Der 13. Mai bescherte der Greifswalder Kulturszene denkwürdige Momente. Rainald Grebe, auf dem fliegenden Teppich gebliebener Kabarettist, bespielte den Studentenclub Kiste. Die Zigarette danach nutzte der moritz für einige Fragen.

Herr Grebe, sind sie das erste Mal in Greifswald?
Ja. Ich war schon oft in Mecklenburg-Vorpommern, in Greifswald komischerweise noch nie.

Waren sie schon in der Innenstadt?
Überhaupt nicht, nee. Wir sind heut sehr spät angekommen, gleich in die Platte gefahren, waren essen und das wars dann. Aber das sieht doch schonmal schön aus. Wir nächtigen ja heute auch hier.

Sie machen Couchsurfing bei Studenten?
Ja, wir wurden aufgenommen.

Richtig bekannt geworden sind sie ja mit einer Hymne über Brandenburg. Stimmt es eigentlich, dass sie sich dort jetzt einen Hof kaufen wollen?
Ja, das stimmt.

Können wir noch irgendetwas machen, um sie statt nach Brandenburg nach Vorpommern zu locken?
Ja, Angebote (lacht).

Sehr schön. Deswegen haben wir etwas Kleines mitgebracht…
Ah, eine Fahne. Ist das hier die Landesfahne?

Das ist die Greifswalder Fahne. Wir dachten wegen der Ähnlichkeit zu der Brandenburger Fahne, so als kleines Gastgeschenk. Freien Platz zum Wohnen würden sie hier im dünnbesiedelten Umland sicherlich auch noch finden.
Cool, danke. Aber zu groß darf es nicht sein. Am besten so eine kleine Datsche am Wasser.

Das ließe sich hier bestimmt auch finden. Außerdem haben wir festgestellt, dass Greifswald stark entschleunigt. Sie sind ja auch viel unterwegs.
Sehr viel, ja.

Ist das eigentlich ein Traumjob?
(überlegt) Insgesamt ja. Das habe ich mir früher gewünscht und jetzt hab ich es. Insofern ist es schon ein Traumjob.

Sie treten seit Jahren in nahezu allen TV-Kabarettsendung auf, haben mehrere Kleinkunstpreise gewonnen und füllen im Juni die Berliner Waldbühne. Hätten sie vor 20 Jahren gedacht, soweit nach „oben“ zu kommen?
Naja, das hat sich nach und nach so ergeben. Dass es gut läuft und viele Leute kommen. Aber ich habe mir das, glaube ich, mit 16 tatsächlich so vorgestellt (lacht).

Ein wahrgewordener Traum also?
Ja, das stimmt.

Sie singen ja viel über die neu „Öko-Bohème und Bionade-Biedermeier“ in der Gesellschaft. Wo würden sie eigentlich die typischen Studenten verorten?
Naja, ich kenn die ja gar nicht (lacht). Das Publikum heute war ja eher ganz in schwarz, viel Metall in der Lippe (lacht). Also ich kann es höchstens für Schauspielstudenten sagen. Die leben heute gesünder. Schauspieler waren früher immer die, die ganz lange gesoffen und geraucht haben. Heute haben viele immer ihr eigenes Töpfchen mit selbstgemachtem Essen dabei, Couscous oder Salat in der Tupperdose. Und gehen früh schlafen, weil sie ja am nächsten Morgen auch früh raus müssen. Ja, früher war das Leben sehr ungesund. Dieses gesunde Leben heute finde ich ganz bemerkenswert (lacht).

Nehmen sie die Rolle der Studenten heute grundsätzlich anders wahr?
Die Politisierung ist glaube ich heute nicht mehr so stark. Das kommt wohl auch von den verkürzten Studiengängen. Dieses schnell durchrutschen und nicht die Zeit nutzen, um zu leben, sich umzuschauen und erstmal dagegen zu sein. Man muss dafür sein (lacht). Sowohl für sein Studium und seinen Abschluss als auch dafür, dass man mit 23 dann schon eine Stelle hat.
Ich habe bisschen länger gebraucht und fand das eher gut. Ich hab mit 22 angefangen zu studieren, da hatte ich schon was erlebt und wusste schon mehr als direkt nach dem Abitur. Damals habe ich noch überhaupt nicht gewusst, was ich machen soll.
Abi 1990, da wollten alle möglichst schnell fertig werden und wussten schon ganz genau, was sie später mal machen wollen.
Das war mir immer suspekt, ich brauchte dieses Nicht-Entscheiden, dieses Rumrennen, etwas anfangen und auch mal was abbrechen. Wahrscheinlich ist es eben nur den wenigsten vergönnt, direkt zu spüren, was sie wollen. Insofern liegen da viele Leichen im Studentenwohnheim (lacht).
Ich komm ja aus so einem Akademikerhaushalt und mein Vater meinte immer, dass die Studentenzeit die schönste Zeit in seinem Leben war. Und ich dachte: „Man, was muss das geil sein“. Naja, im Endeffekt war ich ein Tag an der normalen Uni im großen Hörsaal, danach wusste ich, dass ist nichts für mich (lacht).

Kommt ihnen der eigene Aufstieg in den letzten Jahren eigentlich stetig vor oder gab es da einen bestimmten Punkt, von dem aus es richtig nach oben ging?
Ich hab ja erst vor sieben Jahren angefangen hauptsächlich Musik zu machen. Da war ich schon 33 und hab vorher schon zehn Jahre Theater gemacht, was ich bis heute eigentlich viel spannender finde. Ich war ja auch nicht mehr jung und dachte: „Oh, jetzt hab ich Erfolg“. Deshalb macht mir Musik vielleicht so viel Spaß, weil das für mich etwas Lockeres geblieben ist. Ich wunder mich eher, dass so viele kommen, weil die Sachen ja jetzt nicht Mario Barth sind, was so Millionen mögen oder verstehen. Es ist ja doch oft sehr speziell und komisch. Eben Sachen, die eher nicht jeder kennt. Aber das geht alles sein Gang und es ist schön, dass es so klappt.

Was kommt jetzt nach all den großen Bühnen und dem pompösen Abschlusskonzert im Juni in der Waldbühne?
Danach mache ich erstmal kleine Brötchen.

So wie die Kiste oder ein bisschen größer?
Das ist schon so eine Vorhut. Das habe ich mir gedacht, als ich ab Februar mit drei Tourtrucks durch Deutschland gefahren bin. War auch schön, aber jetzt brauch ich wieder mal was anderes. Gerade ist es wie Urlaub: Mit Franz (Licht und Ton, Anm. d. Red.) durch die Gegend gurken und in Läden spielen, die nicht viel an Licht-, und Tontechnik haben. In denen auch immer etwas schiefgeht. Das ist schon schön.

Sie haben ja ursprünglich Puppenspiel studiert. Kommt dieses Genre bei ihnen nochmal wieder?
Ja, das ist das nächste was ich mache. Das ist ein Stück am Maxim Gorki Theater über den Berliner Wahlkampf und das wird auch mit Puppen sein.

Sie haben ja im Laufe der Jahre Lieder über Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt geschrieben. Wieso eigentlich keine Hymne über ein „altes“ Bundesland?
Och, das hat irgendwann mal angefangen und jetzt aufgehört. Das war eine kleine Serie und jetzt ist der Zyklus vollbracht (lacht). Der Westen, der kann mich mal, der kann warten. Man muss jetzt nicht alles abgrasen.

Googelt man ihren Namen, so findet man in jeder dritten Rezension das Wort „Wahnsinn“. Brauchen wir mehr Wahnsinn in der Welt? Oder einfach nur mehr wahnsinnigen Humor?
Das ist immer so eine Frage mit diesem Wort, Wahnsinn. Ich war mal als Zivi in der Psychiatrie und danach dachte ich mir schon immer „Aha, alles klar!“, wenn jemand meinte, die und die Sache sei ja „verrückt“. Zwischen klinischem Wahnsinn und einer Art von Humor ist ja doch nochmal ein Unterschied.
Da finde ich diese Sache mit dem Humor, diese Einstellung alles ein bisschen leichter zu nehmen, schon besser. Das man jetzt eben nicht alles so festhält und den Zufall, oder wie auch immer man das nennt, akzeptiert.
Das ist jetzt wieder so ein politischer Satz, aber ich glaube das würde dem Land gut tun (lacht).

Herr Grebe, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Maria Strache und Ole Schwabe, die Fotos wurden von Ole Schwabe geschossen.