knäckebröd-TitelbildMan könnte meinen, Valborg sei nichts anderes als die „Walpurgisnacht“. Für den größten Teil Schwedens, wo man am Maifeuer sitzt und den beginnenden Sommer feiert, mag das auch stimmen. Mit dem Geschehen in Uppsala hat es aber nur wenig zu tun: hier ist Valburg der Höhepunkt des Jahres, irgendwie ein bisschen Silvester und „Herrentag für alle“ in einem. Aus dem ganzen Land strömen junge Leute in die Stadt – 100.000 sollen es insgesamt sein, Festivalstimmung liegt in der Luft. 

Valborg beginnt keineswegs erst am 30. April. Schon über eine Woche vorher installierte die Universität einen Countdown an der Carolina-Bibliothek, damit es auch keiner verpassen würde. Überall hängen Plakate für Parties und Veranstaltungen, der Systembolaget wird leergekauft. Richtig los geht es dann am Tag vorher, den man hier „Kvalborg“ nennt. Kurz vor 14 Uhr wird irgendwo im Innenhof meines Wohnheimes die Musik aufgedreht, noch scheint die Sonne. Schon ein paar Stunden später ist es mit dem guten Wetter vorbei, die Kvalborg-Party in Flogsta, dem „Studentenghetto“, fällt ins Wasser. So sitzen wir in der Küche, bis wir später zu „Katushka“ gehen: bei fetziger Balkanbeats-Band und überfüllter Tanzfläche ist auch das Klima schon bald alles andere als skandinavisch.

Forsränning zu Valborg

Forsränning zu Valborg

Traditionell beginnt der Valborg-Morgen mit einem Champagnerfrühstück, für das sich in meiner WG allerdings keiner begeistern will. Das hat auch Vorteile, denn um beim „Forsränning“, einer Art Badewannenrennen, einen guten Platz zu bekommen, sollte man nicht allzu spät kommen. Etwa 120 Crews versuchen die Jury und das Publikum durch die Gestaltung ihrer selbstgebauten Boote zu begeistern. Außerdem gilt es, die Staustufe des „Fyris“ herunterzukommen. Nicht alle schaffen das, ohne zu kentern.

Über zwei Stunden dauert das Spektakel, bevor es anschließend für die Feierfreudigen zum Park hinter dem „Ekonomikum“ geht. Der hat sich nun in ein riesiges Picknick verwandelt, wenn nicht gar in ein kollektives Besäufnis. Ob die Polizei das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit hier nur toleriert oder ob es ausnahmsweise mal erlaubt ist, entzieht sich meiner Kenntnis, es wird jedenfalls ordentlich gebechert. Das wechselhafte Wetter sorgt dazu für Stadionatmosphäre, Regenschauer werden ausgebuht, die Sonne bekommt Applaus. Richtig Spaß machen die 7 Grad aber trotzdem nicht. Obendrein muss ich feststellen, dass es nahezu unmöglich ist, Leute zu finden, die man treffen wollte, dass Handynetz ist längst zusammengebrochen. Ich begegne dafür ein paar bekannte Finninnen, die sogar einen Regenschirm mithaben.

Um 15 Uhr steht schon das nächste Event an, der erwähnte Countdown läuft gegen Null. Traditionsbewusste Schweden versammeln sich an der Bibliothek und begrüßen den Mai indem sie ihre weiße Studentenmützen schwenken. Einige dieser Mützen scheinen seit Jahrzehnten im Einsatz zu sein, dass kollektive Winken ist dann aber doch recht schnell vorbei. Auf die Mützen bin ich trotzdem etwas neidisch, warum hab ich selber keine?

In den Studentennationen folgt nun der sogenannte „Champagnergalopp“. Das kann man bei diesen Temperaturen getrost als Sektdusche zu Mainstreammusik abtun und den Hartgesonnenen überlassen, zumal das Ganze mit 100 Kronen Eintritt und nochmals soviel pro Flasche ein recht teuren Spaß ist. Auch der Park ist nun fast leer, sieht man einmal vom Müll ab. Ich geselle mich deshalb zu meinem schwedischen Mitbewohner und ein paar seiner Freunden in unsere WG-Küche. Sie trauern den 20 Grad des letzten Valborgs nach, man habe noch die ganze Nacht im Park gesessen und gefeiert.

Tatsächlich ist am Abend nicht mehr allzu viel los, mit ein paar anderen Austauschstudenten finde ich eine öffentliche Wohnheim-Party. Es scheinen sich genau so viele Leute die Treppe hoch- wie herunterzudrängeln. Oben angekommen, klebt der Fußboden so, dass man kaum tanzen kann. Da sitzen wir doch bald wieder in meiner WG-Küche und trinken Rotwein. Das Resümee des Tages: dank des kühlen Wetters bleibt das echte, enthusiastische, exzessive „Valborg in Uppsala“, wie es uns vorher vorgeschwärmt wurde, wohl vorerst ein Mythos. Aber wir waren da!

Fotos/Grafik: Anton Walsch

knäcke1Diese Kolumne ist Teil der Reihe “Biss ins knäckebröd”. Weil jeder ein bisschen Schweden abbekommen sollte, schreibt Anton seit dem 28. Januar jeden Montag über sein Auslandssemester an der Universität Uppsala. Hier kommst du zu den bisher erschienen Kolumnen.