Reinhard-Amler-arik-platzekReinhard Amler war 28 Jahre Mitglied der Greifswalder Lokalredaktion der Ostseezeitung (OZ). Seit 1996 war er deren Chefredakteur. Nun verlässt er Greifswald in Richtung Stralsund.

moritz Herr Amler, Sie verlassen Greifswald nach 28 Jahren in Richtung Stralsund? Warum nach so langer Zeit noch einmal der Wechsel?
Reinhard Amler Es ist nicht mein Wunsch, sondern eine Entscheidung meiner Chefredaktion.

moritz Wie motiviert man sich nach so langer Zeit an der gleichen Stelle, neue Dinge auszuprobieren?
Amler Ich motiviere mich, indem ich mir die positiven Dinge aufliste, die ich künftig haben werde und die negativen, von denen ich künftig verschont bleiben werde.

moritz Sie haben immer in Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet. Schon Ihr Volontariat haben Sie bei der OZ gemacht. Warum hat es Sie nie von hier weggezogen, zu größeren Herausforderungen?
Amler In einer Lokalredaktion zu arbeiten, ist eine große Herausforderung, weil man nirgendwo im Journalismus näher an der Masse der Leser dran ist.

moritz Sie sagen in dem Buch „Greifswald 1989“, als sie herkamen, sei Greifswald fürchterlich gewesen. Sehen Sie das immer noch so oder was hat sich verändert?
Amler Nein, Greifswald ist sehr schön geworden, wovon ich vor 1989 nur geträumt habe. Allerdings habe ich auch jetzt noch Träume, zum Beispiel den, dass sich das Umfeld des Rycks in eine Oase der Erholung verwandelt, ähnlich der des Stralsunder Hafenareals.

moritz Wie hat sich Ihre Arbeit durch die neue Konkurrenz Greifswalder Onlinemedien und Internetblogs verändert?
Amler Unser Tagesgeschäft hat sich dadurch nicht verändert. Wir nehmen sie zur Kenntnis.

moritz Werden die Online-Medien nicht auch überschätzt?
Amler Ich überschätze sie nicht und die Mehrheit unserer Leser sicher auch nicht.

moritz Haben Sie eine Abneigung gegen nicht ausgebildete „Möchtegernjournalisten“?
Amler Nein, ich finde, jeder darf sich einmal ausprobieren.

moritz Wo liegen die Herausforderungen des Lokaljournalismus in der heutigen Zeit des Zeitungssterbens?
Amler Ganz nah am Leser dran, aktuell und seriös über alle Facetten des lokalen Geschehens von der Politik über die Wirtschaft bis hin zum Lokalsport berichten. Dafür gibt es bislang keine Konkurrenz.

moritz Wie lange wird es denn noch eine eigene Greifswalder Lokalredaktion geben?
Amler Immer, so lange es die OZ gibt. Und die wird noch lange existieren.

moritz In „Greifswald 1989“ sagen Sie, in der DDR hätten Sie mit der Schere im Kopf geschrieben. Ihnen wird das heute von einigen Leuten immer noch vorgeworfen. Insbesondere Ihre CDU-nahe Berichterstattung. Was entgegnen Sie solchen Vorwürfen?
Amler Indem ich sage, dass vieles in der Greifswalder Entwicklung mit CDU-Politik in der Stadt verbunden ist. Außer von der Linkspartei (PDS) hat man über Jahre von den anderen Parteien wenig oder auch gar nichts gehört. Das hat sich natürlich seit einiger Zeit gravierend geändert, was auch in unserer Berichterstattung deutlich zu erkennen ist.

moritz Werden Sie nun umziehen oder täglich pendeln?
Amler Ich wohne in Wackerow. Von dort brauche ich zwischen 30 und 40 Minuten von und bis zur Redaktion.

moritz Sie sind schon sehr jung Chefredakteur geworden. Welche Hinweise können Sie Nachwuchsjournalisten geben, ebenfalls in dem Beruf erfolgreich zu sein?
Amler Sie müssen eine unbedingte Hingabe für den Beruf entwickeln und ihm auch manches Private unterordnen.

moritz Letzte Frage: Sie haben zwei ältere Kinder. Studieren sie in Greifswald? Wenn ja, welche Studienrichtung?
Amler Meine Tochter hat gerade ihren Bachelor in Politik und Privatrecht in Greifswald abgeschlossen, mein Sohn ist 12. Klasse und macht sein Abitur.

Das Interview wurde von Alexander Müller aufgezeichnet, das Foto wurde von Arik Platzek aufgenommen.