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„Helan Går – das Ganze geht“ singt der Schwede traditionell zum Schnaps. „Wer kein Ganzes trinkt, bekommt auch kein Halbes“, heißt es da weiter. Ganz oder gar nicht, das scheint für das Trinkverhalten hier im Norden symptomatisch zu sein.

Der übermäßige Drang zur Flasche kam wohl mit der Industrialisierung, 40 Liter Schnaps pro Kopf sind schätzungsweise zu Beginn des 19. Jahrhunderts gekippt worden – vier mal so viel wie heute. Kein Wunder also, dass zur gleichen Zeit die Abstinenzbewegung aus Amerika herüber schwappte, die bald schon in verschiedenen Organisationen einen großen Teil der Bevölkerung hinter sich vereinte. Selbstbrennen wurde 1860 untersagt, über die Hälfte der Schweden setzten 1909 ihre Unterschrift unter eine Initiative für ein Totalverbot für Alkohol.

Doch der Staat wollte nicht gänzlich auf die berauschende Steuerquelle verzichten, ein Kompromiss musste her – ab 1917 gab es deshalb Alkohol nur noch in Rationen. Lockerer wurde es 1955, hohe Steuern und Aufklärung sollten den Schweden zu vernünftigem Genuss bewegen. Alkoholika über 3,5 Prozent werden seither nur im staatlichen Monopolunternehmen „Systembolaget“ verkauft, in dem man sich seit 1991 auch wieder selbst bedienen darf.

Ordentlich überlaufen ist es dort Samstagnachmittag kurz vor Ladenschluss. Während in der Woche von viele Schweden kein Tropfen angerührt wird, darf am Wochenende und zu Festen kräftig gesoffen werden. Und weil „Spätshop“ hier ein Fremdwort ist, muss der Rausch rechtzeitig kalkuliert werden.

systembolaget

Vor den Wochenenden sind lange Schlangen im Systembolaget keine Seltenheit.

Dass sich der Durchschnittsschwede ganze 9,4 Liter Alkohol im Jahr hinter die Binde gießt, liegt dennoch deutlich unter dem deutschen Konsum von knapp 13 Liter. Aber auch viele Gar-Nicht-Trinker gibt es noch, allein 250.000 sind Mitglied der organisierten Abstinenzbewegung. Für die nach wie vor hohe Preise ist Schweden ja hinlänglich bekannt. Erstaunlich schnell habe ich mich an etwa 1,50 Euro für ein 0,3er Bier und die Flasche Wein ab 8 Euro gewöhnt, und wer keinen Ausweis dabei hat, bleibt sowieso auf dem Trockenen sitzen.

Spätestens mit dem Beitritt zur EU hat sich Schweden 1995 mit seinem strengen Reglement selbst ein Bein gestellt, denn der freie Warenverkehr lies den Alkoholkonsum deutlich ansteigen. Vor dem Europäischen Gerichtshof wurde der Einkauf per Versandhandel aus dem Ausland erstritten, von privaten Reisen dürfen 10 Liter Schnaps, 90 Liter Wein und 110 Liter Bier für den Eigenbedarf mitgebracht werden.

Und was liegt da näher, als mit der Fähre mal eben nach Rügen zu schippern? Mit dem eigenen Auto sind die Fahrtkosten nach ein paar Flaschen gedeckt. Und ganze 760 schwedische Reisebusse, die lieber bei Aldi als bei den Kreidefelsen halten, will man in Bergen schon pro Jahr gezählt haben. Schwedisch-Pommern lebt wieder auf – Skål!

Fotos/ Grafik: Anton Walsch

knäcke1Diese Kolumne ist Teil der Reihe “Biss ins knäckebröd”. Weil jeder ein bisschen Schweden abbekommen sollte, schreibt Anton seit dem 28. Januar jeden Montag über sein Auslandssemester an der Universität Uppsala. Hier kommst du zu den bisher erschienen Kolumnen.