Sähe man die Universität Greifswald als pommerschen Gutshof, wäre die Philosophische Fakultät wohl der windschiefe Schafstall. Grillen an Ruinen sollte nun alle Gutsbewohner mithilfe eines gut gefüllten Trogs aus ihren Ställen locken.

Ein Donnerstag im Mai, durchwachsenes Sommerwetter. Durchschnittsstudent Ernst-Moritz verlässt kurz vor 20 Uhr und nach 90 Minuten Französisch Intensivkurs das Fremdsprachen- und Medienzentrum. Dementsprechend ist seine Laune. Fleischgeruch steigt ihm in die Nase, Musik und Gesprächsfetzen bahnen sich durch Überreste französischer Sprachkultur den Weg in seinen Kopf. Die verlockenden Reize führen ihn in den Hinterhof des Caspar-Davd Friedrich Institut (CDFI). „Grillen an Ruinen, bald auch an deinem Institut?!“ steht auf einem bunten Plakat. Noch weiß Ernst-Moritz nichts von der solidarisch-systemkritischen Unterfütterung dieses heimeligen Beisammenseins. Bewaffnet mit Bier und Bratwurst macht sich unser massenkompatibler Freund auf die Suche nach den Hintergründen dieser besonderen Form des Protests.

Das Grillen an Ruinen ist ein Produkt aus der miserablen Bausubstanz vieler Institute der Philosophischen Fakultät (PhilFak) und dem daraus entspringenden studentischen Unmut. Der Allgemeine Studierendenauschuss (AStA) und die Fachschaftsräte betroffener Institute riefen die Aktion Anfang Mai ins Leben. Nach dem CDFI wurden das Rechts-und Staatswissenschaftliche Institut, die Anglistik/Amerikanistik und abschließend das Schwergewicht raumproblematischer Auswüchse, das seit Oktober komplett gesperrte historische Institut begrillt. Und so konnte Ernst-Moritz bei den folgenden Aktionen eine mehr oder weniger bunte Mischung aus Gleichgesinnten, hochschulpolitisch-Omnipräsenten und Dozenten vorfinden.

Rund 150 Studierende seien im Durchschnitt vor Ort gewesen, berichtete AStA-Vorsitzende Anne Lorentzen. Immerhin etwas, denkt sich Ernst-Moritz, doch betrifft die zögerliche Investitionspolitik des Landes sowie das Abwarten seitens der Universität nicht deutlich mehr Komilitonen? Er erinnerte sich an seinen Frust im Juni letzten Jahres, als überraschend das Prüfungsamt samt zentraler Studienberatung unter morschen Dachbalken saß und, verbunden mit bürokratischem Mehraufwand, das Domizil wechseln musste. Bald darauf stellten Statiker fest, dass auch das Historische Institut auf tönernen Füßen steht. Unverzügliche Sperrung des gesamten Gebäudes samt Fachbibliothek war die Folge. Bleibt noch die Anglistik/Amerikanistik, vom äußeren Erscheinugsbild einem besetzten Haus nicht unähnlich. Im November 2009 verhüllten Studierende und Lehrende das Gebäude, um auf ihre missliche Lage aufmerksam zu machen.

Morsche Bausubstanz, angespannte Raumsituation, eingeschränkt verfügbare Fachliteratur. Droht den Instituten der PhilFak eine unendliche Geschichte?
„Die nächsten Wochen werden zeigen, dass man die Forderungen der Studierendenschaft nicht einfach so ignorieren kann.“ Franz Küntzel, Referent für Hochschulpolitik beim AStA und damit einer der Hauptorganisatoren der Mahnwache 2.0, findet deutliche Worte. Adressat ist die Universitätsverwaltung in Gestalt von Rektor Westermann.

Dieser hatte im Vorfeld die Weiterleitung eines Solidaritätsaufrufs in E-Mailform über den Universitätsverteiler unterbunden, offiziel aufgrund der mangelnden Relevanz für die gesamte Studierendenschaft. Genau diesem Seperatismus und Spaltertum solllte das Grillen entgegenwirken. Daher habe ihn die „Solidarität anderer Fachschaften sehr gefreut“, betonte Felix Pawlowski, AStA-Referent für Fachschaften und Gremien.

Gut gesättigt und leicht angeheitert blickt Ernst Moritz in den Sternenhimmel über dem historischen Institut, Schauplatz des finalen Grillens. Selten war Protest so gemütlich, der starken sozialen Komponente sei Dank. Die wichtigen Weichen freilich werden an anderer Stelle gestellt.

Hier wird die in den letzten Wochen geschaffene Öffentlichkeit für die Problematik noch von Bedeutung sein. Ernst Moritz wird das wöchentlich Grillen jedenfalls vermissen, geht doch hochschulpolitisches Interesse zuerst durch den Magen und die Leber. Doch keine Sorge: Anlässe für vielfältige Proteste wird es auch in Zukunft geben.

Ein Bericht von Ole Schwabe mit Fotos von Felix Norenz