Vom 21.04.2018 bis zum 27.04.2018 lud der Greifswald International Students Festival e.V. zu einer Ausstellung in den Heineschuppen am Hafen. Dort präsentierte der Fotograf Till Mayer Bild- und Textbeiträge zum Leben und Überleben mit Behinderung auf der ganzen Welt .

Der Journalist und Fotograf bereist seit vielen Jahren die Welt und berichtet aus Gebieten, die nicht mehr im Fokus der Nachrichten stehen. Denn Kriege, so Mayer, enden nicht mit Abschluss der aktiven Kampfhandlungen. Bis zu 100 Jahre kämpfen Regionen mit den Folgen des Krieges. So liegen in Asien nach wie vor Millionen Streubomben der USA, in Serbien werden Minenräumer von alten Kampfstoffen zerrissen. Und in den Vereinigten Staaten kämpfen Zehntausende Soldaten mit Belastungsstörungen, oft jahrelang. Bei vielen endet die Erinnerung im Selbstmord. Till Mayer besucht körperlich eingeschränkte, seelisch Belastete und Familien, die sich im Kampf um das Überleben im Alltag füreinander aufopfern. Am Ende eines Interviews fragt Mayer seine Gesprächspartner: „Was ist dein größter Wunsch?“ Frau Thi, Mutter eines durch Agent Orange gezeichneten Kindes, antwortet: „Dass mein Kind einmal gesund wird.“
Der für verschiedene Magazine und Zeitungen arbeitende freie Journalist dokumentiert seine Erlebnisse mit eindrucksvollen Bildern und intimen Geschichten, die ein erschreckendes Bild zeigen. Viele Jahrzehnte Krieg haben auf allen Seiten nur Opfer hinterlassen und nach dem Besuch der Ausstellung bleibt ein Gefühl zurück: die Frage nach dem warum. Ein kleiner Hoffnungsfunke schwebt jedoch in der erdrückenden Last der Frage. Denn Menschen scheinen sich selbst und auch andere behinderte Menschen nicht aufzugeben. In den Scherben der Kriege keimt Menschlichkeit.

 

Till Mayer im Interview.

moritz: „Bei mir ist nach der Ausstellung die Frage nach dem Warum geblieben. Was sagt ihr Gefühl, wenn Sie das große Ganze der Erfahrungen betrachten?“

Till Mayer: „Viele sagen, das wird es immer geben. Der Mensch trage Krieg oder eine Aggressivität in sich, deswegen wird es auch immer Kriege geben. Das glaube ich aber nicht. Ich denke schon, dass der Mensch auch eine dunkele Seite in sich trägt, aber der Mensch wird es hinbekommen, dass es Frieden gibt. Bei einer Reise in die Ukraine kurz vor Donezk, dort verläuft die Frontlinie mitten durch einen Vorort. Und da wird gekämpft. Trotz Waffenstillstandsvertrag hört man jede Nacht Schüsse und Granaten. Und dort am Straßenrand standen zwei Muttis und haben gestrahlt mit ihren Kindern und haben so stark an das Leben geglaubt, dass ich gedacht habe: es ist möglich. Frieden lässt sich erreichen.“

moritz: „Der Krieg ist also nicht im Menschen veranlagt?“

Till Mayer: „Er ist veranlagt, aber er kann überwunden werden. Das kriegt ja jeder mit, wenn man mal aggro wird beim Autofahren, das ist ja ein Krieg im Kleinen. Die großen Sachen, die ließen sich vermeiden. Aber es gibt immer noch genug Menschen, die gut daran verdienen können.“

moritz: „Manche sagen, die Menschheit brauche Kriege, um nicht weich zu werden und sich auf wichtige Dinge zu besinnen. Wir leben in Luxus.“

Till Mayer: „Es ist schlimm, dass es solche Menschen gibt. Wir leben in einer langen Zeit des Friedens und nur wenige haben noch Erinnerungen an die Kriegszeit. Manche haben nicht einmal mehr Großeltern, die davon erzählen. Junge Menschen neigen dazu zu denken, der Frieden sei gottgegeben und es wird ewig so weitergehen. Aber das ist nicht sicher. In der Ukraine wurden 2012 noch Europameisterschaftsspiele abgehalten, an den Krieg dort nur zwei Jahre später hat da niemand gedacht. Ich mache mir wirklich Sorgen, weil gerade so viele autoritäre und verantwortungslose Politiker ihr Unwesen treiben. Und zugleich werden die Menschen immer unpolitischer.“

moritz: „Unterscheiden sich Menschen mit Behinderung von anderen?“

Till Mayer: „Was ich sagen kann ist, dass Menschen, gerade mit geistiger Behinderung, nie böse sind. Ein Teenager mit Down-Syndrom kann mal garstig sein, aber er wird nie etwas langfristig planen. Er wird nie wie andere Menschen mobben. Ich feiere sehr gerne und wenn die Musik anfängt, sind Menschen mit Behinderung vollkommen happy. Von Grund auf und sehr ehrlich glücklich. Die haben sehr viel Lebensfreude.“

moritz: „Können Sie uns eine Erfahrung mit auf den Weg geben?

Till Mayer: „Wichtig ist, dass Sie alles hinterfragen. Auch mich. Hinterfragen Sie Informationen und bilden Sie sich eine eigene Meinung. Seien Sie kritisch und hinterfragen Sie. Dann kommt alles von selbst. Wenn ich ein sehr egozentrischer Mensch bin, muss ich dann irgendwann erkennen, dass ich irgendwas abgeben. In der Gesellschaft ist Solidarität wichtig. Auch wenn Sie einen Elektrozaun um ihr schönes Haus ziehen, müssen Sie irgendwann etwas an andere Menschen zurückgeben.“

moritz: „Zum Abschluss eine Frage, die auch Sie gerne stellen. Was ist Ihr größter Wunsch?“

Till Mayer: „Mein größter Wunsch ist, dass der große Krieg nicht kommt, der in der Luft liegt. Ich schriebe ein Buch, in dem ich genau das beschreibe, wohin die Welt gerade geht. Und auch zu der Studi-Generation möchte ich das sagen. Seid politisch und hinterfragt die Welt. Ich war angetan davon, wie viele Menschen hier waren. Ich bin oft an Universitäten, da kriegen die Studenten irgendwelche Punkte fürs Zuhören und kommen deswegen. Hier war das anders. Das gibt mir auch wieder Mut.“

Beitragsbild: moritz.medien/Jonas Greiten