zeitumstellung im Oktober immer näher rückt. Danach haben die Kollegen in Brüssel ja eine Stunde mehr Zeit, darüber zu debattieren, ob sie bereit sind, diese Stunde wieder abzugegeben.

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