Die Zeiten, in denen man sehr schief angeschaut wurde, nachdem man äußerte, dass man sich auch gelegentlich mal ein Damen-Spiel anschaut, sind vorbei. Heute wird man nur noch einfach schief angeschaut, wenn es einen zu z.B. Turbine Potsdam zieht. Ihr erkennt schon die Häufung von „man“ in den ersten Zeilen. Fußball ist weiterhin ein durch Männer dominierter Sport. Die Bundesliga-Stars verdienen ca. 200-mal soviel im Vergleich zu den Stars der deutschen Damenfußballwelt. Daran haben auch die Erfolge der Nationalmannschaft nichts großartig verändert. Vielleicht ist das auch ganz gut so und die Damen heben nicht so ab wie die männlichen Kollegen.

Autor: Michael Fritsche

In der Vereinsfußballwelt tummeln sich mittlerweile aber schon Namen, die wir aus der Männer-Bundesliga kennen: Bayern München, Wolfsburg, Freiburg, Leverkusen, Köln. Zwischen Damen- und Herrenbereich liegen aber noch Welten! Kleine Stadien, die Akteure kommen zumeist noch aus der Region und der Zuschauer zahlt kleine Eintrittspreise. Also noch eine kleine heile Welt? Das kann man nur schwer verallgemeinern und beurteilen. Der Hamburger SV zog beispielsweise seine Mädels vor einem Weilchen aus Kostengründen (!) zurück. Frauenfußball – das bedeutet Sommermärchen, Emotionen, Leistung, aber auch Schattendasein und Vorurteile. Mal sehen, was beim Greifswalder Frauenfußball so los ist, den es seit den 90ern in der Hansestadt gibt.

Der Greifswalder FC und die Hengste spielen in einer Spielgemeinschaft (SpG). SpGs geht man eigentlich nur dann ein, wenn die eigene Spielerzahl nicht ausreicht oder wenn eine Strafe aufgrund mangelnder Nachwuchsförderung vermieden werden soll. Da holt man sich zur Not mal eine ganze Elf ins Boot. Merkwürdig ist, dass es in diesem Fall dazu sogar noch eine Reserve-Mannschaft in der Kreisoberliga (KOL) gibt. Dieser Sache musste ich auf den Grund gehen. Die GFC/Hengste Reserve empfing heute den Pelsiner SV. Pelsin ist ein Dorf bei Anklam und eine feste Frauenfußball-Größe im Landkreis. Gespielt wurde vor den üblichen 20 Augen auf dem Jugendplatz des Volksstadions. Die KOL ist eine 7er-Liga und daher wird auf einem Kleinfeld mit je sieben Spielerinnen gespielt. Die Liga-Pyramide in Vorpommern ist folgendermaßen aufgebaut: Ganz unten gibt es die KOL. Danach folgt auf Großfeld die Verbandsliga. Das ist bereits die höchste Liga auf Bundesland-Ebene. Mit der nächsten Stufe „Regionalliga“ werden die Fahrten wesentlich weiter, denn dann reist die Mannschaft bis Sachsen und Thüringen. Da trennt sich der Freizeitsport von der professionellen Ebene (es folgen noch die 2. und 1. Bundesliga).

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Die Reisekosten und Berufsleben machen den meisten Mannschaften einen Strich durch die Rechnung. Die Kadergröße muss dann schon eine Stärke von mindestens 20 Spielerinnen umfassen. Die KOL hat sich aufgrund der perfekten Voraussetzungen (kleine Teams, kurze Wege) für den niederen Amateurbereich daher gut etabliert, weiß Greifswalds Trainer Münzner, der in der letzten Saison noch diese Mädels unter dem Namen FC Pommern trainierte. Nun frage ich nach dem Wirrwarr um die SpG. Das ist ganz leicht zu beantworten. Der Greifswalder SV 04 trat bereits als SpG zusammen mit den Hengsten im Damenbereich an. Das wurde vertraglich festgelegt und musste bei der Fusion nun weiter übernommen werden. Die Hengste zahlen noch die Startgebühr, obwohl keine der Spielerinnen jemals ein Hengst bzw. eine Stute gewesen ist. Ich weiß nicht, ob es mehrere dieser Fälle gibt. Für mich ist es ein Novum.

„Achtung, Hintermann!“

Das Spieltempo ist hoch, da es ja nur die Hälfte des Platzes ist, worauf gespielt wird. Daher ergibt sich die Spielzeit von je 40 Minuten pro Halbzeit. Sogar ein taktisches Spiel soll auf dieser kleinen Fläche möglich sein. Und schon nach wenigen Minuten geht Greifswald durch Cindy Gutjahr in Führung. Stramm in den Winkel des kleinen Tores. Der zweite Treffer der Greifswalderinnen ist der schönste des Tages. Kristine Döbbert hält einfach mal von kurz hinter der Mittellinie drauf und per Bogenlampe senkt sich der Ball ins Netz. Es wird für den Sieg geackert. Nicht nur einmal wird von Wechselspielerin gerufen: „Achtung, Hintermann!“ Hintermann? Das ist doch ein Fall für die Gender-Polizei!? Erfahrungsgemäß wird hier, obwohl man es hier erwarten würde, eigentlich kein Kult aus dem Gender-Thema gemacht. Frauenfußball ist im Allgemeinen authentischer Fußball ohne Größenwahnsinn und genormte Schönlinge mit „weißen Westen“, also Träume aller Schwiegermütter. Hier gibt es noch echte Emotionen, versichert mir der Trainer, was diese Besonderheit der Tätigkeit hier zu der im Männerbereich abgrenzt. Die Mädels sind mehr mit dem Herzen dabei, was ich so bestätigen kann. Greifswald kämpft und siegt. Wenigstens den dritten Platz möchten sie noch schaffen. Die vergangenen Spieljahre verliefen erfolgreicher.

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Die Mannschaft, die zur Hälfte aus Studentinnen besteht, wirkt einerseits wie eine Einheit, andererseits berichtet die Spielführerin Franziska Peck über ein familiäres Verhältnis untereinander. Der Trainer hebt aber noch hervor, dass jeder Neuling bei der Zweiten willkommen wäre. Aus der Kreisoberliga möchten sie aber nicht weg. Manchmal schauen sie aber auch zu den „Großen“, erzählt mir die Spielerin. „Wir fahren gelegentlich zu Turbine Potsdam und waren auch geschlossen beim Finale der Damen-Champions League in Berlin. Die Idole sind aber eigentlich die Kicker aus der Bundesliga. Die meisten von uns stehen auf Borussia Dortmund.“ Sie selbst spielen aber sehr selten vor großem Publikum. Das Kreispokalfinale trugen sie in der letzten Saison vor immerhin 150 Zuschauern aus. Staffelsieg, Kreispokal und Hallenmeisterschaft – darum geht es. Wer stark für die Erste ist, darf dort spielen – aber nur wenn man möchte! Frauenfußball ist schon eine andere Welt – eine schöne mit vielen Facetten.

Und noch für diejenigen, die auf Klischees stehen: Ja, es wurde sich nach Fouls entschuldigt. Warum auch nicht, wenn es ehrlich gemeint ist?

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GFC/Hengste II spielte mit: Räther, Damm, Döbbert, Busacker, Peck, Gerdes, Gutjahr, Torres, Kupahl

Pelsin spielte mit: Bernstein, Jendraschek, Goldap, Hengst, Schulz, Keil, Voß, Last, Köller

Tore:

1:0 Gutjahr (7.)

1:1 Köller (25.)

1:2 Last (30.)

2:2 Damm (35.)

3:2 Döbbert (53.)

4:2 Döbbert (65.)

Bilder: Michael Fritsche