Ein Beitrag von Jenia Barnert.

Russischbrot, Soljanka und Vodka? Wenn das alles ist, was einem zu Russland einfallen sollte, dann wären die Russischen Kulturtage im Januar eine gute Möglichkeit gewesen, seinen Horizont zu erweitern. Zum ersten Mal nach zwölf Jahren fanden sie wieder statt.

Das Prgramm stellten das Koeppenhaus und das Institut für Slawistik zum Thema Russland zusammen. Die spontane Idee, dieses Kulturfestival zu organisieren, wurde im Kopf von Dr. Raija Hauck, Dozentin am Greifswalder Institut für Slawistik, geboren. Sie erklärt: „Es war eigentlich eine irrwitzige Idee, die Kulturtage in die Prüfungszeit zu legen.“ Schon damals, als das gerade neu eröffnete Koppenhaus 2002 eine dreitägige Veranstaltungsreihe zu Russland auf die Beine stellte, wirkte sie in großem Maß mit. Zwölf Jahre später, zu Beginn des Wintersemesters, sollte sie sich wieder zusammen mit Katie Matutatt vom Literaturzentrum auf die Suche nach potentiellen Künstlern, Musikern und Autoren machen. Viel Zeit hatten sie nicht. Glücklicherweise erklärten sich auch einige Dozenten sowie die studentische Theatergruppe „Greifswalder Möwen“ und der Chor aus der Slawistik dazu, einen Beitrag zum Programm zu leisten. Insbesondere richtete Dr.Ute Marggraff ihr Seminar zur Symbolpolitik in Osteuropa so aus, dass die Seminarteilnehmer eine vielfältige Ausstellung vorbereiten konnten, die im Rahmen der Russischen Kulturtage eröffnet werden sollte. Die sehenswerte interdisziplinäre Ausstellung trägt brisante Zeugnisse zur russischen Identitätsstiftung und gegenwärtigen Krise zusammen und ist noch bis zum 21. Februar im Literaturzentrum kostenlos zu besuchen.

Die Ausstellung, die noch bis 21. Februar im Koeppenhaus zu sehen ist.

Die Ausstellung, die noch bis 21. Februar im Koeppenhaus zu sehen ist.

Eine Zeitreise durch die Kulturhauptstadt St. Petersburg

Den Auftakt bildete jedoch die Autorin Steffi Memmert-Lunau mit der Vorstellung ihres Buches “PETERSBURG – Eine literarische Zeitreise”. Das Werk entstand durch Eigeninitiative und die Liebe zur russischen Kultur und Literatur, wie die Autorin erzählte. In gelungener Zusammenarbeit mit der bekannten Fotografin Angelika Fischer begab sie sich auf eine Reise durch die literarischen Museen St. Petersburgs und trug beeindruckende Lebenszeugnisse von Dichtern wie Puschkin oder Jessenin zusammen. In einer kleinen Runde konnte man, während man der Lebensgeschichte der russischen Dichterin Anna Achmatova lauschte, einige der Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus dem Buch auf einer Leinwand betrachten.

Als einer der beiden musikalischen Höhepunkte ließ das „SkaZka Orchestra“ im IKUWO die Matrioschka-Puppen tanzen. Die 2007 in Berlin gegründete Band spielte Folk, Ska und Jazz mit lateinamerikanischen Rhythmen und verpackte das ganze mit einem typisch osteuropäischen Sound. Der zweite Ohrenschmaus im Programm war der Auftritt des Slawistenchores „Choryllisch“, der am gleichen Abend wie die Aufführung der Theatergruppe „Greifswalder Möwen“ stattfand. In dem aufgeführten Stück „Neujahrsgeschenke“, nach Erzählungen von A. Tschechow, ging es um die Zeit der Bescherung und der Neujahresfeste in Russland.

Ein ganz besonderer Gast der Kulturtage war Juri Elperin. Der 97-Jährige übersetzte über Generationen hinweg die bedeutendsten russischen Literaturklassiker. Im Rahmen der Kulturtage gab er im Institut für Slawistik für alle Interessierten einen Workshop zum Übersetzen russischer Poesie. Der zweite damit zusammenhängende Programmpunkt war die Vorführung des biografischen Films „Der Übersetzter“ aus dem Jahr 2013 mit anschließendem Gespräch mit Elperin über sein bewegtes Leben und bedeutendes Werk. „Der Besuch des betagten Übersetzers musste von der Haustür und zurück durchorganisiert werden, erzählt Hauck.

Der Chor "Choryllisch" bei seinem Auftritt.

Der Chor “Choryllisch” bei seinem Auftritt.

Viele Besucher kamen zum Film

Der Greifswalder Filmclub „Casablanca“ brachte ein weiteres Stück Russland auf seine Leinwand. In dem in Russland produzierten Film „How Iended this Summer“ geht es um den kauzigen Meteorologen Sergej und seinen kopflosen Praktikanten Pavel, die auf einer Polarstation im Arktischen Meer Radioaktivität messen. Aus Dummheit verschweigt Pavel seinem Vorgesetzten eine Funknachricht über den tragischen Tod von dessen Familie und versteckt sich daraufhin aus Angst vor seiner Reaktion in der erbarmungslosen Tundra. Der mit dem Silbernen Bären ausgezeichnete Film konnte mit deutschen Untertiteln eine erstaunlich große Zahl an Besuchern anlocken.

Weitere Veranstaltungen des Festivals waren zum einen zwei Lesungen. Die erste von Nelja Veremej mit ihrem Roman „Berlin liegt im Osten“. Eine einfühlsame Geschichte über das Ankommen in der fremden deutschen Kultur einer in der Sowjetunion aufgewachsenen Altenpflegerin. Sowie die zweite von Katja Petrowskaja mit „Vielleicht Esther“, über eine Familiengeschichte in den grausamen Wirren des zweiten Weltkrieges. Zum anderen, zwei Vorträge im Institut für Slawistik in denen Herr Dr. Brehmer und Herr Dr. Walter ihr Publikum über Wortschatzbeziehungen und interkulturelle Fettnäpfchen in der deutschen und russischen Kommunikation aufklärten.

Rückblickend sind die Veranstaltungen für die Organisatoren äußerst erfolgreich abgelaufen und konnten begeisterte Reaktionen beim interessierten Greifswalder Publikum gewinnen. „Besonders bemerkenswert fand ich das Interesse von Russischlehrern, die mit ihren Schulklassen das Festival besuchten, um in Kontakt mit russischer Kultur zu kommen“, erklärte Hauck.

Natürlich spielt die Förderung bei so einem Projekt keine geringe Rolle. Die nötigen Mittel kamen von der Universität, dem Stadtkulturamt, dem FSR der Baltistik/Slawistik, dem Land und der Robert Bosch Stiftung. Da die Russischen Kulturtage eine spontane Idee waren, können die Organisatoren nicht sagen, dass sie ab jetzt regelmäßig in Greifswald stattfinden werden. Aber aufgrund des sehr positiven Feedbacks ließe sich überlegen, in Zukunft erneut den Kontakt mit der russischen Kultur in Form einer Veranstaltungsreihe zu fördern.

 

Fotos: Veranstalter (kein cc)